Читать книгу Die große Liebe für ein gefallenes Mädchen - Julie Bloom - Страница 9
Оглавление5. Kapitel
Marc erwachte recht früh an diesem Morgen. Er war zwar generell ein Frühaufsteher, aber heute wäre ein Tag, an dem er eigentlich länger hätte schlafen dürfen, was er gerne ab und zu auch einmal tat. Doch nun war er hellwach und an Schlaf war nicht mehr zu denken. Im erschien Julies Anblick vor seinem geistigen Auge, wie sie dagelegen hatte auf diesem roten Bordellbett, und müde und verzweifelt gewirkt hatte. Marcs Herz schnürte sich ein wenig zu. Was machte sie wohl gerade? Was konnten Prostituierte tagsüber in ihrer Freizeit tun? Bewegten sie sich unauffällig, wie ganz normale Leute, auf den Straßen Londons? Mussten sie immer eingesperrt in diesem Bordell bleiben, um von niemandem erkannt oder gar gestohlen zu werden? Marc wusste es einfach nicht. Mit diesem Thema hatte er sich noch nie zuvor beschäftigt. Und eigentlich wäre es ihm auch egal gewesen, gäbe es da nicht Julie. Alleine bei ihrem Namen verspürte er wieder ein leichtes Kribbeln, so wie bei ihren Berührungen in der gestrigen Nacht. Was war da gestern passiert? Hatte sie das auch gespürt und wahrgenommen? Oder war sie bereits viel zu abgehärtet, gegen die Berührungen von Männern, da sie offenbar schon viel zu viele davon über sich ergehen lassen hatte müssen.
Marc empfand Mitleid mit dieser brünetten Dirne. Er hatte ihr Leid und ihre Hoffnungslosigkeit, ja, ihre Aussichtslosigkeit spüren können, als wäre es seine Eigene. Er hatte immerhin das Glück gehabt, im Leben stets ein Ziel vor Augen zu haben, für das es sich zu kämpfen gelohnt hatte. Wie musste es sein, wenn man gar keine Hoffnungen und Träume hatte, an denen man festhalten konnte. Wofür lebte man denn dann? Was war das wohl für ein Dasein, wenn man täglich nur das tun musste, was man gar nicht tun wollte. Und, dass Julie irgendetwas von dem, was sie täglich in diesem Bordell erleben und verrichten musste, gerne tun würde, stand außer Frage. Es war mehr als offensichtlich, dass es nicht so war.
Seufzend erhob sich Marc und rieb sich über das Gesicht. Er blickte sich in seiner durchaus komfortablen und sehr elegant eingerichteten Unterkunft um, und schätze sich glücklich, so leben und arbeiten zu dürfen. Wie gerne würde er Julie auf seine Seite des Lebens herüberziehen und sie daran teilhaben lassen. Marc erschrak selbst ein wenig über diesen Gedanken, denn immerhin kannte er sie ja wirklich noch nicht lange und schon gar nicht gut genug, um so etwas denken zu dürfen. Wer weiß, welche Geheimnisse es da noch gab, von denen er nichts ahnte. Er empfand aber eine derart starke Verbindung und Vertrautheit ihr gegenüber, dass es ihm vorkam, sie schon viel länger zu kennen, als es tatsächlich der Fall war. Und ja, er vertraute ihr. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach, wenn sie von sich und ihrer Vergangenheit erzählte. Auch wenn er genau spürte, dass sie noch einiges zurückgehalten und nicht preisgegeben hatte. Vermutlich war das aber deshalb, um ihn nicht komplett abzuschrecken oder zu schockieren. Er konnte verstehen, dass sie sich für so manches in ihrem Leben schämte. Es wäre ihm, an ihrer Stelle, wohl genauso ergangen.
Marc stand nun auf und wusch sich. Er zog frische Kleidung an und machte sich bereit, für einen Besuch auf der Poststelle, um seinem Chef schnellstmöglich eine Nachricht über den erfolgreichen und äußerst zufriedenstellenden Geschäftsabschluss zukommen zu lassen. Und, um ihm mitzuteilen, dass er noch ein wenig länger in London verweilen würde. Als Vorwand würde er angeben, die Gelegenheit nutzen zu wollen, sich noch ein wenig die Stadt anzusehen und vielleicht noch mehr neue Ideen, für geschäftliche Möglichkeiten für die Firma in London ausfindig zu machen. Sein Chef würde das bestimmt unterstützen, da er Marcs persönliches Engagement stets zu schätzen gewusst hatte und ihm blind vertraute. Marc musste zugeben, das war ein tolles Gefühl, so wertgeschätzt und unterstützt zu werden. Ein Gefühl, das Julie wohl niemals kennengelernt hatte. Und wieder überkamen ihn Mitgefühl und Traurigkeit. Auch wenn es seinem Chef gegenüber ein wenig geflunkert wäre, Marc stand zu seiner Entscheidung, denn er hatte ein gutes Gefühl dabei. Er spürte, dass es das Richtige wäre, Julie noch nicht aufzugeben. Auch wenn sie eine Dirne war, was in seiner Gesellschaft wirklich als der unterste und niederträchtigste Abschaum galt.
Er plante, bereits an diesem Abend wieder das Bordell aufzusuchen und Julie zu treffen. Diesmal würde er gleich zwei Stunden mit ihr kaufen, um sich ausgiebiger mit ihr unterhalten zu können. Er konnte nur hoffen, dass sie mitspielen würde.