Читать книгу Die letzten Jäger des blauen Planeten - Jörg Meyer-Kossert - Страница 8

6 Cleveland, April 2018

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Malachy war auf dem Weg zum Büro des Medical-Tribune. Er wollte mit dem Chefredakteur reden. Aber Malachy musste sich in Geduld üben und erkennen, mit welchen Mitteln auf dieser Ebene gekämpft wurde. Eines dieser Mittel war jedenfalls die Zeit. Es vergingen noch Wochen, bis Malachy an ihn herankam.

„Warum wollen sie den Artikel, der schon damals nicht besonders lesenswert war, denn jetzt unbedingt schreiben?“, fragte Mister Shepard. „Warum sind sie bloß so hartnäckig in dieser Sache?“ Mal musste mit der Wahrheit heraus, ob er wollte oder nicht. „Weil es eine aktuelle Entwicklung gibt, die den Artikel besonders interessant werden lässt.“

„Aber ich habe ihnen doch schon damals gesagt, dass es für unsere Zeitung nicht förderlich ist, in dieser Richtung zu schreiben. Wir vertreten weitestgehend die herrschende Lehrmeinung der amerikanischen Medizin. Da können wir nicht deren Methoden derart scharf unters Messer nehmen. Jedenfalls nicht in einer so kritischen Situation.“ Mr. Shepard wirkte etwas verlegen. „Ich frage mich sowieso, welche aktuelle Entwicklung Sie meinen.“ Mal erklärte ihm vorsichtig, was er wusste, ohne jedoch im Entferntesten seine Quellen zu nennen.

„Und woher haben sie diese Kenntnisse?“, fragte Shepard. „Ich nehme an, aus den gleichen Quellen, aus denen Sie sich informiert haben.“

Durch diese geschickte Antwort hatte Mal ihm den Wind aus den Segeln genommen. Das Gespräch wurde jetzt schärfer.

„Aber ich schreibe doch gar nicht gegen eine künstliche Befruchtung“, versuchte Malachy es noch einmal. „Vielmehr gegen das Konzept, das nicht stimmt. Verstehen Sie, die Durchführung ist nicht die richtige!“

Das Gespräch lief noch einige Minuten weiter, ohne dass sie sich hätten verständigen können. Am Ende war Mal allerdings klar geworden, entweder würde er die Finger von dem Artikel lassen oder er wäre den Job bei der Zeitung los. Wütend verließ er das Büro. Wenn die Sache so ernst war, warum begannen sie nicht mit einer groß angelegten Suche in vielen Forschungslabors? Das war zwar nicht mehr mit Geheimhaltung zu machen, brachte aber doch allemal einen schnelleren Erfolg, als wenn nur wenige daran arbeiteten.

In den nächsten Wochen tauchte Malachy des Öfteren bei Robin im Labor auf und las sich in dessen Unterlagen in das Thema „Genveränderungen“ ein. Aber irgendwie kam er an einem bestimmten Punkt nicht weiter. Und so verlor das Thema im Laufe der nächsten drei Monate an Wichtigkeit. Bis plötzlich die ganze Sache einen neuen Anstoß erhielt.

Wieder einmal steckte Chuck dahinter. Er rief morgens bei Malachy an.

„Hi, Mal. Was machen deine Studien in Sachen Gentechnik? Ich hab da eine Neuigkeit. Du hast doch das Problem, wie die Genmutation so schnell und auf so breiter Basis vonstatten gehen könnte.“

In den folgenden Bruchteilen von Sekunden sah Mal Chucks Gesicht förmlich vor sich, wie er seinen Wissensvorsprung genoss und sich in diesem Wohlgefühl sonnte.

„Wie wäre es, wenn die Verbreitung von menschlicher Hand gesteuert wurde? Wäre der Geburteneinbruch denkbar, wenn die Mutationen über Nahrungsmittel in den menschlichen Stoffwechsel geraten wären?“

Malachy sah mehr erschrocken als erstaunt aus.

„Ich hab da sogar einen konkreten Hinweis. Islamische Fundamentalisten sollen einen solchen Weg von langer Hand geplant und durchgeführt haben. Was sie mit Milzbrandbakterien schon öfter vergeblich versucht haben, könnte doch mit eingeschleusten Genveränderungen viel perfekter und wirksamer geschehen.

Könntest du einen solchen Vorgang wissenschaftlich nachvollziehen? Ich meine natürlich nur den Weg des Gens?“

Es folgte ein langes Schweigen auf beiden Seiten. In Malachys Gehirn liefen die Nervenbahnen heiß. Chucks Behauptung war ungeheuerlich. Aber theoretisch war das denkbar und vielleicht auch machbar. Auch wenn er das nicht so recht glauben wollte.

Jetzt dämmerte ihm auch, warum sein Artikel nicht erwünscht war. Er kritisierte darin die künstlichen Manipulationen als zu ungenau, während gleichzeitig der natürliche Weg am versiegen war. In einem solchen Fall wollte man von offizieller Seite natürlich nicht mehr Staub aufwirbeln lassen als nötig und obendrein einen vielleicht noch möglichen Ausweg als schlecht kritisieren lassen. Malachy hatte sich schon seit längerem seine eigenen Gedanken über die Gentechnik gemacht. Einer der grundlegenden Denkfehler lag für ihn in der Annahme, dass allein in den Erbgutfäden alle Informationen und das Programm enthalten seien, anhand derer sich das Leben entwickelt und aufrechterhält. Dies glaubte er nicht.

„Es ist eine falsche Annahme“, begann er mit nachdenklicher Stimme, „dass die Sprache der Erbsubstanz, das heißt die Abfolge der Aminosäuren, in ein und demselben Organismus immer gleich ist. Auf allen Ebenen der Umschreibung genetischer Information in Eiweiße sind bis dato mehr Ausnahmen bekannt als Regeln, die noch vor einigen Jahren aufgestellt wurden. Die Gentechnik ist keine Technik im eigentlichen Sinne, sondern ein teilweise willkürliches Herumprobieren auf der Basis von Zufall und der Auswahl von scheinbar Funktionierendem.“

Und dann war Malachy in seinem Element und auch von Chuck nicht mehr zu bremsen. Sein ohnehin hageres Gesicht schien in solchen Momenten der Anspannung noch zerbrechlicher, es schien fast, in sich zusammenzufallen.

„Es ist keinesfalls mit Sicherheit möglich, manipulierte Erbsubstanzstücke gezielt in bestimmte Bereiche der Erbsubstanzfäden einzubringen. Noch weniger aber, definierte Bereiche daraus zu entfernen. Die Erbsubstanzfäden – und das ist nur ein Grund – sind nämlich viel zu lang und zerbrechlich, um sie intakt der Analyse und der Manipulation zugänglich zu machen. Manipulierte Erbsubstanz fügt sich vielmehr oft zufällig und nicht gezielt irgendwo in das Chromosom ein.“

Chuck stöhnte leise auf. Was jetzt kam, würde ihn langweilen und er hätte am liebsten den Telefonhörer neben sich auf den Tisch gelegt. Er wollte Mal auch gar nicht parieren oder gar einen Fehler in der Darlegung beweisen. Ihn interessierte eigentlich nur das Ergebnis: Waren künstlich eingeschleuste Gene in den Nahrungsmitteln die Ursache für die scheinbar fortschreitende Unfruchtbarkeit? Aber Malachy dozierte weiter.

„Erschreckt stellt wohl auch die internationale Forschung fest, dass sich manipulierte Erbsubstanz nach allen Seiten hin unkontrolliert ausbreitet. So ist beim Menschen bis heute das Einbringen von manipulierter DNA in die Keimbahn aus guten Gründen noch überall verboten. Die Folgen im neu entstehenden Leben und für die zukünftigen Generationen sind nämlich unkalkulierbar und vor allem unwiderruflich.“

Malachy wusste, dass er, wenn er Chuck jetzt sein ganzes Wissen preisgab, von ihm in der nächsten Zukunft vielleicht nicht ganz auf dem neuesten Stand gehalten werden würde. Also bemühte er sich, ihm, wie er meinte, möglichst Interessantes, aber doch nicht alles zu sagen. Sie kannten sich allerdings schon zu lange, um diese Spielchen nicht auf beiden Seiten sofort zu durchschauen. Aber beide spielten mit und zollten dem anderen einen gewissen Respekt für seine Reaktion.

„Ich glaube, dass ein unkontrollierter Übergang in die Nahrungsmittelkette und von dort in die menschliche Keimbahn gut möglich ist. Aber eine gezielte Genmanipulation mit dem Ergebnis der Unfruchtbarkeit der menschlichen Keimzellen halte ich für wenig wahrscheinlich, da die Eingriffe der Gentechnik nicht so präzise vorherzubestimmen sind.“

Chucks Miene wurde missmutig. Das Ergebnis passte ihm nicht so ganz in seinen Kram. Eine Genkatastrophe gab ja sicherlich eine gute Story her. Aber mit Vorsatz und Absicht – das war doch etwas anderes. Wenn er dann auch als Erster diese News bringen könnte – ja, das wäre schon was ...

„Wie kommst du auf die islamischen Fundamentalisten?“, fragte

Malachy. „Das riecht doch geradezu nach Regierungspropaganda.“ Chuck wollte nicht so recht heraus mit der Sprache. „Ich habe eine sehr zuverlässige Quelle im Innenministerium. Ich glaube nicht, dass mein Informant mich auf eine falsche Fährte schicken will. Der lanciert über mich doch regelmäßig Neuigkeiten in die Medien, die wahr sind, aber nicht von den Politikern als Erstes vorgetragen werden sollen. Nein, nein. Der belügt mich nicht. Wie zuverlässig allerdings seine Recherchen sind, weiß ich natürlich nicht.“

Chuck erzählte noch ein wenig belangloses Zeug. Dann verabredeten sie sich für den nächsten Abend im Irish-Corner in der Hoffnung, ihre neue Story noch ein wenig weiterzubringen. In den nächsten Zeitungen kamen ein paar Hinweise auf den Geburtenrückgang. Aber die Artikel brachten nur wenig Zahlenmaterial und waren kaum konkret. Außer wilden Spekulationen von beiden Seiten tat sich in den nächsten Tagen nicht mehr viel.


Die letzten Jäger des blauen Planeten

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