Читать книгу Apokalypse Für Einsteiger - Julian Birkner - Страница 6
Kapitel 1
ОглавлениеEigentlich sollte es mich ja nicht wundern, dass ich mal wieder Hals über Kopf in der Scheiße steckte. Es war typisch für mich, dass die halbe Welt sauer auf mich war, weil ich wieder einmal Mist gebaut hatte. Meine Mutter pflegte in solchen Momenten gerne ihren Lieblingssatz zu zitieren: »Na ja, sie war als Kind schon schwer.« Ich war daran gewöhnt, dass meine gelegentlichen Ausraster mich in Schwierigkeiten brachten. Neu war hingegen, dass ich auf dem Polizeirevier in Handschellen saß. Und noch neuer, dass der Grund dafür so verrückt war, dass ich kein einziges Wort herausbrachte. Wenn meine Mutter noch leben würde, müsste ich mir jetzt einiges anhören …
»Okay …! Ich versuche es ein letztes Mal im Guten!« Mit Daumen und Mittelfinger massierte sich der Polizist die Schläfen, als wolle er den letzten Rest Geduld aus sich herausdrücken. Er atmete tief ein, fuhr sich entnervt durch seine dunklen, kurzen Haare und presste dann mit strenger Stimme zwischen den Lippen hervor: »Was ist da vorhin geschehen? Wieso liegt der komplette Marktplatz in Trümmern?«
Wortlos starrte ich auf meine Hände. Die Handschellen rieben an den Gelenken und hinterließen hässliche Spuren auf meiner Haut. Ich versuchte meine Nase zu kratzen, die schon seit geraumer Zeit wie verrückt juckte, aber durch die eingeschränkte Beweglichkeit sah das vermutlich genauso bescheuert aus, wie es sich anfühlte. Ich fröstelte. In diesem Polizeirevier war es eisig. Passte zumindest zu dem kalten Blick meines Peinigers. Fieberhaft dachte ich nach, wie ich aus dieser beschissenen Situation nur herauskam. Leider weigerte sich mein Gehirn mit einer brauchbaren Idee herauszurücken.
»Also?«, fragte der Polizist mit Nachdruck.
»Ich …« Mehr brachte ich nicht zustande. Es war sinnlos.
Was sollte ich ihm sagen? Die Wahrheit? Dann könnte ich auch gleich nach dem Formular für die Einweisung in die geschlossene Anstalt fragen.
»Also …«, startete ich vorsichtig. »Ich will Ihnen das ja alles auch erklären und mir ist bewusst, dass ich ein riesiges Chaos angerichtet habe, aber … ich kann nicht …«
Das Blitzen in den Augen des Polizisten verriet mir, dass seine Geduld am Ende war. Er knallte mit der Faust auf den Tisch! »Hören Sie, Frau Schwarz! Sie sagen mir jetzt auf der Stelle was ich wissen will, ansonsten stecke ich Sie in eine Zelle und wir unterhalten uns morgen früh weiter!«
»Okay … !« Ich versuchte meine stetig wachsende Panik irgendwie im Zaum zu halten. Er durfte mich auf keinen Fall einsperren. Dann wäre die Katastrophe perfekt. Falls sie das nicht schon war.
»Wieso sind Sie so gehetzt?«, fragte der Polizist und musterte mein Gesicht.
»Ich … muss unbedingt noch eine Sache zu Ende bringen.«
»Aha und was soll das für eine Sache sein?«
Ähm … Die Welt vor dem Untergang retten.
Das wäre zumindest die ehrliche Antwort gewesen, aber irgendwie zweifelte ich, dass es in diesem Fall die beste Option war.
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.«, nuschelte ich und fürchtete einen weiteren Wutausbruch des Gesetzeshüters, jedoch sah er mich nur prüfend an und schüttelte dann frustriert den Kopf. Als er sich nach vorne beugte, um sich wieder eine Tasse Kaffee einzugießen, konnte ich zum ersten Mal sein Namensschild lesen: Herr Schulze! Hm, irgendwie hatte ich mir einen spektakuläreren Namen vorgestellt! Etwas das zu seinem kalten, verhärmten Gesicht passte und eher wie ein zwielichtiger Bulle klang. Vielleicht irgendwas Russisches … Aber »Herr Schulze« war lahm … »Diese Sache, die Sie noch erledigen wollen, wird warten müssen!«, erklärte er nun wieder in einem ruhigeren Ton und goss sich Milch in die Tasse.
Klar! Wenn ich mal ganz lieb frage, wird die Apokalypse bestimmt ein oder zwei Stündchen auf mich warten …
»Ich hoffe Sie haben eine gute Erklärung, denn die Presse sitzt mir schon im Nacken und befürchtet, dass dies ein weiterer Terroranschlag war! Sie haben ein Motorrad geklaut, die örtliche Klöppelgruppe beim Jahresausflug überfahren, einen Dackel vergiftet und fünf Marktstände zerlegt. Wie haben Sie das nur hinbekommen?«
»Ich war als Kind schon schwer …«
»Frau Schwarz. Tun Sie sich einen Gefallen und reden Sie. Desto schneller sind Sie hier raus …«
»Ich HABE aber keine Erklärung, die in ein paar Minuten alle Fragen beantwortet.«, rief ich verzweifelt.
»Gut, dann sehe ich nur eine Möglichkeit. Sie erzählen mir ALLES haarklein von Anfang an und lassen kein einziges, winziges Detail aus und wenn ich mit den Antworten zufrieden bin, dann lasse ich Sie vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, diese eine Sache erledigen. Sollte ich jedoch das Gefühl haben, das Sie mich anlügen oder für dumm verkaufen wollen, dann brechen wir diese Unterhaltung ab und Sie landen in der nächstbesten Zelle! Haben wir uns verstanden?«
»In Ordnung! Ich rede … Aber das wird eine lange Geschichte!«, seufzte ich.
»Nun ich habe die ganze Nacht Zeit!«, erklärte Herr Schulze ruhig.
Na wenigstens einer von uns.
Ich spürte wie die Hoffnungslosigkeit immer mehr Besitz von mir ergriff. Die Situation war ausweglos und es war allein meine Schuld. Ich hatte viel zu spät begriffen in welcher Gefahr wir schwebten. Ich hatte verloren, bevor ich richtig kämpfen konnte. Wieso nur hatte ich Luca nicht früher geglaubt? Es hatte so viele Zeichen gegeben … so viele Menschen, die auf meiner Seite waren … Und ich blöde Kuh war viel zu sehr auf mich und meine Probleme fokussiert gewesen um zu sehen, was ich damit alles anrichte …
Ich fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht. Mein Make-Up war eh schon so verschmiert durch den Regen, das mir jede Vogelscheuche hätte Schminktipps geben können … Und schlimmer als die Situation jetzt war, konnte sie ohnehin nicht werden. Luca war entführt worden, jeder der mir etwas bedeutete war weg, ich hatte keine Ahnung wie ich die Katastrophe verhindern konnte und zu allem Überfluss saß ich hier auf der Polizeistation fest und musste Herrn Schulze dabei zusehen wie er genüsslich an seinem Kaffee schlürfte, während die Welt vor ihrem Untergang stand. Ich wollte diesen Typen nur noch packen und so lange schütteln bis er den Wetterkanal aus Bielefeld empfing. Er raffte es einfach nicht. Er hatte keine Ahnung wie viele Menschen in Gefahr waren … Und ich würde die nächsten Stunden nichts tun können, als meine Geschichte zu erzählen …
Ich, Emma Schwarz, 34, aus Bottrop, war die Einzige, die die Welt retten konnte? Alles klar! Die Welt war sowas von geliefert …