Читать книгу Aficionados - Der Zauber der Giacomettis - - Joshi - Страница 7
Mücke
ОглавлениеDer Produzent hatte aber keine Nierensteine, sondern lag auf der Entzugsabteilung. Als wir um die Ecke bogen, brüllte einer aus seinem Zimmer: „Wo is mein Laptop – ihr verdammten Schweine – ich muss arbeiten – ich bin Produzent – wo is mein…Carl, so eine Überraschung.“ Wir stellten uns an sein Bett, der Arzt kam auch gerade rein. „Meine liebes Produzentenlein!“: „Klappe Mann, ich bin hier auf m Zimmer mit nem Penner, ich will n Einzelzimmer, ich bin vom Film, meine Firma hat n Löwen auf’m Logo und hat schon Kino gemacht, da wusstet ihr noch nicht mal, was Saufen ist.“ „Klar“, sagte Leo, „Löwen-Logo wollen wa ja auch unbedingt haben.“ „Ja“, schimpfte der Produzent,“ abgezockt habt ihr die, so viel mussten die selten für einen mickrigen Film hinblättern.“ Der Arzt fühlte sich nicht so ganz ernst genommen in seinem Haus, weil alle Beteiligten so zwanglos über ihn hinwegredeten, also atmete er tief durch, bekam dann seinerseits einen roten Kopf und lehnte sich zu dem Produzenten hinunter, der da Beine wackelnd aufrecht auf der Bettkante saß und sagte druckvoll: „Hier gibt es keine Penner. Hier sind alle gleich, hier sind nämlich nur die, die woanders nicht mehr sein können.“ Der Produzent blickte kurz aus seiner beleidigten Sitzposition auf. Der Arzt schnurrte weiter: „Und wenn Sie hier mit nem Haufen Zebras die Hütte teilen, hier sind alle gleich und zwar gleich krank. Merken Sie sich das und erst wenn Sie in ein paar Monaten vor mir stehen und glaubwürdig versichern können ‘Ich bin alkoholkrank’, dürfen Sie mal ein bisschen Luft schnuppern.“ „Carl… !“ richtete der Produzent seinen Blick auf den Arzt und dann einfach durch ihn hindurch, „…nimm den Kittelmann zur Seite, wir machen geschäftlich, was redet der hier von Monaten?“ „Zwecklos“, trat der Arzt den Rückzug an, nicht ohne zu erwähnen, ihm sei es egal, und der Herr Produzent könne jederzeit gehen, das sei hier freiwillig, soll er sich doch woanders zugrunde richten. Der Produzent winkte Carl und Leo heran, die sich jeder mit einem Stuhl zu ihm setzten. „Habt ihr die Mücke schon erreicht? Die is verschollen.“ Das meinte der Produzent ernsthaft, aber Carl, grinste: „Nee, die is auch hier im Krankenhaus, hat n Splitter im Fuß, weißt du doch, letztens is die Bühne eingekracht.“ „Wie denn sowas?“ „Ich hab ihr Theaterstück finanziert. Da hat sie auf die Bühne gleich 200 Leute gestellt, sechs Pferde und acht Ziegen, irgendwann haben sich unter dem Getrampel die Holzleisten ergeben. Das sollte ich ersetzen. Ersetzen? fragte ich, kenn ich nicht. Da hab ich gleich das komplette Theater gekauft. Jetzt haben wir alle Sitzreihen rausgerissen und die Zuschauer müssen stehen. Plötzlich ist das Haus immer voll. Und Mücke studiert brav zusätzlich noch Theaterintendanz, da kann se dann gleich alles übernehmen und alleine managen.“ „Bei Mückes Stück kamen doch kaum Leute. Das hatte doch so nen beknackten Titel.“ „Ja: ‘Käse Ziegen Ziegen Käse’, konnte keiner aussprechen, kam auch keiner.“ „Euern Titel müsst ihr auch noch ändern, Carl. ‘So ein geiler Titel…‘ is doch kein Filmtitel.“ „Machen wa schon noch, sind doch schon in den Vorbereitungen, siehste doch, da steht der Leo, der spielt den Leo.“ „Dass der den auch wirklich spielt“, wurde der Produzent eindringlich. „Steht im Vertrag, die ziehen euch das Fell über die Ohren, die haben sich versichern lassen, da zahlt ganz Nordamerika ab, wenn ihr das nicht auf die Reihe kriegt.“ „Aber ich muss doch den Leo spielen, ein bisschen was ham wa ooch kapiert“, konterte Leo. „Und das mit dem Saufen is eben so. Jetzt mal Schluss.“ „Genau“, sagte Carl, „das sagt der richtige“, tippte auf meinen Bauch und zischte: „Weizenbier. Dann mal weiter machen, Herr Produzent, wir schicken euch nen Drehbuchentwurf in ein paar Wochen.“ „Ja schickt mal, dann ist hoffentlich auch mein Laptop wieder aufgetaucht“, er flüsterte: „I saw you only standing there…Huh…huh!“ „He“, protestierte Leo beim Rausgehen, „das is mein Song, mein Text.“ „Ja, ja!“, brüllte der Produzent, „läuft hier stündlich im Radio, red du mal….“ Wir gingen zu Mücke, die mit einem Elefantenfuß über den Flur humpelte: „Zwölf Operationen, zu blöd nen Splitter rauszuholen, Lymphsystem anschneiden, Eiter nich von Schorf unterscheiden können, was n das für n Krankenhaus hier? Schlächter sind das, schlimmer als im Kosovo.“ „Hier is der Leo. “, sagte Carl zu Mücke als Einleitung, „er hat dein Stück aber nich gesehen, war mit Alex in ner Kneipe.“ Wir gingen raus, Mücke begleitend, humpelten wir ein bisschen mit, damit’s was zu lachen gab. Grün. Rasen. Mücke saß mit ihrem Gipsbein mehr schlecht als recht auf dem Rasenstück, von ihrem Joghurtbecher aufsehend, sagte sie zu mir: „Das is jetzt echt aber n Flash, dass du hier vor mir sitzt. Ich kenn dich ja nur als Kunstfigur.“ Da war das Wort wieder. Mir wurde klar, die wird mich auch nicht küssen. „So was bin ich nicht gewohnt“, sagte Mücke, „dass einer wie der Leo leibhaftig vor dir sitzt?“ lachte Carl. „Ich kann ja auch liegen“, sagte ich. „Da siehst du es, Carl, diese Scheiß Berühmtheit lässt die Leute wie durchgeknallte Männchen über die Tische hüpfen oder vor Ehrfurcht zu Stein erstarren.“ „Das schafft die Mücke schon“, sagte Carl, „du musst dich eben mal an die große Welt gewöhnen, sollst ja mal später großes Theater machen und nicht weniger will ich von dir sehen.“ Mücke sah Carl sanft lächelnd an, dann wendete sie das Lächeln zu mir: „Hab schon gehört, bist jetzt Alexens Streetdesigner, Modefachmann sagt man ja nicht mehr, ha, ja, das macht dir wohl Spaß, mit nem schnieken Mädchen Verkäufer zu erschrecken?“ „Oh, der Leo geht da richtig drin auf“, warf Carl ein. „Alex berichtet mir jeden Abend, wie toll es mit ihm ist.“ „Was, die ruft dich dauernd an?“ fragte ich erstaunt. „Naja, ich will die ja auch mal wieder sprechen. Hab dir hier kein Alex-Abo geschenkt.“ „Ach die Alex geht mir auf den Geist“, sagte Mücke und rückte ihre schwarze Brille nochmal zurecht, so eine wie ich sie habe, aber ihre eben mit zwei Bügeln, statt nur einem. „Die geht eigentlich allen früher oder später auf den Geist“, trällerte Mücke, „das dreht sich bei der ja immer im Kreis. Ich bin es leid, mir stundenlang die Wahl der Farbe eines Schals erklärn zu lassen.“ „Ich find’s niedlich“, verteidigte ich als Leo meine Alex. „Du bist ja auch bald wieder weg – wir müssen Frau Spring-Herum hier n ganzes Jahr ertragen.“ „Ich ertrag das gern“, sagte jetzt auch Carl. „Waren gerade beim Produzenten, Saufalarm, kaltgestellt auf der Entzugs.“ „Ja, ja“, sagte Mücke, „der hat ja auch gebechert, sogar bis alle gegangen sind, so n Scheiß Catering machen wa auch nich nochmal, is beim Film wohl so üblich. An alle Anfänger: Wir haben’s schon durch, nie Fressen und Alk hinstellen.“ „Na immerhin“, atmete ich, der Leo, beschwichtigend durch, „sind wir für unseren Film jetzt hier, und haben nen Löwen als Logo“, ich grinste, Mücke grinste nicht. „Na, verstehste?“ sagte Carl, „da brüllt ein Löwe – ein Leo.“