Читать книгу Soldatis und der König der Schattenalp: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 5) - Jork Steffen Negelen - Страница 5

Der Bettler von Krell

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In Krell, der Hauptstadt des Königreiches Avanura, gab es nur noch ein einziges Thema. Alles drehte sich jetzt um den Wintermarkt. Die Kaufleute kamen, um zu handeln, die Gaukler wollten mit ihren Kunststücken das Volk begeistern und die königlichen Steuereintreiber rieben sich schon seit Tagen die Hände. Doch es waren so viele Schaulustige auf dem Wintermarkt, dass niemand in der Stadt auch nur die geringste Übersicht hatte. Alle Wirtshäuser und Herbergen der Stadt waren brechend voll.

König Core von Avanura hatte den Hüter Dankwart von Arewall zum jährlichen Marktherrn ernannt und ihm somit die Oberaufsicht über das bunte Treiben übergegeben. Böse Zungen behaupteten, der König wollte dem Hüter nur so zum Spaß mit dieser Ernennung einen Streich spielen – was natürlich niemand beweisen konnte. Auf jeden Fall musste jeder der vielen Kaufmannsstände von Dankwart selbst gezählt werden.

Vor einem der zahlreichen Stände stand ein Kobold. Er handelte eifrig mit einem Kaufmann, der viele seltene Edelsteine, Muschelschalen und Perlen anbot. Das alles waren Dinge, die von dem Kobold gebraucht wurden. Doch der Preis für eine ganz besondere Perle war einfach zu hoch. Deshalb winkte der Kobold ab, als der Kaufmann ihm noch ein letztes Angebot machte. Dieser Kobold war Soldatis. Er schulterte seine Keule und verließ den Stand des Kaufmanns.

Leise schimpfte er vor sich hin. »So ein gieriger Kerl, der will doch glatt zehn Goldstücke für eine einzige Perle haben. Da gehe ich doch lieber zu den Fischern im Hafen. Die verkaufen mir eine Perle für ein einziges Goldstück und nicht für zehn.«

Soldatis ging zu einem Weinhändler und ließ sich einen Becher mit süßem Wein reichen. Als er den Becher ausgetrunken hatte und ihn zurückgab, da viel sein Blick auf einen Kartenhändler. Der Mann hielt allerlei Weltkarten hoch. Doch der Kobold sah schnell, dass alle Karten sehr ungenau waren und viele Orte nicht darauf standen. Deshalb zog Soldatis weiter. Er sah sich die vielen Stände an. Oftmals wurde er unsanft zur Seite gedrängt und es gelang ihm nur mit Mühe, sich den nötigen Platz zu verschaffen.

Nach einigen Stunden war der Kobold erschöpft und er verließ den Marktplatz. Etwas abseits saß ein alter Bettler. Er hielt eine Schale hoch. Mit flehendem Blick bat er immer wieder um eine Kupfermünze. Soldatis hatte keine Lust mehr, bei den Fischern nach Perlen zu fragen und er warf achtlos drei Goldstücke auf die Schale des Bettlers. Der Alte traute seinen Augen nicht und biss mit seinen letzten beiden Zähnen auf eines der Goldstücke. Dann steckte er sie schnell weg und lief, auf eine Krücke gestützt, dem Kobold nach.

»Halt, mein Freund«, rief er Soldatis nach. Als er den Kobold eingeholt hatte, zog er die drei Goldstücke aus einer Tasche seines zerlumpten Mantels. Er riss sich auch den löchrigen Filzhut vom Kopf und verneigte sich.

Soldatis sah ihn verwundert an und er wusste nicht gleich, was er sagen sollte. Doch der alte Bettler hielt ihm die Goldstücke unter die Nase und sprach mit brüchiger Stimme. »Das ist zu viel Gold, mein Herr Kobold. Soviel kann ich nicht annehmen. Ich gebe es dir zurück, und wenn du willst, so gib mir eine Kupfermünze. Dann erhältst du meinen Dank und ich schließe dich in meine Gebete ein.«

Soldatis schüttelte den Kopf und drückte die ausgestreckte Hand des Bettlers zur Seite. »Ich habe es dir gegeben, also will ich, dass du es nimmst. Kaufe dir dafür neue Kleider und nimm vorher ein Bad. Du riechst etwas streng.«

Beleidigt sah der Bettler mit finsterer Miene den Kobold an. »Na, wenn das so ist, so werde ich die Goldstücke behalten. Doch ich will sie erst ausgeben, wenn ich sie mir verdient habe. Das bedeutet für dich, dass ich vom heutigen Tage an dein Diener bin.«

Der Bettler zeigte mit dem spitzen Zeigefinger seiner rechten Hand zu Soldatis und grinste ihn frech an. »Na, was sagst du nun, du kleiner Kobold?«

Soldatis grinste zurück und zog seine Flugschale. »Du kannst nur mein Diener sein, wenn du mir folgen kannst. Doch da du das nicht schaffen wirst, musst du hier weiter betteln und ich kehre ohne dich und ohne die drei Goldstücke zurück in mein Tal.«

Der Kobold vergrößerte seine Schale, setzte sich auf sie und hüllte sich in eine Decke ein. Dann schwebte er in die Höhe und ließ den Bettler allein am Rande des Marktplatzes zurück. Zufrieden trieb er seine Flugschale zur Eile an. Ihm wurde kalt und er zog die Decke fester um seinen Körper zusammen. Er kam trotz der eisigen Kälte schnell über das brausende Meer. Bei einem der Fischerdörfer landete er und stieg von der Schale.

Soldatis war so durchgefroren, dass er sich am Lagerfeuer eines Fischers aufwärmen musste. Der Fischer gab ihm eine kräftige Suppe und einen guten Schluck Wein. Das half gegen die Kälte und gab neue Kraft.

Als Soldatis genüsslich den Wein trank, saß der Fischer neben ihm und stocherte mit einem Stock im Feuer herum. Ohne den Kobold anzusehen, stellte er ihm eine Frage. »Wieso fliegst du bei dieser Kälte mit einer Schale in der Luft herum? Hast du denn keinen Verstand?«

Soldatis trank den Becher aus und wischte sich den Wein aus seinem Bart, ehe er antwortete. »Als ich gestern nach Krell flog, da war es noch warm. Die Kälte kam erst in der Nacht und ich habe nicht die richtige Decke mitgenommen. Einen dicken Mantel hätte ich mir auch anziehen sollen. Doch nun muss es wohl ohne dem gehen.«

»Ich habe in einer alten Truhe noch Sachen von meinem Sohn«, sprach der Fischer und er sah den Kobold an. »Die kannst du haben, denn der Junge ist zu groß für seinen alten Wintermantel und die Fellmütze. Einen Schal finde ich bestimmt auch noch. Wenn du weiter in den Norden willst, wird es für dich verdammt eisig werden.«

Soldatis bedankte sich und hielt dem Fischer die Goldmünzen entgegen, die er noch hatte. Doch der lehnte ab und stand auf. Er ging zu seiner Hütte und kam nach einer Weile mit einem Bündel Sachen zurück. »Ich will dir die Sachen schenken, weil du einer der Kobolde bist, die für unseren König gekämpft haben. Kein anständiger Mensch würde von dir ein Goldstück annehmen. Das machen nur die gierigen Kaufleute in der Stadt.«

Soldatis steckte sein Gold wieder ein und bedankte sich. Er probierte den Mantel an und setzte sich die Fellmütze auf. In den Taschen des Mantels fand er einen Schal und zwei dicke Handschuhe.

»Das wird mir beim Fliegen helfen!«, rief er erfreut aus. »Schade, dass ich in der Stadt keine Perle gefunden habe. Ich wollte mir so ein strahlend weißes Schmuckstück kaufen.«

Der Fischer sah ihn verwundert an. »Zu welchem Zweck brauchst du denn so eine Perle?«, fragte er.

Soldatis zog ein Stück Pergament aus einer Tasche und hielt es dem Fischer entgegen. »Das hier ist ein Rezept für einen besonderen Trank. Mir fehlt nur eine Perle, die ich zu Pulver zerstoßen und mit den anderen Zutaten vermischen kann. Der Trank hilft bei vielen Krankheiten und er stärkt den Körper.«

Der Fischer hielt dem Kobold drei Perlen unter die Nase und grinste. »Ich gebe dir diese drei Perlen, wenn du mir einen solchen Trank brauen kannst. Meine Frau ist krank und es will keine Medizin helfen.«

Soldatis willigte ein und zog seinen Zauberbeutel von seinem Gürtel ab. Darin befand sich alles, was ein Kobold zum Brauen eines Trankes brauchte. Der Fischer staunte, wie schnell Soldatis seine Kräuter und Wurzeln auf einem Stein zerrieb und eine der drei Perlen zu Pulver zerstampfte. Dann warf der Kobold alles in einen kleinen Kessel und ließ es aufkochen. Danach füllte er den Sud in eine kleine Flasche und gab sie dem Fischer. »Das musst du deiner Frau gleich zu trinken geben. Sie wird sich bestimmt schnell erholen, denn der Trank ist sehr stark.«

Es dauerte eine Weile, doch als der Fischer wieder aus seiner Hütte kam, da war er überglücklich. »Ich glaube, es wirkt schon«, rief er voller Freude. Dann bedankte er sich für die Hilfe und er wünschte dem Kobold einen glücklichen Heimflug.

Nach drei Stunden kam Soldatis erschöpft und müde im dunklen Tal an. Die Nacht war schon hereingebrochen und er lief schnell durch den geheimen Tunnel. Vor dem Baumhaus fand er seine Brüder und die Minitrolle in heller Aufregung vor. Diese Aufregung vergrößerte sich noch beim Anblick von Soldatis.

»Da bist du ja endlich!«, fauchte ihn Barbaron wie eine Raubkatze an. »Wir warten seit Stunden auf dich und du treibst dich weit weg in Krell herum!«

Da hat mein König verdammt recht!«, rief gleich darauf der Hauptmann. »Dein neuer Diener ist viel schneller hier eingetroffen als du. Dir war wohl ein Wirtshaus im Wege, oder war es gar …!«

»Halt deinen vorlauten Mund!«, schimpfte Artur los. »Soldatis wird uns sicher gleich erklären, was es mit diesem zerlumpten Diener auf sich hat.«

Hinter Artur stand grinsend der Bettler. Er winkte dem staunenden Soldatis zu. Der zerlumpte Kerl trat dicht an ihn heran und begrüßte ihn überschwänglich. »Einen gesegneten Abend wünsche ich meinem Meister. Womit kann ich dir dienen, mein Herr?«

Soldatis traute für einen Moment weder seinen Augen noch seinen Ohren und erst recht nicht seiner Nase, denn der Bettler stank immer noch entsetzlich nach dem Straßendreck von Krell. Zu allem Übel fiel ihm erst in diesem Augenblick auf, dass sein neuer Diener kein Mensch war. Er hatte die spitzen Ohren eines Elfen. Das hätte er gleich sehen müssen, denn er wusste sehr gut, dass ein Elf niemals betteln würde. Bei diesem Kerl stimmte etwas nicht. Soldatis hob seine Keule und streckte sie dem Bettler entgegen. Sofort machten die anderen Kobolde und die Minitrolle Platz, denn sie wussten, dass die magische Keule von Soldatis einen erheblichen Schaden anrichten konnte.

Der Bettler hob beide Arme und versuchte den Kobold zu beschwichtigen. »Schon gut, du brauchst nicht gleich wütend zu werden. Ich erkläre dir und deinen Freunden alles. Damit bist du doch einverstanden, oder?«

»Was gibt es da zu erklären, du Gauner von einem Bettler?!«, brüllte Soldatis los. »Du brauchst ein warmes Lager für den Winter und ich soll nun für dich den Herrn spielen, damit du bei uns deinen Unterschlupf hast. Das ist dir doch glatt mehr wert als drei lumpige Goldstücke. Doch wie hast du überhaupt hier hergefunden, du bettelnder Elf? Das wirst du uns sofort erzählen, oder ich bearbeite dich mit meiner Keule!«

Der Bettler sah in die Gesichter der Kobolde und der Minitrolle und er erkannte gleich, dass von ihnen nicht so schnell Hilfe zu erwarten war. »Kann ich das alles an einem Ort erzählen, der ein wenig wärmer ist als die verschneite Wiese dieses windigen Tals? Mir ist nämlich entsetzlich kalt.«

Artur beendete die wütende Attacke von Soldatis, indem er sich zwischen dem Bettler und seinem Bruder stellte. »Du gehst in unser Baumhaus und legst deine furchtbare Keule weg, mein lieber Soldatis«, erklärte er recht laut. »Um deinen Diener kümmere ich mich.«

»Da helfen wir dir gern!«, rief Barbaron sofort und er rieb sich die Hände. »Dieser stinkende Kerl erhält erst mal in heißes Bad.«

Der König aller Minitrolle wartete Arturs Antwort erst gar nicht ab und rief sofort seinem Volk den nächsten Befehl zu. »An die Arbeit, meine lieben kleinen Minitrolle! Wir brauchen Feuerholz und den großen alten Kessel! Wir stecken den ganzen Kerl in diesen Kessel hinein und schrubben ihn mal ordentlich ab!«

Artur holte tief Luft, doch er konnte nichts mehr sagen. Die Minitrolle rannten sofort los und jeder hatte plötzlich etwas zu tun.

Barbaron stellte sich vor dem Bettler auf und sah ihn prüfend an. »Obwohl ich Rückenwind habe, kann ich dich riechen. Kein Wunder, dass Soldatis dich nicht zum Diener haben wollte. In deiner Nähe würde er kein Stück Brot essen wollen. Lass dir von Artur nach dem Bad neue Kleider geben. Der kann solche Dinge herbeizaubern.«

Artur verschränkte die Arme und sah den kleinen König aller Minitrolle mit funkelnden Augen grimmig an. »Ich wusste überhaupt nicht, dass du hier das große Sagen hast, Freund Barbaron!«

»Das habe ich absolut nicht, Freund Artur«, konterte der kleine König und zwinkerte mit seinem rechten Auge dem Kobold zu. »Doch ich muss leider feststellen, dass ich dir alten Kobold immer wieder auf die Sprünge helfen muss. Aber ich tu es ja gerne. Und überhaupt – zu was hat man denn Freunde? Sag es nur, wenn du Hilfe brauchst. Wir Minitrolle sind immer für dich da.«

Artur platzte fast vor Empörung, doch er konnte diesem frechen König einfach nicht so richtig böse sein. »Na gut!«, rief er und ging wütend zum Baumhaus. »Dann fertige ich schon mal die neuen Kleider für unseren Gast an. Zu was hat man denn Freunde?!« Mit einem lauten Krachen ließ Artur die Tür des Baumhauses hinter sich zufallen.

»Das hätten wir geschafft«, frohlockte Barbaron und er rieb sich erneut die Hände. Der Bettler beugte sich vor und streckte dem kleinen König seine rechte Hand entgegen. »Danke für deine Hilfe, doch das Bad … äh ich meine … das muss doch nicht sein, oder?«

Barbaron trat einen großen Schritt zurück und wedelte mit den Händen. »Doch das muss sein«, erklärte er. »Wenn du so übel riechend in eine Schlacht ziehen würdest, so würdest du sehr schnell allein auf dem Schlachtfeld stehen. Jeder Feind, der dir zu nah kommt, würde sofort das Weite suchen.«

Resignierend zuckte der Bettler mit den Schultern. Er sah den fleißigen Minitrollen bei ihrer Arbeit zu. Barbaron ließ mit seinen Zauberkräften den riesigen Kessel über einem Haufen Feuerholz schweben. Seine Minitrolle stützten ihn mit großen Steinen ab und entzündeten das Feuer.

Nun wurde ein Eimer Wasser nach dem anderen in den Kessel geschüttet und Barbaron prüfte selbst, ob das Wasser schon warm genug war. Er schwebte über dem Kessel und hielt einen Finger ins Wasser.

Dann stellte er sich vor sein versammeltes Volk hin und sein nächster Befehl hallte durch das Tal. »Packt ihn, macht ihn blank und schrubbt ihn ordentlich! Seine Sachen werden am anderen Ende des Tales verbrannt! Und passt auf, dass die Vögel dabei nicht von den Bäumen fallen!«

Mit einem listigen Grinsen betrat Barbaron einen Moment später das Baumhaus, um nach Artur und Soldatis zu sehen. Sein Volk leistete unterdessen an dem ärmsten aller Bettler ganze Arbeit.

Kaum betrat der kleine König Arturs Arbeitszimmer, da meckerte der Kobold auch schon los. »Wir haben Glück, dass die anderen Bewohner unseres Tales alle bei den Drachen in der Drachenhöhle sind. Was würden die wohl sagen, wenn sie den Bettler in dem alten Kessel sehen würden? Stell dir vor, Salia und Tabor wären hier - oder die drei Königskinder. Das wäre eine Blamage.«

Barbaron winkte ab und setzte sich auf einen Hocker. »Die Königskinder würden es für einen Spaß halten und laut lachen. Und der Rest würde mit rotem Kopf davonlaufen. Doch ich sage dir, mein lieber Artur, der Kerl ist nicht zufällig hier. Er sieht so aus, als ob er etwas suchen würde. Deshalb solltest du dir genau überlegen, was du ihn fragen willst.«

Artur stimmte dem kleinen König zu. »Du hast recht, mein Freund. Ich hätte auch eher darauf kommen können, dass du mit diesem Badespaß etwas Bestimmtes beabsichtigst. Es ist mir erst klar geworden, als ich mich auf meinen Stuhl gesetzt habe.«

Artur nahm seinen Zauberstab und schwang ihn über einen Ballen Leinen, ein Stück Leder und drei kostbare Pelze. Sofort verwandelten sich die Dinge in einen Haufen Wäsche. Barbaron war zufrieden und rieb sich schon wieder die Hände. »Jetzt bin ich gespannt, wie dieser Kerl in seinen neuen Kleidern aussieht.«

Eine halbe Stunde später saß der Bettler im Gästehaus an einem Tisch und aß ein dick bestrichenes Schmalzbrot. Dazu trank er einen starken Wein, der ihm allmählich zu Kopf stieg. Zufrieden wischte er sich den Mund mit einem Tuch ab und gab einen lauten Rülpser von sich. Dann streckte er die Arme aus und sah in die Gesichter seiner zahlreichen Gastgeber.

»Ich hoffe doch, du bist satt geworden?«, fragte Soldatis nach und er schaute den Bettler mit ernster Miene an.

»Ja mein Herr, das bin ich in der Tat«, antwortete der Elf und er schaute in den leeren Becher. Soldatis schob ihn einen Krug Wein hin und sah zu, wie der Bettler sich noch einmal einen ordentlichen Schluck eingoss. Doch er trank nicht einen Tropfen.

Er stellte den Becher zurück auf den Tisch und sah Soldatis nachdenklich an. »Ich weiß nicht, wer ich bin und ich weiß auch nicht, wie ich es geschafft habe, vor dir in diesem Tal zu sein. Doch als du mir die drei Goldstücke gegeben hast, da konnte ich deine Gedanken lesen. Du wolltest in dieses Tal zu deinen Brüdern und Freunden. Nirgendwo auf der Welt findet man eine so große Anzahl guter Zauberer, wie hier in diesem Tal. Ich hoffe, einer von euch kann mir helfen und mir mein Gedächtnis wiederbringen. Ich selbst vermag es nicht.«

Soldatis sah zu seinen Brüdern. Er versuchte zu erkennen, was sie davon hielten. Doch sie zuckten nur mit den Schultern.

Barbaron sprang auf den Tisch und stellte sich vor den Bettler mit verschränkten Armen auf. Er beugte sich ein wenig zu ihm vor und schnupperte. »Mein lieber Bettler, du riechst ja wie ein Strauß Blumen, die von einer Jungfrau gepflückt wurden. Mein Volk muss dir ja einen ordentlichen Schuss vom feinsten Duftöl in dein Badewasser gegeben haben. Doch das rettet dich nicht vor den Antworten, die du uns schuldest. Also, wie ist das mit deinem Namen. Kennst du ihn wirklich nicht?«

Der Bettler schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne ihn wirklich nicht. Ich würde ihn euch liebend gern sagen, doch ich habe keine Erinnerung. Ich bin in der Nähe von Krell vor sieben Tagen am Strand aufgewacht und weil ich nicht wusste, wo ich hingehen soll, habe ich mich in die Stadt geschlichen. Dort habe ich am Rande des Wintermarktes gebettelt und versucht, mich an irgendetwas zu erinnern. Doch es will kein klarer Gedanke kommen.«

Artur mischte sich ein. »Vielleicht wäre es klug, wenn wir Orbin und Albanarius benachrichtigen würden. Die kennen sich mit solchen Sachen besser aus.«

Barbaron war jedoch anderer Meinung. »Das schaffen wir selbst, mein lieber Artur. Du solltest ein wenig mehr Vertrauen in unsere Kräfte haben.« Der kleine König sah wieder zu dem Bettler und ihm schoss eine Idee durch den Kopf. »Leg dich doch mal auf den Tisch. Wir schieben dir eine Decke unter deinen Kopf, damit du auch weich liegst. Dann flöße ich dir einen Trank ein, den ich selbst gebraut habe. Der wird dir bestimmt helfen, denn er ist von bester Qualität.«

Erstaunt legte sich der Bettler auf den Tisch und ließ sich eine Decke unter den Kopf schieben. Barbaron setzte sich auf seinen Brustkorb und zog eine Flasche aus seinem Zauberbeutel hervor. Artur sah es mir Schrecken, doch es war schon zu spät. Der Bettler tat den Mund auf und trank, was ihm der kleine König aller Minitrolle in den Rachen goss.

Vor lauter Ekel schüttelte sich Artur und er drehte sich weg. »Das kann ich mir nicht ansehen. Der Kerl wird gleich durch das Dach ins Freie springen und rennen wie ein Hase auf der Flucht.«

Doch Artur irrte sich und als er wieder hinsah, da richtete sich der Bettler langsam auf. Er hatte seine Augen verdreht und stammelte lauter wirres Zeug vor sich hin. Die Minitrolle fanden das komisch und fingen an zu kichern. Doch Soldatis zog Barbaron zur Seite und gab dem Bettler eine schallende Ohrfeige. Sofort schüttelte sich der Kerl und sah Soldatis verständnislos an. »Wer bist du?«, frage er. Dann schaute er sich um. »Das ist nicht mein zu Hause. Wieso bin ich nicht in Solgard? Was wollt ihr von mir?«

Der Bettler sah sich erschrocken um und wurde blass wie ein frisches Laken. Dann sah er wieder zu Soldatis. »Ich bin … äh, ich bin Cylor, ein Nekromant … und … ein Freund von … A … Al …« Weiter kam er nicht, denn der Trank überwältigte ihn. Er schlief auf dem Tisch ein und schnarchte wie ein Bär im Winterschlaf.

Artur schüttelte den Kopf und hob beide Hände in die Höhe. Dann rief er so laut, dass es jeder im Gästehaus hören konnte. »Bei meinem Schöpfer, ich schwöre, dass ich mit dieser Art der Befragung nichts zu tun hatte. Sollte er vom Trank des Barbaron einen Schaden davon tragen, so soll er sich auch von Barbaron heilen lassen.«

Der kleine König aller Minitrolle ließ Cylor im Gästehaus in ein Bett schweben. Dann folgte er Artur in Freie. Vor dem Haus stellten sich die Kobolde auf und sahen zu Barbaron. Doch der grinste wie ein Schelm. »Was wollt ihr denn noch? Es hat doch geholfen und wir haben eine eindeutige Antwort. Wenn er wieder wach ist, so wird er erfreut sein, dass ich ihm helfen konnte.«

Noch bevor jemand etwas sagen konnte, lag ein leises Zischen in der Luft und Artur fing einen Minitroll auf. Ein Zweiter landete in den Armen von Soldatis. Die anderen Brüder fingen an zu lachen und der Bergboss klopfte Artur auf die Schulter. »Ihr habt sie beide ja gut gefangen. Nun nehmt ihr sie auch mit ins Baumhaus. Dort können uns diese beiden Späher berichten, was sie über Dämonicon erfahren haben.«

Artur zog die kalte Winterluft hörbar durch seine lange Nase ein, doch er sagte kein Wort. Er stellte lieber den kleinen Späher, den er aufgefangen hatte, auf seine Füße und schupste ihn sanft zur Tür des Baumhauses.

In dem Baumhaus wurde es schnell brechend voll, denn auch der kleinste Minitroll wollte sofort wissen, was die beiden Späher in Dämonicons Grotte hören und sehen konnten.

Soldatis und der König der Schattenalp: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 5)

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