Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 5 - Jörn Kolder - Страница 5

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Der Bustransfer hatte problemlos funktioniert, so dass die Großfamilie Bergmann pünktlich gegen 11 Uhr in Warnemünde eintraf. Bergmanns bugsierten ihr Gepäck über die Gangway bis zur Rezeption.

„Guten Tag, Frieder Bergmann und Familie“ stellte sich der Anführer vor „für uns müssten 4 Kabinen reserviert sein.“

„Einen Moment bitte. Ja, selbstverständlich, Sie haben vier nebeneinander liegende Außenkabinen mit Balkon. Ich darf Sie übrigens heute schon zum Kapitänsdinner heute Abend einladen. Kapitän Rassmussen freut sich bereits auf die Begegnung mit Ihnen. Ähm, Herr Ministerpräsident, noch eine Sache. Ihre Personenschützer“ fragte die Frau an der Rezeption noch leise.

„Habe ich nicht nötig, sind keine dabei, ich bin Manns genug, auf mich selbst aufzupassen“ erwiderte Bergmann lässig.

„Wer das glaubt wird selig“ meinte Bergmanns Mutter „hier auf dem Schiff lauern mit Sicherheit viele Gelegenheiten, etwas anzustellen. Und wie ich Frieder kenne, wird er zielgerichtet wieder Mist bauen.“

„Mutter, bitte“ begehrte Bergmann auf „was soll schon passieren? Es wird total entspannt zugehen. Ich werde es mir mit einem Bierchen auf dem Balkon gemütlich machen und den Blick über das Meer schweifen lassen. Ich denke, dass ich so gute Inspirationen für meine weitere Arbeit erhalten werde. Dann gehen wir regelmäßig essen, die Frauen können sich in den Geschäften umsehen, wir Männer mal die Sportgelegenheiten erkunden. Wir werden uns in der Zeit hier an Bord ohne jegliche Hektik ganz wunderbar erholen. Und außerdem gibt es ja auch noch die Landgänge. Unter Langeweile werden wir also nicht leiden, da bin ich mir ganz sicher.“

„Na mal sehen was bei der ganzen Sache so rauskommt“ fuhr Hannelore Petersen fort „an eine Reise ohne Zwischenfälle glaube ich nämlich überhaupt nicht!“

„Lass‘ doch Frieder mal in Ruhe“ schaltete sich Peter Petersen ein „du verunsicherst ihn doch immer mehr. Ich glaube auch nicht, dass hier auf dem Schiff was schiefgehen kann.“

„Wir sollten diese Diskussion jetzt beenden und uns erst einmal einrichten“ schlug Petra vor „dann können wir ja einen Rundgang machen. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier an der Rezeption.“

Frieder Bergmann hatte nicht vermutet, dass die Kabine so großzügig geschnitten und ausgestattet war. Nach einem kleineren Eingangsbereich schloss sich zwar sofort der Wohn- und Schlafraum an, aber dieser war groß genug, um einem Doppelbett, einer Sitzecke, diversen Möbeln und Schränken und einem großen Fernseher Platz zu bieten. Gleich am Eingang befand sich das Bad. Neugierig öffnete Bergmann die Schränke im Wohnbereich und fand zu seiner großen Freude in einem Sideboard einen kleinen Kühlschrank. Einige Flaschen Bier, Mineralwasser und Schnapspullis lagen darin und er griff sich sofort eine Flasche heraus, öffnete die Balkontür und wollte die Aussicht genießen, und eine Zigarette rauchen. Petra räumte die Koffer aus und Frieder Bergmann bewegte sich vorsichtig auf die Außenverkleidung des Balkons zu. Er zuckte zusammen, denn er befand sich schätzungsweise 15 Meter über dem Wasserspiegel. Mit unsicheren Schritten ging er zu dem rechts von ihm stehenden Liegestuhl und ließ sich hineinsacken. An der Kabinenwand war eine Vorrichtung angebracht, in der sich ein Aschenbecher befand. Bergmann setzte die Bierflasche an und fummelte eine Zigarette aus der Packung, zündete diese an und rauchte bedächtig. Die Balkonverkleidung war wohl aus Sicherheitsglas gefertigt worden, denn Bergmann konnte durch diese hindurchsehen. Langsam entspannte er sich immer mehr, trank Bier und rauchte. Er sah schon vor sich, wie er in den kommenden Tagen den prächtigen Sonnenuntergang von seinem Platz aus bewundern würde. Die Idee mit der Schiffsreise war vermutlich gar nicht so schlecht gewesen, und er wollte es in diesem Urlaub nach der Radtour im vorigen Jahr ohnehin etwas ruhiger angehen lassen.

An der Rezeption stritt sich Hannelore Petersen mit der Frau hinter dem Tresen herum.

„Sie mögen sich hier ja auskennen, aber die Beschilderung ist doch eine einzige Katastrophe“ erklärte sie gerade „wie soll ich jemals wieder zu meiner Kabine zurückfinden oder den richtigen Speisesaal finden?“

„Die Beschilderung folgt einer gewissen Logik“ versuchte sich die Frau an der Rezeption zu rechtfertigen „die Decks haben alle eine Nummer. Ihre Kabine liegt auf Deck 7. Und die 84 ist die Nummer Ihrer Kabine. Alle anderen Räume sind auf übersichtlichen Tafeln zu erkennen. Außerdem befindet sich in Ihrer Kabine auch ein Decksplan des Schiffes. Da kann man eigentlich nichts falsch machen.“

„Wollen Sie mir logisches Denken absprechen“ entrüstete sich Bergmanns Mutter „ich habe Jahrzehnte lang als Mathematik- und Physiklehrerin am Gymnasium unterrichtet und habe somit durchaus ein Gespür für Zahlen und für Raum und Zeit. Eigentlich bin ich hier, um mich zu erholen, und nicht um irgendwelche Deckspläne auswendig zu lernen.“

„Lass‘ mal gut sein Hannelore“ sagte Peter Petersen „ich werde dich schon überall hin lotsen. Männer haben ja bekanntlich einen weitaus besseren Orientierungssinn als Frauen. Ich stelle mir gerade vor, wie du, Petra und Paula im Schiff umherirren und nicht mehr zur Kabine zurückfinden, eine lustige Vorstellung.“

„Sehr witzig. Und warum klammerst du Claudia davon aus“ fragte seine Frau gereizt zurück.

„Weil der das garantiert nicht passieren würde“ erwiderte Petersen „die geht nämlich rational an die Dinge heran.“

„Du irrst dich mächtig Peter, ich werde dir das Gegenteil beweisen. Wir suchen jetzt das Restaurant, wo heute Abend das Kapitänsdinner stattfinden wird. Wie heißt der Raum“ fragte Hannelore Petersen die Frau hinter dem Tresen.

„Meeresblick.“

„Das zeugt ja von großer Phantasie und Kreativität“ wandte sie sich abschließend an die Frau an der Rezeption „Meeresblick, hier hat man überall Meeresblick. Es geht los.“

Hannelore Petersen stapfte davon, und die anderen folgten ihr. Unweit der Rezeption befand sich ein Decksplan. Die ehemalige Lehrerin studierte diesen kurz und sagte dann:

„Deck 12, da müssen wir hoch. Wir nehmen den Fahrstuhl hier. In einer Minute habe ich das Restaurant gefunden.“

Deck 12 verfügte selbstredend auch über einen Decksplan, der sich direkt gegenüber dem Fahrstuhl befand. Der Decksplan zeigte eine Draufsicht der Ebene und die Anordnung der Räume. Das Restaurant „Meeresblick“ lag gut sichtbar in Richtung des Bugs, so dass man vermutlich tatsächlich einen schönen Ausblick haben würde. Zwischen den Bereich, wo sich Bergmanns jetzt aufhielten, bis zum Restaurant waren etliche andere Räume angeordnet. Ein größerer Sport- und Freizeitbereich war auf dem Plan zu erkennen, ein Frisör, eine kleinere Verkaufsfläche, ein Blumenladen und natürlich eine große Anzahl von Kabinen. Nach dem nächsten Aufzugsbereich lagen wieder etliche Kabinen.

„Na bitte“ sagte Hannelore Petersen zufrieden „wir müssen uns einfach nach vorn begeben, ein Kinderspiel.“

Anfangs kamen sie gut voran, denn im Gang reihte sich Kabinentür an Kabinentür und es gab nur einen Weg. Als sie in einen Bereich mit Fahrstühlen gelangten entschied Hannelore Petersen, dass man nach rechts abbiegen müsse. Wahrscheinlich hatten die Architekten die Monotonie der langen Flure mit den Kabinenbereichen auflockern wollen, denn die ansonsten schnörkellosen Gänge wurden hier von einem wilden Mix aus runden Bereichen, vorspringenden Wänden und unterschiedlichsten Materialien und Farbmischungen abgelöst. Man kam an kleinen Geschäften vorbei und das Zentrum dieser Fläche hier war ein großer, runder und offener Bereich, in welchem verschiedenste Warensortimente gemischt waren und der mehrere sternförmig angeordnete Ein- und Ausgänge hatte. Hannelore Petersen stoppte ihren Vorwärtsdrang abrupt und besah sich das Angebot, die anderen schauten sich ebenfalls um. Die Inneneinrichter hatten hier ganze Arbeit geleistet, denn die Produkte wurden sehr ansprechend präsentiert. Hannelore Petersen bewegte sich im Kreis um die Regale herum, aber wurde anscheinend nicht fündig.

„Ist doch nur Tand hier“ schätzte sie ein und nahm den momentan vor ihr liegenden Ausgang aus dem Verkaufsbereich.

Die anderen folgten ihr.

Als Hannelore Bergmann einen langen Gang mit Kabinentüren vor sich sah sagte sie, sich zu den anderen umwendend:

„Prima, das ist der zweite Kabinenbereich der vor dem Restaurant liegt, in ein paar Sekunden sind wir da.“

Als sie erneut einen Aufzugsbereich erreichten meldete Peter Petersen Zweifel an.

„Mir ist so, als wären wir hier schon einmal gewesen.“

„Du irrst dich Peter“ erklärte seine Frau mit Überzeugung in der Stimme „hinter dieser großen Tür dort befindet sich das Restaurant.“

Als sie die Tür energisch öffnete wurde es hell, und der Blick auf Himmel und Meer möglich. Vor ihnen lag das Sonnendeck im Heckbereich des Schiffes. Frieder Bergmann lachte meckernd los und sagte:

„Kapitänsdinner unter Sternenhimmel und an der frischen Luft, das ist doch mal was Neues.“

„Was gibt es da zu lachen“ fuhr ihn seine Mutter an „dann führe du uns doch zum Restaurant.“

„Nichts leichter als das“ antwortete ihr Sohn lässig.

Frieder Bergmann lotste die Truppe geschickt durch die verwinkelten Bereiche, sie erreichten den Speisesaal in weniger als 5 Minuten.

„So, jetzt zurück zu den Kabinen, umziehen, falls einer das will und dann geht es zum Mittag, bis 14 Uhr bekommen wir noch was“ sagte er.

„Soll ich dich dann abholen, Mutter“ fragte er grinsend, aber Hannelore Petersen schwieg verschnupft.

Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! Band 5

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