Читать книгу Apokalypse Für Einsteiger - Julian Birkner - Страница 9
Kapitel 4
Оглавление»Ah …! Das ist genau das, was ich jetzt brauche!« Zufrieden grinste Lina mich an.
»Was?«, entgegnete ich schnippisch. »In einer überfüllten S-Bahn zu stehen mit verschwitzten Menschen, denen jeglicher Sinn für Mode fehlt? Das brauchst du jetzt? Steht auf meiner To-do-Liste nicht sehr weit oben!« Und mit einem abschätzenden und gleichzeitig fasziniertem Seitenblick auf die Dame neben mir, flüsterte ich: »Ich wunder mich immer wieder wieviel Bein in so eine enge Leggins passt …«
Lina knuffte mir in den Arm und schüttelte lachend den Kopf: »Nein du Witzbombe! Ich meine Shopping mit der besten Freundin! Lächle mal, du hast Feierabend?«
»Glaub mir! Nach dem was heute passiert ist hättest du auch schlechte Laune!« Mit Schrecken dachte ich an meinen Arbeitstag zurück. Der Geschmack des Trockenfischs von heute Morgen war immer noch nicht ganz verschwunden und diese Leute in der S-Bahn gaben mir den Rest! Ich beugte mich freundlich lächelnd zu dem jungen Mann neben mir und säuselte: »Entschuldigung! Hätten Sie eventuell ein Deo?«
»Ja klar!« Sofort begann er umständlich in seinem Rucksack zu kramen und fischte ein Deodorant heraus!
»Super«, sagte ich schon weniger freundlich. »Dann benutzen Sie das Ding auch! In Ihrem Rucksack nützt das niemandem!« Anschließend wandte ich mich wieder meiner Freundin zu und überhörte das »Zicke«, das er mir wütend in den Rücken zischte.
Lina packte mich am Arm und zog mich aus der Bahn. »Na wir sind ja heute wieder der Sonnenschein pur! Bewirbst du dich gerade um das Miststück des Monats? Meine Stimme hast du!«
»Er hat gestunken!«, rief ich zu meiner Verteidigung. »Ich habe der Welt einen Gefallen getan.«
»Ich weiß nicht, ob die Welt das auch so sieht.«, seufzte Lina. »Vielleicht brauchst du einfach nur wieder einen Mann an deiner Seite. Du hattest schon ewig keine feste Beziehung mehr …«
»Das hatte ich sehr wohl.«
»Ja? Wen denn?«
»Na zum Beispiel Sven.«
»Du zählst jetzt nicht ernsthaft den Typen dazu, der dich jedes Mal mit: »Hey jo Digga, was geht?« begrüßt hat und dir nach dem Sex immer einen Fist Bump gegeben hat?«
»Er hatte auch seine guten Seiten. Er hat mich zum Essen eingeladen.«
»Einen Döner mitbringen ist nicht zum Essen einladen, Emma.«
»Ach Männer kann man eh alle vergessen …«
»Süße, lass doch endlich die Vergangenheit hinter dir. Suche dir einen süßen Kerl und verliebe dich. Es gibt sie da draußen … Die tollen Männer, die einen auf Händen tragen, in den Schlaf küssen und niedliche Dinge ins Ohr flüstern. Männer, die nur Augen für dich haben und dir das Gefühl geben, du wärst eine Prinzessin …« Lina begann sich mal wieder in einem ihrer Tagträume zu verlieren.
»Wow! Darf ich dir mal eben ins Märchenbuch kotzen?«
»Du bist nur einfach verbittert. Aber dagegen machen wir jetzt etwas. Wir suchen dir einen Kerl!«
»WAS?«
»Gut, was ist mit dem? Der sieht doch ganz nett aus.« Sie deutete unauffällig auf einen jungen Mann rechts von uns.
»Der hat einen Bierbauch …«
»Okay … Hey dieser hier ist niedlich.«
»Der hat ein komisches Gesicht …«
»Hmpf … Aber der da drüben ist nun wirklich süß.«
»Der hat eine komische Hose …«
Lina rollte mit den Augen. »Ach Emma, du bist viel zu sehr aufs Äußere fixiert! Die inneren Werte zählen viel mehr!«
»Du meinst so Sachen wie Cholesterinspiegel?«, grinste ich.
Lina blieb abrupt stehen und hielt mich am Arm fest.
»Was ist los?«
»Sieh dir mal den an! Der ist echt heiß!« Sie zeigte auf einen etwa 25-jährigen jungen Mann in kurzen Jogginghosen, einem lässigen, grauen Shirt, das nur spärlich sein Sixpack bedeckte und dessen lange, blonde Filzzöpfe in sein Gesicht hingen. Innere Werte, alles klar!
Ich blickte ihn abschätzig an! »Auf so etwas stehst du? Die Haare gehen gar nicht!«
Lina zuckte entschuldigend mit den Achseln, konnte ihren Blick aber nicht von ihm wenden.
»Also ich finde, der hat was.«, sagte sie schüchtern.
»Ja, ziemlich sicher!«, pflichtete ich ihr bei. »Läuse!«
»Oah echt, du bist so gemein!« Lina stapfte weiter durch die Fußgängerzone und ich trottete hinterher.
»Hör mal!«, rief ich. »Vergiss den Mist mit der Liebe! Das ist Nonsens. Habe ein bisschen Spaß und genieße was du kriegst!«
Mitfühlend blickte mich Lina an: »Emma! Wie willst du denn so jemals glücklich werden?«
Ich musste laut lachen. »Schätzchen, ich arbeite rund um die Uhr in einem Supermarkt in einem viel zu großen, unvorteilhaften Kittel, der aussagt: »Ich hasse Sex!«, habe eine Freundin, die mir jeden Tag aufs Neue mit ihrem »Ich-suche-die-große-Liebe-Gesülze« auf die Eierstöcke geht und mein Kater hat mir heute Morgen in die High-Heels gekotzt! Ich bin weit davon entfernt glücklich zu sein! Und mir fällt gerade ein, das ich neue Schuhe brauche …«
»Warum sind wir gleich noch mal Freundinnen?«, fragte Lina lachend.
»Weil ich die Einzige bin, die exakt die gleiche Kleidergröße hat und wir so Klamotten tauschen können! Und weil ich noch dein Lieblingstop habe und wer weiß, was für Unfälle passieren können? Rote Lieblingstops gehen verloren … Oder laufen vor ein Auto …«
Lina schüttelte grinsend den Kopf: »Du bist soo bescheuert!«
»Vor allem bin ich überarbeitet …«, seufzte ich.
»Dann lass uns zusammen Urlaub machen oder ein Wochenende im Spa. Du musst mal wieder den Kopf freikriegen. Mit ein bisschen Ruhe wirst du auch wieder gelassener und freundlicher. Du bist nämlich gerade ziemlich leicht reizbar.«
»Bin ich überhaupt nicht.«, zischte ich.
»Ich meine, du musst ja nicht gleich die Welt retten, aber manchmal würde dir ein bisschen Mitgefühl ganz gut tun …«
»Sag mal was habt ihr alle mit dem »Welt retten«?«, fuhr ich Lina eine Spur zu heftig an. »Du bist schon die Zweite, die das heute sagt! Was soll denn dieser Mist? Ist Cannabis inzwischen legal und ich bin einfach bloß die Einzige, die nicht high ist oder was läuft hier? Hab ich was verpasst?«
»Was meinst du denn?«, fragte Lina ratlos.
Ich versuchte mich wieder ein bisschen zu beruhigen und erzählte meiner besten Freundin ausführlich, was heute Morgen geschehen war.
»Der Junge war wirklich davon überzeugt, dass ICH Diejenige bin, die die Welt retten wird!«
»Kinder haben eine blühende Phantasie. Vergiss es einfach. So etwas beschäftigt dich?«
»Nein, das ist Bockmist … Aber du hast sein Gesicht nicht gesehen … Seinen Blick. Der meinte das ernst … Wie kommt der denn ausgerechnet auf mich?«
»Vielleicht siehst du seiner Lieblingsfigur aus dem Fernsehen ähnlich?«
»Ich weiß auch gar nicht, warum mir das so nahe geht! Wenn seine Eltern ihn zu viele Science-Fiction-Filme sehen lassen, dann muss das ja nicht mein Problem sein. Ich brauche sowieso erst einmal neue Klamotten. In den Fetzen kann ich keine Welt retten.«, grinste ich.
»Emma, die große Heldin. Haha, vielleicht kriegst du ja auf diese Weise einen hübschen Kerl. Du könntest ein enges Lederoutfit tragen.«
Ich winkte lachend ab. »Lass mal stecken. Darauf habe ich keinen Bock! Sollen das doch die Männer machen!«
ZACK! Lina hatte mir eine fette Kopfnuss verpasst! »Aua! Spinnst du?«, blaffte ich sie an.
»Du spülst mal eben 100 Jahre Emanzipation im Klo hinunter mit so einer Aussage! Frauen können sehr wohl die Welt retten!«
»So meinte ich das auch nicht!«, zischte ich beleidigt, während ich mir die schmerzende Stelle am Kopf rieb.
»Ich meine nur, dass Männer doch eh meistens ziemlich nutzlos sind. Man kann sie gerade mal für ein paar Dinge benutzen und dazu zähle ich noch nicht mal Sex, denn auch da sind das meistens hoffnungslose Fälle … Drücken hilflos an den Brüsten rum als wollten sie eine Kuh melken und wenn es endlich anfängt interessant zu werden, sind sie fertig …Und wenn sie sonst schon zu nichts zu gebrauchen sind, dann können sie doch wenigstens mal ab und an die Welt retten.«
Lina seufzte, warf mir den Du-bist-ein-hoffnungsloser-Fall-Blick zu und zog mich wieder nach oben!
»Na komm! Lass uns endlich shoppen!«
Ich lächelte sie an. »Alles klar! Es gibt nichts, was ein paar neue Schuhe nicht richten können! Übrigens brauche ich neue High-Heels.« Lina lachte und hakte sich bei mir ein.
Es wurde ein witziger Nachmittag und Lina schaffte es tatsächlich mich den Alltagsfrust vergessen zu lassen. Dann und wann drifteten meine Gedanken allerdings ab und kreisten um den kleinen Jungen. Ich konnte die Panik in seinen Augen nicht vergessen. Ich, ausgerechnet ich, sollte die Welt retten! Vor was denn überhaupt? Und wie?
Nein! Ich würde den Jungen sowieso nie wieder sehen und wenn eines sicher war dann das:
Ich würde garantiert nie gegen irgendeinen seltsamen Weltuntergang kämpfen.
Ich lag sowas von daneben …