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Samstag, 03. Februar 2018

Jola

Jola ließ sich auf die durchgelegene Matratze in Lennons Bett fallen und atmete erleichtert auf. Sie glaubte noch, mitzubekommen, wie ihr Freund ihr einen Kuss auf die Stirn gab, ehe er sich mit Rainer wieder aus dem Staub machte.

Dass die beiden den ganzen Weg bis nach Sankt Lorenzen im Bus auf sie aufgepasst hatten, rührte sie auf der einen Seite sehr – auf der anderen war es ihr peinlich. Sie vertrug aber auch wirklich nichts mehr! Ihr war es unangenehm, dass sie sich so wenig unter Kontrolle hatte und dass sie das Paar vor dem Illusion auf der Straße angerempelt hatten. Obwohl es mit höchster Wahrscheinlichkeit Spießer waren, dem Aussehen nach zu urteilen. Eigentlich konnte Jola solche Leute nicht leiden, aber eine Entschuldigung hätte sie, Lennon oder Rainer nicht umgebracht. Wenn sie nicht so betrunken gewesen wären, wäre das alles nicht passiert. Sie waren sogar zu Beginn in die falsche Richtung gegangen. Nachdem sie das Spießerpaar angerempelt hatten, war ihnen aufgefallen, dass sie zur falschen Bushaltestelle unterwegs waren. Lachend hatten sie umgedreht – wobei sich Jola wie in einem Karussell vorgekommen war – und die richtige Richtung eingeschlagen.

Langsam wurden ihre Augenlider schwer, sie überlegte, ob sie noch ins Bad gehen sollte, um sich abzuschminken, dann schlief sie ein. Und Jola begann zu träumen …

Es war der 11. Dezember 1998, sie saß in ihrem Kinderzimmer und wartete. Mit den Händen fuhr sie über die schmerzenden Stellen an ihren Beinen – letzte Woche hatte sie einige Schläge beim Krampuslauf abbekommen. Obwohl sie versucht hatte, vor den maskierten Männern im Ziegenfell davonzulaufen, hatte sie die Ruten zu spüren bekommen. Da hatten nicht mal die zwei Leggings unter der Jeanshose geholfen. Eigentlich hatte sie sich nur ein paar Süßigkeiten vom Nikolaus holen wollen, aber seine teuflischen Gefährten hatten ihr den Weg bis dorthin nicht leicht gemacht.

Sie war elf Jahre alt und ihre Eltern waren in die Schule zum Elternsprechtag gegangen. Dass sie heute erst einen Geografie-Test zurückbekommen hatte, der vor Fehlern nur so strotzte, hatte sie ihnen noch nicht erzählt. Das sollte ihr Lehrer für sie übernehmen. Zu Jola hatte er nach dem Unterricht gesagt, dass sie diesen Test wiederholen müsse, da sie mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten hatte.

Es war ja nicht so, dass sie dumm war. Aber für Geografie wollte sie schlicht und einfach nicht lernen, es kotzte sie regelrecht an. Die Fächer, die sie eher interessierten, waren Sprachen und Biologie. Aber die Lehrer meinten, sie müsse für jedes Fach lernen.

Jola rechnete damit, dass ihre Eltern vor dem Abendessen wieder zurück sein würden. Wie lange konnte so ein Gespräch mit dem Lehrer schon dauern? Als sie jeden Moment mit der Rückkehr ihrer Eltern rechnete, setzte sie sich aufrecht auf die Kante ihres schmalen Bettes und wartete auf ihre Hinrichtung. Sie wusste, dass es mächtig Ärger geben würde wegen dieses blöden Geografie-Tests. Von Minute zu Minute wurde ihre Anspannung größer und sie wagte sich nicht zu bewegen. Also warten und das Schlimmste befürchten, somit konnte man nur positiv überrascht werden.

Jola wurde in der Tat überrascht, jedoch nicht positiv.

Sie hatte nur das Schlimmste befürchtet: Einen Wutanfall ihrer Mama (den sie noch nie hatte), eine Ohrfeige ihres Vaters (die er ihr noch nie gegeben hatte) und mindestens eine Woche Hausarrest (den ersten ihres Lebens). Aber mit dem Allerschlimmsten hatte sie nicht gerechnet.

Sie wartete und wartete, aber ihre Eltern kamen nicht. Ihr Lehrer musste ihnen ganz schön viel zu erzählen haben, vermutete sie.

Nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es an der Tür. Sie wirkte wie erstarrt. Warum sollten ihre Eltern beim eigenen Haus klingeln? Nach dem dritten Läuten stand sie langsam auf und ging zur Tür. Als sie sie öffnete, standen zwei uniformierte Polizisten unter dem Vordach. Mit ernsten Gesichtern blickten die beiden auf sie herab.

„Hallo, Liebes. Wohnst du hier?“, hörte sie einen der großen Männer fragen. Vorsichtig nickte sie mit dem Kopf.

Daraufhin stürzte sie in ein tiefes dunkles Loch, aus dem sie es bis heute nicht herausgeschafft hatte. Sie würde den Menschen finden, der ihr das angetan hatte.

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