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Vom Kurzstreckenläufer zum Marathongewinner

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Lernen, Geduld zu haben

Mittlerweile bin ich dankbar für die Rückschläge am Anfang meiner Karriere. Ich bin dankbar für die Chinesen, die uns mit ihrer Konkurrenz gezwungen haben, uns zu besinnen und unsere Stärken zu erkunden. Und ich bin dankbar für den stämmigen Amerikaner, der mir mit seiner Frage »What’s in it for me?« eine Art Mantra für mein restliches Berufsleben geliefert hat. Ich kenne viele Mittelständler, denen es ähnlich ergangen ist wie uns damals bei drilbox. Sie brauchten einen Weckruf, um richtig gut zu werden. Dann haben sie die Kurve gekriegt. Doch schließlich brauchten sie auch Geduld.

Herkömmliche Vertriebskonzepte und typische Verkaufstrainings setzen immer noch stark auf den schnellen Erfolg. Mit cleveren Tricks und viel Tschakka-Motivation soll die Absatzkurve einen Sprung nach oben machen. Doch so schnell, wie die Kurve nach oben schnellt, fällt sie auch wieder nach unten, sobald die ersten Kunden merken, dass man ihnen viel versprochen, aber wenig gehalten hat. Ich habe über die Jahre gelernt, Geduld zu haben. Die Dinge wachsen zu lassen schien lange nicht zur schnelllebigen Businesswelt zu passen. Doch nach der großen Finanzkrise mit ihren Spekulationsblasen und Scheingeschäften hat ein Umdenken eingesetzt. Viele Mittelständler wussten es schon immer besser und haben hartnäckig an ihren Stärken gearbeitet, statt an die wunderbare Geldvermehrung zu glauben. Sie haben jetzt immer deutlicher die Nase vorn.

Größenwahn scheitert

Zu den Verlierern gehören dagegen Unternehmen wie der Nudelriese Barilla. Die Italiener kauften die mittelständisch geprägte deutsche Bäckereikette Kamps im Jahr 2002 für sage und schreibe 1,8 Milliarden Euro. Das Motiv war ganz offensichtlich das Streben nach bloßer Größe und noch mehr Geld. Südlich der Alpen nahezu unbemerkt ging jedoch die Kernkompetenz von Kamps, Backwaren den ganzen Tag über in der Filiale frisch aufzubacken, über die Jahre verloren. Denn praktisch jede andere Bäckerkette kopierte dieses Konzept. Neue Stärken wurden unter Barilla jedoch nicht entwickelt. Die Folge: 2010 verkaufte Barilla Kamps für einen zweistelligen Millionenbetrag. Die Bäckereikette wurde zum Milliardengrab für den Konzern.

Methodenkoffer

Sind die Kernkompetenzen im Unternehmen einmal erkannt, sollten sie ausgebaut und zur Richtlinie des Handelns gemacht werden. Kernkompetenzen sind zukünftig der Maßstab für unternehmerische Entscheidungen.

To do:

Konzentrieren Sie sich immer wieder. Kümmern Sie sich um alles, was Ihren Kunden wichtig ist. Wenn Sie das auch selbst leisten können, gehört es zu Ihrer Kernkompetenz.

Was Ihren Kunden zwar nützt, Sie aber selbst nicht gut können, lagern Sie an Dritte aus oder geben es ganz auf.

Suchen Sie ständig nach neuen Märkten. Überlegen Sie, wie Ihre Kernkompetenzen auf andere und zukünftige Märkte übertragen werden könnten.

Halten Sie regelmäßig Kreativmeetings ab und wenden Sie dabei Brainstorming-Techniken an. Laden Sie Kunden und Partner als Gäste ein.

Holen Sie sich Ideen auf Messen und Kongressen. Gehen Sie vor allem auch zu branchenfremden Messen und Kongressen.

Die Innenwirkung entwickelter Kernkompetenz

Arroganz ist nicht Selbstbewusstsein

In der gar nicht so »guten« alten Zeit der Quasi-Monopole saßen viele Unternehmen auf einem ziemlich hohen Ross. Heimliches Vorbild auch so mancher Westfirma war die DDR, wo die Produkte gnädig an die Konsumenten verteilt wurden. War man gar Weltmarktführer, so bildete man sich darauf mächtig was ein. Arroganz ist jedoch etwas komplett anderes als Selbstbewusstsein. Arrogantes Auftreten gegenüber dem Kunden trägt den eigenen Erfolg zur Schau und arbeitet mit Statussymbolen. Der Kunde kauft, solange er dieses Angebot unbedingt haben will.

So wollten in den Siebzigerjahren viele betuchte Kunden unbedingt einen »Daimler« fahren und nahmen dafür die Arroganz der Mercedes-Verkäufer und die jahrelangen Lieferfristen in Kauf. Arrogante Verkäufer haben jedoch ein Problem: Ihre Kunden schließen keine wirkliche Freundschaft mit dem Unternehmen. Sie sehen sich nach Alternativen um. Im Extremfall wächst bei ihnen sogar die heimliche Lust, der arroganten Firma irgendwann mal eins auszuwischen. Spätestens als Audi und BMW in Sachen Qualität, Komfort, Zuverlässigkeit und technischem Anspruch mit dem »Stern« gleichzogen, musste Mercedes vom hohen Ross absteigen und auf seine Kunden zugehen.

Erst Identität macht selbstbewusst

Warum nicht gleich so? Gesundes Selbstbewusstsein statt Arroganz ist eine Folge des Bewusstseins von Identität. Mitarbeiter, die wissen, wofür ihre Firma steht, was sie stark macht und womit sie dem Kunden nützt, sind selbstbewusst und strahlen das auch aus. Die Folge ist weniger Stress. Wer weiß, wie gut er ist, kann die Dinge ruhiger angehen. Der Erfolg wird sich einstellen. Wer sich konzentriert, braucht nicht ständig zu »rotieren«. Er weiß, dass seine entwickelten Stärken eine enorme Hebelwirkung haben. Deshalb muss er nicht alles machen, was er machen könnte, sondern nimmt sich auch Zeit für Familie und Freunde, soziale oder kirchliche Aktivitäten.

VON DEN BESTEN LERNEN: Tergon Swiss Ergochairs

Die Bürostühle des Schweizer Herstellers Tergon zählten schon lange zu den besten auf dem Markt. Doch das Produkt hatte ein Problem: Neben den filigranen Designerstücken der Marken USM oder Vitra sahen die Tergon-Stühle aus wie Opas Volvo aus den Achtzigern neben dem neuen Ferrari FF. In Zeiten steigender Ansprüche an das Design selbst bei Alltagsgegenständen wie Computermäusen oder Druckern verschärfte sich dieses Problem. Zudem überlegen sich viele Unternehmen, ob sie rund 800 Euro pro Mitarbeiter für einen Bürostuhl ausgeben sollen. Schließlich gibt es bei IKEA ansprechendes Design und passable Qualität für weniger als ein Viertel dieses Preises.

Bei Tergon besann man sich in dieser Situation ganz auf die Kernkompetenz. Die Bürostühle sind weder die schönsten noch die billigsten. Aber auf kaum einem anderen Stuhl sitzt ein Mitarbeiter gesünder. Und dieses Argument sollte Unternehmenskunden überzeugen. Gesund sitzende Mitarbeiter sind ausgeglichener, leistungsfähiger und seltener krank. Bei Tergon hat der Unternehmer das gute Gefühl, nicht am falschen Ende gespart zu haben.

Mit dem Claim »Der Stuhl, der sitzt« kommuniziert Tergon heute seine Kernkompetenz an die Kunden. Das gesunde Sitzen wurde zu einem technischen Gesamtkonzept weiterentwickelt. Die Stühle passen sich danach der Anatomie jedes Rückens automatisch an und sind optimiert, um die Bandscheiben in Bewegung zu halten. Anatomische Zeichnungen und erklärende Texte vermitteln dieses Konzept in Prospekten und im Internet. Gutachten von Ärzten sowie Testimonials von Kunden sollen die Rückenfreundlichkeit belegen.

Als Partner für gesundes Sitzen gruppierte der Hersteller schließlich passende Services rund um sein Angebot. Jeder Bürostuhl kann gratis vier Wochen zum Probesitzen geliefert und bei Nichtgefallen wieder abgeholt werden. Dem Kunden werden schnelle Lieferzeiten, versandkostenfreie Lieferung, langjährige Garantien und ein Reparaturservice durch eigene Techniker geboten. Der monatliche Newsletter »Fitback« gibt Kunden Tipps für einen gesunden Büroalltag. Gesundheit steht nun überall im Fokus und macht das Design zur Nebensache.

Tergon Swiss Ergochairs: Was lässt sich daraus lernen?

Offensichtliche Schwächen können durch Stärken auf einem anderen Gebiet mehr als ausgeglichen werden.

Produkte müssen nicht schön oder trendig sein, solange sie nützlich sind und dieser Nutzen in den Mittelpunkt gerückt sowie klar kommuniziert wird.

Selbstbewusstsein im Hinblick auf die Kernkompetenz zeigt sich in umfangreichen Services und Garantien rund um das Kernprodukt.

Die Außenwirkung entwickelter Kernkompetenz

Unternehmen und Kunde auf Augenhöhe

Wie nehmen Kunden ein Unternehmen wahr, das seine Identität kennt und seine Kernkompetenz entwickelt hat? Sie sehen einen Partner auf Augenhöhe, der es nicht nötig hat zu blenden und dem man vertrauen kann. Sie wissen auch, dass ein solches Unternehmen nicht allein über den Preis verkauft und nicht jedem Auftrag hinterherrennt. Vor allem aber fühlen sich Kunden zu einem solchen Unternehmen hingezogen. Stärke macht nun einmal attraktiv. Schließlich ziehen ja auch die erfolgreichen Fußballvereine die meisten Zuschauer ins Stadion und nicht die Absteiger. Noch einmal: Gemeint ist hier echte, innere Stärke und nicht Arroganz. Echte Stärke kommt aus dem Bewusstsein, das Richtige zu tun, es gut zu können und für andere damit einen Nutzen zu stiften.

Mitarbeiter eines Unternehmens mit entwickelter Kernkompetenz brauchen keine Angst vor dem »Verkaufen« zu haben. Denn sie spüren die Neugier und das echte Interesse ihrer Kunden, mit einem attraktiven Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Fragen Sie doch einmal einen Verkäufer bei Porsche, ob ihm das »Verkaufen« jemals schwergefallen ist. Kaum vorstellbar, dass er dies bejahen wird. Wahrscheinlicher ist, dass er genauso begeistert von dem Produkt Porsche ist wie seine Kunden. Deshalb unterhält er sich mit seinen Kunden wie unter Freunden über die neueste Technik.

Die »Porsches« der Zukunft werden vielleicht Anbieter von Elektromobilität sein, die es schaffen, Spaß und Ökologie maximal miteinander zu verbinden. Oder es werden neuartige Banken im Bereich des »Corporate Microbanking« sein, die unserem bisherigen Finanzsystem eine sowohl sozialere als auch effektivere Alternative gegenüberstellen. Wir wissen es nicht. Fest steht aber, dass es für immer mehr Unternehmen rund läuft, wenn sie ihre Stärken entwickeln und sich ganz auf den Kunden ausrichten.

Mein Freund, der Kunde

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