Читать книгу Aphrodite Schatzsucherin - Jose DeChamp - Страница 11
Kapitel 6
Оглавление“Vielleicht verschwanden Göttinnen und Götter, als Menschen aufhörten an Wunder und Übernatürliches zu glauben. Helenen der Antike hatten Gottheiten des Olympus geheiligt. Ältere Kulturen hatten die Sonne verehrt und mit ihr die Frau als Spenderin des Lebens. Stämme des blauen Gaia Planeten gehen durch Zyklen. Völker kommen und gehen und mit ihnen ihre Gottheiten, Geister oder Mächte. - Ideen, Begriffe und Philosophien, die versuchen, das Unerklärbare zu erklären; Gott, Spirit oder das namenlose All-Eins. Die Erklärungen suchen, warum Menschen sind, wohin sie gehen, wenn ihre irdische Zeit beendet ist und wo ihr Platz ist im unendlichen Reigen.
Die jüngste Zeit der Menschen ist eine Ära der Ratio. Ratio als eine Geisteswissenschaft, die von jungen Menschen Europas und Nordamerikas begründet wurde. Eine Wissenschaft des Westens, eine männliche Wissenschaft. Sie sucht Instrumente zu entwickeln, die den Schatz des Lebens zu messen vermögen. Die Vorreiter der Wissenschaft glauben, das ihnen dies bald gelingen wird. Wer auf seiner Suche nach dem Schatz nicht den Gesetzen dieser Wissenschaft folgt wird ausgelacht.
Wunder sind nur noch in die Bücher der Kinder einwebt und sonst in Vergessenheit geraten. Denn dies ist eine Zeit der Entzauberung”.
Die maschinengeschriebenen Zeilen kleben in einer der Tagebuch-Kladden. Ich suche vergeblich nach einem Verfasser. Der Mann auf den ich warte, hat gerade angerufen. Er werde sich verspäten. Und so blättere ich erneut in Zsófia’s Aufzeichnungen. Zerstreut, wahllos. Mir wird kalt auf der Veranda der kleinen Bar, aber im Inneren ist es laut und dunkel und so hülle ich mich auf der Terrasse in meinen Umhang. “Zeit der Entzauberung”, seit ich denken kann, sind Glaube und Wunder für mich etwas, was den überwiegenden Teil des Jahres in Pappkartons verstaut wird und nur an Weihnachten für ein paar Tage herausgeholt wird. Um der Kinder willen und um gewisse Traditionen zu pflegen. Solange es der Geselligkeit zuträglich ist. Wenn ich beten könnte, würde ich Gott “Herr und Vater” nennen wo eine Athenerin des antiken Griechenlandes wohl Göttin Demeter um eine gute Ernte und Hermes um gutes Gelingen gebeten hätte. Aber so sicher wie sie sich des Sonnengottes Helios und seines Wagengespannes gewesen wäre, so sicher bin ich mir, dass selbst wenn es meinen väterlichen Gott gäbe, dieser für mich keine Ohren haben würde. So bin ich denn entzaubert und bislang hatte es mir nichts ausgemacht. Ich hatte keine grösseren Tragödien erleben müssen und keines göttlichen Trostes bedurft.
“Zeit des Zynismus und Zeit einer tiefen Hoffnungslosigkeit”, lese ich weiter. Ich hatte auflachen wollen, aber aus meiner trockenen Kehle bricht nur ein Husten hervor. Ich habe plötzlich einen tiefen Groll auf die Schatzsucherin und ihre Tagebücher.Was weiss denn sie von meiner Hoffnungslosigkeit? Mit welchem Recht bricht das Schicksal über mich herein? Und warum soll ich mich inmitten meines Trümmerhaufens auf die Suche nach der Schatzsucherin machen?
Ich blicke wie von einem Magnet gezogen auf. Ein langhaariger, dünner Rock’n’Roll Jesus blickt auf mich herunter. “Antje?” Mein Lächeln ist nur ein Zähneblecken und ich stehe auf um ihm die Hand zu reichen. Da beugt er sich bereits zu mir herunter, umarmt mich und drückt zwei Küssen auf meine Wangen. Dabei kitzeln seine langen, welligen Haare meine Nase. Breitbeinig setzt er sich neben mich und ich betrachte verstohlen seine blossen tätowierten Arme unter einer Lederweste. Er spricht in breitem, englischem Cockney, macht ausgreifende Armbewegungen und demonstriert eine geradezu väterliche Herzlichkeit, die im Kontrast steht zu seiner langen, dürren Gestalt. Ich starre auf seine Achselhaare, dann zurück auf Totenkopf Tattoos und Hieroglyphen. Auf seinem Bauch prangt eine Adler mit ausgebreiteten Flügeln.
Er spricht von einem Live Konzert am Wochenende. Ich zwinge mich, Interesse zu zeigen. “Ich setze dich auf die Gästeliste Antje”, er berührt sachte meinen Unterarm und es tut mir gut. Taut mich ein wenig auf. Dann springt er auf. “Ganz vergessen, ich muss den Jungs helfen, die PA abzuholen.” Ich starre ihn verblüfft an. “Ja, die Anlage für unsere Gigs.” Ich halte ihm die Wange zum Abschied hin aber er gibt mir eine ungestüme Umarmung und einen Kuss auf meinen Haarscheitel. Dann wandert er breitbeinig auf langen Beinen davon.
Das also ist Dante. Ein ehemaliger Freund der Schatzsucherin. Ich stecke den Konzert Flyer in meine Tasche. Schlendere zurück zur Studiowohnung in der Delancey Street. Streiche über weissgestrichene Bücherregale. Photographie Bänder, Drehbücher, Fachbände über Kameraführung, technische Anleitungen. Maximilian ist Cinematographer und Filmemacher.
Ich entdecke metaphysische Sachbücher im Regal. Ich habe nicht gewusst, dass Maximilian sich dafür interessiert. Wir hatten das Studio Flat gemeinsam gefunden. Maximilian hatte so viele Aufträge in London gehabt. So hatte er die Arbeitstage hier verbracht und war zwischen Filmprojekten nach Hause gekommen. Am Anfang war ich manchmal mitgefahren, Penelope bei Maximilians Eltern und wir wie Jungverliebte in London unterwegs. Irgendwann war ich nicht mehr mitgefahren. Nikolas war geboren, er schrie viel als Baby, brauchte so viel von mir. Ich war müde, immerzu müde. Meine geschwollenen Brüste gaben Milch, mein Ganzes gehörte den Kindern und ich hatte kein Verlangen danach, meinen Körper auch noch mit Maximilian zu teilen. Er nahm es hin. Wir waren glücklich mit unseren Kindern. Er war verrückt nach ihnen. Wir hatten Ausflugs und Spielwochenenden mit Kinderparties und anderen jungen Eltern. Schöne Tage, aber wir waren an einem Punkt angekommen, an dem wir uns am Besten in Gesellschaft anderer verstanden. Gegenseitig unsere Sätze beendend, neckend Anekdoten zum Besten gebend und erstaunt über das unangenehme Schweigen, sobald wir miteinander alleine waren. Ich war jedes Mal ein wenig erleichtert, wenn Maximilian wieder nach London fuhr. Ich hatte meine feste Routine. Routine ist wichtig für Kinder. Maximilian hätte das durcheinander gebracht. Ich schaue mich in der hellen Altbauwohnung um. Werde Kartons kaufen müssen, sortieren, packen und der Gedanke daran füllt mich mit Kummer. Ich greife den Pullover über dem Stuhl. Er riecht nach Maximilian. Ich vermisse ihn.