Читать книгу Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre! - Jörn Kolder - Страница 5
Die Lederjacke
ОглавлениеDie letzten Tage vor dem Konzert hatte Frieder Bergmann immer wieder gegrübelt, ob er seine Bekleidung für das Fest nicht noch optimieren könnte. Für ihn stand ganz klar fest, dass er Vadim Putkinow in dieser Beziehung unbedingt ausstechen musste. Putkinows Andeutung, dass er als Matchwinner aus dem Konzert hervorgehen würde hatte Bergmann schon verunsichert. Als er sich eine Woche vor dem Konzert in seiner Kluft vor den Spiegel gestellt hatte war er unschlüssig, ob er so den meisten Eindruck schinden könnte. Für seine Begriffe kam er nur wie ein älter gewordener Rocker rüber, der aber überhaupt keine Aggressivität ausstrahlte und keineswegs einschüchternd wirkte. Insbesondere die Lederjacke erschien ihm jetzt geradezu spießig. Also begab er sich auf die Suche nach einem mehr Respekt einflößenden Modell. Das, was er fand, war viel zu überzogen und würde ihn noch lächerlicher erscheinen lassen, da er ja nicht gerade Gardemaß und sonderliche Körperfülle aufwies. Glücklicherweise gab es einen Anbieter, der eine individuelle Gestaltung und Anfertigung versprach. Man konnte sich entweder aus Vorlagen etwas aussuchen, oder eine Datei übermitteln, wie die Jacke und das sie schmückende Motiv auf der Rückseite aussehen sollten.
Frieder Bergmann ließ sofort den Stift fallen und stellte unverzüglich alle Arbeiten für die Weltregierung ein. Dann zog er sich nachdenkend auf seine Couch zurück, besorgte sich ein paar Getränke, und schloss die Augen. Die Form der Jacke war ihm relativ egal, er würde eine aus den Vorlagen auswählen. Weit wichtiger war das Motiv auf der Rückseite. Da ihm momentan nichts einfiel, griff er zu härteren Getränken, möglicherweise würde dies seine Gedankenflüge befördern. Dann hatte er einen ersten Ansatzpunkt gefunden. Er musste ein passendes Foto der Musiker von ACDC aufspüren und dies mit seinem Konterfei so kombinieren, als würde er mit den Musikern zusammen posieren. Ein geeignetes Foto der vier rabiaten Rocktypen hatte er im Internet schnell gefunden. Jetzt stand Bergmann vor dem Problem, eines von sich in digitaler Form zu organisieren. Er ging noch einmal auf die Terrasse und rauchte eine Zigarette. Danach nahm er sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank und begab sich zu seinem privaten Rechner. Seit er als UNO-Generalsekretär fast als Besitzer von Pornofilmen auf seinem Dienstlaptop aufgeflogen war, ging er in Bezug auf solche Sachen wesentlich vorsichtiger vor und bearbeitete private Dinge nur noch auf seinem schon etwas altersschwachen PC. Bergmann durchforstete die Dateien und fand zwar einige Fotos von sich selbst, allerdings waren viele nicht geeignet, da sie ihn überwiegend in Freizeitposen und sehr entspannt zeigten, was so gar nicht zu dem geplanten martialischen Auftritt passen wollte. Es war jetzt ungefähr 23 Uhr, und Frieder Bergmanns Konzentration – auch wegen der eingenommen Getränke - nicht mehr die beste. Dennoch wollte er die Sache heute noch abschließen, denn die Zeit drängte. Die Anfertigung der Lederjacke nach seinen Vorstellungen sollte 4 Tage dauern.
Da Frieder Bergmann partout kein stimmiges Einzelporträt von sich finden konnte nahm er Fotos, auf denen auch andere Personen zusammen mit ihm zu sehen waren, ebenfalls in den Kreis der Kandidaten auf. Mithilfe eines Bildbearbeitungsprogrammes wollte er die Fotos dann so retuschieren, dass nur sein Abbild übrig bleiben würde. Er brauchte gar nicht lange zu suchen, dann hatte er Erfolg. Es musste eine Aufnahme aus dem Urlaub in den USA sein. Bergmann, das war bestens zu erkennen, schaute dermaßen finster in die Kamera, dass er als harter Knochen durchgehen könnte. Störend war nur, dass Peter Petersen breit grinsend mit auf das Foto geraten war. Frieder Bergmann nahm sich jetzt dieses Foto vor. Er war in der Handhabung des Bildbearbeitungsprogramms nicht sonderlich fit und kam nur mühsam voran. 23 Uhr 47 war das Konterfei von Peter Petersen aus dem Foto entfernt und Bergmann mit seiner Arbeit recht zufrieden. Er ging rauchen und schnappte sich ein weiteres Bier, und ließ diesem vor dem Endspurt seiner Bemühungen noch schnell zwei Jagertee folgen. Plötzlich fiel ihm ein, dass er das Bild mit den Typen von ACDC nicht aus dem Internet heruntergeladen und gespeichert hatte. Fluchend, und mit einem leichten Schleier vor den Augen suchte er nochmals im Internet danach. Bergmann fielen fast die Augen zu und er war auch bereits erheblich angetrunken. Noch ein Bierchen sagte er sich, dann ziehe ich die Sache endgültig durch. Er fand das Bild tatsächlich wieder und speicherte es irgendwo ab. Frieder Bergmann hatte noch das Bildbearbeitungsprogramm offen, in dem sich sein Porträt befand. Da er vorhin nicht aufgepasst hatte, in welchem Ordner er das Bild von ACDC abgespeichert hatte, suchte er jetzt nach Dateien mit dem entsprechenden Suffix. Er fand eine direkt auf der Festplatte. Vor seinen Augen verschwammen die Bilder auf dem Monitor, er sah nur noch schemenhafte Darstellungen. Die vier Kerle von ACDC sahen etwas anders aus als vorher, die eigentlich ziemlich spacken Musiker waren scheinbar mächtig in die Breite gegangen, aber Bergmann wollte jetzt endlich fertig werden und zerschnitt das Foto digital, um Platz für sein Porträt zwischen den Rockern zu schaffen. Dann fügte er beide Bildteile zusammen. Von den Proportionen her schien sein Werk gelungen zu sein, aber klar sah Frieder Bergmann schon lange nicht mehr nicht mehr. Dem Wegnicken nahe speicherte er die Datei ab, öffnete mit letzten Kräften sein E-Mail Programm, schrieb einen kurzen Text, hängte die Datei an, und setzte die Nachricht ab. Dann wankte er ins Schlafzimmer, zog sich mit schon geschlossenen Augen aus, und fiel sofort in einen bleiernen Schlaf.