Читать книгу Eine Reise nach Schwerin - Jürgen Ruszkowski - Страница 5
Wieder in Schwerin
ОглавлениеDa meine Anreise an einem Sonntag erfolgte, fand ich die Straßen vom Bahnhof zum Pfaffenteich und weiter daran entlang fast dörflich-idyllisch ruhig vor. Das Wetter meinte es gut mit mir. Statt mein Gepäck – wie zunächst geplant – sofort zum Hotel zu bringen, unternahm ich erst eine Radtour durch die Schweriner Innenstadt.
Blick vom Pfaffenteich zum alles überragenden Dom –
zu diesem Prachtbau norddeutscher Backsteingotik hatte ich eine ganz besonders innige Beziehung – dem Dom sei daher ein gesondertes Kapitel mit vielen Bildern gewidmet
Blick vom Pfaffenteich auf den Turm der ehemaligen Post
Arsenal
Vorbei ging es am Arsenal – in dem Gebäude herrschte zu meiner Jugendzeit Anfang der 1950er Jahre die Partei-Willkür mit zermürbenden Verhören, die einer meiner Leitbilder (siehe Vorgeschichte) über sich ergehen lassen musste.
Arsenal
Wenige Schritte weiter schon war ich an meiner früheren Wirkungsstätte, dem damaligen Hauptpostamt und der Oberpostdirektion in der Mecklenburgstraße in der Schweriner City.
Die Hauptpost – von 1950 bis 1953 meine Wirkungsstätte
Dieser schöne alte unter Denkmalschutz stehende Bau steht offenbar seit Jahren leer und macht einen erbarmungswürdigen Eindruck. Er wurde 1892-97 im Stil der Neorenaissance nach einem Entwurf von E. Hake errichtet. Die alten Holzfenster vergammeln und die Fassade ist verschmiert. Hier ging ich als junger Bursche täglich meiner Arbeit nach.
Hauptpostamt Schwerin – vorne rechts führte der Eingang zum Hof
Hauptpostamt Schwerin – die Hofseite
Der links abknickende Flügel beherbergte das früher noch zur Post gehörige Telegrafenamt. Hier vermittelten die „Fräulein vom Amt“ damals noch die Ferngespräche. Zwischen den beiden Gebäuden war die Einfahrt, durch die mich mein täglicher Weg zur Arbeit führte. Hinter den großen Fenstern unten links war die Wertabteilung. Dahinter wurden die Briefe noch von Hand sortiert. Postleitzahlen gab es nur für Regionen, noch nicht für Orte oder gar Zustellbezirke. Daher mussten wir noch die Geographie kennen und die Orte an den Bahnstrecken auswendig lernen. Die Postbeförderung war damals – nicht nur in der DDR – noch sehr personalaufwendig.
Postausweis von 1950
Postausweis von 1950
Direkt unterhalb des Domturms die Post – rechts das Telegrafenamt
Hauptpostamt Schwerin – die Hofseite von der Bischofstraße aus
Im rechts abknickenden Flügel befanden sich unsere Unterrichtsräume, in denen wir Fachkunde lernten.
Geographieunterricht bei der Post
Die damaligen Post-Ausbilder Meltz – Hansen – Gerth
Meine Post-Lehrlingskolleginnen 1953
Weiter rechts in dem abknickenden Flügel befand sich die streng geheim zu haltende und für uns unzugängliche Zensurstelle des Staatssicherheitsdienstes. Alle Post kam direkt nach der Kastenleerung vor dem Stempeln hierher und wurde in Säcken vor die Tür gelegt. Vor der Einstellung in den Postdienst hatten wir uns nicht nur zur Einhaltung des Postgeheimnisses, sondern auch zur Verschwiegenheit über die Zensur schriftlich zu verpflichten.
Meine Fahrradtour ging zunächst durch die bekannten Straße und Gassen der Altstadt – Schmiedestraße – Schusterstraße – heute eine weitläufige Fußgängerzone – die ich aber mit dem Fahrrad bequem durchfahren konnte. Alte Erinnerungen wurden wieder wach. In der Schusterstraße befand sich die Werkküche der Post, in der wir täglich eine warme Mittagsmahlzeit einnehmen konnten.
In diesen alten Mauern in der Schusterstraße im ersten Stock befand sich damals die Werkküche der Post, in der wir mittags aßen.
Blick in die Schlossstraße von der Schlossbrücke aus
Blick aus der Schlossstraße auf das Schloss
Durch die Schlossstraße – vorbei an den repräsentativen Gebäuden der Landesregierung – Anfang der 1950er Jahre noch von der allmächtigen siegreichen Roten Armee besetz – bewunderte ich die inzwischen wieder aufgeputzten Prachtbauten – Theater – Museum – Marstall.
Theater – Museum
In dem Museum war ich erstmals um 1949 mit der Schulklasse von Grevesmühlen aus zu einer Ausstellung über die Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Selbst unsere Lehrerin zeigte sich schockiert – etwa über die dort ausgestellten Lampenschirme aus Menschenhaut.
Marstall
Weiter ging es danach am Schloss (heute Sitzt des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern) und am Schweriner See entlang durch den Schlosspark. Diesen Weg hatte ich in meinen Jugendjahren täglich auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zurückgelegt.
Bootshäuser am Schweriner See – vom Schloss aus gesehen
Bootshäuser am Schweriner See
Blick auf Schloss und Dom von den Bootshäusern aus
Bis 1953 hatte ich in der Schlossgartenallee im Haus Nummer 60 gewohnt. Dort hatte die Post ein Lehrlingsheim eingerichtet.
das Lehrlingsheim in der Schlossgartenallee
der Trauerflor an der Fahne signalisiert Stalins Tod
das Lehrlingsheim in der Schlossgartenallee – späteres Foto
Das Haus in der Schlossgartenallee Nr. 60 heute
Hierher führte mich jetzt meine Fahrt. Ein großer Teil der Schlosssgartenallee mit angrenzenden Straßen war bis etwa 1952 von Offizieren der Sowjetarmee bewohnt und streng abgeriegelt. Sofort nach Freigabe dieses Komplexes zogen wir aus dem Heim in Görries, das nun die Sowjets beanspruchten, in die Schlossgartenallee um. Vor dem Schlagbaum mussten wir mit unserem Lastkraftwagen voller Möbeln noch eine Weile warten, bis wir durchgelassen wurden.
Ich sprach kurz mit dem jetzigen Eigentümer, der das Grundstück in den 1990er Jahren gekauft hatte.
Am Rande des Schweriner Sees radelte ich weiter nach Zippendorf, dem Naturbadestrand der Schweriner.
Der Autor mit seinem ebike
Zippendorf Strand
Mittagessen in Zippendorf
Im Restaurant „Strandperle“ stärkte ich mich erst einmal mit einer schmackhaften „bunten Ofenkartoffel“.
Blick von Zippendorf aus auf Schwerin – der Dom überragt alles
Auf dem ufernahen autofreien Asphaltsteg und den Franzosenweg – vorbei am Segeljachtclub, an Rudervereinsdomizilen und wieder am Schloss entlang ging es dann zurück in die Innenstadt.
Jetzt wurde es für mich Zeit, mein Hotel aufzusuchen, um die Mittagsruhe zu halten, ohne die ich altersbedingt nicht mehr über den Tag komme. Ich hatte eines in zentraler Stadtlage in der Gaußstraße direkt am Pfaffenteich gewählt.
Hotel am Pfaffenteich
Die Lage war außerordentlich günstig. Die Gaußstraße und auch die am Pfaffenteich entlang führende Straße waren nur mäßig befahren. Außerdem lag mein Zimmer zum idyllisch ruhigen Hof hin.
Blick aus meinem Fenster in den Hof und Nachbargarten
Mein Hotelzimmer
Das Zimmer mit Toilette, Waschbecken und Dusche war sauber und für mich alleine groß genug.
Den vorhandenen Kühlschrank benötigte ich gar nicht. Ein Wasserkocher, Tassen und Gläser standen zur Verfügung, so dass ich mir ggf. abends einen Tee bereiten konnte. Das Frühstücksbuffet bot reichlich Auswahl. Meist fand ich dort auch Vitamin C spendendes Obst – Kiwis – vor, neben Kaffee oder Tee auch Fruchtsaft oder Mineralwasser.
Der Frühstücksraum
Frühstücksbuffet