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Raus aus der Stressfalle!
ОглавлениеWer es allen recht machen will, kann nichts richtig machen
Mitarbeiter in Unternehmen, die verkaufen wollen, ohne sich auf ihre Stärken zu konzentrieren, geraten zunehmend unter Stress. So wie der Verkäufer einer Einzelhandelskette, dem ich vor Kurzem als Kunde gegenüberstand. Sein Unternehmen betreibt große Verbrauchermärkte auf der »grünen Wiese«, die neben Lebensmitteln auch ein umfangreiches Non-Food-Sortiment bieten. Von den Cornflakes bis zum Geschirrspüler bekommt man hier alles. Damit erhebt das Unternehmen das Gegenteil von Konzentration zum Prinzip. Da ich mit meiner Familie nun einmal da war und wir einen neuen Wäschetrockner suchten, machte ich mich auf den Weg in die Elektroabteilung.
Nach langem Suchen fand ich den einzigen für die Elektroabteilung zuständigen Mitarbeiter. Sichtbar lustlos begleitete er mich zu dem Wäschetrockner, der gerade als »Preishammer« ausgewiesen war. Ich fragte den Verkäufer, was denn für diesen Trockner spricht. Da schaute ich in ungläubige Augen. Diese schienen zu sagen: Kann man das riesige Preisschild etwa übersehen? Ich wusste, dass ich zu diesem günstigen Preis im Internet problemlos noch andere Geräte finden würde. Deshalb wollte ich vom Verkäufer wissen: Warum soll ich genau diesen Wäschetrockner gerade hier kaufen? Ist der besonders gut, haltbar, oder effizient? Bekomme ich hier einen besonders guten Service?
Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit
Ich sah den Verkäufer an und merkte, wie er jetzt maximal unter Stress stand. Man konnte förmlich beobachten, wie der Schweiß auf seiner Stirn Perlen formte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, außer vielleicht, die technischen Daten vorzulesen, die auf einem großen Schild auf der Ladeluke des Trockners zu lesen waren. Dafür veränderte er jetzt seine Körperhaltung in Richtung »Brust raus, Bauch rein«. Unter Verkäufern heißt diese Reaktion »SABVA«. Die Abkürzung steht für »Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit«.
Schließlich bedankte ich mich herzlich bei dem Verkäufer und ging weiter in die Lebensmittelabteilung. Dieser Mann tat mir einfach nur leid. Wie soll solch ein Mitarbeiter Kunden für seine Produkte gewinnen? Ein einziger Verkäufer war hier zuständig für alles, was Strom verbraucht: Wäschetrockner und Waschmaschinen, Flachbildfernseher, Hi-Fi-Anlagen, Mobiltelefone, MP3-Player, Haartrockner, Netbooks, Rasierapparate, Funkwecker, Kühlschränke und und und. Wie soll sich dieser Mitarbeiter auch nur mit einem einzigen Produkt auskennen? Er hat schon genug damit zu tun, in seiner Abteilung den Überblick zu behalten. Wenn dann noch das Gehalt und die Arbeitsbedingungen nicht gerade berauschend sind, ist Dauerfrust angesagt. Doch eines ist klar: Ein frustrierter Verkäufer macht keine Kunden zu Freunden.
VON DEN BESTEN LERNEN: Kopp Schleiftechnik GmbH
Wenn von Unternehmen die Rede ist, die begeisterte Mitarbeiter haben und ihre Kunden zu Fans machen, fallen in der Literatur Namen wie Apple, Porsche oder Prada. Durch den Mittelstand geht dann ein Raunen. »Wenn ich iPhone und iPad, den 911er oder edle Handtaschen verkaufen sollte, dann hätte ich es auch leichter«, entgegnen Unternehmer. Dass die Produkte aber gar nicht besonders »sexy« sein müssen, um begeisterte Mitarbeiter zu haben und Kunden zu Freunden zu machen, beweisen deutsche Mittelständler immer wieder. Eines der Unternehmen, die hier den Bogen raus haben, ist die Kopp Schleiftechnik GmbH.
Wer die idyllisch am Rande eines Dorfs im Odenwald gelegene Firma besucht, betritt keine Werkshalle, sondern eine »Manufaktur«. Diese Bezeichnung bringt den Stolz des familiengeführten Werkzeugherstellers und seiner Mitarbeiter auf den Punkt. Kunden, die sich bei Kopp für Zerspanungswerkzeuge, Bohrer oder Fräser interessieren, suchen keine Massenprodukte. Sie wollen vielmehr das für ihren Betrieb genau passende Werkzeug haben. Dazu braucht ein Hersteller zuallererst die Bereitschaft, seinen Kunden zuzuhören. Jürgen, Achim und Heike Kopp haben Spaß daran, ihre Kunden ganz genau kennenzulernen.
Die mittelständisch geprägte deutsche Werkzeugindustrie erwirtschaftet laut Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) einen Umsatz von mehr als 2,7 Mrd. Euro im Jahr. Wie kann ein kleiner Betrieb mit weniger als 50 Mitarbeitern sich hier fokussieren? Kopp Schleiftechnik besetzt mit Maßarbeit und Präzision eine lukrative Nische. »Durch die ausführliche Beschäftigung mit den Produktionsanforderungen des Kunden entstehen zunächst neue Werkzeugideen«, erklärt die Firma auf ihrer Website. »Unsere Fachleute arbeiten dann eng zusammen, um aus Zeichnungen und Plänen hochwertige Werkzeuge herzustellen.«
(http://www.kopp-schleiftechnik.de/seiten/manufaktur/manufaktur.htm)
Doch Know-how und Qualitätsstreben sind noch nicht alles. Bei Kopp hat man sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt, auch durch »menschliche Werte« zu überzeugen. Die Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V. hat die Kopp Schleiftechnik GmbH jüngst für ihre »partnerschaftliche Unternehmenskultur« ausgezeichnet. Der Preis ist die Anerkennung für das jahrelange Bemühen um ein Klima, das für Management, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen stimmt. Ehrlichkeit und Verantwortung zählen zu den Kernwerten der Firma, auf die sich die Kunden verlassen können. Objektive Befragungen bestätigen regelmäßig, dass Mitarbeiter und Kunden sich gut aufgehoben fühlen. Mit der Formel »Maßarbeit + Qualität + Werte« sieht man sich im Odenwald für die Zukunft gut gerüstet.
Kopp Schleiftechnik GmbH: Was lässt sich daraus lernen?
Das Produkt muss nicht sexy sein, wenn die Firma sexy ist.
Konzentration ist auf mehreren Ebenen möglich (Produkte, Prozesse, Märkte usw.).
Wenn kleine Anbieter es zum Prinzip erheben, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und menschliche Werte zu leben, brauchen sie keine Angst vor den »Großen« zu haben.
Wer sich nicht konzentriert, brennt aus
Hektik und Stress als Normalzustand?
In Unternehmen, die sich nicht konzentrieren, regiert Stress statt Begeisterung. Das gilt nicht nur für frustrierte Verkäufer in der Elektroabteilung. Wenn ich als Berater zum ersten Mal in ein mittelständisches Unternehmen komme, bin ich häufig schockiert über die Hektik und Unruhe, die mir da entgegenschlägt. In solchen Firmen war typischerweise schon die Terminfindung schwierig. Und als Externer muss man damit rechnen, dass auch an den Besuchstagen kurzfristig noch irgendetwas abgesagt, umgestellt oder zeitlich gekürzt wird. Klar, »Business« kommt von »busy«, und ich erwarte in einem Unternehmen nicht die Atmosphäre einer Kurklinik. Aber manchmal habe ich das Gefühl, die Mitarbeiter »rotieren« nur noch den ganzen Tag.
In den Gesprächsrunden in solchen Unternehmen kommen wir den Ursachen meistens schnell auf die Spur. Das Management will hier alles auf einmal und sofort. Ständig werden Ideen für neue Produkte generiert und ständig sollen neue Märkte erobert, neue Kundenkreise erschlossen werden. Mit der Zeit ist so ein richtiger Gemischtwarenladen entstanden. Die Vertriebsmannschaft soll dann alles verkaufen, verkaufen, verkaufen. Sie ist ständig auf Achse, um alle diese Produkte in den Markt zu drücken. Doch kaum kommt mal ein Produkt gut an, wird es schon vom nächsten abgelöst. Hier scheint das Motto zu regieren: Wir wissen zwar nicht, worin wir gut sind, aber das machen wir mit voller Kraft.
Mehr Gelassenheit durch Konzentration
Immer wenn ich in solchen Unternehmen zu Besuch bin, weiß ich wieder, welchen Sinn mein Beruf hat. Denn alle diese Mitarbeiter könnten viel weniger Stress, viel mehr Zeit für ihre Familien und viel mehr Freude bei der Arbeit haben, wenn man ihnen nur hilft, sich zu konzentrieren. Die Vertriebsmannschaft braucht dann kein aggressives Verkaufen mehr, sondern kann jedem Kundenkontakt so gelassen entgegensehen wie einem Besuch bei Freunden.
Doch in vielen Unternehmen kommen den Mitarbeitern diese Gedanken im ersten Moment exotisch vor. Sie sind es dermaßen gewohnt, im Hamsterrad zu drehen, dass sie sich schon fast nichts anderes mehr vorstellen können. Sie glauben, nur dann dauerhaft erfolgreich sein zu können, wenn sie die Schlagzahl noch weiter erhöhen und noch offensiver verkaufen. Woran liegt das?