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Gardasee

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Die Strecke bis München kannte er aus dem Effeff, schließlich war sie die letzten Jahre immer das Einfalltor in den Süden gewesen, jedenfalls wenn sie in den Urlaub fuhren. Der Ford Focus war bis unter die Decke beladen, Kofferraum und Dachbox waren bis auf den letzten Winkel gefüllt und neben der Frau türmten sich auf den rechten Rücksitz Boxen mit Geschirr, Kopfkissen und anderes Kleinzeug, so dass sie den schlechtesten Platz an Bord abbekommen hatte. Hinter dem rechten Beifahrersitz, den der Junge belegte, stand die Kühlbox. Vorerst war sie nicht in Betrieb weil das Navigationsgerät am Zigarettenanzünder hing. Nach ihrem Urlaub im Vorjahr mit dem Wohnmobil hatte der Mann Blut geleckt, sonst war er eigentlich immer bestrebt gewesen möglichst schnell wieder nach Hause zu kommen, sozusagen wieder auf seine Scholle zurück zu kehren.

Urlaube waren für ihn als Schüler und Student immer wichtig gewesen. Zusammen mit den Kumpels mit dem Moped oder später mit dem Auto zu den Tschechen zum Zelten zu fahren und dort ordentlich Bier zu trinken gehörte zum Pflichtprogramm. Als sie sich nach dem Studium verstreuten verlor auch der Urlaub für ihn an Bedeutung, ein paar Mal noch hängte er sich an eine Gruppe an, als er selbständig war blieb keine Zeit mehr dafür und die wenigen freien Tage verbrachte er damit, rumzuhängen und zu schlafen. Erst als er mit der Frau zusammen war wurde dieses Thema wieder wichtiger und seine erste Reise in den „Westen“ führte ihn zusammen mit dem großen Sohn der Frau nach Italien, genauer, drei Tage nach Rom, sein Jugendweihegeschenk. Sie reisten mit dem Schlafwagen und auf diesem Gebiet konnte der Mann durchaus mitreden, denn er war nach dem Abitur in der verbleibenden Zeit bis zum Wehrdienst selbst als Schlafwagenschaffner gefahren, eine Arbeit die ihn bis Bulgarien brachte, Spaß machte und sein Taschengeld ordentlich auffüllte. Als sie den Wagen bestiegen musterte er das Abteil kritisch.

„Die Kiste hat mindestens dreißig Jahre auf den Drehgestellen, das sehe ich sofort“ erklärte er der Frau und dem großen Sohn der Frau fachmännisch „kuckt mal, wie abgewetzt die Bezüge sind. Genau in solchen Wagen bin ich schon vor mehr als zehn Jahren gefahren, und die waren weiß Gott besser in Schuss gewesen.“

Die anderen beiden sahen sich ebenfalls um und da es schon spät war krochen sie in ihre Betten die bereits heruntergeklappt waren. Die Frau bezog das untere Bett (denn sie war schwanger), der Mann belegte das mittlere und der große Sohn der Frau kletterte ganz nach oben, das hatte er sich so gewünscht. Der Erfahrungsträger im Schlafwagenfahren hatte darüber gar keine Diskussion angefangen (etwa, dass er nach oben wollte) denn er wusste, dass es da am Unruhigsten zuging, das war so, und wegen seiner Schwäche in Physik versuchte er gar nicht erst, eine sinnvolle wissenschaftliche Erklärung zu finden. Sicher hing es mit irgendwelchen Kräften und dem Abstand vom Schwerpunkt zusammen.

Die Tage in Rom waren schön, dem Mann blieb immer in Erinnerung, dass er dort das erste Mal Miesmuscheln in Weißweinsoße gegessen hatte, ein Gedicht! Staunend stellte er fest, dass die Restaurants selbst um einundzwanzig Uhr fast leer waren, erst später füllten sie sich bis zum letzten Platz und das Stimmengewirr lag wie ein Teppich über der schönen Plazza.

Ja, die Italiener machten es sich schon gemütlich, da fielen Schmutz und heruntergekommene Hausfassaden nicht so ins Gewicht, das dolce vita nahm keinen Schaden, auch wenn der Putz blätterte. Diese Lockerheit gefiel ihm gut, da kam er sich als Deutscher schon verkrampft vor, obwohl die Sachsen ja auch als gemütlich galten und gern immer ein bisschen rum muddelten (es sich landestypisch ebenfalls gemütlich machten, allerdings war mit dem muddln immer irgendeine Tätigkeit verbunden). Die Stadt protzte an allen Ecken und Enden mit alten Steinen, überall war die Geschichte zu erspüren und dazwischen flanierten unzählige Touristen.

Leider geriet die Rückreise mit der italienischen Staatsbahn ausgesprochen rustikal. Der Liegewagenschaffner dokumentierte mit seiner Jacke deutlich, dass er schon das eine oder andere Weinchen intus hatte, denn das Kleidungsstück war an etlichen Stellen mit Rotweinflecken versehen. Gut, der Mann wusste ja nicht, wie die Anforderungen an diesen Job hier formuliert waren. Bei der Deutschen Reichsbahn war es damals klar gewesen, dass es ein Bierchen erst geben durfte, wenn er den Wagen für die Nacht vorbereitet hatte (die Betten gerichtet und die Toiletten noch mal geputzt waren), das nahm man hier nicht so streng wie auch der Zustand der Toiletten zeigte. Da musste er durch, aber zuerst einen Platz für schwangere Frau organisieren, denn auch die Buchung war in die Hose gegangen. Er lief durch den ganzen Zug, schließlich konnte die Frau ein Bett beziehen und er und der große Sohn der Frau richteten sich in ihrem Abteil ein. Nun ja, er hatte nach seinen bisherigen Erfahrungen nicht das Niveau eines Reinstraumes erwartet, aber an der Wand klebte kalter Bauer!

Alter kalter Bauer!

Da war einem das Essen aus dem Gesicht gefallen, er hatte gebröckelt, sich übergeben, gekotzt und die Brocken waren wie für die Ewigkeit dort festgebacken (der Schaffner hatte ja andere Sorgen). Ach, die Sorge vor dem Bröckeln verfolgte ihn auch jetzt, denn der Junge bekam beim Autofahren manchmal Probleme und er hatte ihnen auch schon einige Male in das Fahrzeug gespien. Die Reisekaugummis schienen ihm zu helfen und da ihm während der Fahrt das Lesen untersagt war (womöglich ein Grund für das Bröckeln) hörten sie eine CD mit Geschichten, er führte eine ganze Kollektion davon mit.

Der Gardasee kam in Sicht, eine endlose Autoschlange schlich auf der einzigen Straße die zu ihrem Zielort führte entlang. Mist, das konnte ja noch ewig dauern und der Junge forderte Essen ein. Für die knapp zehn Kilometer benötigten sie eine gute Stunde. Das Hotel war okay, sie gingen zum See hinunter, fanden ein schönes Restaurant von dem sie direkt auf das Wasser schauen konnten, als der Mann seinen Martini schlürfte und die Spaghetti mit Meeresfrüchten vertilgt waren kam ein Urlaubsgefühl auf. So konnte es weitergehen!

Die zarte Fee und die Garage

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