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Die Zeiten haben sich verändert

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Abgedroschen klingt der folgende Satz und ist doch wahr: Kinder nutzen Fernsehen, Internet, Computer, Handy und Radio anders als Eltern. Dem normalen Menschenverstand leuchtet das eigentlich sofort ein, wäre da nicht die Frage nach dem Wie und Was. Nun werden seitens der Eltern nicht alle Medieninhalte gleichermaßen abgelehnt oder verteufelt: Löwenzahn, Sendung mit der Maus oder auch die Sesamstraße sind „pädagogisch“ wertvolle Sendungen, zumal viele Eltern diese kennen und sie viele Fernsehpreise abgeräumt haben. Ganz anders verhält es sich mit Fernsehsendungen und Sendern, die man nicht kennt oder denen ein bestimmtes Image zugeschrieben wird. Gut ist KIKA, schlecht Super RTL?

Leicht wird da die eigene Mediensozialisation mit denen der eigenen Kinder verglichen. Vorschnell werden Formate, Einstellungen und Normen aus eigener Anschauung und Erfahrung auf die Kinder übertragen. Wicki und die starken Männer wird ebenso gerne herausgekramt wie Flipper oder Väter der Klamotte – die Namen sind übrigens austauschbar, je nach Alter und Geschlecht.

Weil alle Eltern über die Jahre und Jahrzehnte Medienerfahrungen gesammelt haben, können sie auch beim Fernsehen mitreden, anders als vielleicht bei Internet und Handy.

Dass es einen gravierenden Unterschied gibt, ob ein Kind zwischen „Bits und Bytes“ oder zwischen Vinylschallplatten und Kassettenrekorder groß geworden ist, wird da gerne ausgeblendet. Dabei gibt es einen riesigen Unterschied, nicht nur in den technischen Auswirkungen, sondern auch bei den sozialen Folgen. Überlieferten Schwarz-weiß-Produktionen wie Flipper klassische Ideale und Werte, stellt sich diese Frage bei Deutschland sucht den Superstar, Big Brother und Das Dschungelcamp wohl nicht.

Damit will ich nicht pauschal gegen das Fernsehen wettern, wie es vor noch gar nicht so langer Zeit Marcel Reich-Ranicki getan hat, dennoch zeigen die genannten Beispiele, dass Kinder heute mit anderen Herausforderungen zu kämpfen haben als jene Kinder in den 1970er und 1980er Jahren.

Im Medienzeitalter sind Radio- und Fernsehstationen rund um die Uhr auf Sendung.

Nicht nur Eltern fühlen sich vom Medienangebot überfordert. Eltern wie Kinder können zwar aus dem riesigen Medienangebot auswählen, doch um nicht im Mediendschungel verloren zu gehen, brauchen sie Kriterien, nach denen sie entscheiden können, was sie heute schauen oder morgen hören. Damit eben nicht eintritt, was sich tausendfach in deutschen Haushalten abspielt: Kinder zappen sich durch die Programme, die Medienbilder können unkommentiert und ungefiltert auf die Kinder einprasseln. Beispiele gibt es mehr als genug, die zeigen, was herauskommt, wenn Kinder mit den Medien allein gelassen werden. Konzentriert Hausaufgaben machen wird schwierig, wenn Kinder gleichzeitig von allen Medienkanälen berieselt werden. Wo bleibt da der Blick auf das Wesentliche, Zeit für Bücher und Kultur?

Es ist das Privileg der Kinder, sich spielerisch den Herausforderungen zu stellen, dieses und jenes auszuprobieren und zu experimentieren. Diese Einstellung führt immer wieder zu erstaunlichen Ergebnissen. Einige dringen tief in die technische Welt der „Bits und Bytes“ ein, andere entdecken ihr kreatives Potenzial, wenn sie eigene Radio- oder Videospots aufnehmen, und erweitern so ihr Wissen. Andere lenken sich vom Alltag ab, tauchen in den virtuellen Strom des Internets ein. Das Herumexperimentieren führt zu technischen Kompetenzerweiterungen gegenüber den Eltern. Eltern werden zu Lernenden und Kinder/Jugendliche zu Lehrenden, eine Rollenkonstellation, mit der Eltern wie Pädagogen umzugehen lernen müssen. Gravierende Folgen für die Medienerziehung hat es schon, wenn die technischen Kompetenzen zwischen Eltern und Kindern weit auseinander liegen. Wer glaubt, mit radikalen Verboten den Medienkonsum einschränken zu können, ist auf dem pädagogischen Holzweg.

Wer glaubt, mit radikalen Verboten den Medienkonsum einschränken zu können, ist auf dem pädagogischen Holzweg.

Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Angesagt ist, im Austausch mit Kindern zu sein, sich mit ihren Motiven und Wünschen auseinanderzusetzen. Das setzt ein Verständnis von und für Medien voraus. Wenn Kinder von Harry Potter und Co. fasziniert sind oder die Bücher der Biss-Saga von Stephenie Meyer verschlingen, wenn Jugendliche in Foren und Blogs schreiben oder sich die neusten Songs und Videoclips im Internet anschauen und herunterladen, dann wäre es für Eltern ratsam, daran Anteil zu nehmen. Nicht, dass sie die technischen Finessen alle selbst beherrschen müssten. Wenn sie von den Motiven der Kinder wissen, fragen, was sie an der Medienwelt fasziniert, dann entsteht dieser Kontakt, den Kinder suchen und brauchen.

Wie das im Einzelnen konkret aussieht, dafür gibt es keine einfachen Rezepte oder Checklisten, die abgearbeitet werden können. Auch wenn es zahlreiche Erziehungsratgeber gibt: Erziehung ist eine komplexe Aufgabe, das macht den Erziehungsprozess einerseits so spannend und aufregend, andererseits aber auch schwierig und oft genug anstrengend. Zum Wohle der Kinder zu erziehen, damit aus ihnen starke Persönlichkeiten werden, die verantwortungsvoll und kreativ ihre Zukunft gestalten, ist eben eine anspruchsvolle Aufgabe.

Kinder, Computer & Co.

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