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»Was die Menschen gemeiniglich das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.«

Arthur Schopenhauer

4.

›Sie sehen großartig aus!‹ stand in goldfarbenen, handbreiten Lettern auf dem Spiegel, der über dem Waschtisch angebracht war.

Das ist glatt gelogen, dachte Jablonski und betrachtete sein Gesicht.

Die breite Hornbrille verdeckte nur unvollkommen seine gequollenen Tränensäcke. Das schüttere, strähnige braune Haar hatte er nach hinten gekämmt, um die beginnende Halbglatze zu kaschieren. Er warf sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht, um die schlaffe Haut wiederzubeleben und um einen klaren Kopf zu bekommen. Als Aperitif hatte er einen Grappa getrunken. Der Tresterschnaps war wie ein Faustschlag in den Nacken gewesen, hatte aber seinen Appetit auf einen 76er Barolo angeregt.

Jawoll, grinste Jablonski innerlich, er imponierte dem Panther. Schließlich wies die Pennerstory ja auch einige realsatirische Seiten auf. Inzwischen duzte er sich mit dem Raubtier. Helena lachte, als er ihr beschrieb, wie er mit Nassauer den Blinden gespielt und Trinkgeld von warmherzigen Passanten erbettelt hatte. Sie war wütend geworden, als er ihr erzählte, wie man Berber auf dem Sozialamt behandelt. Und sie hatte ihm gespannt zugehört, als er ihr den Berberkönig beschrieb, der im Viehwaggon durch ganz Europa gereist war. Nach Wochen fühlte sich Jablonski endlich verstanden. Eine barmherzige Samariterin in der Kleinstadtwüste. Keine Frau für’s Leben, das sicher nicht, aber es besteht die Aussicht auf einen one-night-stand, dachte Eddie hoffnungsfroh, während er sich die Hände an seinem Taschentuch abtrocknete. Er fuhr sich noch einmal durch seine Haare, rückte die Hornbrille zurecht, verließ die Herrentoilette und stieg die Holzstiegen zum Restaurant hinauf. Helena erwartete ihn mit einem Lächeln. Sie hatte die Rechnung bezahlt und blickte ihn erwartungsvoll an.

»Was hältst du davon, wenn du mich zum Dank nach Hause fährst«, scherzte sie schnippisch, stand auf und zog ihren Mantel an.

Als sie nebeneinander in dem Alfa saßen, lotste Helena den Redakteur durch den Feierabendverkehr, der sich im Schneckentempo durch die Innenstadt wälzte. Es war bereits dunkel und ein naßkalter Nieselregen, der sich mit dem Herbstlaub mischte, verwandelte den Asphalt in eine Rutschbahn. Die Wischerblätter hinterließen breite Schlieren auf der Frontscheibe, in der sich das Licht der Straßenlaternen spiegelte.

Jablonski versuchte, sich an den roten Rücklichtern der vor ihm fahrenden Autos zu orientieren. Er war nun so angetrunken, daß er alles um sich herum wie durch einen Wattebausch gefiltert wahrnahm. Verdammt, ich muß mich konzentrieren, dachte er, riß die Augen weit auf und beugte sich über das Lenkrad. Die zähe Fahrzeugkolonne, die sich im Schneckentempo von Ampel zu Ampel schob, spuckte den Alfa in einer Trabantensiedlung aus. Jablonski quetschte den Wagen in eine Parklücke, die die Bewohner eines mehrstöckigen Hochhauses übriggelassen hatten.

»Kommst du noch auf ein Glas mit nach oben?« fragte Helena im Schmusekatzenton und legte ihre warme Hand auf seine Oberschenkel. Jablonski nickte schnell und schluckte dann, obwohl er im Stillen mit einer Einladung gerechnet hatte.

Der Fahrstuhl schaukelte träge quietschend in den dritten Stock und entließ die beiden, die während der Fahrt kein Wort wechselten, in einen mit Marmor gefliesten Flur.

Die roten Pumps des Panthers klackten über die Fliesen, als sie auf die gegenüberliegende Wohnungstür zuschritt.

»Setz dich«, sagte sie, als sie ihren Mantel auszog und deutete auf ein ausladendes Ledersofa, das fast die Hälfte des Wohnzimmers einnahm.

»Ich hol’ uns was zu trinken«, schnurrte sie und kam nach einer Weile mit einer Flasche Campari und zwei Gläsern zurück. Jablonski hatte es sich inzwischen in dem Sofa bequem gemacht und sich im Zimmer umgeschaut. Unter dem Fenster stand ein Jugendstilsekretär, der mit Büchern und Zeitungen vollgeladen war. Links und rechts des Schreibtisches hingen großflächige, gerahmte Drucke von Lautrec und Klimt. Die Tiffanylampe, die neben dem Sofa auf einem kleinen chinesischen Holztischchen stand, tauchte das Zimmer in ein warmes, weiches Licht. Jablonski fühlte sich wohl und schloß die Augen.

»Cin, Cin«, sagte sie, drückte ihm ein Glas Campari in die Hand und nahm einen tiefen Schluck, so als wollte sie Mut fassen.

»Weißt du …«, begann sie zögernd, »ich nehme nicht oft Männer mit in meine Wohnung, aber du bist eine Ausnahme, ich mag dich, Jablonski«, fuhr sie leise fort und küßte ihn zärtlich auf die Stirn. Katzengleich öffnete sie seine Beinkleider, umfaßte sein Geschlecht mit ihren schlanken, feinen Fingern und massierte es genüßlich. Jablonski vergrub sein Gesicht in ihre vollen, warmen Brüste. Er lächelte, als sie sich umdrehte, ihr enges schwarzes Wollkleid schürzte und mit einer schnellen Bewegung den Seidenslip über ihre Schenkel streifte.

Als sich der Panther rittlings auf seinen Schoß niederließ, stöhnte Jablonski wohlig und überließ sich ganz ihrem Rhythmus.

68er Spätlese

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