Читать книгу Von Weiten und Zeiten - Josef Mugler - Страница 5
ОглавлениеVon den Weiten
Aufbruch
Bin losgerannt,
weil mein Verstand
in Moll und Dur
Neues erfuhr.
Hat über Nacht
Schnee gebracht.
Löschte die Spur
nach letzter Fuhr.
Kam in das Land,
so unbekannt,
hab dich gesucht
und dir geflucht.
Hier ungeahnt,
weisend dich fand.
Zagendem Blut
wuchs neuer Mut.
Aus dunkler Nacht
rief mich mit Macht
dein sanfter Kuss
zum guten Schluss.
Auf Wanderschaft
Der Wald droht immer dunkler
und dornig das Gestrüpp.
Wo führt der Weg, den ich gewählt
mit all der Zuversicht der Jugend?
Ich sehe ihn nur hinter mir.
Geleite mich zurück zur Gabel!
Dort will ich nochmals wähnen,
ob nicht der andere taugte,
wo in der Ferne die Zitronen blühn,
im dunklen Laub die Goldorangen glühn.
Kennst du das wohl?
Hier ist die Krümmung wieder!
Doch wüst und dürr die Fluren,
auch dort und da und überall.
Lass uns ein wenig rasten!
Sturm und Sonne
Kalt gefühlter Sturm,
du treibst die weiße Herde
hierher und wieder fort.
Kindermorgentraum wird wahr
und straft die Alten Lügen,
die dich als Schreckgespenst
erleben in ihrem Abgesang.
Das dumpfe Flehen erstickt
im dichten Flockentreiben.
Die Jungen hören uns nicht.
Warm gefühlte Sonne,
du machst nach außen blind
und zugleich inwärts sehend,
senkst deine Strahlen
direkt ins Herz hinein
und dehnst es aus
und immer praller
über den Horizont
zu neuen Weiten,
Unendlichkeit verheißend.
Vorschlummer
Driftet Schlummer nachtwärts,
fällt plump auf tönerne Masken,
zerreißt in tausend Fratzen
zu durstiger Wipfel Ruh,
zerschellt am Felsen Wahrheit,
hängt sehnend Vorgedachtes
an krumm geschlag’ne Nägel
im Vorraum zur Unendlichkeit.
Faselt von Sein und Werden
auf fein gesiebtem Humus,
kracht schallend auf Asphalt,
pflügt Furchen in die Haut.
Geläut der heiligen Glocken
benebelt im buchtigen Luxus
Fratzen von gaffend Greifenden,
stöhnend in wallender Gier.
So dehnt sich Grelles in Fahles
vergessend die sehrende Sendung.
Vorbei am Pendel der Uruhr
beschleunigt das Wort sein Ziel.
Auf wolkigen Polstern schwebend
zerfließt es in deutende Bilder,
wirft Anker auf brechender Woge
und schwappt über dein Deck.
Rast
Zur Herberge drängte mein Schritt,
als ich über gischtendes Wasser
hinüber wollte auf festes Land.
Dein Garten samt kühlem Gemäuer
nahmen mich auf: den Flüchtigen
des Lebens aus der weiten Prärie,
die im glimmenden Licht ferne liegt,
mir die sanfte Oase widerspiegelnd,
über die ich hinausgewachsen bin
hoch über den Sand in das Paradies,
das verheißene, ersehnte, vermeintliche.
Nun harre ich hier im kahlen Geviert,
behütet, gefangen, befangen, behangen
mit dem Ballast aus verlassenem Leben,
den ich, geschleppt auf krummem Rücken,
nicht abkippen konnte auf die Deponie,
die ihre Arme lüstern danach streckte
und aufheulte, als ich meuchlings floh.
Ob sich der Klunker wieder belebe,
auf dass ich was vorzuweisen hätte
im nächsten Quartier, das mir gebucht?
Wenn ich es nur fänd‘ ohne Umweg,
wie ich hierher gelangte so forsch.
Jetzt kann ich nicht länger weilen:
Zu Ende die Rast! Macht auf!
Zwickmühle
Mittendrin war ich euer Kind,
glücklich, voll Lust und Drang.
Doch als ich aufwuchs und ging,
sah ich euch näher kommen bang.
Von beiden Seiten, Schritt für Schritt,
habt ihr mich eingesperrt dazwischen.
Du gibst von hinten mir ´nen Tritt
und aus deinem Maul ein Zischen.
Und dich seh‘ ich vor mir, immer breiter,
sperrst mir den Weg zu meinem Glück.
Schreie euch an: Wo geht es weiter?
Kann nicht mehr vor und nicht zurück!
Nehmt mir die Luft zum Atem Holen,
nehmt mir den Raum zum Fliehen,
presst meine Füße auf glühende Kohlen.
Lasst mich doch endlich weiter ziehen!
Ich will dich wieder sehen 1
Ich will dich wieder sehen,
wie du warst im ersten Anblick
deiner glatten Haut, die sanft
die Sonne mir entgegensandte.
Ich will dich wieder spüren
ganz fest um mich herum,
wie du mich hast liebkost
mild und kühl zugleich.
Ich will bei dir sein wieder,
wenn du barmherzig mir
neue Sehnsucht und Erfüllung
gibst wie eh, mein Meer.
Ich will dich wieder sehen 2
Ich will dich wieder sehen,
Land hinter dem Tibidabo
so wie du warst auf erster Fahrt
zum Campus über deinen Wunden.
Aus schneegrauer Flur entflohen
nahmst du mich an und auf
in deinem frischen Blütengarten
und streutest mir Sonnenstrahlen.
Erwartungsvoll will ich noch einmal
die Jugend spüren in deinem Schoß,
der mir Welt ward, große Welt,
mein liebes Bellaterra.
Arkadien und Elysien
Arkadien und Elysien,
weh, dass ich euch so früh verlor!
Seid ihr mir aber doch noch nah,
dann kommt aus dem Versteck hervor!
Und bringt mir eure neuen Weisen,
dass ich sie weitergeben kann.
Einst werde ich euch doch bereisen,
wenn ich hier nichts mehr sehen kann.
An der Hermesvilla
Wo seid ihr,
Engel der Liebenden?
Wo seid ihr,
Engel der Ringenden?
Wo seid ihr,
Engel der Wachenden?
Wo seid ihr,
Engel der Ruhenden?
Wo wart ihr,
als sie lieben wollte?
Wo wart ihr,
als sie ringen wollte?
Wo wart ihr,
als sie wachen wollte?
Wo wart ihr,
als sie ruhen wollte?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich lieben will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich ringen will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich wachen will?
Wo werdet ihr sein,
wenn ich ruhen will?
Im heiligen Hain
Wer bringt uns den Speer zurück,
da wir Parsifal verloren?
Wer schickt uns, wen wir brauchen zum Glück,
da uns der Gral nicht erkoren.
Warum jagen wir immer noch Schwäne?
Wir wohnen im heiligen Hain!
Warum tropft aus dem Aug‘ eine Träne?
Es kann doch nicht besser sein!
Der richtige Weg
Wo ist, was sie Himmel nennen?
War ich nicht schon einmal dort?
Trugen ihn die Engel fort?
Der die Schlüssel trägt in Händen
möge mir das Navi senden,
dem ich blind vertrauen kann,
wenn die Augen dann und wann
Weg und Richtung nicht mehr sehen.
Will nicht in die Irre gehen!
Baustelle
Brettersplitter, Schotterpfützen,
Leitern lehnen an der Wand,
schwere Schuhe schlürfen patschig
über ölgetränkten Sand.
Schutt und Aushub von der Grube
schlucken hungrig Schiebetruhen.
Im Gebett von frischem Mörtel
Fensterstöcke schläfrig ruhen.
Roter Mohn und blaue Warten
schau’n herab vom Unkrautthron,
hören in verschied’nen Sprachen
fluchen über Menschen Fron.
Und die alte Mischmaschine,
wartend auf des Maurers Akt,
dreht sich mit verbeulter Miene
rostig im Dreivierteltakt.
So wächst Schicht um Schicht hinan,
drauf Gehölz zur Daches Gleiche.
Stellt euch schnell zum Umtrunk an,
dass der Segen niemals weiche!
Die Welt
Die Welt ist der Ort,
wo alles und nichts sich berühren,
unendlich erscheinende Endlichkeit,
weilendes Weh, blitzende Lust.
Ist das alles, was der Fall ist?
Einst im 360er
Das Fräulein vis-a-vis
und Regen in der Nacht.
Ein Strich aus dem Auge
und rosa der Mund!
Wir fuhren mit der Straßenbahn
dahin in Nacht und Licht.
Und vielleicht war kein Regen
und vis-a-vis wer anderer.