Читать книгу Die Magdeburger Bluthochzeit. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 4 - Jörg Olbrich - Страница 4

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Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, 06. August 1626

Hanna ließ vor Schreck fast den Weidenkorb fallen, den sie gerade mit Kirschen gefüllt hatte, und drehte sich um. Noch nie in ihrem siebzehnjährigen Leben hatte sie so einen lauten Ton gehört. Drei weitere Donnerschläge erklangen und hallten in der Luft nach. Sie waren so dicht aufeinander gefolgt, dass sie sich in Hannas Ohren beinah wie ein einziger, schrecklicher Knall angehört hatten.

Kurz darauf waren Schreie von dem etwa fünfhundert Meter entfernten Hof zu vernehmen. Sie klangen, als würden sie in allergrößter Not ausgestoßen. Jetzt ließ Hanna den Weidenkorb doch fallen und rannte los.

Auf die kurzen Strohhalme, die ihr in die nackten Füße stachen, als sie über das frisch abgemähte Feld rannte, achtete Hanna nicht. Sie wollte so schnell wie möglich zurück zum Hof ihres Herren. Dort musste etwas Furchtbares geschehen sein.

Bei jedem weiteren Donnerschlag zuckte sie zusammen. Dann sah sie eine Gruppe von Männern auf Pferden, die zwischen dem Wohnhaus, dem Stall und der Scheune standen. Es waren mehr als fünf. Weiter konnte die Magd nicht zählen und das war in ihrem bisherigen Leben auch nie notwendig gewesen. Tief in ihrem Innern spürte sie, dass sich heute für sie alles ändern würde.

Die Magd hörte einen erneuten Schrei von der Rückseite des Wohnhauses und änderte abrupt ihre Richtung, um zu sehen, was dort passierte. Außerdem wollte sie den Männern nicht unbedingt in die Arme laufen, deren Rufe sie neben der Scheune hörte. Sie machten auf Hanna nicht den Eindruck, als wären sie als Freunde gekommen. Sie bog um die Ecke und erstarrte.

Direkt vor Hanna lag die Bäuerin bäuchlings im Dreck und wimmerte vor Schmerzen. In diesem Augenblick wusste die Magd nicht, was sie mehr schockierte: Die Tatsache, dass ihre Herrin völlig unbekleidet war, oder die klaffende Wunde am Rücken, aus der unaufhörlich Blut floss und langsam im Boden versickerte.

Hanna wollte schreien, brachte aber nicht einen Ton über ihre Lippen. Plötzlich spürte sie, wie sie von hinten am Arm gepackt und herumgerissen wurde. Sie blickte in das bärtige Gesicht eines ihr unbekannten Mannes. Sein Atem schlug ihr entgegen. Noch nie hatte sie etwas derart Widerliches gerochen.

Sie wehrte sich gegen den Griff, wurde aber von dem Kerl mit dem Rücken gegen die Wand gestoßen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie Angst.

»Wo willst du denn so eilig hin?«, fragte der Fremde und hieb Hanna den Handballen so fest gegen den Brustkorb, dass sie kaum Luft bekam. »Du wirst schön hierbleiben und genau das tun, was ich dir sage. Sonst werde ich dich töten.«

Hanna erstarrte und brachte keinen Ton heraus. Sie spürte, wie ihre Verzweiflung sich in nackte Todesangst wandelte. Was wollte der Mann von ihr? Sie schaute zur Bäuerin, die noch immer auf dem Boden lag und sich nun nicht mehr rührte. Wo waren der Bauer und die Knechte? Warum unternahmen sie nichts?

Der Fremde griff nach Hannas Hemd und riss es mit einem kräftigen Ruck auseinander. Trotz der Hitze des Tages begann die Magd zu frösteln.

»Du bist von Gott reich beschenkt worden«, sagte der Mann und starrte auf Hannas Brust.

Die Magd verstand nicht, was der Fremde meinte und sah ihn hilflos an. Der Mann griff mit beiden Händen nach ihren Brüsten und drückte sie so fest zusammen, dass sie vor Schmerz aufschrie. Der Fremde zerriss nun auch ihren Rock. Als sie sich abermals gegen ihn zu wehren versuchte, schlug er ihr mit der Faust in den Magen.

Der Schmerz durchfuhr ihren Körper und sie nahm ihre Umgebung nur noch verschwommen wahr. Plötzlich zuckte der Fremde zusammen und stieß einen röchelnden Laut aus. Dann strömte Blut aus seinem Mund und verteilte sich auf Hannas unbekleidetem Körper.

»Flieh in den Wald«, sagte der Bauer und zog die Mistgabel aus dem Hals des Fremden, während der langsam zu Boden fiel. »Wir wurden von Tillys Soldaten überfallen. Hier wird bald kein Stein mehr auf dem anderen stehen.«

»Ich verstehe dich nicht«, sagte Hanna verzweifelt. Warum sollten die Männer ihnen etwas antun wollen? Sie wusste, dass die beiden Söhne ihres Herrn ebenfalls Soldaten waren. Beide waren gottesfürchtige Männer, die nichts Böses im Schilde führten. Warum waren die Soldaten, die zu ihrem Hof gekommen waren, anders?

»Wenn dir dein Leben lieb ist, lauf so schnell du kannst in den Wald und komm nie wieder hierher zurück«, sagte ihr Herr und drehte sich zu seinem Weib um. Im gleichen Moment gab es einen furchtbaren Knall, und der Kopf des Bauern zerplatzte wie ein fauliger Apfel, den man gegen eine Wand geworfen hatte.

Gleich drei Soldaten erschienen nun vor Hanna und kamen langsam auf sie zu. Auf den ersten Blick sahen die Männer gleich aus. Sie trugen dunkelblaue Jacken, braune Hosen und hatten seltsame Stöcke in der Hand, aus deren Spitzen Rauch aufstieg.

»Das Weibsbild ist hübsch«, sagte einer der Männer und nestelte an seiner Hose herum. »So einen Anblick hätte ich in dieser Einöde nicht erwartet.«

»Sie gehört mir«, sagte der Zweite mit scharfer Stimme. »Wir werden sie mitnehmen.«

Voller Furcht beobachtete Hanna die Soldaten, unfähig sich zu rühren. Der in der Mitte schien der Herr der beiden anderen zu sein. Zumindest hörten sie auf dessen Worte und rührten die Magd nicht an.

»Holt die Pferde«, befahl der Anführer und musterte Hanna nach diesen Worten von oben bis unten.

Die Magd erschauderte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch immer unbekleidet war. Bisher hatte sie nur der älteste Sohn des Bauern so gesehen, wenn er ihr heimlich zugeschaut hatte, als sie sich wusch. Hanna hatte immer gewusst, dass Karl sie beobachtete und seine begehrenden Blicke genossen. Bei den drei Fremden war das anders.

Der dritte Soldat kehrte mit drei Pferden zurück und reichte seinem Anführer ein Seil. Der nahm es und ging damit auf die Magd zu. »Zieh dich an. Dann werde ich dir die Hände zusammenbinden. Wenn du dich wehrst, bringe ich dich um.«

Trotz ihrer Angst war Hanna froh, dass sie von den Fremden zumindest nicht unbekleidet fortgeführt wurde. Rock und Hemd waren zerrissen, und sie musste die Stücke an den Enden zusammenbinden, um ihre Blöße zumindest notdürftig zu bedecken. Als sie damit fertig war, packte der Soldat ihre Hände und band sie mit einem Ende des Seils zusammen.

»Wo bringt ihr mich hin?«

»Das braucht dich nicht interessieren«, antwortete der Soldat, der sie gefesselt hatte. »Ab jetzt gehörst du mir und wirst mir gehorchen. Wenn du folgsam bist, lasse ich dich vielleicht am Leben.«

Die Soldaten stiegen auf ihre Pferde und ritten langsam los. Das Seil straffte sich und Hanna musste sich beeilen, wenn sie nicht stürzen wollte. Im Geiste sagte die Magd unzählige Male das Vaterunser auf; das einzige Gebet, das sie kannte. Sie flehte Gott an, sie vor dem Zorn der Soldaten zu schützen. Etwa eine Stunde, nachdem man sie vom Hof ihres Herrn heruntergeführt hatte, war sie bereits weiter davon entfernt als jemals zuvor.

***

In den folgenden Stunden fiel es Hanna immer schwerer, mit dem Schritttempo der Pferde mitzuhalten. Einige Male hatte sie einen Sturz nur knapp verhindern können. Ihre Füße schmerzten und auch an Waden und Schienbeinen hatte ihr das teilweise hohe Gras bereits einige kleinere Schnittwunden zugefügt.

Zu der körperlichen Pein kam die Angst, die stetig wuchs, umso weiter sie sich von ihrem Zuhause entfernte. Unterwegs waren sie an einem Dorf vorbeigekommen, dessen Häuser bis auf die Grundmauern heruntergebrannt waren. Vereinzelt stiegen noch Rauchschwaden in den Himmel, und der Gestank war unerträglich. Den Soldaten auf den Pferden schien es nichts auszumachen, an dem zerstörten Ort vorbeizureiten. Sie hatten nicht einmal einen Blick dafür übrig.

Hanna hätte nur zu gerne gewusst, wohin sie gebracht wurde. Sie traute sich nicht, die Männer nochmals danach zu fragen. Die nahmen kaum noch Notiz von ihr und unterhielten sich über Dinge, die Hanna nicht verstand.

Nur kurz kam ihr der Gedanke an eine Flucht. Selbst wenn es ihr gelänge, die Fesseln abzustreifen, wohin sollte sie rennen? Zurück nach Hause konnte sie nicht. Dort gab es nichts mehr. Der Bauer und sein Weib waren tot und für die Knechte galt sicherlich das Gleiche.

Die Soldaten führten ihre Gefangene einen kahlen Hügel hinauf. Daher konnte Hanna vor sich außer Gras und Steinen nichts erkennen. Von den Erzählungen des Bauern wusste sie, dass sie irgendwann in eine Stadt kommen würden, in der ihr Herr seine Waren auf dem Markt verkauft hatte. Wie weit es allerdings bis dorthin war, wusste sie nicht. Der Bauer war immer mehrere Tage unterwegs gewesen, wenn er in die Stadt gezogen war.

Hannas Spannung wuchs, als sie sich endlich der Kuppe des Hügels näherten. Der Anblick, der sie dort erwartete, übertraf alles, was sie sich bis dahin hatte vorstellen können. Vor ihr standen unzählige kleine Häuser, deren Wände und Dächer aus Stoff zu bestehen schienen. Dazwischen lief eine Vielzahl von Menschen umher.

Hinter den merkwürdigen Häusern standen so viele Pferde auf einer Wiese, dass es Hanna so vorkam, als hätte man alle, die es auf der Welt gab, an diesem Ort zusammengeführt. In der Ferne war nichts anderes zu sehen als Wiesen und Felder.

Der Anblick überwältigte Hanna so sehr, dass sie für einen Moment vergaß, dass sie hinter einem Pferd hergezogen wurde. Sie blieb stehen und wurde Sekunden später an dem Seil nach vorne gezogen. Dieses Mal konnte die Magd den Sturz nicht vermeiden und fiel auf den staubigen Boden.

»Steh auf, du dämliche Gans«, fuhr sie der Soldat an und wartete, bis die Magd seinen Befehl ausgeführt hatte. Danach zog er sie weiter.

Als sie zwischen den kleinen Häusern vorbeizogen, erkannte Hanna, dass jedes von ihnen Platz für vier Männer bot. Frauen sah sie nicht. Sicher arbeiteten diese noch auf den Feldern und würden erst bei Einbruch der Dämmerung zurückkehren. Die meisten Soldaten trugen die gleiche Kleidung wie die drei Kerle, die sie hierhergebracht hatten. Einige saßen aber auch mit entblößten Oberkörpern an Feuerstellen und unterhielten sich lautstark.

Hanna spürte die Blicke der fremden Männer auf ihrem Körper. Als einer näher kam und sie anfassen wollte, wich sie vor dem Kerl zurück. Der gab aber erst auf, als er von dem Soldaten, der die Magd hinter sich herzog, dazu aufgefordert wurde.

»Versorgt die Pferde und sorgt dafür, dass ich im Zelt nicht gestört werde«, sagte der Anführer zu seinen beiden Begleitern, saß ab und zog Hannah in eines der Häuser. Dort befreite er sie von ihren Fesseln. Hannas Hoffnung, dass man ihr nun einen Becher Wasser und ein Stück Brot geben würde, erfüllte sich nicht. Stattdessen riss ihr der Soldat das Hemd vom Leib und zerstörte es damit endgültig.

»Ziehst du den Rock freiwillig aus, oder muss ich mein Schwert zur Hilfe nehmen?«

Hanna antwortete nicht, beeilte sich aber, sich auch von ihrer Unterbekleidung zu befreien. Nackt stand sie vor dem Fremden.

»Dein Körper ist tatsächlich makellos. Es ist fast eine Schande, dass du die nächsten Wochen nicht überleben wirst.«

Hanna kam nicht dazu den Mann zu fragen, wie das gemeint war. Sie erhielt einen Schlag gegen die Brust und fiel nach hinten auf eines der Lager, wo sie ergeben liegen blieb. Der Soldat brauchte nur wenige Sekunden, um sich ebenfalls von seiner Bekleidung zu befreien. Während er auf die Magd zukam, konnte die erkennen, wie sein Penis immer größer und fester wurde.

Der Soldat kniete sich vor Hanna auf das Lager und drückte ihr die Beine auseinander. Als sie sich dagegen wehrte, schlug er ihr so fest ins Gesicht, dass sie für einen Moment nur noch Sterne sah. Als sich ihr Blick wieder geklärt hatte, war das Gesicht des Soldaten direkt vor ihr.

»Jetzt bist du fällig.«

Hanna schrie auf, als sie einen heftigen Schmerz zwischen ihren Beinen spürte. Dann bewegte sich der Soldat auf und nieder. Hanna schloss die Augen und wartete darauf, bis es vorbei war. Nach einer gefühlten Ewigkeit brach er endlich stöhnend auf ihr zusammen. Hanna fühlte eine warme Flüssigkeit an den Oberschenkeln, wagte aber nicht, mit der Hand danach zu greifen. Endlich kroch der Soldat von ihrem Körper herunter und stand auf. Dann begann er langsam damit, seine Kleidung anzulegen.

»Wenn du das nächste Mal wieder nur wie ein Brett daliegst, schneide ich dir die Kehle durch.«

Die Magdeburger Bluthochzeit. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 4

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