Читать книгу Zwischenfall auf Astros - Jürgen Schwarz Blum - Страница 7

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Mara hatte sich im Innenraum des Transporters an ihren Arbeitstisch gesetzt. Doch statt Unterlagen für die bevorstehende Rückfahrt durchzugehen, hing sie ihren Gedanken nach. Sie dachte an ihre Besatzung heute auf dieser Fahrt. Lim kannte sie schon lange, und sie hatten schon oft zusammengearbeitet. Mara wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Der Auftrag wirkte mit ihm zusammen eher wie ein Ausflug. Auch wenn Lims Gesprächsthemen eng auf die aktuellste Computertechnik begrenzt waren, war ihr seine Anwesenheit sehr willkommen.

Anders war das schon mit dem dritten Crewmitglied. Kurz vor der Abfahrt von der Zentralstadt war ihnen noch jemand von der Verwaltung geschickt worden – Ortas. Mara erinnerte sich an die Begrüßung: Ortas hatte sich militärisch und mit den Worten meldet sich zum Dienst vorgestellt, komplett mit Salutieren. Fast hatte Mara bei diesen für ihre Ohren etwas albernen Worten gelacht. Eine Soldatin sollte mitkommen? Wofür brauchten sie denn eine militärische Begleitung? Sie hatte sich gefragt, was an ihrem Auftrag so Besonderes sein sollte, dass ein derartiger Schutz notwendig sein sollte.

Ortas brachte ein umfangreiches Gepäck in Form von verschiedenen Waffen und der zugehörigen Munition und was auch immer für weitere militärische Ausrüstung mit. Wollte sie in den Krieg ziehen? Zumindest hatte sie alles dafür dabei. Jetzt sah Mara, dass Ortas wieder einmal mit dem Reinigen und Polieren der Gewehre beschäftigt war. Das schien ihre Lieblingsbeschäftigung zu sein. Auf der Hinfahrt hatte sie schon nichts anderes getan. Vielleicht wollte Ortas damit aber auch nur eine irgendwie von ihr selbst gefühlte Minderwertigkeit ausgleichen. Doch Mara ließ das Psychoanalysieren besser sein.

Sicherer jedenfalls fühlte sich Mara bei dem Anblick eines solchen Waffenarsenals aber eher nicht.

Wofür wurden die Waffen nur gebraucht, hatten sich Mara und Lim gefragt. Hier auf Astros lebten keine wilden Tiere, für die man die Großwildjägerausrüstung benötigte. Und Straßenräuber gab es auch nicht. Wohin sollten die auch nach einem Überfall auf diesem verlassenen und lebensfeindlichen Asteroid nur hinfliehen? Nun gut, vor Jahren sollten sich ein paar Rebellen, so erzählte man, abgesetzt haben. Von denen wurde nie mehr etwas gehört, und oberirdische Siedlungen von ihnen wurden aus der Luft nicht entdeckt. Die Rebellen mussten mittlerweile verstorben sein. Denn unterirdische Quartiere zu bauen wäre ihnen mit den zur Verfügung stehenden primitiven Mitteln nicht möglich gewesen und erst recht nicht, diese Behausungen auch langfristig zu unterhalten.

Was war also bei ihrem Auftrag heute so wichtig, dass es einen militärischen Begleitschutz erforderte? Oder konnte das an der Ladung liegen? Beide, Mara und Lim, waren zu keiner Erkenntnis gekommen.

Die Ladung bestand aus zwei großen Transportkisten. Diese Kisten sahen beinahe so aus, als wären sie aus fein geschliffenen Holz gefertigt worden. Aber Holz musste extra von der Erde nach Astros transportiert werden. Niemand benutzte solche exotischen und kostspieligen Materialien hier. Auch wenn es kein echtes Holz war, schien das Material der Transportkisten sehr wertvoll und deren Verarbeitung selbst sehr aufwendig zu sein. Die Expedition hatte da ziemlich extravagante Vorstellungen. Oder der Inhalt war ihnen so wichtig, dass auch die Verpackung das schon anzeigen musste. Aber nein, verwarf Mara den Gedanken, die wollten schließlich nichts verkaufen.

Als die erste Kiste eingeladen und der Deckel darauf befestigt worden war, hatte Mara kurz etwas von dem Inhalt gesehen. Die Kiste enthielt offenbar diverse geologische Proben und kleinere Geräte, die alle noch einmal extra verpackt waren. Die zweite Transportkiste war verschlossen herbeigeschafft worden. Aber dann war die Anweisung gekommen, eben diese Kiste noch einmal zu öffnen. Dadurch konnte Mara einen Blick hineinwerfen. Es schien sich ebenfalls um Kisten zu handeln, zwei Stück, um genau zu sein. Die sahen allerdings tatsächlich relativ alt und ungewöhnlich aus. Sie waren entweder aus sehr glatt poliertem Stein oder hatten eine metallische, dunkel schimmernde Oberfläche. Vielleicht stammten die von den ersten Siedlern hier auf Astros. Mara mochte nicht glauben, dass es sich einfach um eine weitere Verpackung handelte, die die Expedition mitgebracht hatte. Sie konnte sich aber auch nicht vorstellen, worum es sich dabei handelte. Das Seltsamste dabei war allerdings das ungewöhnliche Symbol, das an der Oberseite dieser inneren Kästen eingraviert war. Das sah nun wirklich nicht wie das Zeichen einer der Forschungsinstitute oder Universitäten aus. Mara erinnerte sich vor allem an einen Kreis, ein paar Linien und noch irgendetwas herum.

Einer der Wissenschaftler, die an der Expedition beteiligt waren, ein Dr. Rosen, hatte in diesem Moment eilig den Laderaum betreten. Als er Mara erblickte, forderte er sie auf, den Raum zu verlassen. Er wollte allein irgendetwas überprüfen. Er wartete aber Maras Weggehen nicht ab, sondern drehte sich um und ging sofort zu der geöffneten Transportkiste. Deckel und Rückwand waren nach dem Einladen entfernt worden. Dort an der hinteren Seite arbeitete er nun eine Weile seitlich an den innenliegenden Kästen. Da er sich gegenüber von Mara befand, konnte sie nicht sehen, was er da machte. Schließlich schien er fertig zu sein und befestigte die Seitenwand der äußeren Kiste. Mara wollte sich die Symbole auf der oberen Seite näher ansehen. Aber der äußere Deckel war nun auch schnell verschlossen worden, so dass sie keinen genaueren Blick bekommen hatte.

Was mochte diese zweite Transportkiste in sich verbergen? Die beiden inneren Kästen machten einen wirklich ungewöhnlichen Eindruck. Doch um was handelte es sich dabei? Dokumente oder technische Geräte oder vielleicht alte elektronische Medien zur Datenspeicherung? Antworten ließen sich so jedenfalls nicht finden.

Im geradezu letzten Moment, bevor sie losfahren wollten, verkündete nun Rosen, dass er tatsächlich selbst mitkommen und die Fahrt im Transporter begleiten wollte. Offenbar vertraute der Grabungsleiter der Expedition Mara und ihren Leuten nicht und befürchtete, dass sie die Fracht während der Fahrt nicht ungestört ließen. Daher sollte also wohl ein Aufpasser mit, dachte Mara, und dem jüngsten Expeditionsmitglied fiel diese undankbare Aufgabe zu.

Mara war zwar neugierig auf den Inhalt der Kisten, aber sie hätte nie die Siegel und Verschlüsse aufgebrochen. Lim war sowieso nur an seinen Maschinen interessiert, und Ortas hatte nur Sinn für Waffen – die beiden verloren also bestimmt keinen Gedanken an den Inhalt der Fracht. Den beiden genügte die ihnen zugeteilte Aufgabe. Mara war da vielleicht ein wenig von ihren Vorurteilen gegenüber Lim und Ortas geprägt. Sie merkte es selbst, aber das störte sie nicht sehr. Möglicherweise ergab sich eine Gelegenheit, und sie konnte mit Rosen ins Gespräch kommen. Sie hatten da schließlich eine Menge Zeit dafür, während sie unterwegs waren.

Auf dem Rückweg zur Zentralstadt mussten sie die andere, die alte Route nehmen, hatte Lim Mara erklärt. Das lag daran, dass auf der neuen und sehr viel kürzeren Strecke, auf der sie zum Außenposten gefahren waren, die große Brücke über die Cerberus Fossae genannte Schlucht nun gesperrt worden war. Sie waren gestern gerade noch rechtzeitig darüber gekommen. Die Brücke war an einem Stützpfeiler durch einen Steinschlag vor einigen Wochen beschädigt worden. Doch mittlerweile, gleich nach ihrer Anreise, hatten die Bauarbeiten zur Reparatur begonnen. Denn es war unklar, wie lange die Brücke die Belastungen noch aushalten konnte, bevor sie einstürzte.

Somit kamen sie auf der Rückfahrt nicht ganz so schnell voran. Sie würden fast 43 Stunden unterwegs sein, was etwa vier Tag- und Nachtwechsel auf Astros entsprach. Denn der Asteroid drehte sich etwas schneller um die eigene Achse als die Erde, so dass ein Astros-Tag kürzer als ein Erdtag war. Dafür brauchte Astros allerdings mehrere Erdjahre für einen Sonnenumlauf.

Die Straße, die sie nun nahmen, war noch von den Pionieren zum Beginn des Bergbaus angelegt worden. Sie folgte einem Weg der sich in unzähligen Windungen durch das Noctis Labyrinthus, dem Labyrinth der Nacht, schlängelte. Der Name war angemessen, denn dies war ein gebirgiges Gebiet, das aus vielen schmalen Rinnen und scharfen Berggraten bestand. Es war aus der durch Vulkanismus aufgeplatzten äußeren Kruste der Oberfläche in der Frühzeit des Asteroiden entstanden. Erst wenn sie die Melas Chasma erreichten, verlief die Straße wieder etwas geradliniger. Denn dies war ein breiter Canyon mit steilen, zum Teil senkrecht aufragenden Seitenwänden.

Man hatte diese Gegenden hier nach Orten auf dem Mars benannt, die eine ähnliche geologische Struktur aufwiesen. Das hatten schon vor der ersten Besiedlung die Geologen getan, die die Untersuchungen wegen der Bodenschätze vorgenommen hatten. Denen waren das ganz einfach vertraute Bezeichnungen, die sie von ihrer Arbeit auf dem Mars und dem Mond der Erde kannten.

Auf dem ganzen Weg zurück gab es keine bewohnte Siedlung. Erst die Zentralstadt war wieder ein Ort mit Menschen. Zusammen mit der geplanten Abschaltung der Satelliten ergab dies zumindest ein Gefühl der Einsamkeit. In Wirklichkeit waren sie aber natürlich nur kurzfristig von dem Rest der Bevölkerung abgeschnitten und standen ansonsten immer in Verbindung mit der Zentralstadt.

Zwischenfall auf Astros

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