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Die Heimfahrt Kapitänleutnant Lauterbachs

Ein unerwünschtes Kommando

Am Abend des 7. November 1914 befand sich unsere „Emden“ auf dem mit Kohlendampfer „Exford“ verabredeten Treffpunkt in der Nähe der Kokosinseln. Wir blickten nach allen Seiten scharf aus, doch von dem Erwarteten ließ sich keine Spur entdecken. Dafür hörten wir englische Kreuzer von Stunde zu Stunde stärker funken. Die Sorge, „Exford“ könne ihnen zur Beute gefallen sein, ließ sich nicht mehr abweisen.

In der Frühe des folgenden Morgens sollte der Erste Offizier, Kapitänleutnant von Mücke, mit einem Landungskorps die Funkenstation zerstören. Dieses Unternehmen wurde nun um einen Tag verschoben. Zunächst wollte der Kommandant über das Schicksal der „Exford“ Gewissheit haben. Die ganze Nacht fuhren wir suchend umher, und aus immer bedrohlicherer Nähe gaben die Feinde von ihrem Dasein Kunde. Eine höchst ungemütliche Geschichte.

Nach Tagesanbruch kam unsere schon verloren geglaubte „Exford“ endlich in Sicht. Wie ihr Kommandant meldete, hatte er nur für die Nacht sicheres Wasser aufgesucht.

Fregattenkapitän von Müller, der eine Zeitlang nachdenklich auf und ab geschritten war, blieb vor mir stehen. „Trauen Sie sich zu, ohne Offiziere ein Schiff zu führen?“

Da ich zehn Jahre lang als Kapitän der Hamburg-Amerika-Linie in Ostasien Passagierdampfer gefahren hatte, brauchte ich zu der Antwort keine Bedenkzeit; aber ich ahnte schon nichts Gutes, als ich bejahte. „Dann können Sie ja ‚Exford‘ in Sicherheit bringen. Ich habe das Gefühl, dass wir bald ins Gefecht kommen. Der langsame Kohlendampfer wäre dann verloren.“ Meinen Gefühlen entsprechend wird sich bei diesen Worten mein Gesicht stark in die Länge gezogen haben, denn unser allverehrter Kommandant fuhr fort: „Gucken Sie mich nicht so traurig an, Lauterbach. Sie haben bis jetzt alles mitgemacht, als Prisenoffizier und bei Penang sogar besondere Dienste leisten können. Gropius hat mich dringend um Ablösung gebeten, und wenn es zum Gefecht kommt, brauche ich hier möglichst viele Offiziere. In spätestens zwei bis drei Tagen gedenke ich Sie eingeholt zu haben, und dann nehme ich Sie gleich wieder an Bord.“

Ich merkte die gute Absicht, durch diese freundlichen Worte den bitteren Trank zu versüßen, aber es fiel mir doch recht schwer, ihn zu schlucken. Natürlich gab es da keine Einwendungen zu machen. Ich sagte „Zu Befehl“, schlug die Hacken zusammen und machte mich daran, meine Sachen zusammenzupacken. Nicht gerade in rosigster Stimmung, wie man mir wohl nachfühlen wird. Wir alle an Bord fühlten uns mit unserer „Emden“ verwachsen. Und gerade jetzt, wahrscheinlich in der kritischsten Lage, sollte ich das Schiff verlassen und den großen Kohlenkasten in Sicherheit bringen, während die Kameraden heißen Kämpfen und neuen Ehren, wie wir hofften, entgegenfuhren. Wie ausgestoßen kam ich mir vor. Dass der Kommandant recht hatte und ich unter den besonderen Umständen auf „Exford“ der gemeinsamen Sache am besten dienen konnte, war mir durchaus kein Trost.

Das Packen war schnell erledigt. In der Hoffnung, in wenigen Tagen wieder an Bord zu sein, nahm ich nur das Notwendigste mit. Auf dem andern Fahrzeug sollte ich ja nur eine kurze Gastrolle spielen. Ich klammerte mich förmlich an diesen Gedanken. Jede andere Vorstellung war mir unerträglich. Kapitänleutnant Gropius empfing mich freudestrahlend. Seine gute Stimmung war leicht erklärlich. Schon Ende September war er von „Emden“ entlassen worden, und drei lange Wochen hatte er hier gelegen und auf uns gewartet. Auch aus den Gesichtern der beiden andern Offiziere leuchtete das Glück, endlich von diesem stumpfsinnigen Kommando erlöst zu sein. Dazu stand ihnen in Aussicht, mit Kapitänleutnant v. Mücke an Land zu kommen. Ihr Gepäck lag schon zum Einschiffen bereit. Mit fröhlichen Abschiedsrufen fuhren sie wenige Minuten später im Kutter davon.

Tagsüber hielten sich „Exford“ und „Buresk“, der zweite Kohlendampfer, noch in der Nähe des schmucken, grauweißen Kreuzers. Um sechs Uhr wurde „Exford“ entlassen. Kapitän von Müller wünschte uns gute Reise, was ich mit Signal: „Wünsche guten Erfolg!“ erwiderte. Dann gab man uns noch die Warnung: „Englische Kreuzer in der Nähe!“ mit auf den Weg — das Letzte, was ich von unserer „Emden“ hörte.

Blutrot ging die Sonne unter. Als ich in diesem wunderbaren, tropischen Farbenspiel das schmucke Schiff verschwinden sah, übermannte mich plötzlich das Gefühl: „Du siehst es niemals wieder.“

Neben mir blickte Bootsmann Müller, ein ehemaliger Bootssteuerer des Kutters S. M. S. „Hohenzollern“ der „Emden“ nach. Er nickte schweigend mit dem Kopf, als ich ihm gegenüber meine Ahnung aussprach. Offenbar hatte er das gleiche gedacht.

Dieser Bootsmann, ein Maschinist, dreizehn „Emden“- Matrosen und siebzehn Chinesen von dem aufgebrachten englischen Dampfer „Troilus“, die gegen Bezahlung Heizerdienste taten, das war meine ganze Besatzung. Ich hatte schriftlichen Befehl, auf einem ungefähr tausend Seemeilen entfernt liegenden Punkt die „Emden“ zu erwarten, bis der Proviant ausging, fuhr also mit dem bestimmten Kurs gemächlich in die Nacht hinein.

Unsere erste Arbeit war die Einrichtung einer von dem versenkten Dampfer „Chilkana“ stammenden Funkenstation. Zwar konnten wir nie selber Nachricht geben, doch fingen wir in den nächsten Tagen viele Funkenmeldungen auf. Sie waren chiffriert, für uns also nicht zu entziffern: immerhin ließen sie darauf schließen, dass etwas Besonderes sich ereignet haben musste. Tag auf Tag verging, ohne dass wir trotz eifrigsten Ausschauens etwas von der „Emden“ sahen. War es da ein Wunder, dass wir diese lebhafte Funkerei mit ihrem Schicksal in Verbindung brachten?

Ja, man mochte innerlich noch so sehr gegen trübe Gedanken ankämpfen und die Leute auf ein baldiges frohes Wiedersehen vertrösten: mit den Tagen und Wochen tatenlosen Wartens verblasste allmählich der letzte Hoffnungsschimmer. Selbstverständlich kam das in unserem Tun und Treiben nicht zum Ausdruck. Ebenso wenig in unseren Worten. Schwarzseherische Redensarten waren verpönt. Mit jedem Wachewechsel nahmen wir Besteck, um uns ja auf dem richtigen Platz zu halten, und von früh bis spät wurde vom Ausguck der Horizont abgesucht. Doch kein Schiff kam in Sicht, denn mit Absicht war uns ja eine Gegend angewiesen worden, die abseits jeder Fahrstraße lag.

Die Leute zu beschäftigen, war wirklich keine Kleinigkeit. Im beständigen Kampfe gegen die Langeweile war jeder Zeitvertreib willkommen. Die Leute überholten ihr Zeug, und wie in alten Segelschiffszeiten habe auch ich kunstgerecht meine Unterhosen geflickt. Wäre nur das Wetter nicht so abscheulich gewesen! Wir befanden uns im Gebiet der Kalmen, litten unter wahnsinniger Hitze, und dabei goss es tagtäglich wie aus Kübeln vom Himmel herunter, ohne auch nur im geringsten Abkühlung zu bringen. Als Dusche war uns der Regen immerhin willkommen, und jedes Mal entwickelte sich an Deck ein höchst ungezwungener Badebetrieb.

Das Arbeiten des Schiffes im schweren Seegang war natürlich weit davon entfernt, das Leben an Bord gemütlicher zu machen. Nachts auf der Brücke meinte einmal der wachhabende Unteroffizier in allem Ernst: „Herr Oberleutnant, ich glaube, der Kasten fällt um.“ Für jemand, der zur Seekrankheit neigt, war „Exford“ jedenfalls nicht ein empfehlenswerter Aufenthalt.

Auch nicht für Freunde einer guten Küche. Dem erhaltenen Befehle gemäß hielt ich es für meine Pflicht, den Proviant möglichst in die Länge zu ziehen. Als alter Ostasienfahrer wusste ich, wie ungern Chinesen ihre heimatlichen Gerichte, vor allem Reis, entbehren: doch hier halfen ihnen keine Klagen: an Bord der „Exford“ lernten sie Kartoffeln essen. Auch für uns Europäer schrumpfte die Auswahl der Gerichte immer mehr zusammen. Erst als am Ende der vierten Woche von „Emden“ immer noch nichts zu sehen war, Kartoffelpuffer unsere einzige Nahrung bildeten, und auch diese nur noch wenige Tage geboten werden konnten, hielt ich den von Kapitän Müller vorgesehenen Zeitpunkt für gekommen. In dem an der Westküste Sumatras gelegenen holländischen Hafen Padang hofften wir Näheres über das Schicksal unseres Mutterschiffes zu erfahren.

1000 £ Kopfpreis - tot oder lebendig

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