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Vorwort
ОглавлениеMit dem Hinweis, eine Länderkunde schreibe man erst am Ende seiner wissenschaftlichen Universitätslaufbahn, wenn man sich einen entsprechenden Fundus über das Land angelegt hat, ermunterte mich mein akademischer Lehrer und Mentor Peter Meusburger, dem diese Länderkunde gewidmet ist, vor ca. fünf Jahren, das Projekt eines „Frankreich-Buches“ anzugehen. Den Fundus für die nun vorliegende Länderkunde bilden zahlreiche Lehrveranstaltungen aus den letzten 25 Jahren: Zehn Vorlesungen zur regionalen Geographie Frankreichs, 17 sich mit verschiedenen Aspekten Frankreichs auseinandersetzende Pro- und Hauptseminare sowie 24 Exkursionen in verschiedene Regionen Frankreichs (incl. La Réunion, Martinique und Guadeloupe).
Natürlich hat auch diese Länderkunde einige prominente Vorgänger, insbesondere die in zwei Auflagen erschienene Länderkunde des Geographen Alfred Pletsch (1997, 2003), die sehr detailreich, eher dem Ansatz einer klassischen Länderkunde folgend, ein wertvolles Überblickswerk darstellt, das – abgesehen von der Aktualität der Daten – auch heute noch lesenswert ist. Eine aktuelle Länderkunde Frankreich gibt es aus der Geographie allerdings schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Zwar existieren einige Werke über Frankreich, die im Titel den Begriff Landes- oder Länderkunde tragen (z.B. zuletzt Lüsebrink 2018), deren Inhalte aber in der Regel auf wenige Aspekte fokussiert sind und die meist mehr oder weniger die regionalwissenschaftliche Perspektive ausblenden. Dies gilt (verständlicherweise) überwiegend auch für Veröffentlichungen aus anderen Disziplinen, die sich mit Frankreich beschäftigen, gleichwohl aber den Anspruch einer Landes- oder Länderkunde haben. Auch sie sind durchaus lesenswert, etwa die in acht Auflagen von Ernst Ulrich Grosse und Heinz-Helmut Lüger (zuletzt 2008) vorgelegte Einführung „Frankreich verstehen“.
Das Unterfangen, eine möglichst „vielseitige“, sich aber dennoch nicht im Detail verlierende Länderkunde zu schreiben, erfordert immer auch „Verzicht“ durch den Autor, denn schon allein auf Grund des vorgegebenen maximalen Umfangs müssen zwangsläufig auch einige Themenfelder verkürzt behandelt werden, andere finden gar keinen Eingang in das Buch. Daher ist die vorliegende Länderkunde im Sinne von Eugen Wirth (1985: 148) der Versuch, „die komplexe, kulturspezifische Welt menschlicher Handlungssituationen, Alltagserfahrungen, Handlungsstrategien und handlungsleitender Wertesysteme“ regionalwissenschaftlich zu analysieren. Hierzu werden für ausgesuchte Themenkreise die regionalspezifischen Grundstrukturen und Prozesse herausgearbeitet, ohne den Anspruch „klassischer“ Länderkunden einer systematischen, dem länderkundlichen Schema folgenden Aufarbeitung zu erfüllen. Die Länderkunde ist dabei nicht als Fachbuch konzipiert, das sich ausschließlich an ein „wissenschaftliches Publikum“ wendet, sondern ist an ein breites Publikum adressiert, das sich für unser Nachbarland interessiert. Die Auswahl der angesprochenen Themen unterliegt verständlicherweise einer gewissen Subjektivität und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jedoch wurde stets darauf geachtet, dass die gewählten Themen für Frankreich „typische“ Entwicklungen und Prozesse beinhalten bzw. „französische Spezialitäten“ darstellen.
Die Länderkunde beginnt mit einer „Annäherung“, in der insbesondere die physisch-geographischen Voraussetzungen (z.B. Klima oder Böden) für die in den folgenden Kapiteln behandelten Themenkreise dargelegt werden (z.B. für die Agrarwirtschaft oder den Tourismus). Darauf folgt – quasi als Pendant zu den physisch-geographischen Rahmenbedingungen – die Auseinandersetzung mit den politisch-administrativen Strukturen (vgl. Kapitel 1), die – auf einem Staatszentralismus beruhend – raumprägend in viele Lebensbereiche hineinwirken und Frankreich in vielerlei Hinsicht „anders“ machen als seine Nachbarländer. Dies gilt z.B. auch für die demographische Entwicklung und die Bevölkerungsstrukturen (vgl. Kapitel 2) sowie für das französische Städtewesen (vgl. Kapitel 3). So findet z.B. die räumliche Verlagerung der Bevölkerung aus dem ländlichen in den städtischen Bereich erst vergleichsweise spät im 20. Jahrhundert statt. Gleichwohl hat Paris seit Jahrhunderten eine überragend wichtige Rolle als mit Abstand größter Bevölkerungsagglomeration Frankreichs. Im französischen Städtenetz nimmt die Hauptstadt als Primatstadt eine Sonderrolle ein, nicht zuletzt auf Grund der hohen Konzentration politischer und wirtschaftlicher Entscheidungsträger in der Stadt. Allerdings haben auch andere Städte eine für Europa außergewöhnliche Entwicklung aufzuweisen, wie das zweite Beispiel (Montpellier) zeigt. Mit der Wirtschaft Frankreichs setzen sich die folgenden drei Kapitel intensiv auseinander: Zunächst erfolgt ein Überblick über die allgemeinen Wirtschafts- und Arbeitsmarktstrukturen (vgl. Kap. 4), der u.a. auch die Aspekte Arbeitslosigkeit oder Frauenerwerbstätigkeit aufgreift. Nachfolgend werden mit der Landwirtschaft und Industrie zwei Wirtschaftssektoren mit schwindender Bedeutung vorgestellt (vgl. Kap. 5), wobei ausgewählte, für Frankreich wichtige und „typische“ Teilbereiche (z.B. Weinbau oder Atomindustrie) näher beleuchtet werden. Schließlich wird der boomende Dienstleistungssektor sowohl im Überblick, als auch anhand ausgewählter Beispiele analysiert (vgl. Kap. 6). Der schnelle Betriebsformenwandel mit immer wieder innovativen Entwicklungen und die sowohl auf dem starken Binnen- als auch Inbound-Tourismus beruhende Tourismuswirtschaft können als Beispiele einer „typisch französischen“ Entwicklung interpretiert werden. Den Abschluss der Länderkunde bildet die Behandlung der Überseedépartements Frankreichs (vgl. Kapitel 7), ein in den bisher erschienenen deutschsprachigen Länderkunden über Frankreich weitgehend ausgeblendetes Thema. Als integraler Bestandteil des französischen Staates zeigen die Überseegebiete in vielerlei Hinsicht vom europäischen Frankreich abweichende Strukturen und Prozesse (z.B. Demographie oder Wirtschaft). Wie bereits erwähnt wären weitere Themen in einer Länderkunde Frankreich denkbar, die zum Verständnis unseres Nachbarlandes (auch unter regionalwissenschaftlichen Aspekten) einen Beitrag leisten könnten: Kultur, Medien, Sport, Rolle in der EU oder Globalisierung sind nur einige Schlagworte als Synonyme für weitere denkbare Themenkreise.
Zur Aufbereitung und Analyse der einzelnen Themenkreise wird auf möglichst aktuelle Daten der amtlichen und nicht-amtlichen Statistik zurückgegriffen. Im Bereich der amtlichen Statistik ist das nationale französische Statistikamt (Institut National de la Statistique et des Études Économiques, INSEE) wichtigste Quelle. Es veröffentlicht, oft regional differenziert, eine Vielzahl periodisch erscheinender Daten und Statistiken bzw. einmaliger Sondererhebungen bzw. -auswertungen. Gelegentlich werden Erhebungen jedoch eingestellt oder es wird die Erhebungssystematik modifiziert: In diesen Fällen beschränkt sich der jeweilige Analysezeitraum auf die entsprechenden Erhebungszeiträume bzw. es gibt Darstellungen mit unterschiedlichen Klasseneinteilungen für verschiedene Erhebungszeitpunkte. Die in den Abbildungen und Tabellen genannten Quellen sind auch zur Abfassung der Texte verwendet worden, aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden diese jedoch nur „einfach“ angeführt.
Die Abfassung einer Länderkunde wäre ohne viele „helfende Hände und Köpfe“ nicht möglich. Mein Dank gilt daher zunächst den zahlreichen Studierenden mit ihren Beiträgen, Fragen und Kommentaren in den Frankreich-Veranstaltungen, die mich stets zur Reflexion angeregt haben. Danken möchte ich auch meinem Kollegen Rainer Kazig (Universität Grenoble) für zahlreiche anregende Gespräche, auch wenn sich die ursprüngliche Absicht einer gemeinsam abgefassten Länderkunde am Ende leider nicht hat verwirklichen lassen. Auch meinem Münchener Team am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung danke ich für die Diskussion von Inhalten und das Korrekturlesen (namentlich danke ich Manuela Bauer, Marion Karl, Erik Lindner, Philipp Namberger, Marlena Passauer und Maximilian Witting). Ein besonderes Dankeschön für die akribische Datenerhebung und insbesondere für die Erstellung der Karten gilt Florian Weber und Sascha Jackisch. Mein Dank gilt auch der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) für das Angebot, eine neue Länderkunde Frankreich verfassen zu können. Vor allem Herr Jens Seeling und Frau Fatoumata Diop haben das Entstehen der Länderkunde stets mit viel Verständnis und Geduld sowie mit großem Interesse unterstützt. Obwohl die Länderkunde mit großer Sorgfalt angefertigt wurde, können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Mögliche Fehler liegen allein im Verantwortungsbereich des Verfassers, für Hinweise auf Fehler ist er dankbar.
Last, but not least sollen die Orte bzw. Regionen erwähnt werden, an denen diese Länderkunde zum ganz überwiegenden Teil geschrieben wurde: Wartaweil am Ammersee sowie Oppède bzw. Lacoste im Luberon. Der inspirierende und motivierende Charakter aller drei Orte hat wesentlich zum erfolgreichen Abschluss der Länderkunde beigetragen.
Jürgen Schmude,
München im Dezember 2018