Читать книгу Milena - Heart am Limit | Erotischer Roman - Julia M. Flinck - Страница 7
Оглавление4. Böses Mädchen, schlimme Jungs
In diesem Jahr hatten Oliver und ich keine konkreten Urlaubspläne gemacht. Ich wusste, daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich mich nicht darum kümmerte. Den Teufel würde ich tun! Ich hatte einfach keine Lust mehr, mich um alles zu kümmern! Und außerdem tat die Vorstellung, Ben dann zwei oder gar drei Wochen nicht zu sehen, beinahe körperlich weh.
Nicole wollte Mitte Juli mit der Familie ihres Freundes nach Ibiza fliegen. Bis dahin waren es noch gute fünf Wochen. Zuerst zögerten Oliver und ich, dazu unser Okay zu geben, denn Nicole war erst seit Kurzem mit dem fast zwanzigjährigen Luca zusammen. Und außerdem noch nicht volljährig. Doch wir kannten ihn und seine Eltern schon ewig lange, und wenigstens hatte Nicole so die Chance auf einen tollen Urlaub. Isa und Patrick waren sich ihrer großen Verantwortung bewusst und würden ganz sicher gut auf unsere Tochter aufpassen. Sie hatten ihretwegen kurzfristig noch während der Ferienzeit gebucht, obwohl die Reise außerhalb der Saison sicher günstiger gewesen wäre. Wir ließen uns also überzeugen, und Nicole konnte ihren ersten Flug kaum erwarten. Sie hatte – ebenso wie ihre Schwester – bisher mit uns nur in Deutschland und Österreich Urlaub gemacht. Ihr Vater hasste das Fliegen, deshalb bestieg er grundsätzlich nur für Geschäftsreisen ein Flugzeug, und das auch nur, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Ich selbst hatte noch nie einen Flughafen, geschweige denn ein Flugzeug von innen gesehen. Da ich unter Höhenangst litt, ging ich davon aus, dass ich mich in einem Flugzeug nur mäßig wohlfühlen würde, deshalb kam mir Olivers Flugangst nicht ungelegen. Für die Mädchen allerdings hatte das den Nachteil, dass sie im Gegensatz zu den meisten ihrer Freunde und Schulkameraden bisher nicht viel in der Welt herumgekommen waren – mal abgesehen von einigen Klassenfahrten mit dem Bus nach Belgien oder Holland.
Janine plante eine zweiwöchige Berlin-Tour mit Franzi und Helen. Franzis älterer Bruder Florian studierte dort und wohnte in einer WG. Auch davon waren wir Eltern nicht gerade begeistert, doch Janine und ihre Freundinnen waren schließlich erwachsen und nicht auf unsere oder sonst jemandes Erlaubnis angewiesen. Immerhin würden sie sicher Spaß haben. Wobei ich mich fragte, ob der gute Florian sich darüber im Klaren war, dass zwei Wochen mit drei Mädchen in diesem Alter unter Umständen ein wenig anstrengend werden könnten. Vor allem in einer WG. Wo es zwar bestimmt cool und locker zuging, was aber an den beengten Platzverhältnissen nichts änderte. Doch das war zum Glück nicht mein Problem, und was mein leicht banges Bauchgefühl angesichts der übrigens reinen Männer-WG betraf, beschloss ich, mich auf den Verstand und die Vernunft meiner Großen zu verlassen. Es blieb mir sowieso nichts anderes übrig. Außerdem war ich mir durchaus dessen bewusst, dass Janine derzeit die Vernünftigere von uns beiden war. Es war also meinerseits wirklich nicht angebracht, wegen ihres Vorhabens auch nur die leisesten Bedenken zu äußern.
Oliver und ich würden den diesjährigen Urlaub vermutlich genauso verbringen wie die letzten Monate – jeder mehr oder weniger für sich. Er im Sportstudio, beim Squash, Badminton und Joggen. Und beim Fernsehen. Ich im Reitstall, beim Shoppen, Tanzen und Schwimmen. Und bei Ben …
***
Als ich ihn das nächste Mal besuchte, stand auf dem Parkplatz neben seinem Audi ein fremder Wagen. Offensichtlich war Ben nicht allein – ein Gedanke, der bei mir sofort ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend auslöste. Ich hatte noch immer ständig Angst, in seiner Wohnung einer anderen Frau zu begegnen. Und das obwohl er schon davon gesprochen hatte, mir bei Gelegenheit einen eigenen Wohnungsschlüssel machen zu lassen … Mit schweißnassen Händen stieg ich die Treppen hoch und öffnete die angelehnte Wohnungstür. Aus dem Wohnzimmer waren Stimmen zu hören. Männliche Stimmen. Wieso war ich eigentlich schon wieder in Panik? Die Haustür unten war schließlich aufgegangen. Ben hatte mich weder im Treppenhaus abgefangen noch versucht, mich irgendwo im Schrank zu verstecken. Also konnte es niemand sein, der mich nicht sehen durfte.
Ich zog meine Schuhe aus, atmete tief durch, ging bis ans Ende der Diele und betrat das Wohnzimmer.
»Hallo«, sagte ich.
Ben saß auf dem großen Sofa, schräg gegenüber von ihm ein Mann mittleren Alters. Vor ihnen auf dem Tisch waren eine Menge Unterlagen ausgebreitet. Jetzt fiel es mir wieder ein: Er hatte etwas von einem Termin mit einem Vermögensberater erzählt. Erleichtert gab ich dem Herrn zur Begrüßung die Hand, drückte Ben einen Kuss auf die Wange und fragte: »Soll ich drüben auf dich warten?«
Er zog mich neben sich auf das Sofa und sagte: »Nein, du kannst ruhig hierbleiben, wir sind gleich fertig.«
Die beiden redeten noch eine ganze Weile, doch ich konnte dem Gespräch nicht folgen. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, meine Atmung ruhig zu halten. Bens Hand lag auf meinem Oberschenkel und ich hatte das Gefühl, als würde meine Haut dort glühen. Der Vertreter schien sich völlig auf die Diskussion zu konzentrieren. Dennoch fiel sein Blick immer wieder auf Bens Hand. Oder vielmehr meinen Oberschenkel. Ich fühlte mich irgendwie leicht deplatziert und hoffte, dass der nette Herr mit seinen Erläuterungen möglichst bald zum Abschluss kommen und endlich das Feld räumen würde. Bens Finger streichelten scheinbar geistesabwesend und rein zufällig meine Haut. Nur ganz leicht. Aber ich war mir sicher, er war keineswegs irgendwie abwesend. Und er tat niemals irgendetwas zufällig. Ich saß mühsam beherrscht und stocksteif neben ihm, mit einem Gefühl, als hätte ich eine Starkstromleitung an meinen Beinen. Und Ben wusste das ganz genau.
Während ich mich fragte, wie lange man eine elektrische Leitung berühren konnte, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen, klingelte zu meiner Erleichterung das Telefon. Ben nahm die Hand von meinem Bein und stand auf. Er griff sich den Apparat und ging hinüber in die Küche. Die Starkstromleitung war unterbrochen.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte ich den Vertreter höflich.
Er lehnte dankend ab und starrte auf meinen Rock. Oder besser gesagt auf meine Schenkel, denn der Rock bedeckte kaum etwas. Wenn ich stand, ging er mir bis über die Knie. Aber auf der linken Seite hatte er einen ziemlich langen Schlitz, der im Sitzen auseinanderklaffte, sodass man das spitzenverzierte schwarze Strumpfband sehen konnte. Ich versuchte, möglichst sittsam und anständig dazusitzen, was leider fast ein Ding der Unmöglichkeit war.
Gerade überlegte ich mir, was für Stielaugen der gute Mann wohl bekäme, wenn er geahnt hätte, dass ich unter dem Rock außer den Strümpfen nicht einmal Schamhaare trug, als er plötzlich und übergangslos fragte: »Sind Sie seine Frau oder seine Freundin?«
Ich lächelte amüsiert, sah ihm direkt in die Augen und antwortete: »Keins von beidem.«
Er räusperte sich und murmelte verlegen: »Ach so …«
Als Nächstes erwartete ich, dass er nach dem Preis fragen würde, aber zum Glück kam Ben zurück und setzte sich wieder neben mich – das ersparte mir weitere Peinlichkeiten.
Ein paar Minuten später erhob ich mich und sagte: »Ich werde jetzt mal den Salat vorbereiten.«
Damit brachte ich mich aus der Gefahrenzone und verschwand in der Küche. Es dauerte noch einige Zeit, bis der Vertreter sich endlich verabschiedete und wir zu Abend essen konnten. Das nahm ich ihm wirklich übel, denn die Zeit, die Ben und ich miteinander verbringen konnten, war sowieso schon knapp bemessen.
Wir genehmigten uns das Abendessen ganz gemütlich im Wohnzimmer. Es gab Steak mit Salat und Brot. Im Hintergrund lief zwar leise der Fernseher, doch wir unterhielten uns beim Essen trotzdem angeregt. Ben erzählte von seiner Arbeit, ich von meinen sozusagen noch nicht vorhandenen Urlaubsplänen.
»Apropos Urlaub, wann genau fährst du denn weg?«, wollte ich schließlich wissen.
Ben sagte: »Ich habe die ersten zwei Augustwochen frei. Mein Flug geht am fünften oder sechsten.«
»Aha, gut zu wissen«, murmelte ich und verdrängte das bange Gefühl in meinem Bauch.
Satt und faul lagen wir noch eine Weile vor dem Fernseher herum. Irgendwann trugen wir das Geschirr wieder in die Küche und räumten die Spülmaschine ein. Als wir damit fertig waren, hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass wir den Rest des Abends auf dem Sofa vor der Glotze verbringen würden. Doch bis zum Sofa kam ich gar nicht – noch in der Wohnzimmertür packte Ben mich von hinten und schob mich vor sich her bis zu der großen Regalwand, die als Raumteiler diente. Er fasste mir ohne Vorwarnung unter den Rock. Kaum hatte ich seine Hand zwischen meinen Beinen, spürte ich, wie ich nass wurde. Ich wollte mich zu ihm umdrehen, doch er hielt mich fest, öffnete seine Hose und hob meinen Rock hoch.
»Bück dich!«
Wie immer tat ich, was er verlangte. Zitternd vor Erregung beugte ich mich vor und stöhnte laut, als er fast von selbst in mich hineinglitt.
Ben murmelte: »Du bist einfach unglaublich …«
Dann stieß er mich hart und tief, ganz tief, immer wieder, und hielt dabei mein Becken fest. Ich stützte mich mit den Händen an der Regalwand ab, damit ich seinen Stößen standhalten konnte, drängte mich an ihn, streckte mich ihm entgegen … ich konnte ihn gar nicht tief genug in mir haben. Die Gläser auf den Regalen vibrierten. Ich fragte mich, wie viele harte Stöße es wohl brauchte, um die Regale abzuräumen, doch nichts fiel herunter. Der Raumteiler wackelte, blieb aber standhaft, und das war gut so. Ich brauchte immer etwas zum Festhalten, wenn Ben mich im Stehen nahm. Was er oft tat, denn auch ich mochte diese Stellung sehr. Aber mit ihm mochte ich ohnehin jede Stellung gern, ob von vorn oder von hinten. Meistens konnte ich mich gar nicht entscheiden, wie ich es lieber hatte – Hauptsache Ben war in mir. Ich fühlte ihn ganz intensiv, genoss jede Sekunde, die er sich in mir bewegte, kostete sie voll aus, bis er zu zucken begann und ich spürte, wie er seinen Saft tief in mich hineinspritzte …
***
Ben hatte zwischenzeitlich längst seinen Nebenjob im Andromeda gekündigt. Sein anstrengender Job auf dem Bau, die nächtliche Wochenendarbeit und dazu noch unsere Donnerstage – das ging auf Dauer wohl doch zu sehr an die Substanz. Er kam auch seltener zu uns nach Hause. Nur ab und zu, um mit Janine auszugehen, mit der er sich nach wie vor gut verstand.
Bisher hatten wir immer in seiner Wohnung miteinander geschlafen, denn wenn er bei uns übernachtete, war dieses Thema selbstverständlich tabu. Ich versuchte dann, ihn nur als Gast zu sehen, was mir inzwischen ganz gut gelang. Auch wenn er hin und wieder mit seinen Kumpels oder seinem Bruder Jonas im Andromeda aufkreuzte, achteten wir wie immer auf einen sittsamen Mindestabstand. Bis zu dem Abend, an dem ich mich mit Alex verabredet hatte …
Alex, 28 Jahre alt, charmant, witzig. Und Berufs-Casanova. Was ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wusste. Er hatte mich mehrmals direkt angesprochen und eine Abfuhr von mir eingesteckt. Was ihn allerdings nicht entmutigte. Er verhielt sich dennoch immer wie ein Gentleman, und nur seinem guten Benehmen und seiner Ausdauer war es zu verdanken, dass ich mich irgendwann von ihm an die Bar einladen ließ. Das tat ich normalerweise grundsätzlich nicht. Männer waren schließlich Männer – egal wie alt, egal wie höflich, egal wie charmant. Und alle Männer erwarteten etwas, wenn Frau auf ihre Annäherungsversuche einging.
Doch Alex schaffte es tatsächlich, mich in Sicherheit zu wiegen. Als er mich fragte, warum ich den Abend nicht in seiner Gesellschaft verbringen wolle, erklärte ich ihm unmissverständlich, dass ich verheiratet und nicht interessiert sei. Und dass ich die Gesellschaft meiner ältesten Tochter im Andromeda als vollkommen ausreichend betrachte. Sobald ich Ehemann und Kinder erwähnte, wirkte das sonst auf die meisten Verehrer so ernüchternd, dass ich sofort meine Ruhe vor ihnen hatte. Alex allerdings ließ sich nicht abschrecken.
»Na und? Es stört mich nicht, dass du verheiratet und heute Abend nicht allein hier bist. Wir können uns doch trotzdem irgendwo hinsetzen und eine Cola zusammen trinken. Was ist schon dabei? Ich habe dir schließlich keinen unsittlichen Antrag gemacht!«
Eigentlich hatte er recht. Die Fronten waren geklärt, ich hatte keinen Grund, ihm unlautere Absichten zu unterstellen. Also setzten wir uns hoch ins Casino. Wir verstanden uns auf Anhieb prächtig und unterhielten uns über alles Mögliche. Alex war wirklich unheimlich witzig und charmant. Ich hatte viel Spaß und fühlte mich in keiner Sekunde auch nur im Entferntesten angebaggert.
Als wir uns verabschiedeten, nahmen wir uns vor, uns bei Gelegenheit einmal wieder im Andromeda zu treffen. Da ich meistens eher freitags tanzen ging – die Donnerstage waren inzwischen ja fest für Ben reserviert – und Alex gewöhnlich nur samstags hier war, tauschten wir unsere Handy-Nummern. So könnten wir uns kurzfristig gegenseitig Bescheid geben, falls wir beide einmal am gleichen Samstagabend ins Andromeda gehen wollten.
Ich dachte mir nichts dabei, als ich mich schließlich an einem Samstag Anfang Juni mit Alex auf eine Stunde im Casino verabredete. Zwar war an diesem Abend auch Ben hier, aber mir wäre im Traum nicht eingefallen, dass er damit ein Problem haben könnte. Immerhin kannte er das gesamte (vor allem das weibliche) Personal des Andromeda und war daher sowieso gewöhnlich anderweitig beschäftigt.
An diesem Samstag war Ben mit zwei seiner Kumpels hergekommen. Wir trafen uns mehr oder weniger zufällig draußen in einem der kleineren Biergärten. Er war nicht allein und auch nicht mit seinem eigenen Wagen hier, was bedeutete, dass er nicht bei uns übernachten würde.
Einen der beiden jungen Männer kannte ich schon. Er hieß Kai, war mindestens eins neunzig groß und Bodybuilder – also kaum zu übersehen. Nachdem wir uns zur Begrüßung kurz umarmt hatten, zog Ben mich auf einen Stuhl neben sich, zeigte auf den zierlichen Dunkelhaarigen neben Kai und sagte: »Milena, das ist Philip.«
Der junge Mann wirkte ein wenig schüchtern.
Ich schenkte ihm ein Lächeln und sagte: »Hallo Philip!«
Philip starrte mich nur an und sagte gar nichts. Dann stand er auf und stellte sich an der Biertheke an. Entweder er war wirklich schüchtern oder er hatte einfach nur keine Manieren. Im Grunde war mir das allerdings ziemlich egal. Denn wie immer, wenn Ben in meiner Nähe war, stand ich völlig unter Strom. Das war einer der Gründe, weshalb ich grundsätzlich schon freiwillig darauf achtete, dass ich nicht zu lange zu dicht bei ihm blieb.
Es dauerte kaum fünf Minuten, bis die Situation riskant wurde. Wir schauten uns in die Augen.
Da hörte ich mich auch schon sagen: »Ich will einen Kuss von dir. Jetzt.«
»Einen Kuss? Hier?«
»Ja.«
Mit einem raschen Blick vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe uns beobachtete. Dann zog er mich an sich und schob mir seine Zunge in den Mund. Glücklicherweise meldete sich bereits nach einer halben Minute mein Gehirn zurück … Eilig löste ich mich von Ben. Kai glotzte mich an, als sähe er mich zum allerersten Mal. Was vermutlich daran lag, dass Ben und ich uns bisher in seiner Gegenwart höchstens hin und wieder freundschaftlich umarmt hatten. Es wäre wirklich besser, wenn ich mich die nächsten ein oder zwei Stunden möglichst weit weg von Ben aufhielte! Also verabschiedete ich mich schleunigst und flüchtete in den Houseclub. Doch schon kurz darauf tauchte auch Ben dort auf, und so erzählte ich ihm beiläufig, dass ich um ein Uhr eine Verabredung im Casino hätte. Das tat ich nur, damit er nicht dachte, ich wäre plötzlich nach Hause gegangen, falls ich bei der Unterhaltung mit Alex die Zeit vergessen sollte und Ben mich inzwischen suchte, um sich zu verabschieden. Auf keinen Fall wollte ich ihn ärgern oder gar provozieren! Ehrlich gesagt kam ich überhaupt nicht auf die Idee, dass er eifersüchtig reagieren könnte! Schließlich versicherte er mir ständig, dass wir ein rein sexuelles Verhältnis ohne Verpflichtungen hätten. Leider hatte ich seine männlichen Besitzansprüche nicht einkalkuliert. Er durfte seine ehemaligen Andromeda-Kolleginnen und sonstige Weiber abküssen. Klar, wir hatten ja keine Beziehung. Dass ich dagegen nicht einmal mit einem anderen männlichen Wesen eine Cola (aus zwei Gläsern, versteht sich) trinken durfte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber ich sollte es am gleichen Abend noch erfahren.
Im Gegensatz zu sonstigen Gelegenheiten überließ Ben mich nicht kurz darauf wieder mir selbst, sondern blieb in meiner Nähe. Auch als er mich nach meiner Verabredung mit Alex fragte (»Wer ist das? Woher kennst du den Typen überhaupt? Wieso triffst du dich mit ihm?«), dachte ich mir noch nichts dabei. Kurz vor ein Uhr machte ich mich also auf den Weg ins Casino und amüsierte mich köstlich über Ben, der so tat, als wäre er beleidigt und eifersüchtig. Ich saß kaum eine Viertelstunde mit Alex am Tisch, da gesellte er sich zu uns. Er sah Alex an, als wollte er ihn gleich vom Hocker schubsen. So hatte ich ihn in der Öffentlichkeit noch nie erlebt: Er machte einen auf Macho! Und das reizte mich echt zum Lachen, weil es überhaupt nicht zu ihm passte. Ich dachte, er hätte heute seinen humorvollen Abend und wäre daher zu gar witzigen Spielchen aufgelegt. Alex dagegen war sichtlich irritiert – wir konnten uns nicht mehr unbefangen unterhalten.
Also sagte ich scherzhaft zu Ben: »Jetzt sei ein braver Junge und geh tanzen. Ich komm dann später nach.«
Mir kam der leise Verdacht, dass Ben diesen Scherz nicht sehr lustig fand. Denn er warf mir einen undefinierbaren (bitterbösen?) Blick zu, drehte sich um und verschwand. Irgendwie muss meine Leitung an diesem Tag besonders lang gewesen sein. Sonst hätte ich nämlich schon da bemerkt, dass er ernsthaft wütend auf mich war …
Kaum war Ben von der Bildfläche verschwunden, fragte Alex säuerlich: »War das dein Freund?«
Ich räusperte mich und antwortete: »Nicht wirklich … Ist nur ein Kumpel. Er denkt anscheinend, er müsste auf mich aufpassen.«
Ich hatte das sichere Gefühl, dass Alex mir kein Wort glaubte. Er sah mich einen Augenblick lang nachdenklich an und meinte dann kopfschüttelnd: »Ich kann nicht verstehen, was du an dem findest …!«
Das liegt vielleicht daran, dass du keine Frau bist, dachte ich und rief ärgerlich: »Mein lieber Alex, ich sitze nicht hier, um mich vor dir für meinen Bekanntenkreis zu rechtfertigen!«
»Du hast ja recht«, erwiderte er beschwichtigend, »im Übrigen ist es hier überall mächtig voll heute. Und die Luft ist auch schlecht! Wir könnten eine halbe Stunde draußen spazieren gehen und uns dabei weiter unterhalten. Kommst du mit?«
»Jetzt? Spinnst du?«
»Nein, warum denn? Ich hätte nur einfach Lust, ein bisschen zu laufen, bevor mir der Hintern einschläft. Oder hast du Angst, dein Freund kriegt es mit und macht dir Stress?«
Das wäre ja wohl noch schöner!
»Er ist nicht mein Freund! Er kann mir keinen Stress machen. Außerdem braucht er es gar nicht ›mitzukriegen‹, denn ich werde es ihm ganz einfach sagen! Ich habe ja nichts zu verbergen und kann schließlich gehen, wohin, mit wem und wann immer ich will.«
Damit leerte ich mein Glas und stand auf. Auch Alex trank aus und erhob sich. Hintereinander arbeiteten wir uns durch das Gedränge auf der Wendeltreppe. Kaum waren wir unten, lief uns auch schon Ben über den Weg. Wie praktisch, so brauchte ich ihn nicht erst noch zu suchen, um ihm Bescheid zu geben. Ich sagte ihm, dass ich mit Alex nach draußen gehen würde, später aber wieder im Houseclub zu finden wäre, falls er mir noch Auf Wiedersehen sagen wolle, bevor er mit seinen Kumpels nach Hause fuhr.
Ben zog ein Gesicht, doch er fragte einigermaßen sachlich: »Wann kommst du wieder?«
»Bald«, erwiderte ich freundlich, aber bestimmt, und folgte Alex zum Ausgang.
Als wir an der Garderobe vorbeikamen, wollte ich meine Jacke abholen.
Alex winkte ab: »Ach was, für die Viertel- oder halbe Stunde brauchst du keine Jacke. Es ist nicht kalt und wir wollen ja auch nicht ewig weit laufen.«
Das beseitigte jeden Rest von Misstrauen Alex gegenüber. Erstens wirkte er nicht wie einer, der Frauen überfällt. Zweitens wusste er, dass Ben wusste, mit wem ich unterwegs war. (Nebenbei bemerkt der zweite Grund, weshalb ich ihm Bescheid gesagt hatte – ich konnte mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Alex sich mit Ben anlegen würde.) Und drittens wollte er mich sicher nicht verschleppen, wenn er nicht einmal seine Jacke und seine Autoschlüssel mitnahm! Also verließ ich völlig arglos mit ihm zusammen die Diskothek.
Draußen setzten wir unsere Unterhaltung vom Casino fort. Wir schlenderten gemächlich die Straße entlang, alles war entspannt und in bester Ordnung. Das Andromeda lag außerhalb in einem Industriegebiet. Nach etwa zwei- oder dreihundert Metern machte die Zufahrtsstraße eine Biegung. In lockerem Abstand gingen wir auf dem Bürgersteig nebeneinander her, vertieft in ein angeregtes Gespräch über Musik. Ich bemerkte daher überhaupt nicht, dass sich die Umgebung langsam veränderte. Links von uns befand sich auf einmal ein hoher Metallzaun, rechts zwischen uns und der Straße eine Hecke.
Plötzlich packte Alex meine Arme, zog mich eng an sich und stieß atemlos hervor: »Du weißt doch, dass ich scharf auf dich bin …«
Ich versuchte sofort, ihn von mir wegzuschieben, und antwortete ungerührt: »Ich glaube, du tickst nicht richtig. Wenn du mich nicht auf der Stelle loslässt, schreie ich!« Das war lächerlich. Kein Mensch hätte mich in dieser Gegend gehört. Mein Gott, was war ich dämlich. So naiv und unbedacht in eine Falle zu tappen! Ich hatte keine Angst, zumindest nicht wirklich. Alex war nur ein wenig größer und bestimmt nicht viel kräftiger als ich. Gegen ihn könnte ich mich wahrscheinlich locker zur Wehr setzen, ein gut gezielter Tritt zum Beispiel würde Wunder wirken. Aber ich hatte einfach Skrupel, ihm ernsthaft wehzutun, solange ich ihn mit Worten zur Vernunft bringen konnte.
Da sagte Alex auch schon beschwichtigend: »Du brauchst nicht zu schreien, ich will dir doch nichts antun, wofür hältst du mich!«
»Gut«, erwiderte ich ruhig, »dann nimm deine Hände weg und lass uns zurückgehen.« Er lockerte seinen Griff, ließ mich aber nicht los. Er verlegte sich aufs Betteln.
»Bitte-bitte, wenn ich dich küssen darf, gehen wir auch gleich zurück! Nur einen einzigen Kuss will ich von dir haben! Oder findest du mich so abstoßend?«
»Alex! Natürlich finde ich dich nicht abstoßend! Aber das ist noch lange kein Grund für mich, mit dir hier draußen herumzuknutschen! Aus dem Alter bin ich nämlich raus! Und: Wenn ich mich von jedem Kerl küssen lassen würde, den ich nicht abstoßend finde, hätte ich wirklich viel zu tun!«
»Was heißt hier ›herumknutschen‹«, empörte sich Alex und machte wieder ganz auf Gentleman, »ich bitte dich nur um einen einzigen Kuss! Und ich bin doch nicht ›jeder‹!«
Stand ich doch tatsächlich mitten in der Nacht an der Straße und diskutierte mit einem aufgegeilten Kerl darüber, ob ein Kuss das Gleiche ist wie Herumgeknutsche! Ich dachte, ich wäre im falschen Film! Aber bald hatte ich keine Lust mehr auf Diskussionen – und überhaupt, sooo schlimm und unsittlich war seine Bitte ja nun auch wieder nicht. Außerdem fing ich in meinem dünnen Top langsam an zu frieren, und Ben würde sich vielleicht wundern, wo ich so lange blieb. Also entschloss ich mich, Alex seinen Wunsch zu erfüllen, und zwar gleich, damit wir möglichst schnell wieder zurückgingen.
Alex hielt mich jetzt sehr zärtlich im Arm. Er küsste mich ganz vorsichtig auf den Mund … öffnete mit seiner Zunge meine Lippen … tastete sich langsam in mich hinein … – Ich schloss die Augen. Und bekam den schönsten Zungenkuss meines Lebens … Einen Augenblick lang vergaß ich völlig, wo ich war. Und vor allem, mit wem. Dann ging alles sehr schnell: Alex drückte mich an den Zaun und fing an, mit seiner Zunge an meinem Hals entlangzustreicheln und mich sanft zu beißen. Gleichzeitig fasste er mir zwischen die Beine.
Ich versuchte, ihn wegzuschieben, und stöhnte: »Lass das … ich will das nicht …«
Er erstickte meinen Protest mit dem nächsten Kuss. Es war schon eine sehr bizarre Situation: Mein Kopf wollte nicht, dass er das mit mir tat. Aber mein Körper scherte sich einen Dreck darum, was mein Verstand sagte. Während Alex mich mit der einen Hand zwischen den Beinen rieb, packte er mit der anderen seinen Schwanz aus und begann dann, mich auszuziehen. Meine Satin-Hose hatte keine Knöpfe, nur einen langen Reißverschluss an der Seite. Sekunden später hatte Alex ihn aufgezogen und die dünne Hose rutschte bis zu meinen Knöcheln. Er riss mir blitzschnell den Slip herunter.
Das brachte mich zur Besinnung. Ich versuchte, mich von ihm wegzudrehen, und rief laut: »Nein! Hör sofort auf!«
Doch er hielt mich fest, eingeklemmt zwischen sich und dem Metallzaun. Dann hatte ich auch schon wieder seine Zunge im Mund und seine Hand zwischen meinen Beinen. Ich war nass dort. Sehr nass … Alex schaffte es, einen Finger in mich hineinzuschieben.
Und ein paar Augenblicke später – zwischen »Nein!« und »Ich will nicht!« – kam es mir. Richtig heftig und richtig lange.
Peinlich. Das war sogar mehr als peinlich! Wie überzeugt frau einen Mann davon, dass sie keinen Sex mit ihm haben will, wenn sie im Turbo-Tempo bei der ersten richtigen Berührung zum Orgasmus kommt? Alex interessierte mich auf der sexuellen Schiene gar nicht, er war nicht einmal mein Typ! Mich interessierte dahingehend außer Ben überhaupt kein männliches Wesen! Und noch während es mir kam, ergriff Alex die günstige Gelegenheit: Er drückte mir die Knie auseinander, hob mich ein wenig hoch und drang in mich ein. Als ich halbherzig nach ihm schlug, ließ er meine Beine los, presste mich jetzt jedoch unerbittlich mit seinem Unterleib gegen den Zaun. Er packte meine Handgelenke, an denen ich wie immer Lederschmuck trug. So war es ein Leichtes für ihn, mir die Arme mit nur einer Hand über dem Kopf zu fixieren. Mit der anderen griff er sich mein linkes Bein und hob es an, damit er mich tiefer stoßen konnte. Ich hatte ihn gründlich unterschätzt. Nie hätte ich gedacht, dass er so stark sein könnte, denn um eine Frau so zu nehmen, brauchte es doch einiges an Kraft. Vor allem, wenn sie sich sträubte! Aber Alex hatte seine Chance wirklich sofort genutzt, und es war ihm scheißegal, ob ich wollte oder nicht. Ob ich Nein sagte oder nicht.
Wenn ein Mann keinesfalls mit einer Frau schlafen will, aber trotzdem eine Erektion hat, und frau diese Situation ausnutzt, nennt sich das garantiert Vergewaltigung. Bei einer Frau, die Nein sagt und trotzdem erregt ist, heißt es mit Sicherheit »sie hat es ja nicht anders gewollt«. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie mit einer lockeren Zufallsbekanntschaft knallharten Sex gehabt, schon gar nicht gegen meinen Willen. Und erst recht nicht am Straßenrand, mit nur einer mickrigen halbhohen Hecke als Sichtschutz! Ich protestierte immer noch, sagte ihm, dass er aufhören solle. Aber Alex reagierte nicht, machte einfach weiter. Leider konnte ich dieses Thema nicht zeitnah mit ihm ausdiskutieren, denn gleich darauf kam es mir zum zweiten Mal …
Plötzlich waren da Leute. Wir hatten im Eifer des Gefechts nicht bemerkt, dass es ein Stück weiter hinten auf der anderen Straßenseite eine Bushaltestelle für die Diskotheken- und Restaurantbesucher gab. Na prima, wie unauffällig: Alex fickte mich im Stehen, die Hecke ging uns höchstens bis zur Brust, und keine zwanzig Meter von uns entfernt standen auch noch Zuschauer. Doch das war meine Gelegenheit – Alex war einen Moment abgelenkt und hielt mich nicht mehr ganz so fest. Ich schaffte es, mich aus seiner Umklammerung zu winden, sodass er aus mir herausrutschte. Jetzt hatte ich einen sicheren Stand und konnte mich etwas zur Seite drehen, wobei ich ihm einen Stoß mit dem Knie versetzte. Ich erwischte ihn nicht übermäßig hart, was auch gar nicht meine Absicht gewesen war. Der Stoß sollte nur kräftig genug sein, dass Alex mich losließ. Das tat er auch, mehr noch, er verhedderte sich in seiner Hose, verlor das Gleichgewicht und fiel in die Brennnesseln vor der Hecke. Während er sich mühsam aufrappelte, zog ich mich wieder richtig an. Schließlich stand ich schwer atmend an den Zaun gelehnt und versuchte, mich etwas zu sortieren. Die Situation war schon sehr … speziell.
Im nächsten Augenblick hielt zum Glück ein Bus an und sammelte die wartenden Passagiere ein, die sich vor Neugier schon die Hälse verrenkt hatten. Alex war inzwischen wieder auf den Füßen und trat zögernd auf mich zu.
Ich funkelte ihn wütend an und schrie: »Sag mal, hast du sie noch alle? Du hast nicht mal ein Gummi benutzt! Wer weiß, wo du schon überall herumgehurt hast! Und außerdem nehme ich keine Pille! Und die Leute …! Wenn mich von denen jemand erkannt hat, bist du tot, ich schwör’s!«
Jetzt wirkte der vermeintliche »Gentleman« ziemlich eingeschüchtert. Kleinlaut sagte er: »Normalerweise mache ich das nicht, ehrlich! Ohne Gummi, meine ich. Aber ich war so geil auf dich … ich wollte dich unbedingt haben! Da du neuerdings einen Aufpasser hast, hielt ich das für die einzige Gelegenheit. Ich hatte Angst, dass es keine andere mehr geben würde …«
Wie wunderbar. Er hatte Angst, keine andere Gelegenheit zu bekommen! Ich hatte vor ganz anderen Dingen Angst. Gut, ich sagte ihm natürlich nicht, dass ich mit der Spirale verhütete. Die hatte ich mir ja vor Kurzem einsetzen lassen, da ich die Pille nicht vertrug und mir das Risiko, bei Ben mit Kondomen zu verhüten, entschieden zu groß war. Ich konnte schließlich nicht alle paar Wochen die »Pille danach« nehmen.
Sollte Alex ruhig ein bisschen Panik bekommen. Er versicherte mir, sonst grundsätzlich nur mit Kondom Sex zu haben. Weil er nämlich selbst Angst habe, sich eine Krankheit zu holen, da er es in keiner festen Beziehung aushalte und öfter seine Sex-Partner wechsle. Nachdem ich ihn zähneknirschend etwas genauer dazu befragte, behauptete er, inzwischen mit dem Zählen aufgehört zu haben. Na super! Jetzt war ich auch noch Nummer soundso viel auf seiner Strichliste! Ich hätte ihn erwürgen können. Zum Glück war er nur kurz in mir gewesen und nicht gekommen!
Ich bellte im Befehlston: »Wir werden jetzt zurückgehen! Und du wirst mich in Ruhe lassen! Ich werde ganz schnell vergessen, was du mit mir gemacht hast! Und ich hoffe wirklich für dich, dass ich deinetwegen keinen Stress mit Ben bekomme – sonst kannst du was erleben!«
Er nickte zerknirscht und ordnete seine Klamotten. Sein teurer Markenpulli war durch den Sturz mit Schleim von den überall umherkriechenden Nacktschnecken beschmutzt. Außerdem hatte er sich die Hände, die Arme und wer weiß was sonst noch heftig an den Brennnesseln verbrannt. Selbst schuld! Ich hoffte inbrünstig, er würde das noch möglichst lange spüren! Das sollte ihm eine Lehre sein.
Wir gingen zurück. Mein Kopf fuhr Karussell. Ich war so geschockt, dass ich gar nicht darüber nachdenken wollte, was genau da gerade passiert war. Als wir wieder ins Andromeda kamen, flüchtete ich erst einmal auf die Toilette. Ich versuchte, mich zu beruhigen, denn es brachte ja nichts, jetzt hysterisch zu werden. Mit zitternden Fingern entfernte ich ein paar Blätter aus meinen Haaren. Weiß der Geier, wie die dahingekommen waren – schließlich war nicht ich in die Büsche gefallen. Als ich die Toilette verließ, lief ich auch noch direkt Ben in die Arme.
Er kam mir an der Minotaurus-Bar entgegen. »Wo zum Teufel warst du so lange?!« Keine Ahnung, was genau ich ihm antwortete. Jedenfalls versuchte ich, mit einem lockeren Spruch die Situation ins Lächerliche zu ziehen. Doch in dem Moment wurde mir klar, dass Ben keineswegs nur so tat, als würde er sich aufregen. Er machte drohend und mit vor Zorn blitzenden Augen einen Schritt auf mich zu. Ich wich reflexartig zurück, so wütend sah er aus. Er packte mich derart grob am Arm, dass ich einen Augenblick lang allen Ernstes dachte, er wollte mich schlagen. Doch stattdessen riss er mich an sich und küsste mich, dass mir die Luft wegblieb und ich ganz weiche Knie bekam.
Was die Leute um uns herum wohl gedacht haben mochten? Sonst bemühten wir uns doch immer, nicht unnötig aufzufallen, damit uns nur ja niemand bei irgendetwas Verfänglichem erwischte. Aber heute hatten wir eine ziemlich eindeutige Vorstellung geliefert. Das war – milde ausgedrückt – schräg, echt schräg …
Jedenfalls war das mit den männlichen Besitzansprüchen somit ein für alle Mal geklärt. Zu Bens offensichtlicher Genugtuung hatte ich gerade eben nicht aufmüpfig, wie es sonst eher meiner Art entsprach, sondern total eingeschüchtert reagiert. Dann folgte ich ihm auch noch wie ein zahmes Hündchen nach draußen in den Biergarten, wo sich Kai und Philip wieder häuslich niedergelassen hatten. Ich wusste nicht, wie spät es inzwischen war oder wie lange wir schon da waren. Mir war jegliches Zeitgefühl abhandengekommen. Überhaupt registrierte ich gar nicht mehr richtig, was um mich herum vorging. Ich war völlig durch den Wind. Das schien Ben aufzufallen, denn er bestimmte irgendwann einfach, mich höchstpersönlich nach Hause zu bringen. An diesem Abend hatte mich ausnahmsweise ein Bekannter von Carolina mit zum Andromeda genommen. Ich war also weder mit meinem Auto noch mit meiner Tochter oder einer Freundin hier. Für die Heimfahrt hatte ich eigentlich geplant, mich entweder von Alex, meinem »Mr. Gentleman«, fahren zu lassen (was ich Ben natürlich nicht auf die Nase gebunden hatte), oder mir ein Taxi zu nehmen, falls Alex länger als ich bleiben wollte.
Das mit dem Gentleman hatte sich für mich nun gründlich erledigt, also blieb nur das Taxi. Aber Ben wollte mich nicht mit dem Taxi fahren lassen. Er fragte Kai, ob er ihm seinen Wagen ausleihen könne. Der grinste und machte irgendeinen anzüglichen Scherz über lockere Freundschaften, als er ihm seine Wagenschlüssel gab. Typisches Männergehabe eben, nichts ernst gemeintes. Kai wusste offenbar gar nicht, wie richtig er mit seiner Bemerkung lag. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass er bis zu dem Kuss heute Abend im Biergarten nicht geahnt hatte, wie weit unsere lockere »Freundschaft« tatsächlich ging, dafür war Ben sonst viel zu diskret gewesen. Er nahm meinen Arm und schob mich zur Garderobe und dann weiter zum Ausgang. Wir stellten uns an der Kasse an. Es dauerte eine Weile, bis wir bezahlt hatten.
Aber kaum waren wir draußen, fing Ben schon wieder an. »Was hast du mit ihm gemacht? Ich traue diesem Alex nicht! Der will doch was von dir!«
Ich verdrehte die Augen. »Mensch, Ben, jetzt krieg dich wieder ein.«
Mir war absolut nicht wohl in meiner Haut. Mein Bedarf an Turbulenzen war für diesen Abend mehr als gründlich gedeckt. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie Ben reagieren würde, wenn ich ihm alles erzählte, was passiert war.
Und den ganzen Weg bis zu Kais Wagen gab er keine Ruhe: »Du hast ihn rangelassen, ich weiß es! Gib es zu!«
Mir war plötzlich sonnenklar, dass er mir sowieso nicht glauben würde, dass ich das nicht gewollt hatte. Das war so ungerecht! Normalerweise bekam kein Kerl die Gelegenheit, mir nahe genug zu kommen, dass ich mich auch nur mit ihm an eine Bar setzte! Das war das erste Mal, dass ich so dämlich gewesen war, auf diese »harmlose« Masche hereinzufallen. Und das würde mir ganz bestimmt nicht noch einmal passieren!
Also stritt ich weiterhin alles ab. »Nein, er hat versucht, mich zu küssen, und dann hab ich so schnell wie möglich die Kurve gekratzt. Ich werde nicht mit ihm schlafen, zufrieden? – Überhaupt, was stellst du dich so an? Wir haben keine Beziehung, schon vergessen? Es kann dir also egal sein, wen ich ranlasse, wie du es nennst!«
»Ist es mir auch«, erwiderte er eingeschnappt, »du kannst schließlich machen, was du willst.«
»Eben. So sehe ich das auch.«
Inzwischen hatten wir den Wagen erreicht und stiegen ein. Ben ließ den Motor an und fuhr los. Wir schwiegen eine Weile. Unsere kleine Auseinandersetzung lag noch in der Luft.
Doch als wir die erste Ortschaft hinter uns gelassen hatten und wieder auf der Landstraße waren, fragte ich leise: »Willst du mich jetzt wirklich gleich nach Hause bringen?«
Ohne zu antworten bog Ben in den nächsten Waldweg ein. Dann sagte er: »Nein.« Er machte Motor und Scheinwerfer aus. »Wo willst du es? Auf dem Beifahrersitz oder auf der Rückbank?«
Ich hauchte: »Das ist mir gleich. Komm einfach her …«
Prüfend sah er mich an, fasste mir in den Nacken und begann, mich dort zu streicheln. Langsam zog er mich zu sich herüber und drückte meinen Kopf in seinen Schoß. Ich öffnete seine Hose …
Er seufzte und murmelte: »Zieh dich aus.«
Wie immer tat ich, was er sagte. Meine Kleider warf ich achtlos auf den Rücksitz. Auch Ben zog sich komplett aus, bevor er meinen Sitz ganz nach hinten schob und die Rückenlehne herunterließ. Dann kam er zu mir herüber. Er kniete sich zwischen meine Beine und stellte meine Füße hoch aufs Armaturenbrett. Wir küssten uns, und während seine Zunge mit meiner spielte, drang er ganz langsam in mich ein. Endlich war er mir wieder nahe, endlich spürte ich ihn tief in mir, und alles andere verlor an Bedeutung …
Als Ben sich schließlich von mir löste, flüsterte er zärtlich: »Dich würde ich gern öfter nachts nach Hause bringen …«
»Kein Problem, das lässt sich einrichten«, erwiderte ich scherzhaft, »du musst einfach nur öfter herkommen.«
Am liebsten wäre ich noch eine Weile mit ihm im Wald geblieben, doch Ben bedauerte: »Ich muss zurück. Die anderen wollten sich eigentlich vorhin schon langsam auf den Heimweg machen. Sie warten nur noch auf mich, weil ich Kais Wagen mitgenommen habe.«
Das war schade, aber nicht zu ändern. Seufzend angelte ich nach meinen Klamotten.
Kurz darauf befanden wir uns wieder auf der Landstraße, ein paar Minuten später hielten wir vor meiner Haustür. Es war schon fast hell. Die Rollläden der Nachbarn gegenüber waren offen. Trotzdem küssten wir uns zum Abschied. In dem Moment machte ich mir keine Gedanken darüber, wie ich hätte erklären können, was ich mit meiner Zunge in Bens Mund tat.
Schließlich sagte ich: »Danke schön fürs Nach-Hause-Bringen … und den Rest.«
Er grinste. »Keine Ursache.«
»Fahr schön vorsichtig. Bis bald!«
»Klar, mach ich. Ciao Milena.«
Ich stieg aus und warf die Autotür zu. Ben hob noch einmal die Hand und fuhr los. Als ich die Haustür aufschloss, sah ich, wie er den Blinker setzte und an der Kreuzung rechts abbog. Ich betrat die Diele. Alles war ruhig, Oliver und die Mädchen schliefen tief und fest. Auch ich lag wenig später in meinem Bett. Doch ich konnte lange nicht einschlafen – diese Nacht war wahrlich mehr als turbulent gewesen.
***
Am nächsten Morgen zierte ein großer Bluterguss meinen linken Arm. Ben hatte vergangene Nacht in seiner Wut wirklich ziemlich fest zugepackt. Doch das hielt ich nicht für mein größtes Problem. Viel schlimmer war, dass ich mindestens noch drei oder vier Tage brauchte, um das Geschehene zu verdauen. Es war ehrlich gesagt nicht ganz einfach, sich damit abzufinden, sozusagen gewaltlos vergewaltigt worden zu sein. Schließlich bekam frau ja in unserer Gesellschaft von klein auf eingeimpft, dass immer sie selbst schuld daran war, wenn Männer ihre Triebe nicht unter Kontrolle hatten – wie praktisch für das sogenannte starke Geschlecht. Am schwersten jedoch war es für mich, zu akzeptieren, dass mir beim Gedanken an die Szene mit Alex noch immer ganz heiß wurde. Immerhin hatte ich innerhalb weniger Minuten zwei Mal einen heftigen Orgasmus gehabt. Und das nicht nur ohne mein Zutun, sondern sogar gegen meinen Willen. Vielleicht war ich masochistisch veranlagt. Klar, ich musste definitiv Masochistin sein! Sonst hätte ich mich niemals in Ben verliebt. Sondern in einen der netten Jungs.
Alex wiederum brauchte mindestens drei Monate, um zu akzeptieren, dass ich definitiv nicht mit ihm schlafen wollte. Er traktierte mich während dieser Zeit immer wieder mit eindeutigen SMS. Und er versuchte es wirklich auf jede Tour. Sein Repertoire reichte von romantisch (ich träume nur von dir, ich halte es nicht mehr aus) über fordernd (einmal ist keinmal, jetzt sei halt nicht so geizig) bis erpresserisch (wenn du nicht mit mir schläfst, erzähl ich überall herum, dass du es mit jedem machst).
Solche und weniger harmlose Dinge schrieb er mir am laufenden Band. An ihm war ein prima Stalker verloren gegangen. Sicher, ich hätte mir eine andere Nummer zulegen können, doch das war mir viel zu aufwendig. Es erschien mir sinnvoller, die Sache einfach auszusitzen – irgendwann würde Alex schon damit aufhören. Ich versuchte also, ruhig zu bleiben und seine Drohungen nicht ernst zu nehmen. Auch als er mir ankündigte, er würde Ben bei der nächsten Gelegenheit mitteilen, dass er mich mitten auf der Straße gefickt hatte (was genau genommen ja nicht einmal stimmte), zeigte ich mich nicht besonders beeindruckt. Hätte er das wirklich getan, hätte Ben bestimmt sofort den Kontakt zu mir abgebrochen. Denn er hätte mir die Schuld an allem gegeben. Aber: Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was er in diesem Moment mit Alex gemacht hätte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Alex dahingehend auch seine Befürchtungen hatte und eigentlich nicht lebensmüde war.
Als ich Ben das nächste Mal in seiner Wohnung besuchte, hatte es zunächst den Anschein, als wäre das Thema Alex für ihn abgehakt. Doch weit gefehlt! Ben musste kurz weg und ließ mich daher für eine halbe Stunde allein. Als er zurückkam, lag ich auf seinem Bett und war gerade dabei, ausnahmsweise eine ganz besonders nette Nachricht von Alex entsprechend zu beantworten.
Ben hängte seine Jacke an die Garderobe, zog seine Schuhe aus und kam ins Schlafzimmer. »Wem schreibst du denn? Etwa diesem Alex?« Er sagte das relativ ruhig, und so sah ich keinerlei Veranlassung, irgendetwas abzustreiten.
Ich antwortete also wahrheitsgemäß: »Ja.«
»Hab ich’s doch gewusst. Du betrügst mich mit ihm!«
Was war das jetzt? Normalerweise besaß Ben – im Gegensatz zu mir – keinen besonders ausgeprägten Sinn für Humor. Doch das sollte ganz sicher wieder einer seiner originellen Scherze sein. Meines Erachtens konnte ich ihn nämlich gar nicht betrügen, da wir ja nicht einmal zusammen waren! Er war schließlich derjenige, der ständig darauf pochte, dass »das mit uns« nichts mit einer Freundschaft, geschweige denn einer Beziehung zu tun hatte!
Ich schickte meine Nachricht ab, legte das Handy zur Seite und erwiderte trocken: »Klar doch, Ben, ich mach’s jeden Tag mit ihm.«
Warum zum Kuckuck provozierte ich ihn schon wieder? Ben kam ans Bett. In Erwartung eines heftigen Streits zog ich schon einmal vorsichtshalber den Kopf ein. Doch er wollte gar nicht streiten. Er setzte sich auf den Bettrand, beugte sich zu mir herunter und küsste mich. Wie immer war ich sofort auf hundertachtzig, als er mich anfasste … Eilig zogen wir uns gegenseitig aus, warfen achtlos unsere Klamotten auf den Boden. Und dann war Ben über mir.
Er küsste mich auf die Lippen. »Gib mir deine Zunge …«
Meine Zunge glitt in seinen Mund und rieb sich an seiner, betastete sie, umkreiste zärtlich ihre Spitze. Ben ließ sich selten so viel Zeit beim Küssen. Meistens war er eher hungrig bis stürmisch. Doch jetzt küsste er mich sanft und liebevoll. Er ließ meine Zunge los, streichelte mit seinen Lippen meinen Hals entlang und rutschte langsam tiefer.
Als er mit dem Kopf zwischen meinen Schenkeln lag, murmelte er: »Sag mir, dass du mich liebst …«
Sollte das etwa ein neues Spielchen sein? Ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen, als das zu sagen! Also stöhnte ich verzweifelt: »Nein …!«