Читать книгу Soldatis und der König der Schattenalp: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 5) - Jork Steffen Negelen - Страница 4

Der schwarze Kristall

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Die Nacht legte sich wie ein riesiger Schatten über das Schlangental. Der eisige Wind fegte durch die Bäume, die den Weg eines Wanderers säumten. Immer wieder blieb dieser Wanderer stehen und er sah zu der Ruine der Schlangenfestung, die sein Ziel war. Vier kräftige Männer folgten ihm. Sie trugen eine schwere Last.

Der Wanderer sah zu den Männern und schüttelte den Kopf. »Setzt die Kiste ab«, befahl er ihnen. »Seid jedoch vorsichtig, sonst zerbrecht ihr das Geschenk. Dämonicon würde euch töten, wenn ihr nicht achtgebt.«

Die Männer setzten die Kiste in den Schnee, der am Tag gefallen war und atmeten erleichtert auf. »Der Weg ist steil, mein König«, sprach einer von ihnen zu dem Wanderer, der ein weiteres Mal zur Ruine sah. »Seitdem wir wieder am Leben sind, haben wir zwar an Kraft gewonnen, doch der Schnee setzt uns trotzdem mächtig zu.«

Ein finsterer Blick des Königs zeigte den Männern, dass solche Worte bei ihm nichts zählten. Hastig trank jeder von ihnen einen Schluck Wein aus einer Flasche, die einer der Männer bei sich hatte. Dann hoben sie die Kiste wieder an und trugen sie auf ihren Schultern weiter zu der Ruine.

Am Fuß dieser Ruine befand sich der Eingang zur Grotte, die Dämonicon als Behausung diente. Von dort sah sich der schwarze Zauberer in aller Ruhe die Schattenalps an, die mit ihrer schweren Kiste nur mühselig vorankamen.

Ein Dutzend Erdtrolle bereitete im hinteren Teil der Grotte eine magische Zeremonie vor. Tantara, ihr Anführer, passte mit strengem Blick auf, dass auch nicht die kleinste Unachtsamkeit geschah. Seine Erdtrolle errichteten einen Sockel aus schwarzem Marmor und stellten dahinter einen steinernen Tisch auf. Als Vagho mit seinen Männern schnaufend die schwere Kiste in die Grotte schleppten, rannten die Erdtrolle zu ihnen und rissen den Schattenalps beinah die Kiste von den Schultern. Es sah schon merkwürdig aus, wie diese Erdtrolle immer wieder ihre Hände zum Laufen benutzten, denn ihre Beine waren zu schwach. Sie trugen die Kiste vorsichtig zu dem Sockel und öffneten sie. Dann umringten sie das hölzerne Ding und staunten.

Dämonicon beugte sich über die Erdtrolle und sah ebenfalls in die Kiste. »Das ist ein schwarzer Kristall aus den tiefen Höhlen des Dämonenreiches. Vagho hat ihn an dem Ort gefunden, an dem ich einst in die Welt trat. Er hat ihn zu mir gebracht, damit er uns dient. Seine Macht ist groß, doch nur ich weiß, wie man ihn beschwört. Mit seiner Hilfe kann ich die Dinge finden, die mir gefährlich werden können …«

»Oder die Dinge, die dir nützen können«, sprach Tantara und verbeugte sich vor Dämonicon.

Der schwarze Zauberer nickte und betrachtete den Kristall. »Ja mein Freund«, sprach er zu Tantara. »Ich kann viele Dinge mit ihm finden, die mir nützlich sind. Doch ich suche etwas Bestimmtes.«

Die Erdtrolle hoben den Kristall aus der Kiste heraus und stellten ihn auf den schwarzen Sockel. Dann zogen sie sich zurück und verbeugten sich immer wieder.

Dämonicon trat lächelnd an den Kristall heran und berührte ihn mit beiden Händen. Sofort zuckten kleine Blitze und glutrote Flammen aus dem Kristall heraus. Sie fuhren in die Hände des schwarzen Zauberers. Doch das störte ihn nicht.

Dämonicon drehte sich zu Vagho und Tantara um und sah sie beide an. »Ihr bildet einen Kreis mit euren Männern und schaut mir zu. Dann werdet ihr sehen, was ich alles von ihm erfahren kann und ihr werdet erkennen, dass die Macht meines Vaters Imperos nicht zu brechen ist.«

Dämonicon stellte sich vor dem Kristall hin, der mit Blitzen und Flammen auf jede seiner Bewegungen reagierte. Die Erdtrolle und die Schattenalps umringten ihn mit gebührendem Abstand. Keiner sprach ein Wort und sie vermieden es, irgendein Geräusch zu machen.

Dämonicon hob beide Arme hoch und ließ sich von den Blitzen und den Flammen einhüllen. Dann sprach er leise immer wieder eine Beschwörung aus. Die Flammen loderten auf und die Blitze schossen in die Decke der Grotte. Sogleich bildeten die Flammen eine Kugel und die Blitze schossen in sie hinein. Leise sprach Dämonicon die feurige Kugel an und streckte seine Hände nach ihr aus. »Komm zu mir, du schönste Hüterin aller Geheimnisse. Ich will, dass du mir etwas zeigst, was für alle Ewigkeiten verborgen bleiben soll.«

Die Feuerkugel schwebte zu Dämonicon und er berührte sie mit seinen Händen. Er hielt sie dicht vor seinem Gesicht und flüsterte ihr leise seinen Wunsch zu. »Zeig mir die drei Kugeln, mit denen ich als Kind bei meinem Vater spielen durfte. Ich nahm sie mit in diese Welt und habe sie im Kampf verloren. Sie sind aus gelben Edelsteinen. In der ersten Kugel ist ein Skorpion, in der zweiten Kugel ist eine Spinne und in der dritten Kugel ist eine Schlange eingeschlossen. Ich will sie wiederhaben, denn sie besitzen eine Macht, die nur mir dienen darf. Zeig mir, wo ich sie finden kann.«

Die Feuerkugel schwebte weg von den Händen des schwarzen Zauberers und wurde schnell größer. In ihr bildeten die Blitze eine Landschaft ab. Dämonicon erkannte schnell, dass die Kugel und die Blitze ihm den Weg verrieten. Sie zeigte ihm zunächst die Stadt Viedana, dann die Sümpfe von Haltara und danach Isagrahl, die zerstörte Hauptstadt der Obinarer. Dann ging es nach Süden zu den Tieflandzwergen und weiter zu den Bergen eines Gebirges. In diesem Gebirge stand auf einem großen Berg eine Stadt. Die Feuerkugel zeigte einen Palast und führte Dämonicons Blick geradewegs in die Schatzkammer des Herrschers dieser Stadt. Dort, in den tiefsten Gewölben stand eine alte Truhe. Ihre Schlösser waren rostig und ihr Holz modrig. Schon lange schenkte niemand mehr dieser Truhe Beachtung.

Die Feuerkugel wurde immer kleiner und verschwand zusammen mit den Blitzen. Triumphierend drehte Dämonicon sich zu Tantara und Vagho um. »Na ihr beiden, was sagt ihr dazu?«

Der Erdhexer und der König waren in der Tat über alle Maßen beeindruckt. Tantara zeigte zu dem schwarzen Kristall und verbeugte sich, wie es schon immer seine Art war. »Dieses wunderbare magische Stück hat uns den Ort verraten, an dem sich die drei Kugeln befinden. Es tat dies auf eine Art, die mich zum Staunen brachte. Sag uns, was wir tun sollen, Herr. Wenn du es wünschst, so brechen wir noch heute auf und bringen dir deine Kugeln.«

Dämonicon verzog sein Gesicht zu einem hässlichen Grinsen und zeigte zu dem Kristall hin. Sofort schossen wieder Blitze und Flammen aus ihm heraus und berührten Dämonicon, ohne ihm etwas anzutun. »Dieser Kristall zeigt uns nur den Weg, doch er kann uns nicht die Gefahren erklären, die auf uns lauern. Nur, wer von euch genau hingesehen hat, der konnte sie erkennen. Habt ihr nicht bemerkt, dass wir keinen einzigen Bewohner in der Stadt gesehen haben?«

Vagho stimmte Dämonicon zu. »Ja mein Herr, du hast recht. Das ist uns bei all der Pracht entgangen. Doch jetzt fällt es auch mir auf.«

Der schwarze Zauberer trat an den König heran und tippte ihn mit seinem Zauberstab auf seine Brust. »Warst du schon einmal in dieser Stadt, mein lieber Vagho?«

Der König nickte zustimmend. »Man nannte diesen Ort einst Saphira, die Perle des Südens. Als ich noch König von Villbass war, habe ich oft daran gedacht, diese Stadt zu plündern. Doch ich habe diesen Gedanken immer wieder verworfen. Es war mir einfach zu gefährlich. Erst viele Jahre später, als ich mein Königreich bereits verloren hatte, erfuhr ich vom Untergang von Saphira. Ein mächtiges Feuer sollte dort alles vernichtet haben. Doch der Kristall hat uns gezeigt, dass dort kein Feuer gewütet haben kann. Es muss eine andere Macht gewesen sein, die alle Bewohner von Saphira vertrieben hat.«

Dämonicon hatte noch immer sein Grinsen im Gesicht, als er Vagho erneut mit seinem Zauberstab auf die Brust tippte. »Du bist ein kluger und umsichtiger Mann, Vagho, König der Schattenalps. Du hast ein großes Heer, das dir bedingungslos ergeben ist. Das brauche ich für die kommende Schlacht. Doch ich will diese Schlacht erst dann wagen, wenn ich eine Waffe habe, die ich gegen die Drachen verwenden kann. Deshalb brauche ich die drei Kugeln. Sie selbst sind nicht weiter wichtig. Doch die Tiere in ihnen sind von großem Wert. Wer auch immer die Kugeln zerstört, der herrscht über diese Tiere und kann sie in die Schlacht führen. Der Skorpion, die Spinne und die Schlange werden zu riesigen Monstern. Sie können nicht fliegen, doch die Spinne kann die Drachen mit ihren Netzen fangen und ihre beiden Freunde können sie mit ihrem Gift töten. Wenn diese drei Tiere ihr Werk getan haben, ist für uns der Weg frei und wir greifen nach der Herrschaft über diese Welt. Niemand wird uns dann noch aufhalten können.«

Voller Ungeduld trat Tantara dicht an Dämonicon heran. »Herr, sag uns, was wir tun sollen und es wird geschehen. Wenn du mich schickst, so hole ich dir diese drei Kugeln so schnell ich kann.«

»Das glaube ich dir gern«, erwiderte der schwarze Zauberer. »Doch du wirst eine andere Aufgabe übernehmen.«

Noch einmal tippte Dämonicon Vagho mit seinem Zauberstab gegen die Brust. »Du, mein Freund Vagho, du wirst mir die drei Kugeln holen. Gehe allein und nimm nur mit, was du auch wirklich brauchst. Und vergiss deinen Zauberstab nicht. Du wirst ihn brauchen, wenn du die Stadt erreicht hast. Bringe auch in Erfahrung, was die Bewohner von Saphira in die Flucht trieb. Vielleicht können wir auch diese Macht verwenden.«

Tantara war über Dämonicons Entscheidung nicht sehr erfreut. »Aber Herr, warum lässt du mich nicht nach Saphira ziehen? Ich hole dir bestimmt deine Kugeln und ich erfahre auch, was sich dort zugetragen hat.«

»Nein«, erklärte Dämonicon dem Erdhexer. »Du würdest dort in der Gegend nur auffallen und das will ich nicht. Saphira war einst eine stolze Stadt der Wüstenzwerge. Sie wohnen noch heute in den Bergen des Silbergebirges. Ein einzelner Schattenalp kann mehr bewirken. Besonders wenn er Vagho heißt. Er ist ein Meisterdieb, ein Giftmörder und ein treuer Freund. Niemand kennt sich besser mit den magischen Fallen aus, die die Zwerge in der Schatzkammer von Saphira vor langer Zeit legten. Vagho wird sie alle überwinden und du, mein Freund Tantara, du wirst dich mit Oxan und Uridon zu den Zentauren begeben. Ihr werdet nachschauen, ob alles in ihrem Lager seine Ordnung hat. Wenn der Winter vorbei ist und das Frühjahr erwacht, dann will ich die Schlacht wagen und meine Feinde vernichten.«

Dämonicon drehte sich um und ging zu einem Tisch, auf dem einer der Erdtrolle sein Essen bereitgestellt hatte. Der Geruch von frischem Brot und einem Hirschbraten stieg ihm in die Nase. Doch da war noch etwas anderes. Es lag wie ein feiner Schleier in der Luft. Vagho kam herbei und er roch es ebenfalls. Doch es war so schnell weg, wie es gekommen war und Dämonicon sah sich ratlos um. Der Schattenalp zog seinen Zauberstab und erhellte mit einem Feuerball die Umgebung. Doch es war nichts zu entdecken.

»Lass es gut sein«, sprach der schwarze Zauberer. »Das kommt bestimmt vom Essen. Für einen Augenblick dachte ich, ein fremdes Wesen wäre in die Grotte eingedrungen. Doch es wird wohl der Braten sein, der unsere Nasen in die Irre geführt hat.«

»So wird es sein, mein Herr«, erwiderte der Schattenalp. Er steckte seinen Zauberstab zurück in seinen Gürtel. Vielleicht hatte Dämonicon recht, doch Vagho blieb misstrauisch. Er schaute immer wieder in alle Ecken, doch es war nichts zu sehen. Deshalb ging er ins Freie und schaute sich vor dem Eingang der Grotte um. Die Spuren seiner Männer waren deutlich im Schnee zu erkennen. Auch seine eigenen Stiefelabdrücke fielen ihm auf. Sonst gab es jedoch nichts zu sehen. Vagho schaute in den mit Wolken bedeckten Himmel und er hörte das Rauschen der Bäume. Der Wind trieb hier und da den Schnee in die Höhe und ließ ihn tanzen. Er dachte an die Stadt Saphira und ihm kam ein alter Freund in den Sinn, der schon längst tot und begraben war. Der hatte ihm einst erzählt, dass die Stadt ihren Namen durch einen Zwerg bekam, der einen großen Saphir gefunden hatte. Es sollte ein faustgroßer Edelstein gewesen sein, der einfach so in der Gegend herumlag und in der Sonne funkelte.

Ob diese Geschichte stimmte, wusste Vagho nicht. Doch ihm fiel auch seine Schwester ein. Als sie beide noch Kinder waren, da hatte Irrsande ein Lied gesungen. Vagho hatte noch immer ihre helle Stimme im Ohr und ohne es zu wollen sang er ihr Lied. »Spiel nicht mit Saphiren, die Steine werden dich verführen. Ihr edler Glanz wird dich blenden und du wirst dich hin zum Feuer wenden. Spiel nicht mit Saphiren …«

Soldatis und der König der Schattenalp: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 5)

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