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Die Geldmacher

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„Ich habe bisweilen den Eindruck, dass sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanzmärkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden." (Prof. Hans Tietmeyer, Weltwirtschaftsforum Davos 1996)

Wo es um Macht und Herrschaft geht, geht es primär um deren Akteure, um beherrschte und herrschende Klassen. Dass das heute nicht mehr so einfach gestrickt ist wie zu den Zeiten von Marx und Engels, hat uns die Entwicklung in den letzten hundertsechzig Jahren gezeigt. Das haben uns Imperialismus, Realsozialismus, Faschismus und auch die neoliberale Globalisierung gelehrt.

Dennoch wäre es sinnlos, von Hegemonie, Neoliberalismus, von Finanzkapitalismus und mehr zu reden, wenn wir keine Vorstellung von der subjektiven Seite dieser Zusammenhänge und insbesondere fast keine Vorstellung von den Netzwerken der dominanten Akteure, haben.

Nicht der Neoliberalismus existiert als übermächtige Macht. Nein, immer sind es Personen, die in seinem Sinn agieren!

In den Tagen der gemachten Eurokrise haben wir uns alle an die große Weltwirtschaftskrise von 1930 und an die damals praktizierte Alternativen erinnert: An die Aufwertung staatlicher Wirtschaftsaktivitäten, wie etwa im Roosevelt‘schen New Deal – aber eben auch an die autoritären Alternativen zu den >demokraturischen Formen< bürgerlicher Herrschaft, wie an die faschistischen Befehlsgesellschaften.

Ein Bestandteil dieser Erinnerungen und höchst bedenklich, ist die These, dass der ganze Schlamassel erst durch einen Weltkrieg beendet werden könnte. Klar: wenn erst einmal alles zerbombt oder zerschossen wurde, könnte man ja wieder neu aufbauen. So schafft man wieder ein >Wirtschaftswunder<. So, die Ansicht der Irren.

1945 jedenfalls verhalf diese Lösung dem angelsächsischen Kapitalismus zu einem nie dagewesenen Aufschwung.

Dabei wird übersehen, dass Varianten des Weltkriegsszenarios unsere Gegenwart längst beherrschen. Die unselige NATO steht kampfbereit an Russlands Grenzen, die Verbrecher in Nordkorea erwarten stündlich die Bomben der US-Luftwaffe und ähnliches mehr.

Ein Irrglauben wäre es anzunehmen, dass Waffen nur zu dem Zweck produziert werden, um sie einige Jahrzehnte zu verschrotten.

Nein!

So wird das nicht gespielt!

Die Herrschenden wenden ganz bewusst sehr subtile Methoden an, um ihren Einflussbereich zu erhalten und zu vergrößern, ohne daß es den Massen sonderlich auffällt?

Was diese >Elitenherrschaft< angeht, gibt es einige amerikanische Exportartikel: Erstens die Machteliten-Konfiguration im Gefolge des New Deal und des Zweiten Weltkriegs, in welcher der alte Reichtum von Verwaltungseliten, Spitzenexperten, Großwissenschaftlern, Gewerkschaftlern, Konzernmanagern, politischen Generälen und politischen Direktoraten umringt und bewusst eingeengt wurde. Das trifft speziell auf die USA und das ihr hörige Großbritannien zu.

Zweitens: Die daraus folgende ungleiche Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen Systemen (Kapitalismus versus Sozialismus3) und der daraus resultierende entstandene militärisch-industrielle Komplex.

Dieser Pentagon-Kapitalismus hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges und nicht zuletzt unter dem Einfluss der neuen Informationstechnologien sogar noch enorm ausgeweitet und stabilisiert, so dass er heute mächtiger ist als der Finanz- oder Wall Street Kapitalismus.

Etwa 650 Milliarden Dollar(!) geben die USA 2017 für Waffensysteme aus. Den Hunger auf der Welt könnte man mit 6 Milliarden Dollar(!) beseitigen!

Bis in die 1970er hatten wir es in den USA - im Vergleich zu anderen High-Tech-Nationen wie Japan oder den Europäern - mit einem stetigen Anstieg der Produktivität zu tun. Das heißt, durch den laufenden technischen Fortschritt konnten die gleichen Produkte immer kostengünstiger hergestellt werden. Trotzdem stiegen die Profite kontinuierlich an und auch die Einkommenssteigerung der abhängig Beschäftigten verlief dazu in einer ansteigenden Kurve.

Mit den Reaganomics setzte sich die Steigerung der Produktivität fort, die Automatisierung war da und die informationstechnologische digitale Revolution kündigte sich an.

Die Profite, nicht zuletzt im Bereich des Militär-Industrie-Komplexes, stiegen. Erstmals wieder auch der prozentuale Anteil der Superreichen (ablesbar etwa an der Zahl der Milliardäre).

Nur eine Kurve begann sich zu verflachen: die Realeinkommen aus abhängiger Beschäftigung. Mit anderen Worten, die Realeinkommen der arbeitenden Klassen stagnierten bzw. begannen seit Ende der 90er Jahre sogar zu sinken.

Steigende Produktivität, steigende Profite, sinkende Arbeitseinkommen: das führte zu einem ungeheuren Schub der Kapitalakkumulation in den Händen der Profiteure, bei den privaten und institutionellen Geldvermögen.

Was konnte und sollte man mit diesen enormen Geldmengen machen? In die industrielle Produktion investieren? Gut und schön, aber die Rendite war nicht besonders hoch. Es wurde dies also die Zeit, in welcher – und auch das ist eine uralte Börsentradition – das Spekulieren auf den Kapitalmärkten sich enorm beschleunigte.

Es war eine Phase, in welcher riesige Mengen von Geldkapital sich aus der Warenform befreiten und Akkumulation vornehmlich durch Geldgeschäfte (financial deals) erfolgte.

Dadurch wurde von Grund auf verändert, wie Macht und insbesondere Geldmacht ausgeübt wurde. Die Besitzer des großen Geldes, realisierten mit Hilfe der neuen Informationstechnologien eine immer noch bestehende Art von >Finanz-Faschismus<. Für viele schwer vorstellbar, dafür weltumspannend.

Diese weltweit vernetzte ultra-reiche Klientel ist umgeben von Konzern- und Finanzeliten, die in ihrem Dienst und auf ihre Rechnung ständig neue Möglichkeiten der Kapitalakkumulation erkunden und erfinden.

Ihnen wiederum zur Seite stehen politische Eliten, die mit neuen Umverteilungsmodellen experimentieren, um den gesellschaftlichen Reichtum weiterhin möglichst geräuschlos von unten nach oben transportieren. Ohne den sozialen Konsens allzu sehr zu gefährden.

Das alles geht nicht ohne das Millionenheer von Technokraten und Experten; versiert in analytischen, symbolischen und affektiven Spielarten der Vermögensbehandlung. Der >Investmentbanker< wurde zu einem gehobenen Berufsbild; mittlerweile wieder zu einem verachteten.

Das entscheidende Kriterium ist und bleibt das Geldeinkommen und das vorhandene Geldvermögen.

Wenn also von den exorbitanten Managergehältern die Rede ist, wenn etwa der geschasste VW-Boss Martin Winterkorn eine Abfindung von 28 Millionen Euro, eine Tagespension von 3.100 Euro und eine Heizung für sein Fischbecken erhalten hat, so ist das zwar für unsere Begriffe unvorstellbar viel, dennoch handelt es sich bei all diesen raffgierigen einstigen Spitzenmanagern machtmäßig nur um eine mittlere Ebene. Ihr frei verfügbares Geldvermögen reicht bei weitem nicht an das der etablierten Superreichen heran.

Warum, meinen sie, bewerben sich geschasste und nichtgeschasste ehemalige Spitzenpolitiker mit oft peinlichen und unglaubwürdigen Argumenten um die hoch dotierten Jobs in der Wirtschaft? Ein ekelerregendes Beispiel dafür ist der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder. Um es ganz kurz zu sagen: das unablässige Ranking nach Geld und Vermögen – einschließlich der Verbannung von immer größeren Teilen der Bevölkerung aus diesem – spiegelt wie kein anderes Kriterium glasklar die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft.

Der Zusammenhang zwischen der Einkommensfrage und der Machtfrage ist klar gegeben.

Machteliten und Funktionseliten.

Macht drängt immer dazu, sich zu monopolisieren und die Gruppen, die Unterstützungspotenzial versprechen, zu vereinnahmen und andere, die das nicht können, brutal auszuschließen.

Ganz gewiss einer der Gründe für die sozialen Unruhen in aller Welt! Die Schere zwischen Armut und Nichtarmut klafft immer weiter auseinander!

Und wir Tölpel fressen immer noch den Unsinn, dass die Geldmacher ihr Geld ja nur deswegen machen (müssen/wollen), um Arbeitsplätze zu sichern oder neue zu schaffen!

Irgendwann hat man uns doch erklärt, dass doch auch die Politik dafür indirekt verantwortlich wäre. Arbeitsplätze kann man ja auch durch die Vergabe und Forcierung öffentlicher Aufträge schaffen – oder?

Übersehen wir aber dabei nicht, dass kein Politiker ein einzeln handelndes Individuum ist, sondern in politische, ökonomische, kulturelle und soziale Strukturen eingebunden ist. Ein Systemwandel kann nicht aus diesen Kreisen heraus bewerkstelligt werden; abgesehen davon, dass er gar nicht erwünscht ist.

In mancher Hinsicht impliziert dies eine Rückkehr zu jener Vision des Kapitalismus, die Marx einst im Kommunistischen Manifest formulierte.

Dieser Kapitalismus hat sich eine transnationale Gesellschaftsformation geschaffen, in welcher die Herrschenden von vornherein globalen Charakter haben. Denken sie nur an Konzerne wie >Starbucks, Amazon, Coca-Cola, Google< und mehr.

Könnte sich ein neuer Klassenkampf im virtuellen Bereich manifestieren?

Der amerikanische Militär-Industrie-Komplex hat, das wird heute oft vergessen, bereits einmal eine zentrale welthistorische Rolle gespielt. Geformt im Prozess des Zweiten Weltkriegs und mit der Singularität der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki weltbühnenreif geworden, kam seine welthistorische Stunde allerdings erst mit dem Eintritt der USA in den Koreakrieg 1950. Der Rüstungshaushalt sprang von 13 Mrd. Dollar im Jahre 1951 auf 50 Mrd. Dollar 1953 (damals eine ungeheure Summe). Damit hatten die interessierten Kreise der USA die US-Wirtschaft in eine permanente Kriegsökonomie und den Kalten Krieg in ein gewaltiges imperiales Projekt umgewandelt.


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