Читать книгу Das grosse Familienkochbuch - Julia Höfer - Страница 6
ОглавлениеVorwort
Bevor wir Kinder hatten, kochten wir original thailändisch, nach ausgeklügelten italienischen Rezepten, mit scharfen japanischen Messern und am liebsten stundenlang. Und fehlte uns die Lust zum Kochen, gingen mein Mann und ich ganz selbstverständlich in unser Lieblingslokal und bestellten dort die hausgemachten Zitronenravioli. Seit wir Eltern geworden sind, gehen wir kaum noch auswärts essen. Dafür kochen wir jetzt ununterbrochen. Vor dem Essen halten wir hungrige Quengelkinder mit Gurken und Karotten hin. Bei den Mahlzeiten tun wir so, als ob uns die »Wääk!« und »Bäh!« und »Mag ich nicht!«, die uns triumphierend entgegenschallen, nichts ausmachen würden. Nach dem Essen verhandeln wir darüber, ob es noch ein Dessert gibt und wie üppig dieses ausfallen soll. Die Bedeutung des Kochens und Essens hat seit der Familiengründung dramatisch zugenommen, ja, man kann sagen, die Mahlzeiten sind zu leuchtturmähnlichen Fixpunkten in unserem Leben geworden. Noch nie standen wir so oft in der Küche wie heute. Wahrscheinlich gerade deswegen ist das Kochen allzu oft zu einer eiligen Antwort auf die Frage: »Was koche ich heute bloß wieder?« verkommen.
Dieses Kochbuch ist entstanden, weil ich wieder richtig gut essen wollte. Ich konnte sie nicht mehr sehen, die Fertig-Gnocchi und immer gleichen Tomatenspaghetti. Stattdessen sehnte ich mich nach langsam geschmortem Hackbraten und selbst gemachtem Kuchenteig. Wie aber bekommt man als berufstätige Mutter diesen Seelen-Slow-Food auf den Tisch? Ich fand eine sehr einfache Antwort auf diese Frage: indem man auf Vorrat kocht. So wie es schon meine Großmutter getan hat. Ich entwickelte eine Leidenschaft für Rezepte, die nach dem Motto »einmal kochen, zweimal essen« funktionieren. Gerichte, die man in einer größeren Menge brutzeln und später ins Tiefkühlfach packen kann – für ein super-entspanntes Abendessen ohne Kochen und beinahe ohne Abwasch. Und ich erfand sogenannte Doppelrezepte, die sich in der doppelten Menge zubereiten und am nächsten Tag ohne großen Aufwand in eine andere Leckerei verwandeln lassen. Warum nicht gleich ein richtig großes Stück Siedfleisch kochen und die eine Hälfte zu einem Vitello tonnato weiterverarbeiten? Oder, anstatt auf einem lächerlichen Rest Pasta sitzen zu bleiben, gleich so viel in den Topf schmeißen, dass es am Tag darauf auch noch für einen Auflauf reicht? Diese Art zu kochen ist gesund – nicht, weil die darin enthaltenen Vitamine und Spurenelemente abgezählt wären, sondern weil das Essen aus gesunden Zutaten gekocht und frei von zweifelhaften Zusatzstoffen ist. Mit ein bisschen Planung bin ich eine effizientere Köchin geworden und habe heute Menüs im Repertoire, die es früher nie auf unseren Tisch geschafft hätten, weil mir ihre Zubereitung ohne Vorkochen schlicht zu aufwendig war.
Apropos Abwechslung: Ich kenne Eltern, die ihren Speiseplan auf zehn Gerichte »eingedampft« haben, weil ihre Kinder dieses und jenes und sowieso fast alles nicht gerne essen. Da darf man sich zu Recht fragen: Sollen sich Eltern tatsächlich dem kulinarischen Niveau von Sechsjährigen anpassen? Ich finde: nein. Oder vielleicht besser gesagt: nicht ständig. Denn Eltern sind ganz einfach schlecht drauf, wenn sie sich nur noch von Würstchen, Spaghetti, Erbsen und Maissalat ernähren müssen. Umgekehrt lernen Kinder ein Kartoffel-Linsen-Curry nur dann schätzen, wenn sie auch die Gelegenheit haben, es zu probieren. Dieses Buch ist deshalb nicht einfach eine Sammlung ausgeklügelter Kinder-Spaß-Rezepte. Es versucht vielmehr den Spagat zwischen Essen, das Eltern schmeckt, und Essen, das Kindern schmeckt. Dabei bin ich immer für einen Kompromiss zu haben. Eine Tarte etwa kann man auf der einen Hälfte »for adults only« und auf der anderen kindgerecht belegen. Kräuter und Zwiebeln stellen wir für Interessierte häufig separat auf den Tisch. So sind am Schluss alle glücklich.
Gerade weil es beim Essen immer auch darum geht, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, wollte ich in diesem Buch nicht nur erprobte Familienrezepte vorstellen. Kulinarische Persönlichkeiten aus der Schweiz vom Sirupier de Berne bis hin zu den Wirtinnen des Restaurants Alpenrose in Zürich haben es mit Rezepten für ganz besondere Leckerbissen bereichert.
Eltern wissen, dass die gemeinsamen Mahlzeiten nicht nur kulinarische Erlebnisse, sondern so etwas wie der Brennpunkt des Familienlebens sind: Bei Tisch wird das unlösbare Problem der stets unfairen Mannschaftsaufteilung beim Fußballspielen ebenso diskutiert wie das Aufdrehen der Spaghetti mit der Gabel gelernt wird, und ganz nebenbei bekommen unsere Kinder auch noch mit, was gesunde Ernährung bedeutet. Essen ist eine vielschichtige Angelegenheit, die mit Kommunikation, Erziehung, Gesundheit und hoffentlich immer auch mit Genuss zu tun hat. Es freut mich, dass ich einige dieser Fragen rund um das Familienessen mit spannenden Gesprächspartnern erörtern durfte; das Resultat dieses Gedankenaustausches lässt sich in drei Interviews nachlesen.
Dieses Kochbuch ist als Familienprojekt entstanden. Ich habe gekocht, mein Mann und hingebungsvollster Esser hat unter beinahe unmenschlichen Bedingungen fotografiert: Kurz vor zwölf habe ich ihm jeweils unser Mittagessen ins Atelier gebracht, wo er es mit knurrendem Magen abgelichtet hat. Während der Rest der Familie, ebenfalls hungrig, ihn lautstark dazu drängte, die Kamera doch endlich beiseitezulegen. Weil wir uns aufs Essen stürzen wollten.
Unsere Kinder Lino und Charlotte waren es, die mich das unermüdliche und mit der Zeit auch effiziente Kochen überhaupt erst gelehrt haben. Sie waren es auch, die mich immer wieder mit ihrer Küchenbegeisterung angesteckt haben, wenn ich zwischendurch doch einmal lustlos in der Suppe gerührt habe: Für sie war und ist unsere Küche Abenteuerspielplatz, Labor und Schlaraffenland gleichzeitig. Eine Reihe unserer »Küchenexperimente« haben wir zwischen diesen Buchdeckeln dokumentiert. Auf dass sie eifrige Nachahmer finden. Denn wie heißt es so schön? Wer kochen kann, kann alles.
Julia Hofer