Читать книгу Gesammelte Erzählungen - Jules Verne - Страница 140

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Ich hielt mich für verloren.

Eine, zwei Stunden – ich weiß nicht – verflossen dergestalt. Wir schlossen die Ellenbogen an einander, reichten uns die Hände, um nicht aus dem Floß geworfen zu werden. Es setzte die ärgsten Stöße, wenn es an die Wand stieß. Doch traten solche Stöße selten ein, woraus ich schloß, daß die Galerie beträchtlich weiter ward. Es war dies ohne Zweifel Saknussemm’s Weg; aber anstatt denselben allein hinabzusteigen, hatten wir aus Unvorsichtigkeit ein ganzes Meer zur Begleitung.

Diese Gedanken, begreift man, drangen in unbestimmter, unklarer Form in meinen Geist. Es hielt mir schwer, während dieser schwindelhaften Fahrt, die einem Hinabsturz glich, sie in Verbindung zu bringen. Nach dem Luftstrom, der mir ins Angesicht blies, zu urteilen, übertraf die Schnelligkeit die unserer Eilzüge. Eine Fackel anzuzünden, war unter diesen Umständen nicht möglich, und unser letzter elektrischer Apparat war bei der Explosion zerbrochen.

Ich war daher überrascht, als ich in meiner Nähe plötzlich ein Licht erglänzen sah. Es beleuchtete das ruhige Antlitz unseres Hans. Dem geschickten Jäger war es gelungen, die Laterne anzuzünden, und obwohl die Flamme hin und her flackerte, warf sie doch einige Strahlen in dies fürchterliche Dunkel. Die Galerie war breit. Ich hatte sie richtig geschätzt. Das schwache Licht ließ nicht die beiden Wände auf einmal erkennen. Der Fall des Wassers, auf dem wir so reißend fuhren, übertraf den der reißendsten Ströme Amerikas. Das Floß, manchmal von Wirbeln ergriffen, fuhr dann wie ein Kreisel. Wenn wir einer Wand nahe kamen, hielt ich die Laterne daran, und ich konnte die Schnelligkeit, womit wir fuhren, daraus abnehmen, daß die Vorsprünge wie fortlaufende Linien aussahen. Ich schätzte sie auf dreihundert Kilometer in der Stunde.

Mein Oheim und ich kauerten mit verstörtem Blick neben dem Stumpf des Mastes, der bei der Katastrophe abgebrochen war, und kehrten der Luftströmung den Rücken, um nur atmen zu können.

Inzwischen verflossen Stunden. Die Lage war unverändert, aber ein Umstand machte sie mißlicher. Ein großer Teil der mitgenommenen Gegenstände war bei der Explosion, als das Meer so ungestüm uns zusetzte, abhanden gekommen. Mit der Laterne in der Hand untersuchte ich unsere Vorräte. Von den Instrumenten waren nur noch ein Kompaß und der Chronometer vorhanden; von Takelwerk nur ein Stück Tau, das um den Maststumpf gewunden war; kein Werkzeug mehr, und Lebensmittel nur noch auf einen Tag, ein Stück getrocknetes Fleisch und etliche Zwieback!

Ich sah mit starrem Blick drein, wollt’ es nicht begreifen! Wenn auch die Lebensmittel auf Monate reichten, wie konnten wir aus den Abgründen, wohin das reißende Wasser uns trug, herauskommen?

Demnach vergaß ich die unmittelbare Gefahr vor den Schrecken der Zukunft. Wie konnten wir ihnen entrinnen. Aber der Hunger drohte baldige Vernichtung.

Ich getraute mit meinem Oheim nicht davon zu sprechen, um seine Kaltblütigkeit zu schonen.

Nun ward das Licht in der Laterne allmälig schwächer und verlosch endlich, da der Docht völlig verbrannt war. Es ward wieder stockfinster, und es war nicht daran zu denken, das undurchdringliche Dunkel zu verscheuchen. Zwar hatten wir noch eine Fackel, aber man hätte sie gar nicht in der Hand halten können. Da machte ich’s wie ein Kind und schloß die Augen, um die Finsterniß nicht zu sehen.

Nach geraumer Zeit ward die Schnelligkeit unserer Fahrt verdoppelt, wie mir durch die Stärke des Luftzugs, der wider mein Gesicht schlug, fühlbar wurde. Der Fall des Wassers wurde übermäßig; ich glaube wirklich, wir glitten nicht mehr, sondern fielen hinab. Es war mir, als stürzten wir fast senkrecht. Mein Oheim und Hans, die sich fest an meine Arme klammerten, hielten mich kräftig zurück.

Plötzlich spürte ich einen Stoß; das Floß war nicht wider einen harten Körper gestoßen, sondern hielt in seinem Abfall auf einmal inne, und ein Wasserwirbel, eine ungeheure Säule stürzte über seine Oberfläche. Ich verlor den Atem, war überschwemmt …

Doch dauerte diese plötzliche Überflutung nicht lange. In einigen Sekunden fühlte ich mich in freier Luft und konnte wieder ungehindert atmen. Mein Oheim und Hans hielten mir den Arm fest, und das Floß trug uns noch alle Drei.

Gesammelte Erzählungen

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