Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre...... Band 6 - Jörn Kolder - Страница 3
Frieder Bergmanns Vereidigung zum Minister
ОглавлениеEine gewisse Aufregung konnte Frieder Bergmann nicht ganz leugnen, obwohl er öfter im Mittel- und Blickunkt der Öffentlichkeit stand und eigentlich kein großes Lampenfieber mehr hatte. Dieser Tag jedoch war jedoch anders, wesentlich bedeutsamer für ihn als die anderen davor, zumindest, was seine berufliche Karriere anbetraf. Punkt 11 Uhr sollte er von der Bundeskanzlerin zum Verteidigungsminister ernannt werden.
„Ich weiß gar nicht, warum du so hibbelig bist“ hatte ihn seine Mutter am Abend zuvor angesprochen „du kennst alle Panzer aus dem 2. Weltkrieg und kannst auch die ganzen Schlachten aus dem Stehgreif herbeten. Du kannst endlos über die Kräftesituation zu bestimmten Zeiten referieren, weißt, welcher General wann was geleistet hat, wie schnell die Flugzeuge waren, wozu also die ganze Aufregung?“
„Mutter“ hatte Bergmann erwidert „das ist die Historie, ich werde mich um die Gegenwart und die Zukunft kümmern müssen. Und wie du selbst weißt, leben wir in einer unruhigen Zeit. Überall in der Welt brennt es an verschiedenen Stellen, da wird mir mein Wissen über die Vergangenheit nicht viel nützen. Es wird ein Knochenjob werden.“
„Na und“ hatte Peter Petersen eingeworfen „du hast dich bis jetzt überall durchgebissen und wirst auch diese Aufgabe mit Bravour meistern, da habe ich nicht den geringsten Zweifel daran. Du wirst der beste Verteidigungsminister aller Zeiten werden, darauf kannst du einen lassen, aber einen Gewaltigen!“
„Peter“ war Petersen sofort von seiner Frau zurechtgewiesen worden „kannst du dir diesen üblen Jargon nicht einmal endgültig abgewöhnen!“
„Tschuldigung, ist mir bloß so rausgerutscht. Ich freue mich jedenfalls riesig für Frieder. Der Junge wird es allen zeigen!“
„Frieder wird aber auch mächtig unter Druck geraten“ hatte Nils erklärt „die Politik ist eine Schlangengrube und verzeiht keine Fehler. Erinnert euch daran, wie schnell dieser Kuttenperg weg war.“
„Der ist doch aber wegen des Plagiats rausgeflogen“ hatte Rüdiger eingeworfen „und nicht wegen Unfähigkeit.“
„Das bedeutet also, dass sich Frieder auf Grabenkriege und Schlammschlachten einstellen muss“ hatte Nils weiter geredet „und das heißt auch, dass wir seine Vergangenheit auf dunkle Stellen durchforsten müssen. Wenn da etwas hoch kommt ist Feierabend.“
„Was bitte für dunkle Stellen“ hatte Frieder Bergmann erschrocken gefragt „was meinst du denn damit?“
„Na gibt es denn gar keine Jugendsünden von dir? Hast du mal was aus dem Konsum geklaut, bist besoffen Moped gefahren oder hast dich mit schleimigen Sprüchen im Studium in Marxismus-Leninismus besonders hervorgetan“ hatte ihm Peter Petersen Bergmann auf die Sprünge helfen wollen.
„Selbst wenn ich den Herrn Marx oder Genossen Lenin über den grünen Klee gelobt hätte wäre das doch kein Sündenfall“ hatte sich Bergmann erregt „selbst die Bundeskanzlerin durfte dieses Fach genießen und wie man sieht, hat das ihrer Karriere überhaupt keinen Abbruch getan. Außerdem verfüge ich über ein makelloses polizeiliches Führungszeugnis.“
„Nein, das ist alles nicht damit gemeint“ hatte sich Rüdiger eingeschaltet „gibt es Dinge, Papa, die du auch vor uns geheim gehalten hast?“
„Ja spinnt ihr denn alle“ war Bergmann aufgefahren „wir sind eine Familie und da gibt es keine Geheimnisse! Jedenfalls habe ich keine! So was, mir zu unterstellen, ich würde irgendetwas vor euch verbergen, das gibt es doch gar nicht!“
„Überlege noch einmal in Ruhe“ hatte Bergmanns Frau Petra gesagt.
Frieder Bergmanns Leben war seiner Meinung nach bislang relativ geradlinig verlaufen. Nach dem Studium hatte er in der kommunalen Verwaltung angefangen und war dann Stück für Stück höher gestiegen. Manchmal waren reine Zufälle dafür verantwortlich gewesen, dass er Karriere machte. Eigentlich wäre er aus eigenem Antrieb niemals so weit gekommen, denn im Grunde war er ein anspruchsloser und bodenständiger Mann, für den Statussymbole keine Rolle spielten. Mehr oder weniger war er von seiner Familie immer wieder angetrieben worden, neue Ämter und Aufgaben zu übernehmen. Sicher war auch etwas daran, dass es in der Bundesregierung nicht wie beim Kaffeekränzchen zuging und man ihn genau unter die Lupe nehmen würde. Bergmann zermarterte sich das Gehirn, ob es tatsächlich etwas geben könnte, was er besser geheim hielt. Er ging auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Grübelnd stieß er Rauchkringel aus und versuchte sich an Situationen zu erinnern, die er früher als gefährlich oder peinlich empfunden hatte. Bis auf die für ihn typischen Tritte in diverse Fettnäpfchen fiel ihm momentan nichts ein.
„Es gibt nichts“ hatte er den anderen dann entschlossen erklärt „ich bin unangreifbar was die Vergangenheit betrifft. Ich habe eine ganz typische Vorwende-Vita und in der Zeit ist wirklich nichts Bedeutsames passiert. Ich bin zur Schule gegangen, habe studiert und dann in der Behörde angefangen. Und dann habt ihr doch alle mitbekommen, wie es weiter gegangen ist.“
„Und was ist mit deiner Armeezeit“ hatte Nils nachgebohrt.
Frieder Bergmann war zusammen gezuckt.
Er hatte die anderthalb Jahre Wehrdienst als Mot-Schütze wie die anderen jungen Männer auch ziemlich lustlos abgerissen, ab und an einmal Krieg spielen müssen, und bei Vorhandensein des entsprechenden Vorrates an Schnaps mächtig gesoffen. Im Studium war er dann bedrängt worden sich bereit zu erklären, sich innerhalb von drei Wochen zum Reserveoffiziersanwärter ausbilden zu lassen. Bergmann hatte anfangs Widerstand geleistet, aber dann, da seine Kommilitonen der Sache zugestimmt hatten, ebenfalls ja gesagt. Tatsächlich wurde er dann zum Leutnant der Reserve ernannt. Die Uniform hing immer noch in einem Kleiderschrank bei ihm zu Hause.
„Ähm“ hatte er Nils geantwortet „war ne ganz normale und langweilige Sache, so mit Platzpatronen rumballern, Gewaltmärchen, Sturmbahn, viel Langeweile und saufen.“
„Und welchen Dienstgrad hast du?“
„Ähm, ähm, Leutnant der Reserve.“
„Das ist ja witzig“ hatte Peter Petersen losgebrüllt „ein Leutnant der Reserve der Nationalen Volksarmee der DDR wird bundesdeutscher Verteidigungsminister! Ich fasse es nicht! Frieder lässt als Hilfsleutnant der DDR Generäle der Bundeswehr strammstehen! Eine Mordsgaudi!“
„Da gibt es gar nichts zu lachen Peter“ hatte ihn seine Frau angefahren „die Sache ist ausgesprochen brisant. Was meinst du, Nils?“
„Das glaube ich nicht. Frieder ist auf seinem Weg nach oben so oft durchgescheckt worden, dass es längst aufgefallen wäre. Und ich glaube nicht, dass das heute noch eine Rolle spielen würde. Wir können also davon ausgehen, dass die Sache relativ unbedenklich ist.“
„Warum nur relativ?“
„Nun ja, Frieder hat ja die Angewohnheit, ähm, ich möchte nicht respektlos erscheinen….“
„Rede“ hatte ihn Claudia aufgefordert.
„Nun, ähm, Frieder trinkt doch gerne mal ein Bierchen und da ist es nicht ausgeschlossen, dass er sich eventuell verplaudert. Es ist ja bekannt, dass im Bundestag etliche Schluckspechte sitzen, irgendjemand hat mal von der größten Versammlung anonymer Alkoholiker gesprochen. Diese Typen werden dann in irgendwelchen Kneipenhinterzimmern bestimmte Dinge auskungeln wollen. Da wird mächtig gesoffen werden und die Gefahr besteht, dass Frieder dann von der Sache erzählt.“
„Aber wir können ihm doch keinen Aufpasser mitgeben“ hatte Hannelore Petersen gemeint „er kann doch nicht seinen Büroleiter Herbert Büchsenschuss wie einen Babysitter mitnehmen, der immer auf ihn aufpasst. Am besten, er stellt ab sofort rigoros den Alkoholkonsum komplett ein und gibt die verdammte Raucherei gleich noch mit auf.“
„Wie bitte“ hatte sich Bergmann augenblicklich erregt „ich soll auf mein Feierabendbierchen verzichten? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Und das Rauchen soll ich auch gleich noch sein lassen? Nicht mit mir! Vergesst es! Lieber lasse ich diesen Posten sausen. Das muss man sich mal vorstellen: ich habe den ganzen Tag Stress ohne Ende, und dann sollen mir noch das Entspannungsbier und die Zigaretten gestrichen werden! Das mache ich nicht mit!“
„Beruhige dich doch“ hatte Petra ihrem Mann gesagt „du sollst doch nicht generell auf deine Bierchen verzichten müssen. Deine Mutter hat das so gemeint, dass du in dienstlichen Runden aufpasst. Am besten, du trinkst dann nur Wasser.“
„So“ war Bergmanns giftige Antwort gewesen „und wie begründe ich denn diesen Verzicht auf ein entspannendes Schlückchen? Soll ich mich etwa als trockener Alkoholiker ausgeben? Oder erzählen, dass in meinem Elternhaus von früh bis abends gesoffen wurde und ich nicht so enden will? Hä, soll ich das dann zum Besten geben?“
„Ich bin schockiert Frieder“ hatte seine Mutter laut und erregt erwidert „du willst mich allen Ernstes mit in diese Sache reinziehen? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich verbiete dir, mich im Zusammenhang mit irgendwelchen alkoholischen Eskapaden zu erwähnen, ist das klar?“
„Glasklar“ war Bergmanns lautstarke Antwort gewesen „ich werde hundertprozentig nicht darauf verzichten, mit bestimmten Leuten, die wichtig sein könnten, ein Gläschen zu kippen. Ich bin schließlich alt genug um das selbst einschätzen zu können, und ab morgen außerdem noch Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland! Ich werde überall dorthin kommen, wo unsere Soldaten im Ausland stationiert sind. Und dann soll ich in einer lockeren Runde mit den Jungs am Mineralwasser nippen? Was sollen die Typen mit den furchterregenden Knarren dann von mir denken? Wenn sich die Verteidigungsminister in Brüssel oder sonst wo treffen bin ich der Einzige der nichts trinkt? Oder ich sitze mit der Bundeskanzlerin bis weit in die Nachtstunden zusammen, weil wieder irgendwo die Kacke am dampfen ist. Die Bundeskanzlerin will mit mir nach der Lösung des Problems dann noch ein Gutenachtschlückchen trinken und ich lehne dankend ab, obwohl ich wahnsinnigen Appetit auf ein Bierchen habe? Stellt ihr euch das so vor?“
„Papa hat schon recht“ hatte Rüdiger eingelenkt „viele Dinge kommen doch erst in Gang, wenn ein bisschen Sprit mit im Spiel ist. Das lockert die Atmosphäre auf und gehört doch in allen Bereichen der Gesellschaft dazu. Es wird zwar nicht mehr so viel wie früher gesoffen, aber einen Grund dafür gibt es doch eigentlich immer.“
„Der Junge hat recht“ hatte sich Peter Petersen hören lassen „ich habe eine staubtrockene Kehle von dem vielen Quatschen und regelrechte Halsschmerzen. Für dich auch n Bierchen, Frieder? Rüdiger? Nils?“
„Ja.“
„Hannelore?“
„Wein.“
„Petra, Claudia und Paula?“
„Wein.“
„Na bitte“ war Peter Petersens Fazit gewesen „soll Frieder doch sein Bierchen zischen. Solange er nicht aus dem Rahmen fällt kann ja nichts passieren.“
„Da bin ich mir gar nicht so sicher“ hatte Bergmanns Mutter noch mürrisch gesagt.
Punkt 11 Uhr wurde Frieder Bergmann von Parlamentspräsidenten auf das Podium des Bundestages gebeten. Bundeskanzlerin Anke Meckel überreichte ihm lächelnd die Ernennungsurkunde zum Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Dann las sie die Eidesformel vor, und Bergmann wiederholte folgsam:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
Als die Kanzlerin noch „So wahr mir Gott helfe“ vorsprach kam Frieder Bergmann etwas aus dem Konzept, denn er war weder gläubig, noch irgendwie konfessionell gebunden. Den Eid so abzulegen wäre demzufolge verlogen gewesen. Vielleicht hätte er das vor der feierlichen Zeremonie klären sollen, aber jetzt war es natürlich zu spät dazu. Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus der Situation und hatte plötzlich einen Einfall. Er sagte laut:
„So wahr mir Gott“, und dann leise und schnell, so dass es nur die Kanzlerin hören konnte „schalk“, dann wieder laut „helfe.“
Anke Meckel sah Frieder Bergmann verwundert an, aber sagte nichts. Dann bat sie Bergmann ans Rednerpult.
„Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Damen und Herren“ eröffnete Bergmann seine Rede und fuhr fort:
„Wir leben in einer Welt, die keineswegs so friedlich wie hier bei uns ist. Schauen Sie ein Stück nach Osten, mehr brauche ich nicht zu sagen. In der letzten Zeit sind Stimmen aufgekommen, dass die NATO ihre Streitkräfte wieder aufrüsten sollte. Dazu gibt es von mir ein ganz klares Statement: mit Minister Frieder Bergmann wird es das nicht geben!“
Applaus von den Linken.
„Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir müssen auf der Hut sein, da gibt es gar keine Frage. Aber man kann viele Jahre guter Beziehungen zu einem großen Land im Osten nicht einfach vom Tisch wischen, bloß weil von dort heute nationalistische Töne zu hören sind. Sind wir Deutschen eigentlich auf unser Land stolz? Fragen Sie doch die Menschen auf der Straße und Sie werden hören, vielleicht, weiß nicht, ist mir egal. Was will ich damit sagen? Wir müssen mehr Stolz wagen! Wir Deutschen müssen auf uns stolz sein dürfen und auch können!“
Starker Applaus von CDU und CSU.
„Natürlich dürfen wir nicht vergessen, was Deutsche anderen Völkern an Leid angetan haben. Das ist eine historische Verpflichtung und wir dürfen diese Ereignisse auch nie in den Abstellraum der Geschichte stellen!“
Heftiger Applaus von den Linken.
„Aber warum soll ich, der viele Jahre nach dem Krieg geboren wurde, diese Gewissenlast immer noch mit mir herumtragen müssen? Ich gehöre zu einer Generation, die ohne Krieg groß geworden ist und ich werde alles tun, dass es nie wieder dazu kommt. Was habe ich persönlich durch die Wiedervereinigung gewonnen? Viel, sehr viel, ja nahezu alles. Pfarrer Kauk würde jetzt wieder geschwollen von Freiheit und Demokratie reden und ein paar Tränen zerdrücken, was eigentlich keiner mehr hören und ansehen will. Ich komme aus einfachen Verhältnissen…..“
„Das stimmt doch gar nicht“ kam es jetzt lautstark von der Zuschauertribüne „ich war Gymnasiallehrerin für Mathematik und Physik!“
„Ist ja gut, Mutter“ rief Bergmann zurück „aber Vater war doch eigentlich ein recht erfolgloser Musiker.“
„Da hast du allerdings Recht.“
„Na bitte. Also, sehr geehrte Damen und Herren, ich bin dankbar, dass die Menschen aus Köln, aus München, aus Wanne Eickel, aus Oberneger im Kreis Olpe, aus Halbhusten im Kreis Drolshagen, aus Brasilien im Kreis Schleswig Holstein und von sonst woher den Osten mit auf die Beine gebracht haben, und ich nicht mehr ewig rumrennen muss, um einen Kasten Radeberger Bier zu bekommen. Es sind eben so die kleinen Sachen wie Küchenkrepp oder Mülltüten, die einem das Leben jetzt erleichtern. Hier spüre ich den Atem der Freiheit und Demokratie. Aber genug davon. Ich werde die Bundeswehr grundlegend modernisieren und alle laufenden Projekte auf den Prüfstand stellen. Ja, mit Frieder Bergmann wird es keine flugunfähigen Drohnen geben, es wird nämlich gar keine mehr geben!“
Donnernder Applaus von den Linken.
„Selbstverständlich habe ich mich auf mein neues Amt schon vorbereitet. Als ich damals bei der Armee war habe ich immer den enormen Treibstoffverbrauch der Panzer und der anderen Kampftechnik staunend zur Kenntnis genommen. Das werde ich ändern. Ich werde eine Hochtechnologie-Initiative für die Bundeswehr ins Leben rufen. Wie soll die aussehnen? Ich werde sämtliche Kampftechnik auf umweltfreundlichen Erdgas- oder Elektroantrieb umstellen lassen.“
Starker Applaus von den Grünen.
„Natürlich werde ich auch weiterhin dafür sorgen, dass die Rüstungsindustrie in diesen Prozess federführend mit einbezogen wird. Ich werde dafür einstehen, dass Deutschland wie bereits auf dem Gebiet der alternativen Energieversorgung weltweit führend bei der Einführung grüner Technologien in das Militärwesen und deren Export werden wird.“
Starker Applaus von CDU, CSU und den Grünen.
„Wen werde ich besonders im Blick haben? Unsere Soldatinnen und Soldaten. Sie sind der alles entscheidende Faktor, denn wer, wenn nicht sie, würden sonst die furchterregenden Geschosse der Panzerhaubitzen abfeuern können, wer, wenn nicht sie, würden Bombenteppiche auf den Gegner regnen lassen, wer, wenn nicht sie, würden Schiffe mit Torpedos oder Raketen wie Sardinenbüchsen aufreißen können. Sie sind unser wichtigstes Kapital und ich werde insbesondere unsere Soldatinnen im gebärfähigen Alter dazu ermuntern, die Waffe mit der Windel zu tauschen, denn die Nachwuchsgewinnung für die Truppe läuft doch sehr schleppend. Lassen Sie mich meine Vision wie folgt zusammenfassen: Ich werde die Bundeswehr so modernisieren, dass sie ein grünes Label bekommen wird. Gleichzeitig werde ich die Rüstungsindustrie auf ganz neue Entwicklungen lenken, und schließlich werde ich einen unerhörten Babyboom in der Truppe auslösen.“
Heiterkeit im Saal.
„Nein, natürlich nicht ich selbst persönlich“ entgegnete Frieder Bergmann lachend.
Starke Heiterkeit bei allen Fraktionen.
„Wissen Sie, als meine Frau und ich damals in den Flitterwochen waren, sind wir kaum aus den Betten rausgekommen, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Aber das ist ja schon ein paar Jährchen her. Also überlasse ich die Sache heutzutage lieber anderen.“
Erneute Heiterkeit und ein empörter Zwischenruf von Petra Bergmann.
„Frieder, was soll das?“
„Meine Frau“ erklärte Bergmann und deutete auf die Zuschauertribüne „ihr verdanke ich alles. Sie ist die Liebe meines Lebens, mein Ankerplatz bei Sturm, meine Inspirationsquelle bei schwierigen Problemen, meine Kraftgeberin, meine treue Kameradin, kurzum: ohne sie würde ich heute nicht hier stehen. Petra, ich danke dir!“
Die Parlamentarier erhoben sich geschlossen und wandten sich heftig applaudierend der Zuschauertribüne zu. Petra Bergmann erhob sich verlegen und hob beschwichtigend ihre Hände. Frieder Bergmann verließ das Rednerpult und musste auf dem Weg zurück zu seinem Platz eine Vielzahl von Händen schütteln.
Die BilderZeitung titelte tags darauf wie folgt:
„Herrn Putkinow hat jetzt Muffensausen!
Minister Professor Doktor Frieder Bergmann hat in seiner begeistert aufgenommen Antrittsrede Russland die Hand entgegengestreckt. Für den Fall einer weiteren Eskalation der Lage hat er aber gleichzeitig eine revolutionäre Umstellung der Kampftechnik angekündigt. Selbstverständlich hat der Minister nicht alle Karten auf den Tisch gelegt aber wir sind uns sicher, dass Herr Bergmann noch einige Asse im Ärmel hat, die auch Herr Putkinow nicht unterschätzen sollte. Unser Blatt begleitet Minister Bergmann schon seit einigen Jahren auf seinem Weg und wir freuen uns über seinen unaufhaltsamen Aufstieg. Mit Herrn Bergmann gibt es jetzt endlich einen Ressortchef, der den verkrusteten Laden gründlich umkrempeln wird. Und dass Herr Bergmann gestern so offene und anrührende Worte für seine Frau gefunden hat, bestätigt seine menschlichen Qualitäten erneut auf das Eindrucksvollste. Viel Glück, Herr Minister Professor Doktor Frieder Bergmann!“