Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre...... Band 6 - Jörn Kolder - Страница 5
Familienrat
Оглавление„Ich fasse es nicht“ polterte Peter Petersen los „zwei Typen mit Sonnenbrillen auf der Nase und Knarren im Hosenbund werden uns die ganze Zeit auf der Pelle hocken, das kann ja ein schöner Urlaub werden! Vielleicht kosten die dann auch noch jedes Bier vor!“
„Reg‘ dich doch nicht auf“ wies ihn Bergmanns Mutter zurecht „Frieder ist nun einmal eine wichtige Person für Deutschland geworden, also muss er geschützt werden und darf in keine brenzligen Situationen geraten. Wo wir jetzt schon einmal bei einem entscheidenden Thema sind. Frieder hat ja leider die Angewohnheit, immer und allerorten Chaos zu stiften. Nein, du brauchst dich jetzt nicht künstlich aufregen, Frieder. Erinnere dich an letztes Jahr auf dem Kreuzfahrtschiff. Noch Fragen? Na bitte. Also, was wollen wir dieses Jahr unternehmen? Rüdiger?“
„Hm, es muss etwas sein, wo wir uns nicht ganz abkapseln müssen und unsere Freiheiten behalten können, aber wir sollten den Sicherheitsanforderungen für Frieder doch Rechnung tragen. Ich denke da an einen entspannten Hotelaufenthalt in Schweden.“
„Und was bitte, ist in Schweden los“ fuhr Peter Petersen auf „Elche kucken, Pilze sammeln, Fisch angeln? Ist doch total öde! Außerdem ist das Bier dort sündhaft teuer und nur in speziellen Geschäften zu bekommen. Ein eindeutiges K.O.-Kriterium für dieses Land!“
„Wir könnten doch zum Wandern in die Alpen fahren“ schlug Paula vor „da können wir alle richtig Kondition tanken.“
„Und man hat jeden Tag einen ganz tollen Blick auf irgendwelche Gipfel, wie schön und romantisch“ höhnte Frieder Bergmann „rings um uns sind Massen von Steinen und Geröll, ganz phantastisch! Ohne mich!“
„Rundreise“ sagte Claudia.
„Womit“ fragte Petra.
„Wohnmobil“ erwiderte ihre Tochter.
„Fällt aus“ knurrte Peter Petersen „vielleicht zu viert in so einer Sardinenbüchse zu schlafen kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Schweißfußgeruch und Blähungen in der Kiste! Ein bisschen Komfort will ich schon haben.“
„Wirst du auch“ erklärte Nils „Claudia meint, dass wir zwei Wohnmobile anmieten werden.“
„Na und, wir sind acht Leute, macht vier für jedes Fahrzeug.“
„Nein, Claudia, Paula, Rüdiger und ich nehmen Zelte mit. Damit können Petra und Frieder und Hannelore und du jeweils in einem Wohnmobil schlafen. Da dürfte auch für dich ausreichend Platz sein.“
„Hm, klingt nicht schlecht. Wie ist so eine Karre eigentlich ausgestattet?“
„Komfortable Schlafplätze, eine Sitzgruppe, Dusche und WC, Küche mit Kühlschrank, draußen ausfahrbare Markise.“
„Mit Kühlschrank? Da heißt doch, egal wie heiß es wird, es gibt immer kühles Bier?“
„Korrekt.“
„Ich bin mit dabei“ rief Peter Petersen freudig erregt aus „ich lass‘ mich in der Gegend rumfahren, mache es mir in der Sitzgruppe mit einem Bierchen gemütlich und schaue in die vorbeiziehende Landschaft. Gefällt mir ausgesprochen gut, klasse Idee, Claudia.“
„Stopp“ fuhr Hannelore Petersen dazwischen „wo soll es denn überhaupt hingehen?“
„Nach Frankreich“ erklärte Paula.
„Und wie sollen wir uns dort verständigen“ wollte Peter Petersen wissen „von uns spricht doch keiner diese Sprachen.“
„Irrtum“ erwiderte Rüdiger „Paula und ich besuchen seit einem halben Jahr einen Volkshochschulkurs für Französisch. Heimlich, denn es sollte eine Überraschung werden.“
„Das ist doch der Gipfel“ empörte sich Hannelore Petersen „ihr habt also längst entschieden wo es hingehen soll? Nennt ihr das eine demokratische Vorgehensweise? Bedeutet das, dass ich denn gar keine Stimme im Parlament mehr habe? Ist das Achtung vor dem Alter?“
„Bleib‘ doch mal ruhig Hannelore“ erwiderte Peter Petersen „die Kinder haben das doch nur gut gemeint. Ich kann mit diesem Vorschlag jedenfalls bestens leben. Stell‘ dir mal vor, wir sitzen abends unter der Markise vor dem Wohnmobil, die Sonne scheint, der Rotwein funkelt im Glas, die Mädchen haben den Tisch mit französischen Köstlichkeiten gedeckt und wir plaudern entspannt. Ringsum ist Campingplatzgemurmel und wir entspannen uns total. Tagsüber haben wir in einem Städtchen gehalten und uns alte Gemäuer angesehen oder ein Museum besucht. Eingekauft haben wir in irgendeinem Supermarkt und alles in den Kühlschränken eingelagert. Sag‘ mal Rüdiger, gibt’s in Frankreich überhaupt Bier?“
„Natürlich, du musst auf dein kühles Blondes nicht verzichten. Es gibt dort ein breites Angebot an regionalen und internationalen Bieren.“
„Das wird ja immer besser“ begeisterte sich Petersen „wir zuckeln durch die Gegend, sehen viel, sind jeden Tag an einem anderen Ort, nehmen viele Eindrücke mit, lernen freundliche Menschen kennen, ja, wir leben den europäischen Gedanken, wie Frieder sagen würde. Also, Hannelore, was ist? Du warst doch noch nie in Frankreich, oder?“
„Na gut, ich bin mit dabei. Wer soll denn die Wohnmobile überhaupt fahren? Und was ist mit diesen Aufpasser Typen? Müssen wir die mit durchfüttern? Sag‘ was Frieder!“
„Ähm, ich würde schon gern selbst so ein Fahrzeug steuern. Das muss toll sein, so hoch über der Straße zu sitzen und auf die anderen herabzuschauen. Ich bewerbe mich um einen Fahrerplatz.“
„Ich auch“ sagten Rüdiger und Nils gleichzeitig.
„Na da könnt ihr euch doch gegenseitig ablösen“ schlug Petra vor „wir werden ja wohl einige Kilometer zurücklegen müssen.“
„Und die Aufpasser Typen“ bohrte Hannelore Petersen nach.
„Weiß ich doch nicht“ brummte Frieder Bergmann „muss ich noch mit Anke bereden.“
„Die soll denen einimpfen, dass sie sich schön im Hintergrund zu halten haben“ legte Bergmanns Mutter fest „ich will nicht ständig von diesen Kerlen umschwirrt werden. Also kläre das mit der Kanzlerin.“
„Ähm, Anke“ sagte Bergmann etwas hilflos „wir wollen mit Wohnmobilen nach Frankreich fahren. Wie soll das mit der Security laufen?“
„Na wie üblich. Du wirst zwei Personenschützer dabei haben. Ich muss mal überlegen, wenn ich dir zuordne. Die beiden müssen ja auch eine Art Legende haben, warum sie sich fortlaufend in eurer Nähe aufhalten. Ihr werdet also viel fahren und verschiedenste Orte besuchen. Hm, das sind dann immer wechselnde Gegebenheiten. Eigentlich schlecht für den Personenschutz. Es wird sich also nicht vermeiden lassen, dass die beiden ständig um euch sein werden. Also muss diese Nähe begründbar sein. Mein Vorschlag: der eine von beiden ist dein vorgeblicher Bruder, der andere sein Kumpel.“
„Das impliziert doch aber ziemlich klar“ dachte Bergmann laut nach „dass die beiden ein schwules Pärchen sind.“
„Na und“ sagte die Kanzlerin locker „das ist doch fast schon selbstverständlich heute. Ich will nicht sagen, dass das unbedingt zum guten Ton gehören muss, aber verurteilen kann ich solche Partnerschaften auch nicht. Das ist doch jedermanns freie Entscheidung.“
„Sollen die beiden dann auch noch die Schwuliberts spielen“ fragte Bergmann erschrocken.
„Müssen sie doch nicht. Sie sind einfach nur zwei gute Kumpels, die sich einen schönen Urlaub machen wollen.“
Arndt Briese maß 1 Meter 92 und brachte 108 Kilogramm auf die Waage. Schon in der Pubertät hatte er entdeckt, dass er gar nicht auf Mädchen stand, sondern dass ihn Jungs weit mehr interessierten. Er war jetzt 35 Jahre alt und Mitte der neunziger Jahre war die Zeit noch nicht reif gewesen, um sich dazu bekennen zu können. So hatte er die lange Jahre über seine Neigung unterdrückt und diesem psychischen Druck physischen entgegengesetzt. Er trainierte bis zur Verausgabung und legte dementsprechend an Muskelmasse zu. Irgendwie hatte er immer die Hoffnung gehabt, so im Fitnessstudio gleichgesinnte Männer finden zu können, aber die Suche blieb erfolglos. In Schwulenbars wollte er sich nicht rumdrücken. Briese ließ sich nach der Schule zur Sicherheitsfachkraft ausbilden und absolvierte auf eigene Rechnung einige Lehrgänge zum Personenschützer. Auf eine Blindbewerbung bei der Bundesregierung erhielt er zu seiner Freude einen Vorstellungstermin. Briese war topfit, und da er ungebunden war, eigentlich immer für den Dienst verfügbar. Auch seine intellektuellen Fähigkeiten waren beachtlich, und so stieg er vor 2 Jahren dort ein. Der Job gefiel ihm ausnehmend gut und der Mann kniete sich ordentlich in die Arbeit rein. Schnell war Arndt Briese als verlässlicher und diskreter Mann bekannt geworden und man riss sich in den verschiedenen Dienststellen regelrecht um ihn. Mit einigen hochrangigen Regierungsmitgliedern pflegte er lockere Freundschaften und man tauschte auch ein paar private Dinge aus. Als Briese einmal gefragt worden war, warum er keine Familie hätte hatte er dies mit gescheiterten Beziehungen erklärt, die vor allem aus den Belastungen seines Berufes resultiert hätten. Dann war auf dieser Strecke Ruhe gewesen und weil sich der wortkarge Mann als hundertprozentig verlässlich erwies, forderte ihn die Bundeskanzlerin selbst öfter an.
Mathias Pechel besaß einen nachgewiesenen IQ von 143, leicht autistische Züge, und war gerade einmal 1 Meter und 62 Zentimeter groß. Der vierzigjährige Mann war über Umwege zum Personenschutz der Bundesregierung gekommen. Pechel war von Hause aus Mathematiker, der zum Ausgleich verschiedenste Sportarten betrieb und sich so fit hielt. Er hatte nach dem Studium in einem Softwarehause angefangen und wies so hohe Fertigkeiten beim Programmieren auf, dass er rasant aufstieg. Auf die Dauer waren ihm die Büroanwendungen aber zu wenig Herausforderung und er wechselte in die Spielebranche, wo er sich einige Jahre austobte aber dann realisierte, dass die deutlich jüngeren Freaks ihn trotz seiner überragenden Fertigkeiten nicht vollständig akzeptierten. Als ein Bundesministerium einen Systemadministrator suchte bewarb er sich und wurde eingestellt. Schon nach kurzer Zeit fiel er dadurch auf, dass er mit voller Absicht Accounts von Regierungsmitgliedern von zu Hause aus hackte und somit Sicherheitslücken identifizierte. Als er zu einem vertraulichen Gespräch zur Bundeskanzlerin gebeten wurde unterbreitete diese ihm das Angebot, einen ganz neuen Posten zu übernehmen. Sie wäre sich absolut sicher, hatte ihm Anke Meckel mitgeteilt, dass der Personenschutz auf eine vollkommen neue Ebene gehoben werden müsse. Neben dem bloßen körperlichen Schutz wäre es dringend erforderlich, die digitale Komponente mit einzubeziehen. Die NSA und so weiter hatte sie nur andeutungsweise noch gesagt. Ob er verstehen würde was sie meine hatte Anke Meckel noch gefragt, und Mathias Pechel aus dem Stehgreif heraus an einem Flipchart seine Vorstellungen skizziert. Die vom Ende einer Problemlösung her denkende Kanzlerin lag als Naturwissenschaftlerin sofort auf gleicher Wellenlänge mit Pechel und war begeistert gewesen. Das Team aus Arndt Briese und Mathias Pechel sollte seine erste Feuertaufe beim Schutz Frieder Bergmanns während seines Urlaubs erleben.