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Auf der Suche nach dem perfekten Fisch

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Professor Dai Kanegawa wollte die Zeit bis zur Fertigstellung des Hauses und der Außenanlagen in Wildbach dafür nutzen, Kontakte zu japanischen Koizüchtern zu knüpfen. In Zeiten des Internets war das nicht schwer, und die Leute in Japan staunten nicht schlecht, als sie eine E-Mail mit dem Suffix .de von einer Privatperson erhielten. Das war zwar nicht ungewöhnlich, aber der Absender unterzeichnete mit einem japanischen Namen und gab noch eine Telefonnummer an. Etwas misstrauisch rief man bei Kanegawa an, vielleicht handelte es sich nur um einen Trittbrettfahrer, der ihnen Konkurrenz machen wollte und sich als Japaner ausgab, um schneller an die Fische heranzukommen, und in Deutschland eine eigene Zucht aufziehen zu können. Kanegawa konnte die Bedenken aber schnell ausräumen, er würde die Fische lediglich zur eigenen Erbauung in seinem Gartenteich schwimmen lassen, und bei deren Anblick so Entspannung finden können. Er wollte aber, das teilte er den Züchtern noch mit, natürlich nicht die Katze im Sack kaufen, sondern die Zierkarpfen selbst vor Ort aussuchen. Da die Fertigstellung seines Anwesens und des Teiches in gut zwei Wochen in der Bauablaufplanung stand, würde er gern in der kommenden Woche vorbeikommen. Man vereinbarte noch Ort und Zeit, und Kanegawa begab sich später dann auf eine Reise in seine eigentliche Heimat. Das teils hektische Treiben dort kam ihm eigenartig vor, denn der Mann war eher die Atmosphäre des beschaulichen Deutschlands gewohnt.

Als Kanegawa vor dem großen Becken stand war er wie hypnotisiert gewesen. Bereits nach wenigen Augenblicken hatte er sich für einen Koi entschieden. Insgesamt wollte er sieben kaufen, das war seine persönliche Glückszahl. Obwohl Kanegawa fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Tatsachen stand, war er aber auch ein bisschen abergläubig. Japaner meiden die 4 (shi) und die 9 (ku). Shi kann auch Tod bedeuten, Ku Leid und Schmerz. Kein Wunder also, dass man in Krankenhäusern und Hotels kein Zimmer mit der Zahl 4 oder 9 finden kann. Die 7 hingegen soll Glück verheißen. Der große Zierkarpfen faszinierte Dai Kanegawa enorm. Er wusste, dass er einen Batzen Geld für den Fisch hinlegen werden müsste, aber er war vermögend und alleinstehend. Wem sollte er also etwas vererben können. Er zeigte auf den Koi, und wählte noch sechs andere aus. Ihm wurde von dem Züchter versichert, dass die Koi in speziellen Transportboxen mit einem Flugzeug in 2 Tagen nach Deutschland kommen würden. Vor Ort werde dann ein von ihm beauftragter Unternehmer den Weitertransport direkt zu seinem Anwesen in Wildbach übernehmen. Der Mann hätte Erfahrung und Kanegawa müsste sich keine Gedanken machen. Wenig später fuhren beide zu einer Bank, und Dai Kanegawa stellte dort einen Scheck über 9.514.000 Yen aus, was einem Gegenwert von 67.000 Euro entsprach, da der aktuelle Tageskurs 1:142 war. Dann flog er nach Deutschland zurück.

Am Vortag der avisierten Ankunft der Koi war Kanegawa mit seinem Honda Civic, Baujahr 2002, in die Landeshauptstadt gefahren, um dort in einem Kaufhaus die Feinkostabteilung aufzusuchen. Er hatte dann lange überlegt, ob er den Chichibu The First – Ichiros Malt 2008/2011 oder den Nikka Miyagikyo – 15 Jahre nehmen sollte. Ersterer japanischer Whisky hatte satte 61 Prozent Alkoholgehalt, der andere 45 Prozent. Beim Preis gab es keinen großen Unterschied, der Chichibu The First – Ichiros Malt 2008/2011 kostete 119 Euro, der Nikka Miyagikyo – 15 Jahre 99 Euro. Dai Kanegawa nahm den Chichibu The First – Ichiros Malt 2008/2011. In einem Tabakladen kaufte er noch eine Kiste kubanische Zigarren, die er zu Hause in einem Humidor lagern würde. In der Siedlung angekommen ließ er sich am Teich nieder. Die Gartenbaufirma hatte ganze Arbeit geleistet, Kanegawa war begeistert. Der Teich war ungefähr sechs Meter lang, drei Meter breit, zwei Meter tief und oval gestaltet. Rings um das Gewässer waren kleine Sträucher gepflanzt und ein Bereich mit Granitplatten gepflastert worden. Dort war für Kanegawa eine Bank aufgestellt worden. Von dieser Stelle aus würde er die Zierkarpfen perfekt beobachten können. Ein Tisch neben der Bank bot Platz für einen Aschenbecher sowie andere Dinge.

Der Spezialtransporter traf mit leichter Verspätung ein. Die beiden Männer waren aber absolute Profis. Nach weniger als 2 Stunden schwammen sieben Koi im Teich. Kanegawa gab den Männern ein üppiges Trinkgeld. Es war jetzt gegen 19 Uhr und der Wissenschaftler begab sich ins Haus. Dann kam er wieder zum Teich zurück und stellte die Flasche Chichibu The First – Ichiros Malt 2008/2011 sowie ein Glas auf dem Tisch ab. Daneben platzierte er einen Aschenbecher und schnitt die Spitze von der Zigarre ab. Professor Dai Kanegawa ließ den Whisky noch einen Moment im Glas atmen, dann trank er einen Schluck und sah den Koi zu. Es war ruhig in der Siedlung, die Leute aßen jetzt wahrscheinlich zu Abend. Blaue Wolken zogen am Himmel entlang und Vögel zogen ihre Runden, Schmetterlinge flatterten in seinem Garten umher. Nach einem weiteren Schluck Whisky zündete der Mann die Zigarre feierlich an. Er fühlte sich wohl und entspannt.

Dieses Idyll wurde allerdings durch krachend zugeschlagene Fenster und Worten wie „Unverschämtheit“ und „Belästigung“ gestört. Professor Dai Kanegawa konnte sich keinen Reim darauf machen. Er wusste nicht, dass sich Dr. Rüdiger Bachmann soeben eine Zigarre angesteckt hatte, deren Tabakschwaden zum Grundstück von Generaloberst a. D. Fritz Langsack herüberwehten.

Wildbach im Würgegriff der Geheimdienste

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