Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 2 - Jörn Kolder - Страница 7
Familienrat
ОглавлениеHannelore Bergmann und Peter Petersen waren vor einer Stunde eingetroffen und eine leicht gereizte Stimmung lag in der Luft der Bergmannschen Wohnung.
„Jetzt hörst du mir mal ganz genau zu, Hannelore“ sagte Peter Petersen streng „was ich sage, wird gemacht!“
„Natürlich, natürlich“ antwortete die ehemalige Pädagogin sanft „du hast ja Recht, es war falsch von mir, deinen Vorschlag nicht gut zu finden.“
Petra und Frieder, Paula und Rüdiger sowie Claudia und Niels saßen am Abendbrottisch und folgten dem Gespräch.
„Worum geht es übrigens bei eurem Streit“ wollte Petra wissen.
„Petra“ sagte Hannelore Bergmann „wir streiten nie, wir setzen uns miteinander auseinander. Natürlich kann man es auch Streitkultur nennen, aber Peter hat meist die besseren Argumente, so dass ich eigentlich immer nachgeben muss. Ich fühle mich da nicht als Verlierer, denn er ist einfach immer so überlegt, rational und zielstrebig, ohne meine Gefühle zu beschädigen. Wir diskutieren gerade darüber, wer zu wem zieht. Ja, Peter hat mich mit seiner bodenständigen Art wieder geerdet, ich fühle mich wie ein vollkommen neuer Mensch. Und er hat bei mir etwas freigelegt, von dem ich gar nicht wusste, dass es noch so wild in mir schlummert.“
„Mutter, bitte“ sagte Frieder Bergmann peinlich berührt, „das ist doch wohl kein Thema für die Öffentlichkeit.“
„Warum nicht“ schaltete sich Peter Petersen in das Gespräch ein „auch du, Frieder, kommst mal in unser Alter, willst du dann auf Sexualität verzichten?“
Claudia und Paula kicherten, Petra bekam einen roten Kopf und schaute zu Boden.
„Na los“ ermunterte Hannelore Bergmann ihren Sohn „raus mit der Sprache.“
„Weiß ich nicht“ druckste er herum „das ist noch weit weg. Keine Ahnung.“
„Siehst du“ meinte seine Mutter „du hast dir immer noch nicht deine Vogel Strauß Politik abgewöhnt.“
„Wie meinst du das“ fragte Frieder Bergmann verständnislos.
„Statt nach vorn zu schauen verdrängst du das, was auf dich einmal zukommen wird, Kopf in den Sand und Augen zu, genau wie in deiner Behörde.“
„Mutter“ sagte Petra, die ihre Fassung wieder gewonnen hatte „das stimmt ja wohl nicht, schließlich ist Frieder jetzt Referatsleiter.“
„Na und“ erwiderte ihre Schwiegermutter ungerührt „bei seinem Potential müsste er doch schon längst Amtsleiter sein. Aber nein, jetzt darf er mit grünem Stift unterschreiben, das reicht ihm dann erst einmal. Schau dir deine Tochter an, die zieht richtig durch, mit 16 eine eigene Firma zu gründen ist schon beeindruckend.“
„Nicht Claudia hat die Firma gegründet, sondern Niels“ korrigierte Frieder seine Mutter.
„Aber nur deswegen, weil sie noch nicht volljährig ist. Und Rüdiger hat seitdem er mit Paula zusammen ist einen richtigen Satz gemacht. 1,2 nach dem ersten Studienjahr, alle Achtung, Hut ab.“
„Ja, ich bin mächtig stolz auf meine Kinder“ erklärte Frieder überzeugt „aber du musst mir nicht immer vorhalten, dass nur sie etwas leisten.“
Beleidigt griff er zur Bierflasche und trank, Peter Petersen goss ihm, sich selbst, Rüdiger und Niels einen Schnaps ein, dann prostete er allen zu und kippte das Getränk mit einer jahrelang antrainierten Bewegung herunter.
„Hannelore meint bloß“ sagte er so nebenher „dass du `n ganze Menge mehr erreichen könntest, wenn du nur wolltest.“
„Und wenn ich das gar nicht will“ konterte Bergmann „und lieber Zeit für meine Familie habe, was dann?“
„Dahinter kannst du nicht verstecken“ sagte seine Mutter „ich erwarte von dir, dass du nächstes Jahr Amtsleiter wirst.“
„Das geht gar nicht“ antwortete er erleichtert „die Beförderungsrichtlinie besagt, dass man erst mindestens 3 Jahre Referatsleiter sein muss, um sich für den Amtsleiter zu qualifizieren.“
„Typisch“ schätzte Peter Petersen ein „das ist doch vollkommen weltfremd. Wenn jemand das Zeug dazu hat, muss er doch nicht in einer sinnlosen Warteschlange herumhängen. Petra ist doch auch sozusagen außerhalb der Reihe Chefärztin geworden.“
Frieder Bergmann griff nach der Schnapsflasche und schenkte sich nach, jedes Mal wurde auf ihm rumgehackt, als wäre er arbeitsscheu.
„Können wir jetzt nicht mal über den Urlaub reden“ wechselte er das Thema.
„Also Peter und ich sind sehr dafür ein Zelt zu nehmen, wir wollen uns dieses ursprüngliche Gefühl erhalten, deswegen keinen Bungalow. Der Platz gefällt uns, wir sind gern mit von der Partie. Bleibt nur noch die Frage der Gepäckbeförderung, aber dafür gibt es ja den Anhänger. Ihr fahrt also zu sechst vor und Frieder holt uns am Bahnhof ab. Am Tag eurer Abreise kommt ihr bei Peter vorbei, wo ich dann auch wohnen werde.“
„Wir wollen in südliche Richtung nach Österreich“ warf Frieder Bergmann ein „und Peters Haus liegt im Norden, das ist doch ein wahnsinniger Umweg.“
„Na und“ meinte Peter Petersen locker „bis zu mir sind es 100 Kilometer, zum Platz insgesamt 800, macht 1.000, da ihr ja wieder von uns aus gesehen zurück müsst. Da ihr sowieso zwischendurch übernachten wollt sind es also 500 Kilometer für einen Tag. Angenommen, du hast einen Schnitt von 80 km/h, dann braucht ihr also…“
„6,25 Stunden“ setzte Claudia fort.
„Wie, 6,25 Stunden“ fragte der matheschwache Rüdiger.
„6 Stunden und 25 Minuten“ wollte ihm sein Vater lässig erklären aber Claudia korrigierte.
„6,25 Stunden, nicht 6 Stunden 25 Minuten.“
„Hä, verstehe ich nicht“ erwiderte ihr Vater.
„Die 25 sagen aus, dass man auf 100 bezogen demzufolge eine viertel Stunde benötigt“ leierte Hannelore Bergmann als ehemalige Mathematik- und Physiklehrerin herunter und fuhr an ihren Sohn gewandt fort:
„Also ich wundere mich schon, du bist doch für die Planung in der Behörde zuständig, da sollte man doch in Mathematik fit sein, oder etwa nicht?“
„Bin ich auch“ erwiderte Bergmann unsicher „ich hatte mich bloß verhört.“
„Machen wir gleich mal eine kleine Probe“ setzte seine Mutter nach „was ist eine Differentialgleichung?“
Frieder Bergmann durchforste sein Gehirn verzweifelt danach, wurde aber nicht fündig.
„Äh, ist schon ein Weilchen her, dass ich mich damit beschäftigt habe“ sagte er schief grinsend „braucht man ja auch nicht aller Nase lang.“
„Claudia“ sagte Hannelore Bergmann nur.
„Differentialgleichung ist mathematische Gleichung für gesuchte Funktion von einer oder mehreren Variablen, in der auch Ableitungen dieser Funktion vorkommen. Differentialgleichungen sind wesentliches Werkzeug der mathematischen Modellierung. Differentialgleichung kann durch Richtungsfeld veranschaulicht werden.“
„Na bitte“ freute sich Bergmanns Mutter „wenigstens deine Tochter hat’s drauf. Wie du übrigens gehört hast sind solche Gleichungen Grundlage für Modellierungen, von denen du ja fortlaufend sprichst. Also ich frage mich wie es bei euch zugeht, wenn nicht mal solche grundlegenden Dinge beherrscht werden. Eigentlich typisch für den Behördenalltag. Immer wichtig tun, aber nichts Ordentliches zustande bringen.“
„Mutter“ sagte Frieder Bergmann mürrisch „das ist genau so, als wenn ich Peter etwas über das Verwaltungsrecht fragen würde.“
„Nur zu“ ermunterte ihn der ehemalige Polizist.
„Also gut, wer ist zur Buchführung verpflichtet?“
„Nach § 238 HGB ist jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ erklärte Peter Petersen ohne zu stocken.
„Woher weißt du das“ staunte Bergmann mit offenem Mund.
„Wir hatten nach der Wende einen Kurs in Rechnungswesen, warum, kann ich mir bis heute nicht erklären. Hab’s halt auswendig gelernt“ sagte Petersen.
„Ich bin auch fürs Zelten“ lenkte Paula jetzt ab „letztes Jahr war es doch sehr gelungen, also ich freu’ mich schon sehr darauf.“
„Also sind wir alle dafür, dass wir nach Österreich zum Zelten fahren“ fasste Petra zusammen und schaute in die Runde, alle nickten.