Читать книгу Die gestohlene Stadt - Jürgen Matz/ Sarah Rubal - Страница 7
ОглавлениеVorwort
Über alle Grenzen trifft man immer wieder auf Menschen, die stets betonen aus Uerdingen am Rhein und keine Krefelder zu sein. Auch ich gehöre dazu. Von manchen Zeitgenossen aus Unwissenheit gerne als besonderer Lokalpatriotismus oder blasiert als Folklore abgetan, war es mir stets wichtig, den Hintergrund für meine Haltung zu liefern.
Uerdingen wurde 1929 nicht zu Krefeld eingemeindet, auch nicht zwangseingemeindet, wie heute oft und gerne, wider besseres Wissen behauptet, sondern gehört nur aufgrund einer Aneinanderreihung fataler und intriganter Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu »Krefeld«. Die rechtlich herausragende Stellung des ursprünglich vertraglich und gesetzlich festgeschriebenen Zweckverbandes »Krefeld-Uerdingen am Rhein« der eine wahre Doppelstadt werden sollte, wird bis heute von offizieller Seite und den Lokalzeitungen nahezu totgeschwiegen oder despektierlich dargestellt.
In dem Standardwerk der Stadtgeschichte Krefeld - Die Geschichte der Stadt, 5. Band von Dr. Hans Vogt und Dr. Reinhard Feinendegen von 2010, werden dem Kapitel keine 15 von 800 Seiten gewidmet.
Ein Zufall? Unbestritten ist, dass das nationalsozialistische Reich ein Unrechtsstaat war, in dem nach dem Führerprinzip, auf kommunaler Ebene strikt und rücksichtslos Entscheidungen durchgesetzt wurden.
Unter der unrechtmäßigen Inkorporation Uerdingens zu Krefeld im Jahr 1940 leidet die Rheinstadt jedenfalls bis heute, denn gravierende Vertragsinhalte wurden von der Stadt Krefeld bis heute nicht erfüllt oder gebrochen, wie in der Frage des Baus einer Stadthalle oder bei der Schließung der Uerdinger Bücherei in 2013. »Uerdingen muß Krefeld werden« so der Düsseldorfer NSDAP- Gauleiter Florian in einem Schreiben an den NS- Oberbürgermeister Heuyng, dem Initianten des auf Unrecht begründeten Namensentwurfes »Krefeld am Rhein«.
Die Namensidee »Krefeld am Rhein« steht für einen besonders dunklen Teil der Expansion Krefelds in einer Zeit, in der Recht zu Unrecht wurde. Als der amtierende Oberbürgermeister in 2017, durch Nutzung als offizielles Signet, den Gemeindenamen »Krefeld am Rhein« einführen wollte, was durch die Bezirksregierung Düsseldorf stringent untersagt wurde, war dies der Auslöser für mich ein Buch über die Entstehung der heutigen Stadt Krefeld herauszugeben und damit die lokale Geschichte für Krefelder und Uerdinger zu erhalten.
Mit der renommierten Schriftstellerin Sarah Rubal konnte ich eine versierte Historikerin für das gemeinsame Buchprojekt gewinnen. Sarah Rubal als Co-Autorin für den Roman zu haben, erwies sich als Glücksgriff, da sie bereits in den ersten gemeinsamen Gesprächen das Potenzial und die enorme geschichtliche Brisanz des, durch Quellen belegten, Sachverhaltes erkannte. Sofort entwickelte sie schon eine erste Idee, zur Umsetzung der geschichtlichen Ereignisse in einem fesselnden Roman, der nicht nur Romanliebhaber sondern auch Historiker in seinen Bann ziehen sollte. So verfassten wir gemeinsam einen Roman der höchste Ansprüche an spannende Literatur mit fundierten, regionalen Geschichtskenntnissen vereinen sollte. Das Ergebnis liegt nun, nach mehr als zwei Jahren intensiver Arbeit vor.
»Geschichte ist spannend« so die Worte von Sarah Rubal, der ich an dieser Stelle nochmals besonders für ihre Arbeit in dem Projekt danken möchte. Ich hoffe, mit diesem Werk den missliebigen Teil der Geschichte dieser Stadt in Form eines investigativen Romans für zukünftige Generationen Krefelds und Uerdingens erhalten zu haben.
Jürgen Matz, Uerdingen am Rhein im April 2020
Als die Nazis eine ganze Stadt stahlen…
Als ich im Frühjahr 2018 den Anruf von Jürgen Matz erhielt, in dem er mir mit knappen Worten sein Buchprojekt schilderte, begann für mich eine Zeit intensiven Aktenstudiums. Die Vorgänge zur Stadt »Krefeld-Uerdingen am Rhein«, die von 1929 bis 1940 existierte, sind in den von von Joachim Lilla bearbeiteten Quellen zu den Krefelder Eingemeindungen unter besonderer Berücksichtigung der kommunalen Neugliederung 1929, erschienen 1999 als Teil der Reihe Krefelder Archiv, Quellen und Forschungen der Stadt Krefeld und des Niederrheins, Neue Folge, Band 4, herausgegeben vom Verein für Heimatkunde e.V. Krefeld, umfassend, allerdings nicht lückenlos dokumentiert. Insbesondere nach 1945 zeigten sich bald für unsere Fragestellung Lücken. Wir fragten uns, weshalb man 1945 nicht mehr unternahm, um das geschehene kommunale Unrecht rückgängig zu machen; damals wäre das nach heutiger Einschätzung noch problemlos möglich gewesen.
Diese Lücken sowie das spannende Verhältnis von Bürgermeister Wilhelm Warsch zu »seiner Stadt«, den wir in unserem Roman zum tragischen Protagonisten erklärt haben, rief mein Interesse hervor und so begannen Jürgen Matz und ich, einen Roman entlang der historischen Begebenheiten zu entwickeln, in dem es an dramatischen Situationen, Bösewichten und Heldentaten nicht mangelt.
Ihm gegenüber standen der NSDAP-Kreisleiter Erich Diestelkamp, der SA-Obersturmbannführer Dr. Alois Heuyng, späterer Bürgermeister von Krefeld, und der Polizeichef, SS-Standartenführer Dr. Emil Hürter als Gegenspieler.
Bald schon entwickelte sich in unseren Gedanken ein spannender Roman,- vor allem aber auch eine Dokumentation mit belegbaren zeitgeschichtlichen Ereignissen, die in der Gegenwart kaum bekannt sind. So erstellte Jürgen Matz die Wikipedia-Seite Krefeld-Uerdingen am Rhein und pflegte mit großer Sorgfalt die von ihm neu recherchierten Fakten ein, ebenso wie dem Wikipedia-Eintrag zu Dr. Wilhelm Warsch, von dem wir leider keine lebenden Angehörigen mehr erreichen konnten.
Wir können also nicht mit Bestimmtheit sagen, ob das Bild, das wir von ihm zeichnen, ihm gerecht wird oder in seinem Sinne ist – wie immer im Genre »historischer Roman« eine Gratwanderung. Doch für uns war der Vorwurf der alten Uerdinger, Warsch habe »Uerdingen verkauft«, Anlass genug, sein Andenken entlang der Quellen ein wenig geradezurücken. Die Geschichte folgt der Quellenlage, ist aber an vielen Stellen fiktional erweitert, wie es sich für einen Roman gehört. Deshalb erhebt auch keine der gewählten Darstellungen den Anspruch, bewiesener Fakt oder Wahrheit zu sein. Es ist vielmehr der Versuch einer fiktionalen Annäherung an das, was zwischen 1925 und 1949 in Uerdingen geschehen sein könnte.
»Geschichte ist ein Roman, der stattgefunden hat, der Roman ist Geschichte, wie sie hätte sein können«, schrieb der französische Autor Edmond Huot de Goncourt einmal und das trifft das Verhältnis von Wahrheit und Fiktion in diesem Buch sehr gut.
Für mich war die Arbeit an »Die gestohlene Stadt« eines der spannendsten Projekte der letzten Zeit und ich wünsche allen unseren Lesern eine unterhaltsame und informative Zeit mit dem Produkt dieser inspirierenden Zusammenarbeit. Ich danke Jürgen Matz dafür, dass er mich als Historikerin und Autorin in diesem Projekt mit in das Boot genommen hat und hoffe, dass das Ergebnis viele begeisterte Leser findet.
Sarah Rubal, Frankfurt im April 2020