Читать книгу Soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter - Julian Schmitz - Страница 19
1.2 Diagnostische Kriterien (ICD-10 und DSM-5)
ОглавлениеIn Deutschland erfolgt derzeit die diagnostische Klassifikation der Sozialen Angststörung nach der 10. Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10; WHO, 1994). Starke soziale Ängste im Kindesalter können, wenn sie vor dem 6. Lebensjahr auftreten, als Emotionale Störung mit sozialer Ängstlichkeit (ICD-10, F93.2) klassifiziert werden. Soziale Ängste werden in dieser Kategorie aufgrund des jungen Alters meist stark behavioral klassifiziert. Weiterhin muss für diese Störungsdiagnose keine Einsicht in die Übertriebenheit der Ängste bei den Kindern vorhanden sein. Sind die Diagnosekriterien für eine Soziale Phobie nach ICD-10 erfüllt, sollte aktuell jedoch diese Diagnose vorgezogen werden. In der ICD-11 fällt diese Diagnose ab dem 01.01.2022 unter die Diagnose der Sozialen Angststörung. Im anglo-amerikanischen Raum wird zur kategorialen Diagnostik das DSM-5 (APA, 2013) verwendet. Das DSM verfolgt einen anderen Ansatz für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter. Es werden, so wie auch bei der Sozialen Angststörung, die Diagnosekriterien für das Erwachsenenalter um Besonderheiten im Kindesalter ergänzt. Auch in der internationalen Forschung werden in Studien bis auf wenige Ausnahmen die Diagnosekriterien des DSM-5 herangezogen. Während in der ICD-10 noch von Sozialer Phobie gesprochen wird, benutzt das DSM die aktuellere Bezeichnung Soziale Angststörung, welche die Sozialen Ängste besser von spezifischen und umgrenzten phobischen Ängsten abgrenzt. Unterschiede zwischen DSM-5 und ICD-10 beziehen sich auf die Notwendigkeit physiologischer Symptome für eine Diagnose nach ICD-10. Da auf der einen Seite Kinder weniger als Erwachsene physiologische Angstsymptome berichten (Siess, Blechert & Schmitz, 2014) und auch Erwachsene mit sozialen Ängsten keine übermäßig starke körperliche Reaktion in sozialen Situationen zeigen (Klumbies, Braeuer, Hoyer & Kirschbaum, 2014), sollte dieses diagnostische Kriterium ggf. nachrangig zur Klassifikation herangezogen werden. Als weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Klassifikationssystemen ist im DSM-5 die Einsicht in die Übertriebenheit der sozialen Ängste nicht mehr notwendig für die Diagnosestellung.