Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 8 - Jörn Kolder - Страница 4

Frieder Bergmann räumt in der EU-Kommission auf

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Es war für Frieder Bergmann ein hartes Stück Arbeit gewesen den italienischen Kommissar Luigi Quadroporte davon zu überzeugen, dass er in der Kommission eigentlich absolut fehl am Platze war. Quadroporte ging felsenfest davon aus, dass ihm eine dreistündige Siesta zustand und er seinen Dienst wegen der Einhaltung einer angemessenen Arbeitszeit pünktlich 18 Uhr beenden müsste. Bergmann wollte zunächst die sanfte Tour fahren und wies darauf hin, dass die klimatischen Bedingungen in Brüssel kaum mit denen in der Heimat von Quadroporte zu vergleichen wären, und er höheren Einsatz verlangen würde. Sein Gegenpart zeigte sich leider uneinsichtig und erklärte, dass er seine Bemühungen keineswegs erhöhen würde, da ihn noch abendliche Lobbyarbeit weiter in Beschlag nehmen würde. Da Frieder Bergmann auch nach weiterem Zureden partout nicht weiterkam setzte er Quadroporte kurzerhand die Pistole auf die Brust. Er wüsste sehr wohl, erklärte Bergmann, dass er, Luigi Quadroporte, während seiner Arbeitszeit noch anderen Projekten nachgehen würde, die keineswegs einen Bezug zur seiner Arbeit als Kommissar haben würden. Ob er, Bergmann, ihm jetzt die entsprechenden Auszüge seines Kontos vorlegen solle, hatte er noch gefragt. Quadroporte war kreidebleich geworden und hatte keineswegs geahnt, dass Bergmann auf Anraten seines Büroleiters Herbert Büchsenschuss nur geblufft hatte. Gerade jetzt, wo die ganzen Sachen der NSA hochkamen wäre Bergmann nie auf die Idee gekommen irgendwelche Daten abzufischen, aber seine Leute hatten herausbekommen, dass Quadroporte regelmäßig Treffen mit Industrievertretern absolvierte und geschlussfolgert, dass dort etwas lief. Als Quadroporte am nächsten Tag seine Demission wegen gesundheitlicher Gründe bekannt gab wusste jeder, dass er nicht freiwillig die Segel gestrichen hatte. Selbst dem letzten Mitarbeiter der Kommission war klar gewesen, dass der einst so einflussreiche Kommissar von Frieder Bergmann abgeschossen worden war. Von diesem Tag an geriet Frieder Bergmann in den Nimbus eines absoluten Machtmenschen, gegen den selbst Anke Meckel ehemals wie eine fürsorgliche Mutti gewirkt hatte.

In der Folge von Quadroportes Rücktritt nahmen noch vier weitere Kommissare aus verschiedensten vorgeschobenen und fadenscheinigen Gründen freiwillig ihren Hut. Frieder Bergmann verabschiedete sie vor der angriffslustigen Pressemeute mit demonstrativer Freundlichkeit und fand lobende Worte für ihren Einsatz für Europa, aber keiner zweifelte daran, dass Bergmann mit eisernem Besen ausgekehrt hatte, und dieses Schmierentheater jetzt in vollen Zügen genoss. Die führenden europäischen Zeitschriften titelten dann wie folgt:

„Frieder Bergmann: der mächtigste Mann Europas räumt gnadenlos auf!“

„Jetzt wird der Ägäis Stall endlich ausgemistet!“

„Ein neuer Wind weht durch Europa. Danke, Frieder Bergmann!“

Selbst die New York News fand die Vorgänge in der Kommission beachtenswert.

„Wohin führt Frieder Bergmann Europa?“

Auch die deutschlandskeptischen Briten waren verwirrt.

„Übernehmen die Hunnen jetzt wieder die Macht in Europa? Wie sehen Frieder Bergmanns Pläne aus? Kommt jetzt das vierte Reich?“

Selbstredend hatten die Briten ein Foto Bergmanns auf dem Titelblatt ihrer Ausgabe mit einem Hitlerbart verziert und seinen Körper in eine SS-Uniform gehüllt.

Frieder Bergmann hatte sich mittlerweile daran gewöhnt fast täglich mit dem Auto nach und von Wernesgrün transportiert zu werden. Des Scheins halber führte er immer Akten mit sich, aber seltsamerweise war der Ordner immer der Gleiche. Herbert Büchsenschuss hatte auf absolut diskretem Wege dafür gesorgt, dass in den Ordner ein voll spieletaugliches Tablet eingearbeitet worden war, welches nicht zu erkennen war. So hatte Bergmann die Möglichkeit auf der Hin- und Rückfahrt immer zur Entspannung ein paar Spiele zu zocken. Momentan begeisterte er sich für den „U-Boot-Jäger“. Um in den akustischen Genuss der Torpedo- oder Wasserbombenexplosionen kommen zu können hatte er seinen Fahrer angewiesen stets Kopfhörer zu tragen, um im ständigen Kontakt mit dem Begleitfahrzeug bleiben zu können. So konnte Bergmann ungestört gut 45 Minuten total abschalten und erreichte den Kommissionsitz und seine Wohnung immer relativ entspannt.

Ab und an musste er aber am Kommissionssitz übernachten. Um sein Image noch mehr aufzuplustern hatte er auf Kommissionskosten zwei kleine Zimmer im ersten Stock in einem Gasthof in Wernesgrün für sich anmieten lassen. Das hatte mehrere Vorteile:

Das Quartier lag fußläufig zur Zentrale, so dass er morgens dann keine Fahrbereitschaft anfordern musste. Bergmann verhielt sich in den Augen der Außenstehenden also vorbildlich kostenbewusst.

Was ihm aber weit wichtiger erschien war die Nähe zum Zapfhahn. Er brauchte nur seine Wohnung verlassen und die Treppe hinuntersteigen, schon erreichte er die Gaststube. Der Wirt, Alfred Kettner, war ein knorriger und schweigsamer Mann von knapp 60 Jahren. Frieder Bergmann hatte nach den langen Sitzungs- und Beratungstagen keinen weiteren Gesprächsbedarf mehr und deswegen fühlte er sich bei Kettner sauwohl, der immer einen aufmerksamen Blick auf seine Gäste hatte und ohne großes Tamtam schnell Nachschub brachte. Dazu kam, dass der Mann für seine Gaststätte eine Sondererlaubnis erwirkt hatte, nach der man im Gastraum rauchen durfte. Frieder Bergmann genoss es dann am Bier zu nuckeln und eine Zigarette zu rauchen. Seinen feinen Zwirn hatte er selbstverständlich gegen Jeans und T-Shirt getauscht. Wenn es sich ergab drosch er mit den Männern vom Stammtisch einen Skat. Dort hatte man ihn ohne große Worte in die Runde aufgenommen und behandelte ihn vollkommen respektfrei.

„Sag mal Frieder, hast du schon wieder gepennt? Den Schell Wenzel hättest du ziehen müssen! Du lernst das nie, vielleicht bist du sogar zu blöd zum Skatspielen“ war einer der üblichen Kommentare. Bergmann hob das überhaupt nicht an, ganz im Gegenteil. Nach all dem geschwollenen Gelaber den Tag über auf Arbeit war dieser rotzige Ton genau das, was er abends dann brauchte.

„Du musst gar nicht so auf die Kacke hauen Ewald“ erwiderte er beispielsweise „du hast übersehen, dass Günter das grüne Ass hatte. Wer ist hier die Pfeife, die keine Ahnung vom Skat hat?“

Eine Regel war, dass der oder die Verlierer nach jedem Spiel eine Runde Schnaps zu schmeißen hatten. Bergmann spielte im Schnitt so 5 bis 6 Runden mit und war danach demensprechend blau. Wenn er sich dann später die Treppe hochmühte fühlte er sich ganz hervorragend, schaute noch eine Weile fern und ging dann ins Bett. Das böse Erwachen am nächsten Morgen wusste Alfred Kettner durch einen speziellen Trank zu lindern, dessen Mixtur er Bergmann allerdings nicht verriet. An seinem Arbeitsplatz angekommen fühlte sich Frieder Bergmann dann wieder frisch und erledigte seine Aufgaben mit Elan.

Sonderlich viel hatte er nicht zu tun, denn sein Büroleiter Herbert Büchsenschuss zog wie üblich im Hintergrund die Strippen. Büchsenschuss hatte die seltene Gabe Aufgaben ganz klar zu strukturieren und damit verständlich zu machen, aber er war unnachgiebig, wenn es nicht voranging. Büchsenschuss sah sich die Sache dann noch eine Weile relativ leidenschaftslos an, aber bei heftigen Terminverzügen legte er los und bestellte den Delinquenten ein. Was er oder sie dann erleben musste sorgte dafür, dass solche Sachen nicht mehr vorkamen. Frieder Bergmann war also mehr oder weniger der Frühstücksdirektor der Kommission, der vor allem repräsentierte, und die von Büchsenschuss eingefädelten Treffen mit Staatschefs oder anderen wichtigen Personen wahrnahm. Herbert Büchsenschuss indes avancierte zur grauen Eminenz der EU Kommission, vor der alle zitterten. Da man davon ausging, dass Frieder Bergmann noch deutlich mehr auf dem Kasten haben müsste als sein Büroleiter, umgab die beiden eine Aura der Macht, brillanter Intelligenz, absoluter Durchsetzungsfähigkeit und einer enormen Arbeitsleistung.

Bergmann zog sich täglich nach gut drei Stunden Aktenstudium und einer anschließenden Besprechung mit Herbert Büchsenschuss in einen speziell ausgestalteten Raum zurück. Dort erwartete ihn Chang Jang Diang, sein Zen Meister. Der kleingewachsene und drahtige Chinese hatte direkt neben dem Arbeitsraum von Bergmann eine Wohnung bekommen, so dass er dem Kommissionspräsidenten ständig auf Abruf zur Verfügung stand. Wenn Bergmann sich wieder einmal gestresst fühlte meditierte er unter der Anleitung des Meisters.

„Musse hölen in sich hinein, Fliedel Belgmann“ sagte Chang Jang Diang dann sanft „wenn mache Velsagel in Kommission feltig musse haben gloße Luhe in sich selbst. Dann kann Geistesklaft lichtig wilken. Lumblüllen mache keine Ändelung. Fliedel Belgmann musse sein ganz luhig, ganz luhig, und leden mit Flaschen aus Kommission leise und stleng. Stleng leden ist Geheimnis fül Elfolg. Abel Fliedel Belgmann jetzt schließe Augen und hölen in sich hinein.“

Bergmann gab sich dann immer ganz der Meditation hin. Wenn er seine Übungen beendet hatte war es bereits Mittagszeit. Bei der Konzipierung der Arbeits- und Pausenräume hatte Frieder Bergmann ein gewichtiges Wort mitgesprochen und darauf bestanden, dass die große Kantine keine Standesunterschiede zuließ, also auch Kommissare neben einfachen Sachbearbeitern sitzen mussten. Er selbst wechselte ständig seinen Platz und mischte sich so unter das Volk. Anfangs waren die Leute ob des Bergmanns vorauseilenden Rufes als ganz harter Knochen sehr eingeschüchtert, aber Bergmann gab sich locker. Dennoch legte man ihm das nur als Tarnung seiner Machtgelüste aus. So gesehen verfestigte sich sein Ruf als knallharter Sanierer der Kommission und die Leute legten sich tatsächlich mehr ins Zeug, um nicht in Bergmanns Schusslinie zu gelangen. Tatsächlich sollte er bei seiner Dienstreise nach Rom ein derart überraschendes Ergebnis erzielen, dass selbst seine größten Skeptiker sämtliche Argumente einbüßen würden.

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 8

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