Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre...... Band 6 - Jörn Kolder - Страница 4
Drei Monate später
Оглавление„Weißt du was Anke“ sagte Frieder Bergmann zur Bundeskanzlerin „manchmal möchte ich die Brocken einfach hinschmeißen. Ich stoße allerorten auf Hindernisse. Altgediente Leute, die sich nicht mehr ändern wollen, Schlendrian bei der Beschaffung, sexuelle Übergriffe, miese Laune. Ich habe den Kanal öfter mal richtig voll.“
Bergmann trank von seinem Bier.
Anke Meckel nippte an ihrem Wein.
„Aber Frieder, Politik bedeutet auch immer, dicke Bretter bohren zu müssen, und das braucht nun mal seine Zeit. Schau‘ dir doch an, was du in der kurzen Zeit schon alles erreicht hast. Du stehst in der Beliebtheitsskala direkt hinter mir. Die Truppe hat dich fast vollständig akzeptiert, bis auf die paar Unbeweglichen. Deine Auftritte bei den Soldaten sind Kult geworden, bei YouTube stehen Videos mit dir ganz vorn. Du hast eigentlich einen Riecher, wie man mit den Leuten reden muss. Unvergessen und schon legendär ist dein Besuch beim Jagdgeschwader 36. Ich habe mir fast in die Hose gemacht, als ich das Filmchen gesehen habe.“
„Anke, bitte. Erinnere mich bitte nicht daran.“
Frieder Bergmann wollte seinen Ruf als Macher durch Besuche bei der Truppe festigen. Was dieser Putkinow so politisch trieb lehnte Bergmann ab, dessen Fähigkeit zur Selbstdarstellung beeindruckte ihn jedoch enorm. Mal zeigte sich der Mann mit freiem Oberkörper auf einem Pferd reitend, dann posierte er mit einer Jagdwaffe und dann sah man ihn an Bord eines Kriegsschiffes. Am gelungensten fand Bergmann allerdings die Aktion mit dem Jagdflugzeug. Putkinow war angeblich mitgeflogen, aber die Bilder zeigten ihn nur im am Boden stehenden Flugzeug in der Kabine sitzend. Zweifellos war die Geschichte mit dem Mitflug nur ein Fake. Frieder Bergmann schloss aus, sich mit freiem Oberkörper zeigen zu können, sein kleiner bleicher Bierbauch würde jedes Motiv lächerlich wirken lassen. An Bord der modernen, aber immer wieder von Systemausfällen geplagten deutschen Korvetten, wollte er auch nicht gehen, möglicher hoher Seegang könnte die Sache böse für ihn ausgehen lassen. Frieder Bergmann hatte mit seinem Büroleiter Herbert Büchsenschuss gesprochen. Er würde in einem Jagdflugzeug mitfliegen.
„Das wäre natürlich eine spektakuläre Aktion Frieder“ meinte Büchsenschuss „ich organisiere dir einen Arzttermin, damit du gründlich durchgescheckt wirst. Dann instruiere ich die Presse, so dass die Leute ein paar Bilder von dir in der Kabine schießen können und dann rede ich mit dem technischen Bodenpersonal über die Anbringung von Kameras in der Kabine. Bist du sicher, dass du das so willst?“
„Herbert, ich habe mir folgendes gedacht. Wenn der Arzt mir grünes Licht gibt kann ja eigentlich nichts schief gehen. Ich nehme vorher eine Beruhigungstablette, und wenn der Flieger abhebt, kneife ich eben den Hintern zusammen. Dann drehen wir eine Runde über dem Platz und landen gleich wieder. Was soll da schon passieren?“
„Hm, so ein Jagdflugzeug geht mächtig ab, da gilt es ganz schöne Belastungen auszuhalten.“
„Der Pilot soll eben nur sozusagen mit angezogener Handbremse fliegen, dann wird es schon erträglich sein. Die zwei, drei Minuten halte ich schon durch.“
„Na gut, wenn du meinst, Frieder. Es werden also zwei Kameras angebracht werden. Eine an deinem Fliegerhelm, damit aufgenommen werden kann was du siehst, und die zweite über dem Cockpit vor dir, so dass deine Reaktionen gefilmt werden können. Ich werde dem Piloten sagen, dass er möglichst tief fliegen soll, dann kannst du das Visier des Helmes offen lassen. Die Sauerstoffmaske musst du dann auch nicht anlegen, so dass man dein Gesicht perfekt sehen kann.“
„Also Herr Minister, meine Hochachtung“ sagte der Arzt erstaunt zu Frieder Bergmann „Sie haben eine erstaunliche Konstitution für die Belastungen, denen Sie in Ihrem Job ausgesetzt sind. Das bisschen Übergewicht und die leicht erhöhten Leberwerte sind eigentlich nicht der Rede wert. Das Belastungs-EKG hat ergeben, dass Sie einen Puls von maximal 120 hatten und der Blutdruck ist nie über 140 gestiegen. Phantastisch! Sie sind fit wie ein Fisch im Wasser. Was ist das Geheimnis Ihrer robusten Gesundheit?“
„Nun, ich bin mental enorm stark und stecke voller Vertrauen in mich selbst“ erwiderte Bergmann lächelnd „und ich lasse die Dinge nicht immer ganz an mich heran.“
„Sie meinen also, dass Sie eine große Gelassenheit mitbringen, und selbst negative Ereignisse Sie nicht belasten?“
„Genau, anders kann man diese Hölle des Politikbetriebes nicht überstehen. Zur Entspannung leiste ich mir nach den anstrengenden Tagen ein, zwei Bierchen und ein paar Zigaretten. So bleibe ich immer im Gleichgewicht, denn sich selbst zu kasteien ist der vollkommen falsche Weg. Man muss sich eben auch selbst einmal belohnen können.“
„Eine überzeugende Lebenseinstellung“ antwortete der Arzt „so habe ich das selbst noch nicht gesehen. Ich trinke keinen Alkohol und rauche nicht, aber meine Blutwerte sind immer ein bisschen problematisch. Außerdem treibe ich regelmäßig Sport. Komisch.“
„Gönnen Sie sich mal was“ ermunterte Bergmann den Arzt „kippen Sie mal einen Schnaps, trinken Sie ein kühles Blondes, rauchen Sie ein Pfeifchen, nehmen Sie mal einen Joint. Ihre Psyche wird jubilieren. Glauben Sie mir.“
„Also Herr Minister, Sie sind nicht nur ein hervorragender Fachmann und Draufgänger, wenn ich bloß an den geplanten Flug denke, sondern auch noch ein begnadeter Psychologe. Hut ab!“
„Wissen Sie, warum ich beruflich immer höher gestiegen bin“ fragte Bergmann den Arzt, und als dieser den Kopf schüttelte, fuhr er fort:
„Wenn man so ein Alphatier wie ich ist darf man seinen Mitarbeitern nie den Eindruck vermitteln, dass man auf sie herabsieht. Ich könnte das wegen meiner überragenden Intelligenz sicher tun, aber ich sehe meine Leute als Partner an, nicht als minderbemittelte Erfüllungsgehilfen. Den einen oder anderen muss man schon mal zurechtrücken, das bleibt nicht aus. Aber ich bleibe immer verständnisvoll, denn ich will meine Mitarbeiter motivieren, und nicht einschüchtern. Außerdem kann jedem einmal ein Fehler unterlaufen oder man kommt unverschuldet in eine peinliche Situation. Ich kann für mich mit Überzeugung sagen: nichts Menschliches ist mir fremd.“
„Ich wundere mich nicht mehr, wie Sie diese erstaunliche Karriere hingelegt haben“ sagte der Arzt beeindruckt „Sie sind ein Mann mit vielen Talenten. Alles, alles Gute weiterhin für Sie.“
Der Geschwader Kommodore Generalmajor Ralf Neumann war über den Anruf von Herbert Büchsenschuss sehr erfreut gewesen und hatte sich zu einem Abstimmungsgespräch mit ihm im Ministerium eingefunden.
„Ich betrachte es als große Ehre für das Geschwader, dass der Minister unsere Einheit besuchen will“ hatte er Bergmanns Büroleiter erklärt „es gibt da aber ein keines Problem.“
„Das wäre?“
„Unsere Maschinen stehen mehr in der Wartung, als dass sie am Himmel sind.“
„Warum?“
„Probleme mit der Software und Ersatzteilmängel.“
„Was kann man da tun?“
„Weitestgehend manuell steuern.“
„Und das bedeutet?“
„Der Flug könnte ein bisschen unruhiger als sonst üblich werden.“
„Der Minister ist kein Angsthase. Drehen Sie eine Platzrunde, das reicht. Können Sie das absichern?“
„Natürlich. Ich werde den Minister persönlich fliegen. Mit meinen mehr als 200 Flugstunden auf der MiG 29 ist das eine Kleinigkeit.“
„Aber wenn ich mir das so recht überlege“ hatte Büchsenschuss eingeräumt „wenn Sie nur langsam eine Platzrunde drehen ist das vielleicht doch zu wenig Action. Ein bisschen Show wäre vielleicht für das Image des Ministers als ganzer Kerl gar nicht so schlecht. Haben Sie da eine Idee?“
„Selbstverständlich“ strahlte der Kommodore begeistert „die
MiG 29 lässt ein Kobramanöver zu.“
„Was passiert da?“
„Der Winkel zwischen der Neigung des Flugzeuges und der tatsächlichen Flugrichtung wird abrupt und extrem nach oben verändert, ohne dass dabei Flughöhe verloren geht. Beträgt der Winkel mehr als 90 Grad spricht man von einem Kobramanöver, weil sich das Flugzeug wie eine drohende Kobra aufrichtet und leicht nach hinten kippt.“
„Ist das ein schwieriges Manöver?“
„Kann man so sagen. Viele westliche Maschinen können die Kobra gar nicht fliegen, dazu müsste zu tief in die Software eingegriffen werden. Aber die russischen Maschinen wie die MiG 29 schaffen das mühelos. Es sieht einfach geil aus, wenn das Flugzeug nach oben und ein wenig nach hinten kippt, wenn der Winkel so bei rund 120 Grad liegt, und dann wieder in die normale Fluglage kommt. Die Kobra ist sozusagen ein extremes Flugmanöver für Experten.“
„Wie lange dauert die Kobra?“
„Knapp 5 Sekunden.“
„Also gut. Sie steigen gemächlich auf, dann geben Sie Stoff und zeigen diese Kobra. Ich werde die Presse informieren, dass etwas Spektakuläres auf sie zukommen wird. Den Minister lassen wir einfach in dem Glauben, dass er nur kurz über den Platz zuckeln wird. Die paar Sekunden mit der Kobra wird er schon überstehen. Alles Klar?“
„Alles Klar!“
Frieder Bergmann war gut gelaunt aufgestanden und hatte ausgiebig gefrühstückt. Seit seinem Amtsantritt als Minister kam es öfter vor, dass er keine Zeit für das Mittagessen hatte. Das lag aber vor allem an ihm selbst, denn um seinen vollen Einsatz im Amt zu demonstrieren, legte er viele Termine zum Leidwesen seiner Mitarbeiter genau in diese Zeit. Petra hatte ihm drei Eier in die Pfanne geschlagen, zwei Tomaten aufgeschnitten und einen frisch gepressten Orangensaft hingestellt. Dann hatte sich Bergmann von seiner Frau noch eine Beruhigungstablette geben lassen. Zusammen mit Herbert Büchsenschuss war er zum Standort des Jagdgeschwaders gefahren. Frieder Bergmann war von der zackigen Begrüßung sehr angetan gewesen und hatte sich dann sehr interessiert den Vortrag über die Geschichte dieses Truppenteils angehört. Dann trat er selbst ans Rednerpult.
„… dienen Sie als Soldaten Deutschland an der Himmelsfront und auch ich werde heute mit einer Maschine aufsteigen“ sagte er abschließend.
Die Leute der Presse überschlugen sich mit Fragen.
„Können wir das so verstehen Herr Minister, dass Sie heute in einem Jagdflugzeug mitfliegen werden?“
„Korrekt.“
„Haben Sie Bange vor dem Flug?“
„Nein. Ich leide zwar unter Höhenangst, aber ich werde zeigen, dass man mit Willensstärke alle auch noch so problematischen Situationen meistern kann.“
„Wären Sie nach den Flug zu einem Interview bereit?“
„Selbstverständlich.“
Frieder Bergmann wurde in einem Ankleideraum in einen Anti-G-Schutzanzug gesteckt und ihm ein Helm in die Hand gedrückt. Dann ging er mit dem Kommodore zu der Jagdmaschine. Die Presseleute drängten sich um die Maschine, und als Bergmann in die Kabine geklettert war, schossen sie ein Bild nach den anderen von ihm. Die Beruhigungstablette hatte Bergmann so gut sediert, so dass er breit grinsend aus dem Helm schaute und zusätzlich noch seinen Daumen in die Höhe reckte. Frieder Bergmann war sich ganz sicher, dass er diesen Angeber Putkinow heute locker in die Tasche stecken würde. Das Bodenpersonal scheuchte die Pressemeute von der Maschine weg und der Kommodore schob den Schubhebel nach vorn. Die
MiG 29 raste immer schneller werdend über die Startbahn und Bergmann wurde mächtig in den Sitz gedrückt. Er fühlte sich gar nicht einmal schlecht, und als der Kommodore die Maschine hochzog, wagte er sogar einen Blick aus den Seitenscheiben der Kanzel. In einer irren Geschwindigkeit zog der Jet jetzt nach oben und Frieder Bergmann schätzte den Steigungswinkel auf ungefähr 45 Grad. Der Pilot ging langsam aus dem Steigflug hinaus und fragte seinen Passagier über die Bordsprechanalage knapp:
„Alles in Ordnung, Herr Minister?“
„Alles okay“ krächzte Frieder Bergmann zurück.
Die beiden Kameras hatten die ganze Zeit über Aufnahmen gemacht und es war klar zu erkennen gewesen, dass sich Bergmann wortwörtlich mit offenem Visier wacker schlug.
„Bisschen mehr Speed“ fragte der Pilot.
„Warum nicht“ antwortete Frieder Bergmann mutig und grinste direkt in die Kamera.
Der Pilot beschleunigte nochmals und ging in eine Kampfkurve. Frieder Bergmann wusste natürlich, dass man in so einem Fall von einem „Dog Fight“ sprach, falls eine gegnerische Maschine in der Nähe gewesen wäre. Er verspürte durch die jetzt auf ihn einwirkenden Kräfte eine leichte Übelkeit aufkommen, die sich in der zweiten Kurve noch verstärkte. Bergmann zwang sich ruhig zu atmen und möglichst wenig zu schlucken. Der Pilot kippte in die dritte Kurve ab, und als er die vierte absolviert hatte, war sein Passagier felsenfest davon überzeugt gewesen, dass er die Aktion unbeschadet überstanden hätte und es jetzt gemütlich nach unten gehen würde. Die Kameraaufnahmen würden ganz klar seine Coolness während des Fluges wiedergeben und dieser Putkinow konnte einpacken.
Der Geschwader Kommodore Generalmajor Ralf Neumann wollte aber wie mit Herbert Büchsenschuss abgesprochen speziell für die Medienleute noch die Kobra fliegen. Frieder Bergmann wurde vollkommen davon überrascht, dass der Pilot den Nachbrenner einschaltete und die MiG 29 sofort steil und fast senkrecht anstellte. Die unverhofft eintretende Rückenlage seines Sitzes ließ Bergmann das Schlimmste vermuten. Als Neumann die Kobra ausleitete kippte Frieder Bergmann wieder nach vorn, das Visier seines Helmes nach unten, und jetzt spielte sein Magen wirklich verrückt. Der Kommodore zwang die Maschine erneut in eine Kampfkurve, die jetzt steil nach unten gerichtet war. In diesem Moment war sich Frieder Bergmann ganz sicher, dass er in wenigen Sekunden zusammen mit dem Piloten in einem riesigen Feuerball beim Aufschlag auf dem Boden verglühen würde. Es ging mit bestimmt 30 Grad Neigung und in einem Höllentempo nach unten und Bergmann hatte seine Reflexe jetzt nicht mehr unter Kontrolle. Eine Sekunde später erbrach er sich würgend in den durch das Visier verschlossenen Helm. Neumann ließ das Flugzeug für die Presse extra noch einige Male um die Längsachse rollen was dazu führte, dass sich die von Frieder Bergmann in den Helm abgesonderten Speisereste unregelmäßig auf dessen Gesicht verteilten. Wenn die Maschine auf dem Rücken lag und Bergmann kopfüber nach unten hing öffnete sich das Visier seines Helmes, so dass sich die von Bergmann abgesonderten Brocken auch noch über seinen Fliegeranzug und im Cockpit verteilten. War das Flugzeug wieder in normaler Fluglage, klappte das Visier zu. 5 Sekunden später setzte die Maschine elegant auf der Landebahn auf.
Die Leute vom Bodenpersonal schnallten Frieder Bergmann ab und halfen ihm aus der Maschine. Alle Kameras waren auf ihn gerichtet. Als der Kommodore Bergmann half das Visier hochzuklappen, trat für einen Augenblick Stille ein, aber die Kameras liefen weiter. Auf Frieder Bergmanns leichenblassem Gesicht hatten sich Teile des Rühreis, der Tomaten und des Orangensaftes niedergeschlagen. Bergmann sah aus, als hätte man im Gesicht mit heftigen Faustschlägen traktiert und so diese Verfärbungen hervorgerufen. Der Geschwader-Kommodore Generalmajor Ralf Neumann sah in diesem Augenblick keine andere Möglichkeit, als das Visier von Bergmanns Helm sofort, und schnell wieder nach unten zu klappen. Die Flecken auf dem Anti-G-Anzug konnte er allerdings nicht ungesehen machen. Er teilte er den Presseleuten – denn er wollte Bergmann schnellstens aus der Schusslinie bringen - knapp mit:
„In 15 Minuten beginnt die Pressekonferenz.“
Er führte den leicht schwankenden Frieder Bergmann wie eine besorgte Mutter zu den Umkleidekabinen. Dort wurde Bergmann aus den nunmehr schon ziemlich stinkenden Sachen geschält. Kurzerhand half Herbert Büchsenschuss seinem Chef aus den Kleidern und schob ihn unter eine Dusche. Dann wandte sich der Büroleiter an die herumstehenden Soldaten.
„Los, dalli, sofort eine frische Fliegerkombi und ein Käppi für den Minister! Und noch einen Föhn und einen großen Schnaps! Beeilung.“
Dann zog er Bergmann aus der Duschkabine heraus, trocknete ihn ab, und half ihm in die frischen Sachen. Er drückte ihn in einen Stuhl hinein und setzte den Föhn in Gang. Ein Offizier reichte Bergmann eine Schnapsflasche zu.
„Sind Sie denn wahnsinnig geworden“ fuhr Büchsenschuss den Mann an „Korn aus dem NEDDO. Das wollen Sie dem Minister anbieten? Wegtreten! Bessere Marke organisieren! Zack, zack! Marsch, Marsch! Ausführung!“
Der Mann verschwand eiligst und war zwei Minuten später mit einer anderen Flasche wieder da.
„Vom Chef persönlich“ keuchte er.
Büchsenschuss nickte, es war guter Whisky.
Er reichte die Flasche an Bergmann weiter, der einen großen Schluck zu sich nahm. Büchsenschuss fummelte, obwohl er selbst Nichtraucher war, eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche, brannte eine Zigarette an, und steckte sie Bergmann zwischen die Lippen. Dieser inhalierte mit geschlossenen Augen und griff dann nochmals nach der Flasche. Einen Moment später grinste er Büchsenschuss breit an.
„Wie bin ich rübergekommen“ wollte er wissen.
„Bis auf die letzte Szene ganz hervorragend“ meinte sein Büroleiter „wir müssen einen Weg finden, die Sache mit der Kotze raus zu filtern.“
„Nein, ich habe da eine ganz andere Idee“ schaltete sich der Kommodore ein „ich erzähle den Typen von der Presse, dass die Gesichtsverfärbungen des Ministers von den hohen Fliehkräften hergerührt hätten und dass solche Schwellungen nur kurz zu sehen sind. Die Leute haben doch keinen blassen Schimmer von der Kampffliegerei. Und für den beschmutzten Anzug lasse ich mir noch was einfallen.“
„Klasse“ erwiderte Büchsenschuss.
Als sich Frieder Bergmann, der Geschwader-Kommodore und Herbert Büchsenschuss der kleinen Bühne näherten, erhoben sich die Medienvertreter geschlossen und applaudierten heftig. Bergmann sah in der dunkelblauen Fliegerkombi und mit dem Käppi auf dem Kopf ganz hervorragend aus. Die ersten Fragen kamen.
„Herr Minister, wie haben Sie diese sensationelle Flugvorführung überstanden?“
„Prächtig, Sie sehen ja, wie gut es mir geht.“
„Ähm, was hatten diese Verfärbungen auf Ihrem Gesicht für eine Bewandtnis? Und was war mit Ihrem Fliegeranzug passiert?“
So konzentriert, wagemutig und kühn der Geschwader Kommodore Generalmajor Ralf Neumann in der Luft agierte, so lässig sagte er jetzt:
„Bei solchen extremen Flugmanövern wirken wahnsinnige Fliehkräfte, die die Gesichtsmuskeln verzerren. Es entstehen kleinere Hämatome, die aber schnell wieder verschwinden. Das ist auch eine Frage des Trainings. Logisch, dass der Minister das nicht so wegstecken konnte wie ich. Tja, der Anzug. Ich kann Ihnen hier leider nur Andeutungen geben. Minister Bergmann hat es persönlich übernommen, einen noch in Entwicklung befindlichen Anti-G-Anzug selbst zu testen. Die gelben Verfärbungen wiesen auf kleinere Schwachstellen hin, die roten auf größere Probleme. Diese Farbelemente sind an besonders kritischen Stellen zu Testzwecken in den Anzug eingearbeitet worden, um Schwachstellen herauszufinden. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich muss mich da an die Geheimhaltungspflicht halten.“
„Ist es nicht sehr gewagt, einen nicht ausgebildeten Piloten solchen extremen Belastungen auszusetzen?“
„Ich musste mich natürlich einer medizinischen Untersuchung stellen und ich kann Ihnen sagen, dass ich kerngesund bin. Ohne diesen Test hätte ich gar nicht an Bord des Flugzeuges gehen dürfen“ erklärte Frieder Bergmann und fuhr großspurig fort:
„Ich bin so fit, dass ich Herrn Putkinow bei jeglicher sportlichen Auseinandersetzung ohne Mühe in die Schranken weisen würde.“
„Haben Sie weitere Truppenbesuche vor?“
„Natürlich, aber den Großteil meiner Zeit muss ich leider am Schreibtisch verbringen. Aber ich werde mich selbstverständlich wieder bei den Kameraden sehen lassen. Sie entschuldigen mich jetzt bitte, die Pflicht ruft.“
Die BilderZeitung schrieb tags darauf:
„Ein Teufelskerl von Minister zeigt Herrn Putkinow,
was eine Harke ist!
Minister Professor Doktor Frieder Bergmann hat gestern eine phantastische Leistung vollbracht. An Bord eines Jagdflugzeuges ist er als erster Zivilist auf der Welt ein Kobramanöver mitgeflogen. Der Pilot zeigte sich äußerst beeindruckt.
„Was der Minister geleistet hat ist sensationell. Selbst für mich als erfahrenen Kampfpiloten ist die Kobra immer wieder eine Herausforderung. Minister Bergmann hat das komplizierte Manöver aber ohne mit der Wimper zu zucken überstanden. Ich bin stolz, unter so einem tapferen und willensstarken Mann dienen zu dürfen. Ich möchte Ihnen auch noch sagen, dass die Truppe geschlossen hinter dem Minister steht und ein ganz neuer Geist in der Truppe entstanden ist.“
Wir fragen uns natürlich, ob Herr Putkinow auch die Traute gehabt hätte, so eine Aktion durchzuführen. Selbstverständlich werden wir Minister Bergmann wie all die Jahre schon auf seinem weiteren Weg begleiten.“
Anke Meckel lächelte.
„Dein Mitflug hat dir damals wahnsinnig viele Sympathien eingebracht Frieder, bald hättest du mich in der Beliebtheitsskala eingeholt. Aber Platz zwei hinter mir ist ja auch was wert. Ich sage dir aber eins: ich bin und bleibe der Chef! Ist das klar?“
„Natürlich Anke, das ist vollkommen klar. Ich will nichts weiter, als ein guter Verteidigungsminister sein. Andere Ambitionen habe ich nicht. Außerdem bin ich jetzt schon ziemlich geschlaucht, so dass ich demnächst in den Urlaub gehen will.“
„Wo soll es denn hingehen?“
„Weiß ich noch nicht. Wir beraten das immer im Familienkreis.“
„Und wer entscheidet letztlich?“
„Meistens meine Mutter“ stöhnte Bergmann.
„Interessant. Die möchte ich gern mal kennenlernen.“
„Vielleicht später einmal.
„Na gut. Du musst aber bei deiner Urlaubsplanung eins bedenken, dass du jetzt kein normaler Bürger mehr bist, sondern Minister.“
„Und das bedeutet?“
„Zwei Leute der Security werden ständig um dich sein.“
„Ständig?“
„Ständig.“
„Auch wenn ich mal auf die Hütte muss?“
Anke Meckel lachte.
„Sie werden immer in deiner Nähe sein. Das hat seine Gründe. Also gehe davon aus, dass du wirklich ständig unter Kontrolle stehen wirst. Zur Sicherheit lasse ich noch jeweils für beide noch ein Schreiben in Französisch ausstellen, welche erklären, warum die Personenschützer Waffen mit sich führen. Die beiden Männer werden sie immer bei sich tragen. Aber versuche trotzdem, dich möglichst unauffällig zu verhalten. Besprich‘ das bitte alles in Ruhe mit deiner Familie.“
„Darauf kannst du dich verlassen. Ich werde den stinknormalen, absolut unauffälligen und spießigen deutschen Urlauber Anton Meyer spielen.“