Читать книгу Der große Bankdiebstahl - Julian Hawthorne - Страница 5

3. Kapitel.

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Inhaltsverzeichnis

Als mein Freund und ich ins Freie gelangt waren, gingen wir erst eine Weile schweigend nebeneinander her. Endlich sagte ich: Es sah aus, als suche sie den Tod; – ein rätselhaftes Weib!

Ja, entgegnete mein Gefährte, es hatte ganz den Anschein. Da werde einer klug daraus! Wenn eine Frau zum ersten Male in die Welt tritt, bringt ein Strohhalm sie außer Fassung; kaum aber sind ein paar Jahre vorüber, so ist ihr alles zum Ueberdruß; sie hat für nichts mehr Gefühl, greift nach Gift und Dolch und zuckt nicht einmal mit der Wimper! – So abgebrüht werden doch die Männer nie.

Dann muß sie sich sehr unglücklich fühlen.

O, das nicht gerade, – wenigstens nicht im gewöhnlichen Sinne. Sie ist nur völlig blasiert: das erklärt alles. Ich sage dir, es ist der reine Ueberdruß! Nicht etwa, daß sie ihr Leben los sein möchte, im Gegenteil, sie brennt darauf, zu fühlen, daß sie wirklich lebt. Sie ist inwendig zu Eis erstarrt, und es bedarf einer wahren Höllenglut, um sie wieder aufzutauen.

Was fehlt ihr denn aber? ...

Das finde einmal heraus! – Sie heiratete einen der besten Menschen von der Welt, aber zwanzig Jahre älter als sie. Kinder hatten sie keine. Bis vor zehn Jahren war sie eine der gefeiertsten Schönheiten New-Yorks und noch heutigen Tages hübsch und geistreich genug, um sich bewundern zu lassen. Das Paar war anfänglich sehr reich, aber der Mann ließ sich durch seinen Geschäftsteilhaber betrügen, und verlor etwa drei Viertel seines Vermögens. Immerhin blieben ihnen noch jährlich drei- bis viertausend Dollars, und für zwei kluge Leute wäre das genug. Jetzt besitzt sie wieder ebensoviel wie zuvor, ja noch mehr, soviel ich weiß.

Hat der Mann alles wieder hereingebracht?

Das nicht gerade. Im Jahre 1882 starb seine unverheiratete Schwester und hinterließ ihm ihr Vermögen; ein halbes Jahr später folgte er ihr ins Grab, und das Geld verblieb seiner Witwe.

Und sie ist noch Witwe?

Ich habe nicht gehört, daß sie sich wieder verheiratet hätte.

Gibt denn ihre Lebensweise irgendwie Anstoß?

Im Gegenteil, sie beobachtet alle gesellschaftlichen Formen; selten sieht man sie irgendwo ohne weibliche Begleitung, der junge Mensch, den sie heute abend mitbrachte, ist der Sohn einer Cousine, den sie in die Welt einführt – er ist ihr vermutlich gelegentlich ganz bequem. Nein, vorwerfen kann man ihr durchaus nichts – auch geht sie mit den feinsten Leuten um. Das einzige, was man an ihr auszusetzen hat, ist vielleicht, daß es in ihrer Lebensgeschichte einen oder zwei dunkle Punkte gibt, über die niemand recht ins klare kommt. Man glaubt, daß man in ihrem Tagebuch – wenn sie etwa von der Zeit, als sie die Schule verlassen, bis zu ihres Mannes Tode eines geführt hat – auf Stellen stoßen würde, die sich nicht an die große Glocke schlagen lassen. – Mehr wirst du schwerlich zu ihrem Nachteil erfahren können, und wenn du noch so lange Erkundigungen einziehst!

Du wirst mir aber hoffentlich noch heute erzählen, was du von ihr weißt!

Das steht durchaus noch nicht fest. Aber komm' nur mit mir auf mein Zimmer, wir wollen die Sache bei einem Glas Wein und einer Zigarre überlegen. Komm', es ist noch früh am Abend, und morgen ist Sonntag.

*

Was ich dir sagen kann, bedeutet viel oder wenig, je nachdem man's nimmt, sagte der Journalist, als wir beisammensaßen; auch möchte ich's nicht als Zeuge vor Gericht beschwören. Ich gebe dir nur ein paar Anhaltspunkte, damit du deine eigenen Schlüsse ziehen kannst, wie ich es getan habe.

So gehe doch nicht wie die Katze um den heißen Brei, sondern komm' einmal zur Sache!

Gut! Zuvörderst also: ich nenne sie Mrs. Nelson – weil sie nicht so heißt. Als sie achtzehn Jahre alt war, verlobte sie sich mit einem hübschen einundzwanzigjährigen Burschen. Es war eine richtige Liebesgeschichte mit allem erforderlichen Zubehör – aber schließlich ließ er sie sitzen. Sie hatte nun ihre Schönheit und wenig Geld, er war der Sohn eines Schiffmaklers, wurde in Geschäften nach Liverpool geschickt, blieb länger als er gewollt und heiratete eine Engländerin, die Tochter eines der Schiffseigentümer.

Die verlassene Braut fiel natürlich aus allen Himmeln – solche Treulosigkeit war ihr damals wohl noch neu. Allmählich aber fand sie sich wieder zurecht und verkehrte in der Gesellschaft wie früher. Man fand, sie habe sich zu ihrem Vorteil verändert – das war auch ganz richtig im Sinne der Welt. Wenn ein Mädchen ihres Schlages einmal die Herzensgeschichten hinter sich hat, wirft sie sich leicht dem Ehrgeiz in die Arme. So ging es auch hier. Sie hatte kein geringeres Streben, als tonangebend an der Spitze der New-Yorker Gesellschaft zu stehen, nicht nur in Betreff der Mode, sondern auch in geistiger Beziehung. Sie besaß auch ganz das Zeug zu einer solchen Rolle. Sie fing damit an, den Mann zu nehmen, der ihr am besten zu ihrem Zwecke paßte. Sie hätte keine bessere Wahl treffen können. Nelson, wie wir ihn nennen wollen, war tadellos vom Scheitel bis zur Sohle, ein großer, starker, kluger, lebensfroher Mann voll Geist, und ein goldenes Gemüt. Sein Geschäft war im besten Gange, er besaß Geld in Fülle, war zweiundvierzig Jahre alt und schrecklich verliebt. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er rastlos gearbeitet, so hielt er sich denn für ganz berechtigt, sich mehr Ruhe zu gönnen und seinen Teilnehmer mehr in den Vordergrund zu stellen, damit er sich mit Muße der süßen Beschäftigung hingeben könne, sein junges Weib anzubeten. Natürlich glaubte er nicht anders, als daß auch sie ihn liebe, und wäre der Krach nicht gekommen, sie hätte ihn wohl bis zu seiner Todesstunde in dieser Täuschung erhalten.

Nun aber sah sie auf einmal alle ihre Pläne zerstört. Sie war schon auf dem besten Wege gewesen, Einfluß zu erlangen; die gute Gesellschaft fing an, ihrer Leitung zu folgen, auf ihr Urteil zu hören. Bald wäre ihr Empfangssalon so berühmt gewesen wie irgend einer in alter oder neuer Zeit! Das war jetzt alles vorbei; sie mußte das Gespött der Leute über sich ergehen lassen. Was Wunder, wenn sie's ihrem Manne verdachte, daß er nicht besser auf seiner Hut gewesen. Sie mag sich wohl offen gegen ihn ausgesprochen haben, und bei dieser Gelegenheit erfuhr auch Nelson zum erstenmal, was es mit ihrer Liebe und Hingebung für ihn auf sich hatte – das war ein schwerer Schlag! –

Jedoch die Sachen standen nun einmal so, und etwas mußte geschehen. Eine Frau wie sie konnte nicht still sitzen und die Hände in den Schoß legen. Ihre Tatkraft brauchte Spielraum um jeden Preis. Hatte sie auch eine Niederlage erlitten, jetzt galt es erst recht, den Kampf aufzunehmen. Wenn auch Nelson in einer Reihe von Jahren alles, was er verloren, zurückerwarb – was sollte es ihr dann noch nützen? Zehn, zwölf Jahre waren für sie so gut wie eine Ewigkeit. Sollten sie etwa unterdessen eine billige Etagenwohnung mieten oder auf das Land ziehen und von ihren jährlichen Dreitausend und gegenseitiger Liebe leben? – Nelson, dem armen Kerl, wäre das vielleicht gerade recht gewesen – aber ihr schien es unerträglich. Was sollte sie tun? – Die Nuß war schwer zu knacken!

Hier machte der Erzähler eine so lange Pause, daß mir die Geduld ausging. Noch hatte er den Kern der Geschichte gar nicht berührt; ich drängte ihn fortzufahren, er aber schüttelte ärgerlich den Kopf, wobei ihm ein ganzer Haufen Zigarrenasche, die er vergessen hatte abzustreifen, auf das Beinkleid fiel.

Ich weiß wirklich nicht, sagte er nach einer Weile, wie ich den Faden weiterspinnen soll. Hättest du die Frau nicht gesehen, so wäre es etwas anderes; nun aber kannst du morgen mit ihr zusammentreffen und bist dann durch meine Schuld im voraus gegen sie eingenommen. Es ist mir ein ungemütlicher Gedanke. Lassen wir die Sache lieber auf sich beruhen!

Dann soll ich wohl glauben, daß sie Mord und Ehebruch begangen hat, und bei Nachtzeit als Vampyr um die Gräber schleicht?

Der Journalist sah mich nachdenklich an. Also, du willst durchaus mehr wissen, sagte er, gut, ich füge mich! – Sie war, wie gesagt, in die Enge getrieben, und mußte sich allein heraushelfen. Auf ihren Mann, das wußte sie, war bei einem Unternehmen zweifelhafter Art nicht zu rechnen; so traf sie denn Vorkehrungen im geheimen.

Nachdem alle Schulden bezahlt waren, blieben noch fünfzig- bis sechzigtausend Dollars, wovon sie natürlich nur die Zinsen beziehen konnte. Sie aber brauchte jährlich mindestens zehntausend mehr, um ihr gewohntes Leben weiter zu führen. Wie groß eigentlich ihr Verlust gewesen, wußte niemand genau; es war vollständige Deckung geleistet worden, und da die ganze Sache sich gegen Ende der Saison zugetragen, hatte sie vier bis fünf Monate Zeit, um wieder in die Höhe zu kommen. Konnte sie nur im nächsten Winter mit frischen Segeln wieder drauflosfahren, so war es leicht, die Welt zu überzeugen, daß ihr Unglück von vornherein übertrieben worden sei.

Aber, fiel ich hier ein, wenn sie auch den Leuten Sand in die Augen streute, wie war es möglich, ihren Mann zu täuschen? Er mußte doch wissen, wieviel Geld ihr zu Gebote stand, und wenn sie mehr ausgab, als sie redlicherweise besitzen konnte, nach der Quelle forschen, aus der es floß!

Sie war klug genug, das alles vorher zu denken, entgegnete der Journalist in trockenem Ton. Auch will ich durchaus nicht behaupten, daß sie gleich anfänglich vorhatte, krumme Wege einzuschlagen. Ich glaube, sie plante eine kleine Börsenspekulation; unter den soliden Geschäftsmännern ihrer Bekanntschaft hätte ihr wohl mancher seine Hilfe dabei zugesagt – sie konnte die Leute um die Finger wickeln, wenn sie darauf ausging. Aber auch hiervon durfte ihr Mann nichts erfahren: sie mußte auf eine Auskunft denken, um zu erklären, wo sie das Geld hernahm. Das Mittel, auf welches sie verfiel, war gut gewählt: sie beschloß, einen Roman zu schreiben.

Einen Roman! – Wie heißt der Titel?

Der tut nichts zur Sache. In zwei Monaten war sie mit der Arbeit fertig, und das Buch im Druck. Es erschien nicht unter ihrem Namen, aber sie trug Sorge, daß Nelson genau um ihr Unternehmen wußte. So war sie nach zwei Seiten zugleich sicher gestellt. Erstens: der Roman schlug vielleicht durch und brachte ihr wirklich Geld ein, und zweitens: ob er Erfolg hatte oder nicht, sie konnte bei allen ihren Einkünften – mochten sie kommen, woher sie wollten – den Roman vorschieben. Das Geschäftliche der Sache besorgte sie ganz allein, und ihr Mann, der nichts von literarischen Unternehmungen verstand, glaubte leicht, was sie ihm sagte.

Ich habe das Buch gelesen, fuhr der Journalist fort, wobei er die Augen einkniff und nach der Zimmerdecke starrte. Mir war damals die literarische Kritik übertragen, und ich besprach es günstig. Ein seltsames Buch – voller Fehler, aber geistreich, fesselnd, effektvoll. Sie hätte es noch zu etwas bringen können, wäre sie beim Schriftstellerberuf geblieben. Der Roman fand sein Publikum und brachte ihr wirklich Geld ein, ob viel oder wenig, weiß ich nicht. Gewiß aber ist, daß sie diese Einnahme zum Teil bei einer großen Ersparnisbank auf dem Broadway anlegte. Dies ist für die späteren Ereignisse nicht ohne Bedeutung.

Was wurde denn aus ihrer Börsenspekulation?

Sie wird es wahrscheinlich auch damit versucht haben, aber jedenfalls nicht lange. Es trug sich etwas zu, wodurch ihre Pläne eine wesentliche Veränderung erfuhren. Der Zufall, vielleicht auch der Teufel selbst, mag dabei seine Hand im Spiel gehabt haben. Das kam nämlich so: Kurz vor Nelsons Bankerott hatte sie bei dem ersten Juwelier der Stadt einen Diamantenschmuck für siebentausend Dollars bestellt; natürlich mußte die Bestellung rückgängig gemacht werden. Nun war sie zwar durchaus keine Närrin – aber, wie die Frauen so sind – sie hatte sich die Diamanten einmal in den Kopf gesetzt! Von siebentausend Dollars durfte freilich jetzt keine Rede mehr sein; wie aber, wenn die Diamanten billiger zu haben waren! Sie hörte von einem Manne, der seinen Handel ganz im stillen betrieb, und bei dem man zuweilen erstaunlich billig kaufen konnte. Er verkaufte nur echte Steine und hielt stets Wort; wie es zuging, daß er seine Ware um den dritten oder vierten Teil des gangbaren Preises losschlagen konnte, das war seine Sache und ging seine Kunden nichts an. Die Wohnung des Händlers fand Mrs. Nelson leicht; sie war in dem Eckhaus neben der Ersparnisbank, bei der sie ihr Geld angelegt hatte.

Wie ich dir schon sagte – es gibt nicht mehr als fünf Menschen in der Welt, die Näheres über ihre Gemeinschaft mit diesem Diamantenverkäufer wissen, und direkte Beweise sind gar nicht vorhanden. Stelle dir ihre Lage noch einmal vor: sie war eine gefeierte Schönheit, war gewissermaßen zum äußersten gebracht, das Herz in ihr war tot, und was ihr die Welt noch zu bieten hatte, wollte sie nehmen. Daß es ihr nicht an Phantasie fehlte, beweist ihr Roman; auch lag für sie in dem Geheimnisvollen, dem Gefahrdrohenden, ein eigener Reiz. Davon haben wir heute abend eine Probe gesehen. Unter solchen Umständen, bei solchem natürlichen Hang, haben Frauen oft schon verzweifeltere Dinge getan. Mit dem Diamantenhändler hatte es seine eigene Bewandtnis. Man hielt ihn für sehr reich, aber wie er sein Geld erwarb, oder wo er es bewahrte, wußte niemand. Seine ganze Lebensweise und äußere Erscheinung war höchst anspruchslos; mancher Krämer treibt größeren Aufwand. Man wußte, daß er Edelsteine kaufte und verkaufte, doch konnte das unmöglich seine einzige Beschäftigung sein. Sicher war, daß er viele Eisen auf einmal im Feuer hatte, aber was er eigentlich unternahm, entzog sich der Beobachtung. Er verstand zu schweigen und brauchte gern die Dienste dritter Personen. Die Leitung der Dinge behielt er zwar in der Hand, blieb aber dabei am liebsten ganz im Hintergrund; über die Angelegenheiten anderer genau unterrichtet, ließ er sich selbst doch nicht in die Karten sehen. Es fehlte ihm nicht an Unternehmungsgeist; hatte er sich ein Ziel gesteckt, so schreckte er vor keinem Wagnis zurück. In Geldsachen verstand er keinen Spaß; er war ein zäher Geschäftsmann, der weder Rücksicht noch Erbarmen kannte. Bis zu einem gewissen Punkt ließ er mit sich handeln, darüber hinaus war er hart wie Kieselstein.

Jeder Mensch hat jedoch seine schwache Seite, die oft zu seinem ganzen übrigen Charakter in geradem Widerspruch steht. Hat man sich ein Vermögen erworben, seinen Ehrgeiz befriedigt, so strebt man etwas anderes zu besitzen oder zu tun, und zwar oft gerade das, wozu man von Natur am wenigsten befähigt ist. Ein Eisenbahnkönig will sich als Künstler auszeichnen, ein Dichter eine Hängebrücke bauen, ein Ingenieur ein Oratorium komponieren. Was sich dieser zähe Diamantenhändler in den Kopf gesetzt hatte, war: bei den Frauen Eroberungen zu machen! Diese seine schwache Seite kostete ihm mehr als alle mißglückten Spekulationen zusammen. Eine Frau, die es verstand, konnte ihn am Narrenseil führen, wohin sie wollte; freilich nur so lange, bis er hinter ihre Schliche kam.

Alle Frauen aber, mit denen er sich je eingelassen, waren harmlos wie die Tauben im Vergleich zu Mrs. Nelson. Sie fesselte ihn durch ihre wunderbare Schönheit, ihren vornehmen Stand, ihre Klugheit, ihre vielseitigen und verschiedenartigen Anlagen. Aber auch er seinerseits, das läßt sich nicht bezweifeln, übte einen gewissen Reiz auf sie aus. Durch ihn erschloß sich ihr ein ganz neuer Einblick in das Leben, in eine ihr bisher fremde Sphäre voll verbotener Früchte, wo ihr Fuß nie zuvor gewandelt. Sie war an die Schmeicheleien und Huldigungen der Männer ihres Kreises gewöhnt, aber dieser zugeknöpfte, verschlossene, ungebildete Mensch gehörte zu einer ganz anderen Sorte. Er war mit den Nachtseiten des Lebens vertraut, durch ihn konnte sie in Beziehung treten zu allen den dunklen, verborgenen Strömungen in der Welt, zu den Feinden der Gesellschaft, deren Verbündete sie durch ihr eigenes Mißgeschick schon halb und halb geworden war. Der Versuch, sich einen solchen Mann zum Sklaven zu machen, konnte – auch abgesehen von dem pekuniären Vorteil – ihr wohl der Mühe wert erscheinen.

Der Vorteil ihrer Beziehungen war ein gegenseitiger. Sie hoffte, sich mit seiner Hilfe Geld zu verschaffen; er aber war sich vollkommen bewußt, daß sie ihm wichtigere Dienste leisten könne, als irgend einer seiner Helfershelfer. Sie konnte ihm Nachrichten aus Kreisen vermitteln, die ihm verschlossen waren, ihm mit einer Handbewegung Vorteile verschaffen, um welche er sich ohne sie vergeblich abgemüht hätte. Ihre gesellschaftliche Stellung, ihr angesehener Name, konnte der Deckmantel werden, um ihm die Hauptbücher der Millionäre, den Inhalt ihrer Gespräche, die Schlüssel ihrer Geldschränke zur Verfügung zu stellen. – Der Ausblick, der sich ihm bot, überwältigte ihn – eine solche Verbindung kehrte in seinem Leben nicht wieder. Im Verein mit ihr konnte er Millionen an sich bringen, so leicht wie ein gewöhnlicher Dieb ein Zehncentstück in die Tasche steckt.

In diesem Licht muß ihm die Sache erschienen sein, und es ist kein Wunder, daß ihm dabei schwindlig wurde; und zu alledem der Gedanke an sie, ein Weib – und was für eines! Sie mußte die Gelegenheit auskundschaften und Winke geben; er wollte mit Kapital und Helfershelfern für die Ausführung sorgen: hernach konnte man der Welt hinter ihrem Rücken ein Schnippchen schlagen und zusammen das Leben genießen.

Ein großartiger Plan, nicht wahr? Aber er hatte zwei wunde Punkte. Den einen sah der Diamantenhändler wohl, den andern – und das war der viel gefährlichere – sah er nicht. Der erste war natürlich, daß etwas fehlschlagen oder das Geheimnis verraten werden konnte; von dem andern hatte er keine Ahnung: er lag in Mrs. Nelsons Gemütsart und eigentümlichem Charakter. Es war nämlich zu erwarten, daß in eben dem Grade, als jetzt die Neuheit und Seltsamkeit des Verhältnisses sie anzog, sie desselben überdrüssig werden, und es wieder lösen würde, sobald es durch die Gewohnheit seinen Reiz verloren hätte. – Vornehme Damen suchen wohl eine Zeit lang Befriedigung einer Laune, aber früher oder später vergeht ihnen die Lust, und sie erinnern sich ihrer Würde. Ihre Dankbarkeit stirbt mit dem Interesse, und dann kennen sie weder Gnade noch Erbarmen! – Von alledem wußte jedoch der arglose Diamantenhändler nichts – bis er durch eigene Erfahrung zu der Entdeckung kam. –

Nun, und wie weiter? fragte ich, als mein Wirt aufstand und das Ende seiner Zigarre in den bronzenen Aschenbecher warf.

Mein Garn ist abgehaspelt, erwiderte er und lehnte sich, die Hände in den Taschen, an das Kaminsims. Wenn du dir jetzt nicht alles übrige weit besser ausmalen kannst, als ich es dir erzählen würde, so mußt du ja wahrhaft vernagelt sein. Das Thema zu der dramatischen Verwicklung habe ich dir gegeben – nun arbeite nach eigenem Gutdünken die einzelnen Szenen aus.

Wenn du mir nicht mehr sagen wolltest, versetzte ich, so hättest du es lieber ganz bleiben lassen sollen! Meine eigene Erfindung hast du in Fesseln geschlagen, und nun lässest du mich mitten in der Geschichte stecken!

Das hat man nun von seiner Gutmütigkeit! brummte mein Freund ärgerlich, ich spreche mich stundenlang heiser und ernte nur Undank dafür. Ein andermal werde ich in der Wahl meiner Zuhörer vorsichtiger sein. Um des lieben Friedens halber, und um dich nur endlich los zu werden, will ich dir denn noch einige weitere Winke geben. Erstens – seit ihrer Bekanntschaft mit dem Diamantenhändler hat sich Mrs. Nelson nie wieder in Geldverlegenheit befunden. Zweitens – sie hat nie wieder den Versuch gemacht, einen Empfangssalon zu eröffnen. Drittens – der Diamantenhändler starb vor etwa sechs Jahren und hinterließ nur den zehnten Teil von dem, was er bekanntermaßen vier Jahre zuvor besessen. Viertens – zur Zeit, als die Beziehungen zwischen Mrs. Nelson und dem Händler am intimsten waren, wurde ein paar Schritte von seinem Laden der größte Einbruchsdiebstahl ins Werk gesetzt, der jemals in diesem Lande geglückt ist.

Was für einer war das?

Von mir erfährst du das nicht, erhielt ich zur Antwort.

Nun, das werde ich schon herausbekommen; da weiß ich mir zu helfen. Ich kenne Herrn Byrnes.

Dann rate ich dir, sofort eine Droschke zu nehmen und hinzufahren, du wirst gerade zum Frühstück rechtkommen, erwiderte er.

Und das sage ich dir, fuhr ich fort, ich ruhe nicht eher, bis ich der Sache auf den Grund gekommen bin! –

Aber der Journalist hörte nicht mehr auf mich, er zog Rock und Weste aus, band seine Krawatte ab und gab seine Absicht, der Sache ein Ende zu machen, so unzweideutig zu erkennen, daß ich mich notgedrungen zurückziehen mußte. Er schlief gewiß schon den Schlaf des Gerechten, ehe ich noch die Treppe hinunter war.

Der große Bankdiebstahl

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