Читать книгу Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band - Julius von Voss - Страница 4

Fünftes Buch
Viertes Kapitel.
Ein alter Bekannter tritt wieder auf

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Flore weinte also, aber denn doch mit Philosophie, das heißt, sie hörte nach einiger Zeit auf. Die Genugthuung behielt sie sich vor, einst dem Sultan zu erklären, sie habe keinen Theil an dem, was mit Osmann vorgegangen sei, und darauf zu bestehn, daß dem Unglücklichen ein stolzes Monument errichtet werde.

So vergingen mehrere Wochen, in deren Verlauf sich die Zeichen der Volksgunst abermals erweiterten. Von dem Ungewitter, das ihr vom Lager her drohte, fürchtete die arme Unwissende nichts.

Sie sollte zuvor aber noch mannichfach überrascht werden. Früher als sie es hatte erwarten können, wurde ihr ein schwarzer Sklavenhändler gemeldet. Sie ließ ihn vor, und es war der ehrliche Musa. Er hatte treulich Florens Auftrag vollzogen, und in Cairo Ring gesucht. Doch war dieser schon seit einiger Zeit von dort entfernt, denn er hatte nach seinem Beruf, den Truppen, die Syrien besuchten, folgen müssen. Und die Nachrichten, welche den Verlust bei dieser Gelegenheit aufzählten, waren noch bei Musas Anwesenheit in Cairo bekannt geworden – dort hatte er das Unglück gehabt, von den Türken gefangen zu werden. Durch einen Griechen, der im Umgang mit vielen Franzosen stand, war es dem Neger möglich geworden, über das alles Kundschaft einzuziehn.

Flore erschrack gar sehr, da die Gefangenschaft bei den Türken, wie man erfuhr, drückend genug sein sollte, indessen tröstete sie Musa, und sagte: Es findet sich doch auch mancher wackere Muselmann, und wenn man sich auf weitere Kundschaft legt, und Nachricht einzieht, wo er hingekommen ist, so wird er wohl loszukaufen sein. Ich verspreche meiner Bekannten Beistand, denn für mich selbst ist Syrien zu entlegen.

Jetzt zog der Neger noch einen Brief aus der Tasche. Diesen, sagte er, hat dein Frank in seiner Wohnung zurückgelassen. Er war für dich bestimmt, wenn du etwa nach Cairo zurückkämest, und weil ich davon hörte, mußte ihn mir der Grieche verschaffen.

Flore griff hastig zu, und ihr Herz erbebte, da sie die wohlbekannte Hand der Aufschrift sah. Mit frohem Zittern erbrach sie das Siegel. Ring schrieb:

Ich folge den Truppen, welche nach Syrien gehn, und theile ihre vielseitige Gefahr. Sollte das Glück wollen, daß du Verlorne während meiner Abwesenheit in Cairo einträfest, so wäre es dir lieb und nützlich, einen Brief von mir zu finden. Darum schreibe ich diese Zeilen nieder, so geringe auch die Hoffnung ist, daß sie in deine Hand gelangen. Den Schmerz dir zu malen, den ich empfand, da ich von den Pyramiden heimkehrte, und erfahren mußte, dich hätten Mamelukken geraubt, erlasse mir, ich würde nur meine Wunden aufreißen. Glaube auch, daß ich nichts unversucht ließ, deinen Aufenthalt zu erspähn. Doch Kosten, Briefe, da und dorthin, gefährliche Reisen, alles blieb unbelohnt. Kömmst du bei dem allen aber nach der Hauptstadt Egyptens, so erwarte mich aus Syrien. Hörst du von meinem Tode, so weine nach Gebühr, versage aber einem braven Franzosen, der um die Wittwe wirbt, deine Hand nicht, daß dir kein Beschützer mangle, dich ins Vaterland zu führen. Erfährst du etwa, ich sei gefangen, wird wohl nur Paris der Ort sein, wo wir uns wieder treffen. Sorge dann nicht um die Härte meines Schicksals, du weißt, ich habe den Kampf gegen das Leben bestehen gelernt, und es giebt keine Lage, in die ich mich nicht muthig und heiter zu fügen wüßte. Ich werde schon meine Masregeln treffen, daß es mir gelingt, Frankreich wieder zu erreichen. Schließe dich dann an meine Freunde, und suche mit dem ersten Schiffe, das nach Europa segelt, abzugehn. Hier hast du also Weisungen für mehr als einen Fall. Doch ist noch ein anderer übrig. Du könntest, niedlich, angenehm und verständig, Glück in eines vornehmen Muselmannes Harem finden, und dies Glück dir durch die Vorwürfe des Pflichtgefühls, die Erinnerungen der Treue gestört werden. Nein, dringt etwa dennoch dieser Brief zu dir, so glaube, daß ich dich um jeden Preis beruhigt wissen mögte. Der Nothwendigkeit muß man gehorchen. Bist du in einen Harem gesperrt, so verseufze das Leben nicht. Genieße, und denke nicht weiter an mich als an einen Freund, den man doch nie hoffen darf, wieder zu sehen. Ich dagegen liebe sicher keine andre, wenn ich dich nicht wieder finde. Das ist keine Tugend, kein Heroismus von Liebe und Treue, sondern beruht auf einer winzigen Kleinigkeit, mir gefällt keine wie du. Es ist weniger ein Wollen, wie ein Müssen, daß ich, sei es in Afrika, Asia oder Europa, ewig bin

der Deine.

Ring.

Groß-Cairo.

Flore war von diesem Briefe innig gerührt, noch stärker ward der Zug des Herzens nach ihm, noch lebendiger erwachte Rings Andenken in ihrer Brust. Weit entfernt, aus der einen Wendung des Briefes, eine Befugniß in Darkulla zu bleiben, für ihre Ueberzeugungen zu schmieden, sah sie in der Liebe, von welcher die Wendung ausging, nur ein heiliges Gebot, nach Befreiung zu streben. Wie wenig stand aber da in ihrer Macht? Sie herrschte in dem Inneren von Darkulla. Aber hätte sie es zu fliehen, zu verlassen gesucht, würde der erste Schritt aus dem engen Passe sie entdeckt haben, denn vor demselben lagerten Truppen, die auf alles was aus und einging, genaue Obacht führten. Zu einem solchen Vorhaben, hätten es auch die anderweitigen Schwierigkeiten und Gefahren ausführbar gemacht, konnte immer die gegenwärtige Zeit nicht gewählt werden.

Sie belohnte unterdessen Musa reichlich, und fragte gleich: in wie fern er würde ausmitteln können, wo Ring gefangen säße? Er antwortete: Schon dachte ich diesen Auftrag zu bekommen, und ließ meine Bekannten in Cairo nach Aleppo Damaskus und Smirna schreiben, denn die Sklaven werden bisweilen weit verführt. Ich denke, wenn ich mit der Caravane nach Fezzan komme, wohin ich bald abgehe, einen Brief dort vorzufinden, der mich benachrichtiget, was die Bekannten erfahren haben.

„Thue alles was du kannst, ihn loszukaufen, ich gebe dir das nöthige Gold gleich mit, und mehr wie du bedarfst, denn ich kann deiner Redlichkeit trauen.“

Musa nahm wieder das Wort: Sultanin, auch meine Knechte waren in dieser Zeit nicht müßig, ja noch glücklicher wie ich! Sie haben Mehemeds Fährte so rastlos verfolgt, bis sie ihn selbst erreichten. Eben da er über den Niger kam, denn er ist auch jenseit dieses Stromes gewesen, fingen sie ihn, und trafen mich auf der Reise hieher, da sie ihn zu mir brachten. Noch alle deine Kostbarkeiten fand ich auf seinen Kameelen, diese aber, gehören mir, wie du wohl einsiehst. Nichts veruntreue ich, doch das meinige lasse ich auch nicht gern fahren.

Behalte alles, rief Flore, ich bedarf dessen jetzt nicht, und kann ich einst Darkulla meiden, gebührt mir für das seinem Volke erwiesene Gute, auch nicht mit leerer Hand zu ziehn. Aber wo ist der betrügerische Mehemed?

Musa rief nach außerhalb, und zwei Neger brachten Perotti geführt. Hier, redete ihn Musa an, ist die Sultanin, sie wird die Strafe über dich verhängen.

Perotti blickte auf Floren, ließ einen Ausruf der Verwunderung hören, faßte sich aber schnell, und stimmte Frohlocken an. So hab ichs gewünscht, vorausgesehn, den Plan legte ich an, schrie er, und warf sich vor der Sultanin nieder.

Sie war sehr befremdet über diese unverschämte Herzhaftigkeit, der Italiener ließ sich aber nicht irre machen, sondern fuhr fort: Bei deiner Liebenswürdigkeit mußte dir in Afrika hohes Glück lächeln, darum kauft ich dich nicht los. Dein Vermögen wollt’ ich dir bewahren, da es ja doch der Sklavenhändler genommen hätte; sieh so ein redlicher Mann bin ich! Auch ist kein Rubin, kein Smaragd abhänden gekommen, was willst du mehr? Daß mich des Musa Knechte festhielten, dafür konnt ich nicht, aber ich wollte eben nach Darkulla kommen, dir deine Schätze auszuhändigen, denn so gebot es meine Gewissenhaftigkeit. Du darfst sie dem Neger nur abnehmen, und kömmst zu deinem Eigenthum. Hast du je eine bewährtere Treue gefunden?

Flore fiel ein: Buben fehlt es selten an Gegenwart des Verstandes. Du meinst doch nicht, ich soll deinen Worten glauben?

Perotti betheuerte von Neuem, und setzte noch hinzu: Wäre auch meine fürwahr engelreine Absicht, schwarz wie die Hölle gewesen, jetzt hättest du Grund, sie zu lieben, sie erhob dich auf den Thron von Darkulla.

„O dieser unglückliche Thron! Hättest du mich von Musa erstanden, vielleicht wäre es mir gelungen, nach Cairo zu kommen!“

Nimmer, nimmer, erhabene Sultanin! Zu keiner Zeit waren die Gegenden mehr mit Räubervolk überschwemmt!

„Mein Freund, dein Feind, fand hier schmähligen Tod. Das macht mir dies Negerland, so reizend es die Natur ausstattete, doppelt verhaßt.“

Dein Freund? mein Feind? Wer wäre das? Ich kenne Niemand, der mein Feind wäre. Ich zum wenigsten liebe die ganze Welt.

„Kennst du den Franzosen Coutances?“

Coutances, er war in Darkulla? Ohne Zweifel Isabellen zu suchen? Und den nennst du meinen Feind? Wir wetteiferten blos um den Besitz der Schönheit. Nie konnt ich ihn hassen. Mich freute vielmehr sein Witz, mich entzückte der verschlagene Sinn, und indem er ihn übte, erhöhte er auch mein Talent!

„Du bist ein Meister der Verstellung.“

Und dieser brave feurige Coutances wäre dahin? Verzeihe meiner Thräne! Sie muß ihm fließen.

Perotti weinte so natürlich, daß Flore beinahe getäuscht wurde. Wenigstens freuten sie die Thränen, welche Coutances geweiht waren. Der Augenblick ihrer Bewegung traf ein, und sie sprach: Sey ein Verräther, ein Heuchler, oder nicht, es ist dir verziehn! Was frommte mir deine Bestrafung? Geh frei aus!

Perotti warf sich von Neuem auf die Erde. Ich bin nicht strafwürdig, dabei blieb er, also kannst du mich auch nicht strafen. Aber was soll mir jetzt die Freiheit? Die Schwarzen raubten mir alles. Nimm mich in deinen Dienst, große Sultanin!

„Dich? ha ha ha!“

Keinen ergebneren, keinen treueren Knecht findest du.

„Ha ha ha!“

Fürwahr, ich kann dir brauchbar seyn. Auf meiner Reise habe ich die Sitten der Völker dieses Welttheils geprüft, und da ich tiefer in den Süden drang, wie noch nie ein Europäer, lernt ich auch klüger mich in den Menschen finden.

„O daran zweifelt bei Signor Perotti Niemand. Und wie fingst du es an, überall ungestört durchdringen zu können, da so mancher Andere früh umkehren mußte, oder seinen Tod fand?“

Auch ich machte den Arzt, wie es andre gethan haben, bediente mich aber lauter kräftiger flüchtiger Reize, die allenfalls im Stande waren, die Lebenskraft des Hinscheidenden noch für eine Stunde zurückzurufen. So machte meine Heilkunde oft Glück, so lange ich anwesend war, was nach meiner Abreise geschah, kümmerte mich nicht!

„O pfui!“

Was thut der Europäer nicht um die Weisheit! Nächstdem hatte ich einige chemische Apparate, einige Instrumente der Naturkundigen auf meinen Thieren. Ich hatte vorausgesehn, daß ich mir so den Ruf eines großen Zauberers und Furcht erwerben könne. Und es gelang mir damit.

Wirklich mögte man glauben, daß wenn ins Große getrieben würde, was Perotti wohl nur mit weniger Bedeutung that, die Naturwissenschaften einen unternehmenden Abentheurer gar wohl in Stand setzten, sich unter den Völkern in Afrika, vielleicht selbst in Asien, zum Religionsstifter zu erheben; das höchste was bis jetzt unter den Menschen erreicht worden ist, da die Namen Moses, Confutsee, Zoroaster, Fot, Mahomed u. s. w. die der großen Eroberer überdauern. Welche für solche Menschen unbegreifliche Erscheinungen könnte sie nicht hervorbringen, die ihnen unfehlbar Himmelswunder gölten, und göttliche Sendung urkundeten. Chemische Prozesse, Elektrizität, Luftschifferei, welche Hülfsmittel zu diesem Zweck. Vielleicht fällt noch ein ruhmsüchtiger Wagehals darauf. Noch interessanter ist aber der Gedanke an eine so hohe Stufe der Naturkunde, die selbst Völkern, wie die gegenwärtig gelehrtesten, Wunderglauben auferlegen könnte. Und doch wird sie gewiß einst erreicht, und muß wieder winzig dastehn, gegen das, was die von ihr weiter gehende Entwicklung offenbaren kann.

O, fuhr Perotti fort, wenn einige ruhige Stunden dazu günstig sind, dann werde ich erzählen, was ich alles unter diesen Völkern sah, und that. Aber am meisten werden meine Hörer staunen, wenn ich berichte, was mir jenseits der Gebürge zu Gesicht kam, die das Auge erst in blauer Ferne entdeckt, wenn der Pilger hundert Meilen über den Niger hinausdrang. Wisse, daß hier Nationen hausen, bei denen tiefe Wissenschaft und Künste mancher Art gar nicht fremde sind. Weiße wohlgebildete Nationen. Nachkommen der von den Römern vertriebenen Carthager, der vor Belisarius fliehenden Vandalen und Andere.

Darauf wäre ich wohl begierig, versetzte Flore.

Es wird sich Zeit dazu finden. Wohlan, bleibe in meinem Dienst, wenn du schon mein Vertrauen nimmer gewinnen kannst.

Jetzt trat auch Alonzo ins Zimmer, der sich nicht wenig über den Ankömmling verwunderte. Es erhub sich gleich ein Streit unter den Beiden. Des Spaniers alter Kummer erwachte, und er maaß dem Italiener Isabellens Verlust bei. Dieser erwiederte: Deine Schuld, daß du mich dem Franzosen nachsetztest. Flore sagte: Dem sei wie ihm wolle, jetzt müßt ihr euch versöhnen. Und wie steht es denn um die Nachrichten von Isabellen, Perotti?

Auf meinem Wege fand ich keine weitere Spur.

Ach sie ist längst hinüber, seufzte Alonzo.

Wir hörten, nahm Flore wieder das Wort, sie sei umgekommen.

Das glaube ich demungeachtet nicht, erwiederte Perotti.

Auch ich nicht, war Florens Bemerkung.

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band

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