Читать книгу Milena - Heart am Limit | Erotischer Roman - Julia M. Flinck - Страница 5

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2. Donnerstage

Donnerstag war mein regelmäßiger Disco-Tag, da kam ich selten vor vier Uhr früh nach Hause, was kein Problem war, da ich freitags ja nicht arbeiten musste. Also wussten wir schon, wann es passieren würde. Nun hatten wir nur noch das Problem, den passenden Ort für unser Date zu finden. Leider fiel uns dazu nicht besonders viel ein. Es war Anfang Februar, also wirklich zu kalt für Freiluftveranstaltungen. Nach langem Hin und Her einigten wir uns mangels Alternative auf Bens Wohnung. Nun denn, ich hatte mir schon immer gewünscht, nachts allein hundertdreißig Kilometer durch die Gegend zu irren. Mein Orientierungssinn war extrem unterentwickelt, außerdem war ich mehr oder weniger nachtblind. Doch das war mir völlig egal. Ich wusste, was ich wollte – und ich wusste, wie ich es kriegen konnte. Das Spiel hatte begonnen, über die Folgen weigerte ich mich einfach nachzudenken.

Bis zu diesem ersten Donnerstag hatten wir einen sehr regen schriftlichen Gedankenaustausch, der sich logischerweise auf ein bestimmtes Thema beschränkte.

Meine Zunge wandert an der Innenseite deiner Schenkel entlang, ganz langsam, bis nach oben …

Schlagartig wurde mir heiß. Er beschrieb genauer, was er mit seiner Zunge alles für mich tun könne. Ich hatte ernsthafte Schwierigkeiten, mich noch auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Stand mir eigentlich das Wort »SCHLAMPE« auf der Stirn oder fühlte ich mich nur so? – Ein paarmal bekam ich heiße SMS in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit. Die anderen Fahrgäste dachten bestimmt, ich hätte Asthma, weil ich immer so schwer atmete. Eigentlich reichte schon der Piepton meines Handys, um mich in einen Zustand der totalen Erregung zu versetzen. Nun, ich war auch nicht faul und schrieb ihm – rechtzeitig zu seiner Frühstückspause – wie ich ihn gern morgens wecken würde. Vermutlich hatte er als Mann es schwerer als ich, seine sexuelle Erregung nach außen hin zu verbergen. Aber: Rache ist süß!

Wir zählten buchstäblich die Stunden, die zwischen uns lagen, und endlich war dieser lang ersehnte, ganz bestimmte Donnerstag da. Ich machte mich zurecht und zog mich schick an: Weich fließender mohnroter Seidenpulli, kurzer schwarzer Rock, elegante anthrazitfarbene Stiefeletten, halterlose Strümpfe – und sonst gar nichts. Ich liebte Kleidung in diesen Farben, denn sie unterstrich meinen Typ perfekt. Meine Haut behielt auch im Winter ihren warmen Braunton, sodass ich auf getönte Cremes, Rouge und dergleichen verzichten konnte. Das war auch gut so, da ich kein großes Talent zum Schminken besaß. Mein Make-up bestand deshalb auch heute lediglich aus dezentem, leicht verwischtem Kajal und schwarzer Mascara. Was immerhin meine schönen Augen und meine langen Wimpern betonte. Eigentlich fand ich mein Gesicht ein bisschen großflächig und meine Nase zu lang. Etwas Farbe auf den Lippen würde das zwar kaschieren und den Blick auf meinen Schmollmund lenken, doch das schien mir für das bevorstehende Date nicht relevant. Ich war mir ziemlich sicher, dass Ben sich eher weniger mit meinem Gesicht als mit anderen Regionen meines Körpers beschäftigen würde …

Dass Oliver im Sportstudio und beide Mädchen ebenfalls noch unterwegs waren, kam mir sehr gelegen. Andernfalls hätte ich nämlich das Haus nicht im Minirock, sondern in der schwarzen Jeans verlassen, die ich mir nun wohlweislich für die Heimfahrt ins Auto legte. Jetzt hoffte ich nur noch, dass ich nicht ausgerechnet heute in eine Polizeikontrolle käme – denn der Rock war wirklich sehr kurz, und meine Freunde und Helfer hätten möglicherweise gedacht, dies sei meine »Arbeitskleidung«. Ich stieg in meinen Wagen, umklammerte mit vor Nervosität feuchten Händen das Lenkrad und brauste los. Ich, die normalerweise schon bei einem kurzen Stück Autobahn Schweißausbrüche bekam, blieb die meiste Zeit auf der linken Spur und überholte alles, was Räder hatte.

Als ich nach einer guten Stunde endlich die Autobahn verließ, sah ich schon von Weitem das »P+R«-Schild, welches den Parkplatz markierte, auf dem wir uns verabredet hatten. Ich hatte die ganze Zeit stärkste Bedenken, ob wir es überhaupt bis in seine Wohnung schaffen würden. Deshalb bekam ich vor Aufregung fast keine Luft, als ich meinen Wagen neben seinem abstellte. Ben stieg aus, ging um seinen Audi herum und öffnete meine Fahrertür.

»Hallo, schöne Frau«, begrüßte er mich und sah mir tief in die Augen. Ich bekam nur ein heiseres »Hi« heraus. Ich fühlte mich wie in der klassischen Szene mit dem hypnotisierten Kaninchen und der Schlange – und mir war völlig klar, wer von uns beiden gerade den Part des Kaninchens übernommen hatte. Zum Glück war es wirklich zu kalt, sonst wären wir vermutlich schon auf dem Parkplatz übereinander hergefallen.

Ben stieg also wieder ein, wendete und lenkte seinen Audi auf die Landstraße. Ich startete meinen alten Golf und folgte ihm. So fuhr ich gute zwanzig Minuten hinter ihm her durch verschiedene kleine Ortschaften, bis wir endlich vor dem Haus parkten, in dessen Dachgeschoss Ben seine Wohnung hatte.

Im Erdgeschoss wohnten seine Vermieter. Glücklicherweise begegneten weder sie noch einer der Mieter aus den beiden anderen Wohnungen uns an diesem Abend im Treppenhaus.

Wir gingen die Treppen hoch bis zu seiner Tür. Ben schloss auf und sagte: »Komm, ich zeig dir erst einmal meine Wohnung.«

Kam es mir nur so vor oder war er tatsächlich nervös?

Er führte mich ins Wohnzimmer, in die Küche und ins Badezimmer. Dann standen wir uns in der Diele gegenüber.

»Und? Wie findest du mein Zuhause?«, wollte er wissen.

Ich antwortete nicht. Erwartungsvoll sah ich ihn an.

Er holte tief Luft und sagte mit einem Anflug von Unsicherheit in der Stimme: »Tja, ich habe mir die ganze Zeit überlegt, wie man sich auf so etwas vorbereiten kann …«

Ich trat auf ihn zu, legte ihm die Arme um den Hals und fragte nur: »Ben – zeigst du mir auch dein Schlafzimmer?«

Danach verloren wir nicht mehr viel Zeit: Er küsste mich ungeduldig und stürmisch und zog mich dabei nach nebenan ins Schlafzimmer. Eine Minute später lagen wir nackt auf seinem Bett. Mein Verstand musste mir entweder schon vorhin auf dem Weg nach oben oder hier zwischen unseren wahllos verstreuten Klamotten abhandengekommen sein … So schnell wie Ben hatte ich noch nie einen Kerl ausgezogen. Und es lohnte sich wirklich – er war der am besten gebaute Mann, den ich je nackt gesehen hatte. Noch besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Und ich konnte mir eine ganze Menge vorstellen. Mit diesem durchtrainierten Body hätte er als Stripper sicher mehr verdient als im Andromeda hinter der Bar oder an der Garderobe!

Ben begann mich zu streicheln. Doch das dauerte mir viel zu lange. »Wo ist das Gummi?«, fragte ich mit vor Erregung zitternder Stimme. »Ich will mit dir schlafen – jetzt gleich.«

Wortlos drehte er sich zum Nachttisch, nahm von dort ein Kondom und rollte es sich geschickt über. Seine Hände öffneten meine Schenkel, und als er mich dort berührte, zerfloss ich fast vor Begierde. Er kniete sich zwischen meine Beine, die ich ganz eng an mich zog, um es ihm leicht zu machen. Ich konnte es kaum erwarten, ihn endlich zu spüren. Sekunden später drang er in mich ein, Zentimeter für Zentimeter, immer tiefer … ich spürte ihn weit oben in meinem Bauch – ein herrliches Gefühl. Er begann sich zu bewegen, zuerst langsam und vorsichtig, dann schneller und fester … dann wieder so tief, dass ich laut aufstöhnte, weil er irgendwo oben anstieß.

Plötzlich hielt er inne und murmelte: »Scheiße, mir kommt’s gleich …«

»Dann lass es kommen …«, flüsterte ich und drückte mein Becken so fest an ihn, wie es nur ging.

Unmittelbar danach begann er zu stöhnen und ich spürte, wie er in mir zuckte. Es war einfach irre … ich dachte schon, es würde gar nicht mehr aufhören, als er langsam ruhiger wurde und schließlich entspannt auf mir liegen blieb.

Nach einer Weile seufzte er überwältigt: »Ich wusste gar nicht, dass es auch mit Gummi so gut sein kann!«

Das hatte ich vorher auch nicht gewusst …

Ben brauchte nicht lange, um sich zu erholen. Er nahm ein neues Kondom. »Dreh dich um!«, verlangte er.

Ich tat, was er sagte, und legte mich auf den Bauch.

»Jetzt spreiz die Beine, so weit es geht … ja, so ist es gut.«

Es war ein geiles Gefühl, als er seinen heißen, harten Schwanz von hinten in mich hineinschob. Was dann folgte, war unbeschreiblich – es war das erste Mal, dass ich beim Sex völlig passiv blieb. Ich lag einfach nur da, fast wie betäubt, überwältigt von meinen Gefühlen, während er nicht mit mir schlief, sondern mich wirklich fickte, dass mir Hören und Sehen verging.

Innerhalb weniger Minuten kam es mir so heftig, dass ich laut aufschrie: »Oh mein Gott …!«

Er meinte dazu nur trocken: »Du musst mich nicht ›mein Gott‹ nennen. Es reicht völlig, wenn du Ben zu mir sagst. Und jetzt komm hoch!«

Er hob mein Becken an, sodass ich vor ihm kniete. Seine Bewegungen wurden immer langsamer und ausladender.

Ich befürchtete, dass er aus mir herausgleiten könnte, und wimmerte: »Nicht rausziehen! Nicht!«

Er beugte sich zu mir hinunter und flüsterte dicht neben meinem Ohr: »Keine Angst, ich ziehe ihn nicht ganz heraus – aber so ist es noch intensiver …« Und dann stieß er wieder tief in mich hinein. Ich schrie, denn jetzt tat er mir wirklich weh. Die Nachbarn dachten bestimmt, er würde mich verprügeln. Doch Ben zeigte mir, wie nah Qual und Lust beieinanderlagen: Gerade eben noch hatte ich vor Schmerz aufgestöhnt – und im nächsten Moment kam es mir zum zweiten Mal. Fast schien es, als würde er meinen Körper und dessen Reaktionen besser kennen als ich selbst. Hätte ich etwas länger durchgehalten, wäre es mir sicher noch ein drittes Mal gekommen. Inzwischen vor Erschöpfung zitternd, definierte ich nun den Begriff »Ausdauer« ganz neu … Bens Orgasmus kurz darauf war wie ein weiterer für mich: Er lebte ihn so intensiv aus, riss mich derart mit, dass sein Höhepunkt sich für mich fast ebenso gut anfühlte wie mein eigener.

In dieser Nacht hatten wir einen ziemlichen Verschleiß an Kondomen. Das lag vermutlich daran, dass sich unser »Vorspiel« über mehrere Wochen hingezogen hatte. Trotzdem – ehrlich gesagt hatte ich vorher gar nicht gewusst, dass man mit ein und demselben Mann so lange und so oft hintereinander Sex haben konnte!

»Und jetzt?«, fragte ich mehrere Stunden und Orgasmen später, als wir erschöpft nebeneinanderlagen.

»Was meinst du damit?«, fragte Ben alarmiert zurück.

»Na ja, ich meine, wie fühlst du dich jetzt? War es so, wie du es dir vorgestellt hast?«

»Nein, es war besser, viel besser … Trotzdem – ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen. Normalerweise mache ich so etwas nicht. Ich hatte noch nie Sex mit einer verheirateten Frau …«

Nun, dachte ich mir, das liegt vielleicht daran, dass du so jung bist und sich dazu bisher vermutlich eher selten eine Gelegenheit ergeben hat.

Ich räusperte mich und sagte: »Du wirst es nicht glauben, aber auch ich habe ein schlechtes Gewissen, denn das war mein Debüt als Ehebrecherin. Ich habe meinen Mann noch nie betrogen! Und auch jetzt kommt es mir gar nicht so vor. Zwar habe ich schon das Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben – aber es ist eher so, als hätte ich heimlich geraucht und dürfte mich nicht erwischen lassen. Verstehst du, was ich meine?«

Ben lachte leise, dann antwortete er: »Ich denke schon. Hoffen wir, dass du nicht erwischt wirst.«

Spät in der Nacht fuhr ich zurück, noch immer erregt und erhitzt, mit einem wirren Kopf und einem Gefühlschaos im Bauch. »Keine Beziehung, keine Verpflichtungen, keine Liebe, keine weiteren Kontakte – nur reiner Sex.« So lautete unsere Abmachung. Ich redete mir damals noch ein, dass es genau das war, was ich wollte. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sich mein »kleines Problem« von selbst erledigen würde, sobald ich Ben nur ein einziges Mal gehabt hätte. Ich hatte immer gedacht, man könne normalerweise davon ausgehen, dass der Sex mit einem mehr oder weniger Unbekannten nicht so berauschend ist, wie man sich das vorher vorstellt. Normalerweise. Wegen der fehlenden Vertrautheit und all so was. Hatte ich gedacht. Doch das Gegenteil war der Fall: Es war vom ersten Mal an klar, dass es im Bett zwischen uns perfekt lief. Ich fühlte mich, als hätte ich endlich den fehlenden Teil meines unvollständigen Liebeslebens gefunden. Außerdem dämmerte mir so langsam, was ich bisher beim Sex vermisst hatte. Und jetzt? Jetzt hatte ich ein großes Problem.

***

Die nächsten Tage verbrachte ich wie unter Drogen. Ich hatte Mühe, meinen Alltag zu bewältigen. Ständig musste ich an Ben denken und ich spürte noch immer überall seine Hände. Es war nicht einfach, sich nichts anmerken zu lassen, da ich mich in einem unbeschreiblichen Zustand befand. Ich fieberte nur unserem nächsten Treffen entgegen – für andere Gedanken war in meinem Kopf kein Platz. Dazu kam die Angst, dass es gleich wieder vorbei sein könnte. Und das schlechte Gewissen. Außerdem wusste ich, dass ich ihn nicht wirklich haben konnte. Und das wollte ich auch gar nicht, schließlich konnte so etwas nicht gut gehen! Nicht mit einem Altersunterschied von fast 15 Jahren … oder vielleicht doch? Zum ersten Mal in meinem Leben tat ich bewusst etwas ganz und gar Falsches. Und ich konnte es einfach nicht bleiben lassen! Ich erkannte mich selbst nicht wieder.

Oliver schien nicht aufzufallen, dass mit mir etwas passiert war. Das Wochenende verbrachte er größtenteils im Sportstudio und auf der Couch, daher sahen wir uns auch nicht besonders viel. Ich war tagsüber mit dem Haushalt und danach mit meinem Pferd beschäftigt. Erst abends trafen wir uns vor dem Fernseher. Nicole war wie immer mit einer ihrer Freundinnen unterwegs. Janine verbarrikadierte sich zum Lernen in ihrem Zimmer. Leider hatte sie keine Zeit, mit mir auszugehen. Sie stand nämlich kurz vor dem mündlichen Abitur, den schriftlichen Teil hatte sie schon erfolgreich hinter sich gebracht. Natürlich war ich sehr stolz auf meine Töchter, denn sie waren nicht nur schön, sondern auch intelligent. Und ebenso vernünftig wie fleißig. Anscheinend derzeit vernünftiger als ich. Was für mich leider bedeutete, dass ich sowohl den Freitag- als auch den Samstagabend vor dem Fernseher verbringen durfte. Eigentlich war es mir ganz recht, dass Janine anderweitig beschäftigt war – so blieb ihr keine Zeit, sich mit mir und meinem ramponierten Gemütszustand zu beschäftigen. Ich wusste, sie würde mich sofort durchschauen. Und eine Auseinandersetzung mit ihr war das Letzte, was ich mir wünschte.

Irgendwie verging das Wochenende, zum Glück ohne eine Auseinandersetzung. Das war natürlich nur ein Aufschub, denn mir war klar, dass ich Janine gegenüber irgendwann würde Farbe bekennen müssen. Doch für den Moment war ich sehr dankbar. Auch die folgenden Tage brachte ich halbwegs gut hinter mich. Arbeiten, Haushalt, Reitstall – obwohl ich innerlich unter Dauerstrom stand, schaffte ich es wohl, nach außen hin »normal« zu wirken. So ging alles mehr oder weniger seinen gewohnten Gang.

Und dann war endlich wieder Donnerstag. Dieses Mal wollte ich früher losfahren, was ein kleines technisches Problem darstellte. Zwar kam ich donnerstags immer spätestens um vierzehn Uhr von der Arbeit und hatte für den Nachmittag wohlweislich weder den Reitstall noch sonstige Aktivitäten oder Termine eingeplant. Doch normalerweise ging ich erst spät ins Andromeda. Die Speiselokale dort öffneten schon am frühen Abend, die Diskotheken natürlich erst ab einundzwanzig Uhr. Also erzählte ich zu Hause, ich würde vorher bei Carolina zu Abend essen, damit wir für die lange Disconacht eine ordentliche Grundlage hätten. Was ich auch wirklich tat, denn ich hatte mir fest vorgenommen, möglichst wenig zu lügen, und zwischen lügen und verschweigen bestand meiner Meinung nach ein himmelweiter Unterschied. Allerdings dehnte ich den Besuch bei Carolina nicht unnötig lange aus. Ich nutzte vielmehr die Gelegenheit, um mein Outfit etwas zu verändern. Sittsam und brav gekleidet hatte ich das Haus verlassen. Nun verschwand ich nach dem Essen im Badezimmer meiner Freundin, um Jeans und Pulli gegen etwas weniger biedere Kleidung auszutauschen.

Carolina meinte dazu nur kopfschüttelnd: »Milena, ich hoffe, du weißt, was du tust. Wenn Oliver mich fragt, werde ich jedenfalls nicht für dich lügen.«

»Keine Sorge, dazu wird es nicht kommen«, entgegnete ich resigniert, »Oliver fragt schon lange nicht mehr nach mir.« Ich stieg aus meinen Jeans und fügte trotzig hinzu: »Und wenn er etwas wissen will, soll er mich einfach fragen – ich werde ihm alles erzählen, was ihn interessiert!«

Eine knappe Stunde später verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg.

Auf der Autobahn war es alles andere als leer, dazu kam noch das ungemütliche Februarwetter mit Schneeregen und starken Windböen. Die Strecke zog sich endlos, doch irgendwann kam die richtige Ausfahrt. Ich war genauso aufgeregt wie die Woche zuvor, eher noch mehr, denn heute musste ich den Weg zu Ben allein finden. Als ich am »P+R« vorbeifuhr, wurde mir ganz flau im Magen. Ich musste an das letzte Mal denken, als ich seinen Wagen dort hatte stehen sehen. Wie seltsam und unwirklich ich mich gefühlt hatte. Es kam sonst definitiv nicht vor, dass ich mich heimlich mit einem Mann auf einem Parkplatz traf! Noch dazu mit der festen Absicht, möglichst schnell mit ihm zu schlafen.

Kaum zu glauben, aber ich blindes Huhn fand mich tatsächlich auch ohne Ben zurecht. Zwanzig Minuten später erreichte ich Steinlingen und parkte auf dem Stellplatz neben Bens Audi. Nach weiteren zwei Minuten stand ich endlich vor seiner Haustür. Und noch mal drei Minuten später hatten wir bereits alle störenden Kleidungsstücke und Hemmungen fallen gelassen …

Die Sache mit der Verhütung war echt lästig. Ich vertrug die Pille nicht und verließ mich seit Jahren auf die Temperaturmethode – für Ben und mich natürlich keine Option! Wir waren also vernünftig genug, nicht auf Kondome zu verzichten. Aus Sicherheitsgründen hatte ich jedoch bereits einen Termin beim Gynäkologen zum Einsetzen einer Spirale vereinbart. Aber die nächsten zwei- oder dreimal musste es eben noch mit Gummi sein.

Heute allerdings war Ben alles andere als zärtlich: Zu Anfang befanden wir uns am unteren Bettrand, zehn Minuten später stieß ich mir oben an der Wand den Kopf an. Ich schrie, und je mehr ich schrie, desto heftiger wurde er.

Als er kam, murmelte er irgendetwas von »Jesus, Maria und Josef …!« – obwohl er sonst eigentlich nicht besonders religiös war.

Seine zügellose Gier nach hartem Sex blieb nicht ohne Folgen. Das Kondom hielt der Belastung nicht stand und riss.

»Oh nein!«, stöhnte Ben auf, als er das Malheur entdeckte. »Was machen wir jetzt?«

»Ich werde eben die ›Pille danach‹ nehmen«, versuchte ich ihn zu beruhigen, »und wenn ich erst mal diese Hormonspirale habe, kann überhaupt nichts mehr passieren. Die ist nämlich noch sicherer als die Pille!«

Ben entspannte sich also wieder, und so nahm ich mir jetzt Zeit, mich ausgiebig mit seinem gesamten Körper zu beschäftigen.

»Dreh dich auf den Bauch!«, forderte ich ihn auf. Ich begann, seinen Rücken zu reiben und sanft zu kneten.

»Mmmh, tut das gut«, seufzte er wohlig.

Die nächsten Minuten verwöhnte ich ihn mit einer Massage. Natürlich blieb es nicht dabei – ich fing an, seinen Nacken zu küssen. Auch das gefiel ihm offensichtlich sehr gut. Meine Zunge zog langsam ihre Kreise, immer weiter nach unten, bis sie an der interessantesten Stelle angelangt war. Mein Gott, warum hatte er auch so einen geilen Arsch … Ich schob seine Schenkel leicht auseinander und er stöhnte leise auf, als ich meine Zunge von hinten an seinen Hoden entlanggleiten ließ. Meine Hände verirrten sich unter seinen Bauch, und das, was sich ihnen dort schon wieder entgegenreckte, war eine kleine Sensation. Ben drehte sich auf den Rücken, damit ich mir dieses geniale Körperteil genauer anschauen konnte. Was ich dann auch tat. Ich schaute zuerst mit den Händen. Dann noch mit den Lippen und der Zunge … Doch ich konnte mich nicht entscheiden, wo ich ihn haben wollte – im Mund oder zwischen meinen Schenkeln. Am liebsten überall gleichzeitig, aber das ging ja leider nicht.

Also entschied Ben für mich: Er warf mich auf die Matratze, drückte mir die Beine nach oben und zeigte mir ganz deutlich, wo er seiner Meinung nach hingehörte. Erneut nahm er mich so hart und leidenschaftlich, dass ich fast ohnmächtig wurde. Kurz vor seinem Höhepunkt wollte er sein »geniales Teil« herausziehen, doch das ließ ich nicht zu. Ich wollte dieses geile Gefühl genießen, und so hielt ich ihn fest und drückte mich eng an ihn. Er kam in mir, heftig und ewig lange, und es war noch besser als die vorigen Male … Dabei war es völlig egal, dass wir es nun ohne Gummi getan hatten – die »Pille danach« musste ich schließlich sowieso nehmen.

Das war dann auch weniger angenehm. Ich besorgte am nächsten Tag ein Rezept und holte mir das Medikament. Zu Hause las ich mir sorgfältig die Packungsbeilage durch. Was ich las, gefiel mir nicht besonders gut. Unter anderem stand da, dass es noch vier bis sechs Wochen nach der Einnahme zum Kreislaufkollaps und sonstigen Komplikationen kommen könne. Das wäre Pech, aber als Frau ist man ja Kummer gewöhnt, außerdem musste ich da jetzt durch. Also schluckte ich diese kleine Hormonbombe brav und ordnungsgemäß und war sehr erleichtert, als überhaupt nichts geschah. Ich bekam zwar leichte Magenschmerzen und in den nächsten Tagen ab und zu einen Schweißausbruch, aber ansonsten ging es mir recht gut. Zumal ich mich am Wochenende bewusst schonte und in der darauffolgenden Arbeitswoche auf regelmäßige Pausen und eine halbwegs vernünftige Ernährung achtete.

Auch beim nächsten Treffen mit Ben fühlte ich mich ganz normal: körperlich gut, emotional ziemlich von der Rolle – wie immer eben. Trotzdem blieb ich vernünftigerweise nicht wieder die halbe Nacht bei Ben, der sonst vermutlich am nächsten Tag bei seiner Arbeit auf der Baustelle zusammengebrochen wäre … Wir fielen also nur zwei- oder dreimal übereinander her. Da ich aber unmöglich wieder von seinem Bett aus direkt nach Hause fahren und so tun konnte, als wäre nichts geschehen, beschloss ich spontan, noch einen Abstecher in meine Stammdiskothek zu machen. Definitiv keine gute Idee, wie sich bald herausstellen sollte …

Als ich gegen halb zwei Uhr nachts im Andromeda eintraf, war mit meinem körperlichen Wohlbefinden eigentlich noch alles in Ordnung. Ich unterhielt mich mit Bekannten, ging tanzen, trank wirklich nur ein einziges Glas Sekt und befand mich gerade direkt am Minotaurus, als ich merkte, wie mir irgendwie komisch wurde. Leider nicht komisch im Sinne von lustig – ich schaffte es gerade noch bis zur nächsten Sitzgelegenheit. Kaum saß ich mit ausgestreckten Beinen auf einem Stuhl, wurde es zum Glück schon wieder hell um mich. Vorsichtshalber entschied ich mich trotzdem dafür, schleunigst nach Hause zu fahren, bevor das Kribbeln in den Fingern und das Dröhnen in den Ohren wieder anfinge. Also stand ich langsam auf und bewegte mich Richtung Ausgang. Besonders weit kam ich allerdings nicht – ich erwachte auf einer Liege im Sanitätsraum. Neben mir saß ein netter junger Mann, der ein großes Glas Cola und eine kleine Flasche Kreislauftropfen in der Hand hielt und mich fragte, ob ich alkoholisiert sei oder irgendwelche Pillen eingeworfen hätte. Ich verneinte beides und verkniff mir die Frage, ob damit auch Hormonpillen gemeint seien.

Der junge Mann sah mich prüfend an. Anscheinend wirkte ich doch nicht »stoned«, sondern einfach nur elend. Also träufelte er eine ganze Menge des Kreislaufmittels in die Cola, die ich dann zu meinem Entsetzen unter seiner Aufsicht ganz austrinken musste. Kurz danach stellte er mich auf die Füße. Keine besonders gute Idee. Ich kippte sofort wieder um. Aber irgendwann war ich so stabil, dass ich den mittlerweile herbeigerufenen Geschäftsführer davon überzeugen konnte, den Heimweg allein antreten zu können. So ganz klappte das dann leider doch nicht – ich schaffte es nur bis zur Kasse. Wo ich mich dann zur hellen Begeisterung des Kassierers nochmals langlegte … Zum Glück fanden sich noch ein paar Bekannte von mir, die mich (und mein Auto) nach Hause brachten. Mein Gott, wie peinlich.

Am nächsten Tag blieb ich selbstverständlich zu Hause. Ich war ausnahmsweise heilfroh, dass Oliver sich nicht weiter für mich interessierte. So hatte er nichts von alldem mitbekommen. Doch samstags hielt mich nichts mehr, denn es war Fasching und ich hatte Janine versprochen, mit ihr auszugehen, da sowohl Franzi als auch Helen krank waren. Ich hatte ihr schon gebeichtet, dass ich zwei Tage – oder vielmehr zwei Nächte – vorher im Andromeda ziemlich für Aufsehen gesorgt hatte. Aus welchem Grund mein Kreislauf schlappgemacht hatte, sagte ich ihr natürlich nicht – das mit der Hormonpille. Dass es allerdings etwas mit Ben zu tun hatte, wusste sie auch ohne Beichte.

»Ma, ich habe von Anfang an gemerkt, dass da was läuft, ich bin ja nicht blöd«, hatte sie mich zornig angefahren, »ihr müsst selbst wissen, was ihr tut, ihr seid schließlich beide alt genug!«

»Jani, mein Schatz, es tut mir leid, dass es ausgerechnet einer deiner Freunde ist …«, hatte ich versucht, sie zu besänftigen.

»Mir tut es leid, dass da überhaupt jemand ist!«, hatte sie darauf noch heftiger entgegnet, um dann etwas ruhiger hinzuzufügen: »Papa ist ein Idiot, er braucht sich nicht zu wundern, dass du ihm davonläufst, wenn er dich weiterhin ignoriert. Vielleicht begreift er das endlich mal. Und hoffentlich unternimmt er was dagegen!« Und schließlich noch ein wenig ruhiger, als sie die Panik in meinem Gesicht sah: »Keine Angst, von mir erfährt niemand etwas, ich werde es weiterhin verdrängen. Aber haltet mich da raus, ich will nie wieder darüber reden!«

Das war eine klare Ansage gewesen. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie mich wegen der Affäre nicht abgrundtief hasste, und das, obwohl sie selbst anfangs Interesse an Ben gezeigt hatte. Sie war wütend auf mich. Aber statt mich zu verurteilen, brachte sie sogar noch Verständnis für mich auf. Was sicher daran lag, dass sie wusste, dass das sonst so gar nicht meiner Art entsprach – einfach leichtfertig Mist zu bauen und andere damit zu verletzen.

Wir verzichteten dieses Jahr auf ein richtiges Faschingskostüm. Ein bisschen Schminke und buntes Haarspray schienen uns ausreichend und vor allem nicht zu aufwendig. Allerdings drängte sich mir schnell der Gedanke auf, dass eine vollständige Verkleidung für mich wesentlich klüger gewesen wäre. Doch Janine schämte sich zum Glück fast überhaupt nicht, als sich sämtliche Türsteher, Kassierer und sogar der Geschäftsführer persönlich nach meinem Wohlbefinden erkundigten … Eigentlich ein Grund mehr, wütend auf mich zu sein!

Ein Mitarbeiter der Security, offensichtlich ein Türke, fragte in gebrochenem Deutsch: »Wie geht’s deine Kreisselauff? Solle Blutttrruck messe, äh?« – Nun denn, es sollte Wochen dauern, bis endlich Gras über die Sache gewachsen war und niemand mehr über meinen »Blutttrruck« witzelte …

Am darauffolgenden Wochenende arbeitete Ben wieder im Andromeda. Er nahm Janine und mich in seinem Auto mit. Wenn er nicht da war, musste ich meistens selbst fahren und konnte dann logischerweise höchstens ein Glas Sekt trinken. Deshalb war es mir immer recht, wenn er Chauffeur spielte.

Der Abend verlief völlig normal: Ben arbeitete bis ungefähr drei Uhr an der Hauptgarderobe und war anschließend noch in den verschiedenen Bars und Diskotheken unterwegs. Dort im Andromeda gingen wir uns meistens eher aus dem Weg. Ich hatte sowieso immer das Gefühl, als trüge ich einen Stempel auf der Stirn: »BENS SCHLAMPE« – da war es sicherer, wenn wir ein bisschen auf Abstand blieben.

Auf dem Heimweg morgens um halb sechs hielten wir an der Tankstelle, weil wir Hunger hatten. Dort gab es leckere Pizzaschnitten, die wir uns manchmal nach dem Tanzen gönnten. Janine wollte im Wagen sitzen bleiben, weil es da gerade so schön warm geworden war. Ben und ich stiegen aus, betraten die Tankstelle und gaben unsere Bestellung auf. Wir kauften immer vier Schnitten – zwei für Ben, der stets Unmengen von Nahrung vernichten konnte, und jeweils eine für Janine und mich. Der Tankwart, der uns schon kannte, holte die Pizza aus der Tiefkühltruhe und bereitete sie für den Backofen vor. Ben und ich standen vor der Theke und schauten zu. Irgendwann wurde mir langweilig, und so betrachtete ich lieber das, was neben mir stand.

Er bemerkte meine Blicke und sagte: »Was guckst du schon wieder so?«

»Wie gucke ich denn?«, gab ich zurück.

»Du weißt genau, was ich meine.«

»Tut mir leid. Ich kann dich nicht anders anschauen.«

Ich musste mich zusammenreißen, damit ich schön brav den Sicherheitsabstand einhielt.

»War das eigentlich meine Schuld?«, hörte ich ihn plötzlich fragen.

»Was denn?«

»Dass du letzten Donnerstag umgekippt bist. Wir sollten vielleicht mal Pause machen.«

»Nein!«, antwortete ich schnell. »Das war nur diese Hormonpille – ich will das nicht. Ich will keine Pause.«

Der Tankwart schielte verstohlen zu uns her. Wahrscheinlich hatte er jedes Wort gehört. Wir standen schließlich keine zwei Meter von ihm entfernt.

Ohne auf ihn zu achten, murmelte Ben: »So, so. Du willst keine Pause. Dann sollte ich dich am Donnerstag vielleicht noch härter rannehmen als sonst.«

Jetzt starrte der Tankwart unverhohlen zu uns herüber. Er glotzte, dass ihm beinahe die Augen herausfielen. Ich lief rot an und wollte wirklich nicht wissen, was er dachte. Wahrscheinlich genau das Richtige.

Nach drei endlos langen Minuten peinlicher Stille räusperte er sich: »Ihre Pizza ist fertig.«

Ben und ich lösten endgültig unsere Blicke voneinander.

Er nahm die Pizza entgegen und sagte leise zu mir: »Geh und hol deine Tochter.«

Als ich mit Janine zurückkam, hatte sich die Atmosphäre normalisiert. Kurz darauf standen wir wie immer an einem der Stehtische und kauten unsere Pizza – eine Frau mit ihrer jungen Tochter und einem mit ihr befreundeten jungen Mann. Trotzdem tankte ich seitdem lieber im Nachbarort.

***

Der Frühling kam, und Janine fing an Fahrstunden zu nehmen, was ich sehr begrüßte. Erstens müsste ich sie und ihre Schwester nicht mehr ständig irgendwo hinbringen oder abholen, wenn meine Große endlich einen Führerschein hatte. Und zweitens war es mir lieber, ihr mein Auto zu leihen, als sie und Nicole immer mit anderen Fahranfängern mitfahren zu lassen. Bei Janine wusste ich nämlich, dass sie verantwortungsbewusst war und vorsichtig fahren würde. Außerdem wollte sie nicht unbedingt »cool« sein, wie die meisten Jungs in ihrem Alter beziehungsweise aus ihrem Freundeskreis. Und sie litt auch nicht unter deren chronischer Selbstüberschätzung. Sie würde ihren Führerschein vermutlich erst mit neunzehn bekommen, aber das Abitur hatte natürlich Priorität gehabt, für Fahrstunden war also bisher einfach keine Zeit gewesen.

Mein Verhältnis mit Ben lief derweil weiter, obwohl wir beide wussten, dass wir damit aufhören mussten. Aber ich war zu sehr in ihn verliebt, als dass ich mir auch nur hätte vorstellen können, jemals wieder mit einem anderen Mann zu schlafen.

»Du hast gehabt, was du wolltest – und jetzt willst du nichts anderes mehr.«

So Bens einfacher, aber sehr zutreffender Kommentar zu meiner mangelnden Vorstellungskraft bezüglich des Beischlafs mit anderen Männern. (Dass ich in ihn verliebt war, hatte ich ihm selbstverständlich nicht gesagt.) Ben wiederum war vermutlich inzwischen zu sehr an guten Sex gewöhnt, um einen Schlussstrich zu ziehen.

Die Sache wurde immer verrückter. Sogar als sich bei ihm Besuch angekündigt hatte, der auf der Durchreise war und über Nacht bleiben wollte, machte er ein Treffen mit mir aus. Diesmal fing er mich allerdings gleich im Treppenhaus ab und lotste mich sofort in sein Schlafzimmer. Die Besucher – zwei Mädchen und ein junger Mann – sollten mich auf keinen Fall sehen, denn zumindest eins der beiden Mädchen kannte Janine und mich flüchtig aus dem Andromeda. Und wir hatten Janine versprochen, sie aus allem rauszuhalten und möglichst nicht in Verlegenheit zu bringen. Bens Plan war gewesen, die spontanen Gäste mit seinem jüngeren Bruder Jonas ins Kino zu schicken. Doch der hatte so kurzfristig abgesagt, dass ich bereits eine Stunde auf der Autobahn unterwegs und damit schon fast bei Ben angekommen war. Nun saßen die drei jungen Leute offensichtlich im Wohnzimmer vor der Glotze und fragten sich bestimmt, was zum Teufel hier ablief.

»Was hast du denen erzählt?«, wollte ich wissen.

»Oh, nichts Besonderes. Ich habe nur gesagt, dass ich heute Abend Besuch bekomme, in meinem Schlafzimmer bin und auf keinen Fall gestört werden will …«

»Ach so«, sagte ich. Und damit war das Thema erledigt.

Nun, wir bemühten uns wirklich, nicht übermäßig laut zu sein. Aber ständig musste jemand ins Bad und kam dann zwangsläufig an unserer Zimmertür vorbei. Natürlich gelang es uns nicht ganz, den Eindruck zu erwecken, dass wir hier drinnen hochgeistige Gespräche führten oder Briefmarken sortierten. Als ich später Bens Wohnung verließ, war ich heilfroh, niemandem über den Weg zu laufen. In einer solch grotesken Situation befand ich mich zum ersten Mal – aber das war wahrlich nicht das Einzige, was ich in letzter Zeit zum ersten Mal erlebte.

***

Ben arbeitete immer seltener in der Diskothek. Das war auch besser so, denn dann musste ich nicht diese grausamen Wochenenden überstehen, an denen er bei uns übernachtete. An denen ich ihn nicht anfassen, geschweige denn sonst etwas mit ihm tun durfte und immer auf einen sittsamen Mindestabstand zu achten hatte. Oliver ignorierte mich weiterhin und tat so, als würde ihm gar nicht auffallen, dass ich mich verändert hatte oder irgendwie seltsam verhielt. Ich vermutete, dass es ihm schlichtweg egal war, solange ich ihn in Ruhe ließ und er den Kopf in den Sand stecken konnte.

Janine wusste ja Bescheid. Das war mein Glück, denn sie kannte mich zu gut, als dass ich auf Dauer etwas vor ihr hätte verbergen können. Nicole wusste vermutlich inzwischen auch Bescheid, tat aber so, als wäre alles wie immer. Und dachte sich ihren Teil.

Für mich wurde es immer schwieriger, mich allein im Andromeda aufzuhalten. Ständig wurde ich von irgendwelchen Männern angesprochen. Ich fragte mich langsam wirklich, ob ich ein Brandzeichen auf der Stirn trug: »Ich hab’s getan« oder »Gehe fremd« oder so etwas in der Art. Einmal versuchte ein Grieche, ein wirklich bildschöner Mann, heftig mit mir zu flirten. Ständig machte er mir Komplimente. Er kriegte sich fast nicht ein über meinen »geilen Arsch« und so weiter. Selbstverständlich ging ich nicht auf seine Anmachsprüche ein, doch er war nicht zu entmutigen. Da ich mich nach wie vor nicht von Männern einladen ließ, versuchte ich ihn – zwar höflich, aber sehr bestimmt – loszuwerden. Das funktionierte bei diesem Exemplar leider nicht ganz so reibungslos wie sonst.

An jenem Abend fand ein Tanzwettbewerb statt, daher war es unheimlich voll. Normalerweise hielt ich mich lieber in den ruhigeren Locations auf, dieses Gedränge hier war mir fast zuwider. Doch der Wettbewerb interessierte mich sehr, da auch zwei Bekannte von mir daran teilnahmen. Mühsam hatte ich mir etwas zu trinken und einen Stehplatz an einem kleinen Tisch erkämpft, von dem aus ich die tänzerischen Darbietungen relativ gut sehen konnte. Der Grieche nutzte diesen Umstand zu seinem Vorteil. Ich hatte ständig das Gefühl, als hätte er seine Hände irgendwo an meinem Körper, und bei dem Platzmangel hier war es ganz schön anstrengend, diese zu beaufsichtigen. Überhaupt wusste ich bis dahin gar nicht, dass es Menschen mit so vielen Händen gab! Als er endlich kapierte, dass er so bei mir nicht weiterkam, beschloss er wohl, noch etwas mehr in die Offensive zu gehen: Er behielt seine Hände bei sich. Dafür drückte er mir einen anderen (harten) Teil seines Körpers an die Hüfte und sagte oder schrie mir vielmehr ins Ohr: »Ich hätte jetzt Lust, so richtig geilen Sex mit dir zu haben.«

Ich verschluckte mich an meinem Sekt. Hoppla, das war ziemlich direkt! Sollte ich ihn für besonders draufgängerisch oder nur für besonders unverschämt halten?

Als ich wieder Luft bekam, entschied ich mich für Letzteres und erwiderte ebenso direkt: »Tut mir leid, daraus wird nichts. Oder sehe ich etwa so aus, als würde ich mit jedem ins Bett gehen?«

Darauf antwortete er schlagfertig: »Wer hat gesagt, dass ich mit dir ins Bett will? – Ich will dich auf diesem Tisch da, hier und jetzt …«

Mir schoss das Blut in den Kopf. Ich gebe zu, auch in eine tiefer gelegene Region. Ausnahmsweise fiel mir keine passende Antwort ein, da ich erst einmal nach Luft schnappen musste. Also beschloss ich, lieber sofort den Turbo-Rückzug anzutreten und schleunigst nach Hause zu gehen. Ohne mein Glas auszutrinken und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte ich mich um und kämpfte mich durch zum Ausgang. Anscheinend waren alle Männer verrückt geworden! Ich war wirklich weder aufreizend gekleidet noch geschminkt. Ich wäre zu dieser Zeit auf gar keinen Fall so, wie ich mich für Ben zurechtmachte, allein ausgegangen! Außerdem benahm ich mich in der Öffentlichkeit grundsätzlich eher zurückhaltend. Aber vielleicht rochen Frauen, die einen jungen Liebhaber hatten, irgendwie anders als anständige Ehefrauen? Oder es stimmte, dass Frauen mit einem aufregenden Intimleben eine viel stärkere Ausstrahlung hatten und dadurch attraktiver wirkten. Da musste etwas Wahres dran sein, denn momentan liefen mir die Männer regelrecht penetrant hinterher, und das nicht nur, wenn ich ausging. Sogar beim Einkaufen oder wenn ich sonst irgendwo zu Fuß unterwegs war, stellte ich manchmal erstaunt fest, dass die Pfiffe und das Hupen tatsächlich mir galten.

***

Am nächsten Tag beim Frühstück ging mir der Vorfall noch immer durch den Kopf. Ich erzählte meinem Mann von dem Griechen. Vielleicht in der vagen Hoffnung, dass es ihn interessierte, was los war. Oder, dass ich ihn interessierte. Fehlanzeige. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt richtig zugehört hatte. Wo war der Mann geblieben, in den ich mich vor über zwanzig Jahren verliebt hatte? Der den gleichen Humor besaß und sich für die gleichen Bücher und Filme begeistern konnte wie ich? Mit dem ich mich stundenlang über jedes, wirklich jedes erdenkliche Thema unterhalten konnte? Der mich pausenlos – mit manchmal fast derben Späßen – neckte, um mir im nächsten Moment zärtliche Kosenamen zu geben? Wo war Oliver, und wer zum Teufel war der Kerl, der seit mittlerweile fast drei Jahren neben mir herlebte und sich nur noch für sich selbst interessierte?

Schließlich fragte ich beiläufig: »Sag mal, sehe ich irgendwie aus, als hätte ich es nötig?«

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er entweder gar nicht reagieren oder aber fragen würde, wie ich das denn genau meinte. Doch Oliver sah mich tatsächlich einen Augenblick lang aufmerksam an.

Dann antwortete er ganz trocken: »Ja« und wandte sich wieder seiner Börsenzeitung zu. Danke schön.

Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich das verletzt hatte. Auch die nächsten Tage bemühte ich mich – wie immer – perfekt zu funktionieren. Arbeiten, Haushalt … der normale Alltag hatte mich wieder. Es fiel mir unheimlich schwer, das durchzuziehen. Doch dann kam er endlich: der Donnerstag, das Highlight der Woche.

Es war immer sehr spannend, denn ich wusste nie, wie Ben mich empfangen würde. Manchmal fiel er schon an der Tür über mich her. Doch manchmal wollte er lieber essen, reden oder fernsehen – bis er dann plötzlich und ohne Vorwarnung damit anfing, mich auszuziehen. Das alles gehörte zu unserem Spiel. An diesem Abend kam ich nicht einmal dazu, »Hallo« zu sagen. Ich wollte gerade meine Sachen an der Garderobe abstellen, da hatte ich schon seine Zunge im Mund und seine Hand zwischen meinen Beinen. Ich trug die schwarze Lederhose, die er so scharf fand – das heißt, ich trug sie nicht besonders lange. Während er mich küsste, dass mir die Luft wegblieb, fiel schon mein Gürtel zu Boden. Im nächsten Moment hatte er mit geschickten Händen meinen Reißverschluss geöffnet und meine Hose heruntergezogen. Er kniete sich vor mir auf den Boden und streifte mir den Slip ab. Bisher war noch kein Wort gefallen, außer meinem keuchenden Atem war kein Geräusch zu hören.

»Ben, lass mich doch erst einmal richtig hereinkommen …«, murmelte ich gepresst.

»Sei still.«

Er drückte mir die Beine auseinander und begann, dort unten mit seiner Zunge zu spielen. Meine Knie zitterten, ich starb fast vor Erregung. Nach ein paar Minuten konnte ich es einfach nicht mehr ertragen – ich stöhnte auf und zog ihn zu mir hoch. Sekunden später hatte ich das Objekt meiner Begierde ausgepackt und versuchte, ihm Platz zu machen, damit er in mich eindringen konnte. Das war in Schuhen und mit der Hose an den Knöcheln gar nicht so einfach. Doch Ben dauerte das zu lange, denn er hatte es verdammt eilig. Mit einem Ruck drehte er mich um, drückte mich an die Wand und nahm mich von hinten. Vermutlich war die Nachbarschaft wieder einmal »live« dabei. Das Haus war sehr hellhörig und wir im Treppenhaus sicher nicht zu überhören – wir standen ja in der Diele, direkt neben der Wohnungstür. Doch wer denkt beim Orgasmus schon an die Nachbarn …

Nach diesem etwas überschwänglichen, jedoch sehr gelungenen Empfang lehnten wir einige Zeit keuchend an der Wand.

»Hallo, Ben«, sagte ich schließlich mit schwacher Stimme, »wie geht es dir?«

Er lachte und antwortete leise: »Guten Abend, Süße – I feel good …«

Milena - Heart am Limit | Erotischer Roman

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