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Gefangen

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Bei regnerischem, stürmischem Wetter bekamen wir am Morgen des 11. Dezember die der Küste vorgelagerten Inseln in Sicht. Auf gut Glück mussten wir uns durchtasten. Eine Seekarte besaßen wir nicht, und auf der an Bord befindlichen Karte des Indischen Ozeans waren nur die größten der vor uns liegenden Inseln als kleine Pünktchen verzeichnet.

Bis auf ungefähr fünf Meilen hatten wir uns neutralem Grund und Boden genähert, als wir gerade vor Padang eine Rauchwolke auftauchen sahen. Die erste seit unserer Trennung von der „Emden“. Volle vier Wochen hindurch war uns kein Fahrzeug begegnet.

Während wir gespannt der neuen Erscheinung entgegenblickten, meldete unser Funkentelegraphist: „In der Nähe funkt ein holländischer Postdampfer.“ Das klang ja recht beruhigend, aber ich traute dem Frieden nicht. Um ganz sicher zu gehen, änderte ich den Kurs und hielt auf die nächste Insel zu. Innerhalb der neutralen Dreimeilenzone wollte ich abwarten, als was sich der andere entpuppte.

Auch wir hatten offenbar sein Interesse geweckt. Mit äußerster Kraft lief er geradeswegs auf uns zu. Und nun dauerte es nicht mehr lange, da konnte ich mit Gewissheit feststellen, dass ich einen alten Bekannten vor mir hatte: „Empreß of Japan“, einen großen englischen Passagierdampfer der Linie Vancouver—Japan—China, in dessen Nähe ich oft friedlich geankert hatte, und der nun als Hilfskreuzer diente. Über seine Absichten war ich keinen Augenblick im Zweifel, und wenn ich es gewesen wäre, hätte mir das Signal „M N“, mit dem wir auf der „Emden“ unsere Unterhaltung mit fremden Schiffen einzuleiten pflegten, Gewissheit verschafft. „Stoppen Sie sofort!“ bedeutete es, und zwei Schüsse vor den Bug bekräftigten den Befehl. Aber wir befanden uns doch jetzt längst innerhalb des neutralen Gebietes! Ach, wann wäre es dem edlen Briten auf einen Völkerrechtsbruch mehr oder weniger angekommen?! Ich sah klar vor Augen, was uns bevorstand, und ehe „Exford“ stilllag, hatte ich schon den Befehl gegeben, geheimzuhaltende Schriftstücke sowie die Flagge zu verbrennen, wichtige Teile unserer F. T. Station über Bord zu werfen, den Kompass aus seinem Gehäuse zu nehmen, ihn zu vernichten und durch den Kompass des Handruders zu ersetzen, der die Richtung um volle vier Strich verkehrt anzeigte.

Während dies ausgeführt wurde, kam von drüben ein Boot herangerudert. Ein junger Leutnant stieg an Bord und bat um die Papiere.

Mit der nötigen Entschiedenheit verlangte ich, dass die holländische Neutralität geachtet werde.

Der Engländer zuckte lächelnd die Schultern. „Sagen Sie das meinem Kommandanten. Ich habe den Befehl, Ihr Schiff aufzubringen.“

Jedes weitere Wort wäre Kraftverschwendung gewesen und hätte in dem andern nur das Gefühl der Überlegenheit gestärkt. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, befahl ich meinen Leuten, ihr Hab und Gut zusammenzupacken. Schon näherte sich ein zweites Boot mit der Prisenbesatzung. Wir Europäer sollten auf den Hilfskreuzer gebracht werden, die Chinesen dagegen an Bord bleiben.

Auf der „Empreß of Japan“ empfing mich der Erste Offizier. Während wir schweigend zur Brücke emporstiegen, stellte ich mir im Geist zusammen, was ich dem Kommandanten über sein Verfahren sagen wollte, und ich kann versichern, dass der kleine, rotbärtige Mann recht kräftige Worte von mir zu hören bekommen hat. Es half natürlich nichts, erleichterte aber wenigstens mein erbittertes Gemüt. „Das können Sie den Leuten in Berlin erzählen“, war alles, was er auf meine Rede erwiderte.

Nun fragte er nach der Zahl meiner Besatzung und schien sehr verwundert, dass sie nicht größer war. Schon der Leutnant hatte offenbar etwas anderes erwartet und das Schiff durchsuchen lassen, als ob ein Teil versteckt sei.

Nun erfuhr ich den Grund. „Empreß of Japan“ war von Singapore hierher geschickt worden, um einen „Emden“-Offizier und fünfzig Mann aufzubringen, die sich von den Kokosinseln auf einem Segler nach Padang durchgeschlagen und von dort ihre abenteuerliche Reise fortgesetzt hatten. Tags zuvor sei ein deutscher Dampfer ausgefahren, offenbar, um sie zu unterstützen, und für diesen habe man „Exford“ gehalten.

So erfuhr ich von v. Mückes kühner Tat und dem traurigen Schicksal unserer „Emden“. Ich muss es den Engländern lassen, dass, sie die für sie erfreuliche Zerstörung des erfolgreichen deutschen Kreuzers in durchaus taktvoller Weise berichteten.

Auch sonst kam die Achtung vor seinen Leistungen zum Ausdruck. Als ich unten als Gefangener den Dolch abbinden wollte, sagte der Erste Offizier: „Auf Befehl des Königs von England bleibt den Offizieren der ‚Emden‘ die Waffe.“

Die ganze folgende Nacht hindurch wurden die verschiedenen Inseln mit Scheinwerfern nach „Ayesha“ und „Choising“ abgesucht.

Im Übrigen führte die aus Engländern und Franzosen gemischte Besatzung des Hilfskreuzers ein beneidenswert gemütliches Dasein. Wenn man Offiziere und Mannschaften sich mit Eifer ihren Bordspielen hingeben sah, glaubte man, sich eher auf einem Vergnügungsdampfer als auf einem Kriegsschiff zu befinden. Dienst unterbrach nur in sehr bescheidenem Maße die allgemeine Fröhlichkeit. Aber auch wir Gefangenen hatten keine Ursache, uns zu beklagen.

Meine Leute blieben auf das Vorderdeck beschränkt, mir jedoch stand das ganze Schiff frei. Zwar begleitete mich auf allen Gängen ein Mann mit aufgeplanztem Bajonett, aber wenn ich sagte: „Hole mir eine Flasche Bier!“ dann stellte er sein Gewehr in die Ecke und beeilte sich, meinen Wunsch zu erfüllen. Uniformknöpfe und Mützenbänder der „Emden“ waren stark begehrt, aber selbstverständlich nicht zu haben.

Als wir nachts die Bankastraße durchfuhren, kam der Navigationsoffizier, ein sehr netter, wohlwollender Herr, zu mir in die Kabine und sagte: „Ich weiß in diesen Gewässern nicht recht Bescheid. Wollen Sie nicht auf die Brücke kommen und bei der Navigation helfen?“

Das war doch wirklich der Gipfel der Gemütlichkeit! Konnte es überhaupt ernst gemeint sein? In meiner ersten Verblüffung war ich versucht, daran zu zweifeln, doch der Engländer sah nicht aus, als ob er scherze.

Ich fühlte mich natürlich hochgeehrt über diesen Vertrauensbeweis und habe sicher sehr vergnügt drein geschaut. Umso erstaunter wird der freundliche Herr über meine Antwort gewesen sein.

„Gut, ich komme, aber dann wird Ihr Schiff binnen einer Minute festsitzen.“

„Dann möchte ich doch lieber unten bleiben“, meinte er darauf mit sauersüßem Lächeln.

Bei der Nähe des Landes lag der Gedanke nahe, über Bord zu springen und schwimmend holländischen Boden zu erreichen. Glücklicherweise war mir bekannt, wie zahlreich Menschenhaie diese Gewässer bevölkern. Als hier der französische Passagierdampfer „La Seine“ unterging, sind die meisten Menschen diesen unheimlichen Meeresbewohnern zum Opfer gefallen.

Es gibt rühmlichere Todesarten. Die Vorstellung, auf diese Weise ums Leben zu kommen, bewirkte jedenfalls, dass ich die Ausführung meiner Fluchtpläne auf eine günstigere Gelegenheit verschob. Sobald wie irgend möglich auszukneifen, war ich von Anfang an fest entschlossen.

1000 £ Kopfpreis - tot oder lebendig

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