Читать книгу Hallo Taxi! Bitte einmal auf den Tafelberg und zurück - Jürg Roth - Страница 4
Auftrag
ОглавлениеMeistens bekommt man als Tour Guide den Tourenplan für das gesamte kommende Jahr im September zugestellt. Es gibt dennoch etliche Touren, die aus den verschiedensten Gründen äußerst kurzfristig angemeldet werden. Da entstehen ebenfalls in unserem Metier Stoßzeiten, in denen du dich vierteln müsstest, um alle Anfragen „bedienen“ zu können. In der Hochsaison (November – März) kommt es nicht selten vor, dass man Touren „back to back“ durchführt. Das sieht dann so aus, dass du am Dienstagmorgen deine geliebten Gäste am Flughafen verabschiedest, und am gleichen Nachmittag deine neue Truppe von erwartungsfrohen Touristen in Empfang nimmst. Ich habe Kollegen und Kolleginnen, die dies drei Monate oder länger am Stück durchführten.
„Bewaffnet“ am Flughafen. Hoffentlich erkennt jeder sein Reisebüro.
Es ist alleweil aufregend, wenn du am Airport wartest. Die Anzeigetafeln mit den Ankunftszeiten im stetigen Blick, die korrekten Willkommenschilder angebracht und die aktuelle Namensliste der Touristen griffbereit, in der Hoffnung, dass A) alle erscheinen, und B) dass alle das richtige Flugzeug erwischt haben!
Da stehst du da, bewaffnet mit den oben beschriebenen Utensilien, und erwartest deine Touristen, sagen wir, vom Flug SA343, kommend von Johannesburg, der um 15:45h landen sollte. Ich hatte Bescheid bekommen, dass die Gäste schon 3 Tage im Norden, im Krugerpark unterwegs gewesen waren, und von einem Kollegen in Jo’burg betreut und zum Flughafen gefahren wurden.
Wenn dann nach 60 Minuten keiner von der Reisegruppe erscheint, wirst du doch leicht nervös. Du fragst dich gegebenenfalls, ob die Koffer nicht ausgeladen wurden? Also gibst du ein paar Minuten Wartezeit dazu. Immer noch keine erwarteten Touristen! Dann checkst nochmals die Flugzeiten. Habe ich unter Umständen den falschen Flug herausgeschrieben?
Nein, das habe ich ja x-mal kontrolliert! Ja, wo bleiben sie denn? Ich rief meinen Kollegen in Johannesburg an. Der hatte Feierabend und bediente das Telefon nicht mehr. Ich hinterließ vorsichtshalber eine Nachricht und rief meine Firma „Fantastic Africa“ an.
Meine erste große Tour mit 46 Touristen. Das wird höchstwahrscheinlich dank Covid-19 seine Zeit dauern, bis das wieder möglich wird!
„He Man, easy, alles korrekt verbucht, die kommen schon noch, du kennst das ja“ beruhigte mich mein zugewiesener junger und entgegenkommende „Junior Tour Specialist“ Namens Zweli Mkhize, aus Port Elizabeth 1 stammend.
Die Ankunftshalle war zwischenzeitlich menschenleer. Nichts, außer einem Tour Guide, der etwas verloren und ratlos in der großen weiten und leeren Halle herumstand.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, rief mich Zweli Mkhize, der aus Port Elizabeth, an und erklärte:
„He Man, deine Gruppe kommt nicht mit diesem Flugzeug!“
Aha!!
„Ja Man. Dein Kollege ist mit deinen Gästen zum falschen Flugplatz gefahren! (Johannesburg hat 2 Flugplätze!) Als sie deinen Kollegen beim Check-In Schalter aufklärten, versuchte er noch, easy mit dem Bus zum richtigen Flugplatz zu fahren, war aber viel zu spät! Das ist halt Afrika!“
Saubere Sache! Das Flugzeug hob demnach ohne meine geschätzten Touristen ab!
Mein Zweli Mkhize, aus Port Elizabeth erklärte weiter:
„He, ich versuche die Gäste umzubuchen auf ein anderes oder zwei Flugzeuge, geht easy, aber das dauert. Schätze ein paar Stunden! He Man, höchstwahrscheinlich sowieso erst morgen! Ich gebe dir Bescheid!“
Sie kamen an, viele Stunden später, entsprechend freudig gelaunt....................
Solche Tage sind knifflig und herausfordernd. Praktisch einen Tag verloren, das dicht gedrängte Programm. (Du weißt, der Tafelberg!) Die aufgebrachten, mit überaus vielen Fragen ausgestatteten ungeduldigen Feriengäste ......
Du verstehst, in solchen Situationen braucht es jeweils einen diskreten kleinen Schluck Brandy aus dem Flachmann!
Meine erste Tour mit Freddy zusammen. Er unterstützte mich „Greenhorn“ wo er nur konnte!
Im Normalfall landen die Flieger pünktlich. Ich studiere jeweils die rollende Menschenmasse mit ihrem Gepäck, die dem Ausgang zueilt. Und denke:
„Hm, das könnten Touristen von mir sein - das da nicht – die auch nicht - der da sowieso nicht – die da hoffentlich nicht – die Hübsche da, leider auch nicht..... .“
Kritisch begutachten anderseits die vorbeiziehenden Passagiere dein Willkommensschild. Plötzlich erstrahlte ein Lächeln. Mein erster gesuchter Tourist hatte mich gefunden. Jetzt fehlten nur noch 46. Und, die Gruppe mussten sich gedulden, bis alle beisammen waren. Die ersten „Abhängigen“, bzw. Raucher, meldeten sich schnell bei mir!
Das ist kompliziert, mit dem Rauchen am Airport, und ich versuchte die „Smokers“ so gut wie möglich mit dem Argument zu trösten, dass das nur noch knappe 2-3 Sekunden dauern würde, bis wir losziehen könnten! Da standen die müde und etwas abgeschlagen wirkende Gruppe, die immer größer wurde, beisammen und war nicht in Stimmung für Scherze, verständlich, nach einem 24 Stunden Reisetag mit zwei bis drei Flughafen Stops.
Die Namensliste wurde abgehackt und begann kleiner zu werden. Nur noch 10, noch 4 Touristen fehlten! – Immer noch 4 erwartete Reisende fehlten! Falsch gezählt? – Nein, es fehlten 4 Touristen! Ich wurde langsam nervös, und die Raucher kribbelig. Nach einer gefühlten Ewigkeit von 20 Minuten rief ich meinen, ihr kennt ihn inzwischen schon, zugewiesenen „Junior Tour Specialist“ Zweli Mkhize, der aus Port Elizabeth, an und erkundigte mich nach dem Verbleib der vier fehlenden geschätzten Touristen.
Das waren noch Zeiten: Innerhalb von 4 Stunden 7 Großraumflugzeuge voller Touristen aus Übersee.
„He Man, hat dir das niemand gemeldet?“ erwiderte Zweli Mkhize.
„Da haben zwei Gäste kurzfristig annulliert, die kommen nicht! He Man, easy!“ meinte mein aus Port Elizabeth Gebürtiger.
„Und was ist mit den zwei anderen Gästen auf der Liste, die fehlen auch!“ Fragte ich weiter.
„He Man, davon weiss ich nichts. Fahr doch mit der Truppe schon mal zum Hotel, wenn etwas ist, rufe ich dich an. He Man easy, du kennst das!“
Ich wandte mich den zwischenzeitlich ungeduldigen und leicht mürrischen Travellers, sowie gereizten Rauchern zu, begrüßte nochmals alle herzlichst im Namen der Firma, und, bla bla bla,......... , marschierten wir los. Ich manövrierte die Touristen durch das dichte Gedränge und Getümmel Richtung Busparkplatz. Nach ein paar wenig zurückgelegten Metern wurde ich von einer resoluten zackigen Touristin aus Schwalbach bei Frankfurt überholt, die mir auf Augenhöhe erklärte:
„Hr. Guide: Nur zur Information, Ich und mein Mann sitzen grundsätzlich immer vorne im Bus!“
Aha!
Unterdessen waren wir beim Busparkplatz angelangt und warteten auf unseren Reisebus, als jemand neben mir bemerkte:
„Mir wird es immer sehr schnell sehr schlecht im Bus, schauen sie unbedingt, dass ich vorne sitzen kann, ehe ich alles verschmutze!“
Ehe ich etwas erwidern konnte, kam ein schwergewichtiger, kurzatmiger geschätzter Besucher aus Putzbrunn bei Bayern mit hochrotem Kopf auf mich zu und meinte, indem er jedes einzelne Wort unter Druck quasi aus den Lungen herausquetschen musste:
„Ich wurde vor zwei Wochen am Herz operiert, die haben mir einen Defibrillator eingepflanzt. Ich muss vorne sitzen! Dann brauche ich noch ein Verlängerungskabel, ich habe ein Beatmungsgerät bei mir, und ich brauche immer ein Zimmer nahe der Reception, im Falle, dass der Defibrillator aussetzten würde!“
Du verstehst, in solchen Situationen kommt fast automatisch der Griff zum Beruhigungsmittel aus dem Flachmann! – Halt, aber doch nicht am Flughafen! Das musste ich auf den Abend verschieben!
Eine heikle Mission, das mit diesem Sitzplatz Gerangel im Bus. Wir reservieren generell keine Plätze im Reisebus. Wer zuerst einsteigt, kann sich den Platz aussuchen, und der Letzte muss halt nehmen, was übrig bleibt. Und, es gibt, notabene, zuvorderst links nur zwei Sitzplätze. Ich besetze jeweils den rechten Platz, direkt hinter dem Busfahrer.
Es ist dabei lustig zu beobachten, wie die „Eiligen“ vom Gehsteig weggehen und rechts beim Bus vordrängeln, um sofort einsteigen zu können, während die Frauen jeweils das Gepäck „bewachen“. Bis sie dann zu spät realisieren, dass die Türen bei uns Links angebracht sind, da wir hier Linksverkehr haben. Und so sind die gemütlichen Raucher, die per se auf dem linken Bürgersteig paffen und stehen, längst eingestiegen. Da sind dann plötzlich die Ersten die Letzten.
Zu meinem schwergewichtigen, kurzatmigen geschätzter Tourist aus Putzbrunn bei Bayern, mit seinem implantierten Defibrillator, komme ich später zurück!
Beim Abschluss meiner Tour Guide Schule mussten wir bei der Prüfung unter anderem verschiedene brenzlige Situationen lösen. Ich bekam die Aufgabe zugestellt, zu beschreiben, was ich unternehmen würde, wenn ein Gast von meiner Gruppe an Demenz leiden und sich verlaufen würde!
Schwieriges Thema! Ich löste die Aufgabe (Einzelheiten erspare ich hier) soweit sie lösbar war, und dachte bei mir selbst, sowas gibt es eigentlich nicht. Meine Frau und ich scherzten am Abend noch darüber, was da alles passieren könnte, wenn...........!
Bei meiner allerersten großen Tour mit 46 Touristen aus Deutschland kam ein charmantes, älteres Ehepaar aus Trimbach auf mich zu. Die äußerst gepflegte Dame erklärte mir, dass ihr Ehemann, angezogen mit einem knallig blauen Pullover, unter Alzheimer leide, und sie einmal unbeschwert Ferien verbringen möchte. Sie würde mir quasi ihren Mann während dieser Zeit überlassen. Das Reisebüro hätte ihr erklärt, dass die Tour Guides dazu bestens ausgebildet seien, und dies in keiner Art und Weise Probleme verursachen würde!
Schachmatt gesetzt, am ersten Tour Tag!
Kaum war ich mit der ganzen Truppe Richtung Bus unterwegs, sah ich weit, weit weg, in einem total anderen Bereich des Flughafens, einen immer kleiner werdenden knallig blauen Punkt! Uff, mein zerfahrener Tourist!
Ich löste dann das Problem elegant, indem ich alle anderen Gäste dahingehend informierte und sie bat, den „Mann in Blau“ zu beobachten und mir zu berichten, sollte er sich diametral von unserer Richtung bewegen. Was er praktisch immer tat, wenn sich die Bustüre öffnete.
„Hast du gesehen, dein „Blauer“ will gerade in einen anderen Bus einsteigen.“
„Dein Pulli ist gerade vorne im Museum verschwunden.“
“Dein „blue Point“ hat sich einer anderen Gruppe angeschlossen!“
Zum Glück war mein zerfahrener Tourist immer mit seinem Lieblingspullover, dem „knallig Blauen“, unterwegs. So war er von weit her eindeutig identifizierbar. Einmal
erwischte ich ihn in dem Augenblick, in dem er im Begriff war, in den Bus einer französischen Gruppe einzusteigen. Im Plauderton, er war immer ausgesprochen liebenswürdig und erzählte irgendetwas daher, meinte er, dass ihn der Klang dieser Sprache aufs Äußerste gefallen hätte, so das er gerne mit ihnen weitergefahren wäre!
Stell dir vor, der „blaue Pulli“ würde verloren gehen, in einer ihm völlig unbekannten Stadt! Würde von der Polizei aufgegriffen und hätte null Ahnung von wo, woher, wieso. Und, suche einmal in einer Millionenmetropole einen blauen Punkt! Das ganze Chaos, das entstehen würde, und das bei deiner ersten Tour! - Super Referenz!
Da brauchst du ab und zu schon ein paar Notfalltropfen vom Flachmann!
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1 Port Elizabeth wurde 1820 gegründet und besitzt mit seinen 350’000 Einwohner den drittgrößten Hafen von SA. Die Stadt liegt am Indischen Ozean an der Algoa Bay, 770 Kilometer von Kapstadt entfernt. Bekannt ist PE („The Windy City“ - die windige Stadt) durch seine weitläufigen, weißen Sandstrände. In PE, «Das Detroid von SA», befindet sich die größte Autofabrik von SA, ein Werk des VW-Konzerns, mit über 6’500 Beschäftigten. Der portugiesische Seefahrer Bartolomeus Diaz landete als erster Europäer 1488 in der Gegend. Jahrhunderte diente die Bucht als Versorgungsstation für Wasser, Verpflegung und Holz.