Читать книгу Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band - Julius von Voss - Страница 6

Fünftes Buch
Sechstes Kapitel.
Fortsetzung

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Wo man den Meister spielt, läßt sich viel ins Werk setzen, darum wurde die heimliche Beerdigung des Priesters bald zu Stande gebracht. Alonzo sagte aber: Wir müssen mehr als je mit dem Volke auf unsrer Hut sein. Perottis Einfall rettete für den Augenblick, aber späterhin kann er uns verderben.

Ei, rief Perotti, ich machte schon ein ander Thier ausfindig, das dem vorigen ähnlich ist. Bei Nacht schaff ich es in den Tempel, und das verstümmelte wird in einen Teich versenkt.

Wie gefährlich aber ist das alles, versetzte der Spanier. Laßt uns auf Mittel sinnen, dem Volke ein Blendwerk im höheren Styl zu bereiten. Selbsterhaltung legt es uns auf. Wir sind Europäer. Unsre Naturwissenschaft muß uns dazu in Stand setzen. Laßt uns einige der geschicktesten Caffern gebrauchen. Auch über sie schwebt die Gefahr. Feuergewehr ist selten in diesem Reiche, wenn es schon nicht den Schrecken verbreitet, wie bei ganz wilden neuentdeckten Völkern. Wir wollen aber dennoch Salpeter suchen und Pulver in so großer Menge verfertigen, als es immer möglich ist.

Gut, gut, rief Perotti, fehlt es uns an Flinten oder Stücken, so machen wir Feuerwerke, hier ein ungesehen Schauspiel, mit dem manches auszurichten ist. Das Volk muß uns schon der Kurzweil halber lieben.

„Auch denke ich Minen unter den Wall zu legen, oder – noch etwas anders fällt mir bei, wovon ich nachher reden werde.“

Mir auch, warlich in dem nämlichen Augenblick, sprach der Italiener, und ich wette, wir fielen auf einen Gedanken.

„Sollte es uns nicht möglich werden, eine elektrische Vorrichtung zu erbauen. Es fehlt uns zwar manches dazu, aber Noth ist erfinderisch.“

Wohl! Die Theorie davon ist mir wenigstens bekannt. Doch vor allen Dingen mögte ich leichtes Gas und einen Wachstaffent bereiten können. Ich glaube, einer unserer geschickten Zeugmacher hat einen feinen dichten seidenen Stoff fertig.

„Mit Wachs überzieh ich ihn.“

Vitriol, Eisen, besitzen wir. Warum sollte sich nicht ein leichtes Gas bereiten lassen.

„Unter dem Pallast sind tiefe Kellergewölbe. Da leg ich eine Werkstatt an. Die Caffern, welche mir helfen, kommen nicht mehr ans Tageslicht, bis das Volk von Darkulla uns unbedingt huldigt.“

Flore rief: Ihr Herren denkt auf alles. Beim Ausführen des Wunderbaren will ich schon an meiner Stelle stehn. Warlich, nichts Geringes lastet auf uns. Eigentlich müssen wir ja gegen das innere Volk der Stadt, und wider das Belagerungsheer zugleich kämpfen. Fast ist unser Sieg nicht abzusehn. Doch fallen wir, kann es die Feinde nicht ehren.

Doch unser Triumph wird unerhört sein. Und die hohe Stufe europäischer Kultur muß gebieten! schwärmte der Spanier, der viel Elastizität hatte, welche nur des äußern Drucks bedurfte, um wirksam zu sein. Daneben fehlte es ihm gar nicht an dem poetischen Schwung, der ja nach Isabellens Zeiten, wie neuere deutsche Autoren behaupten, ein Grundzug des hispanischen Charakters geworden sein soll.

Genug, sechs Arbeiter wurden im Geheim angestellt, Perotti leitete die Technik, die Ideen gab Alonzo, Flore übte die Rollen des Ausführens ein. Weiter unten wird das Warum, Wie und Wo, näher berichtet.

Wenden wir den Blick zu Tata hin. Er stand vor der Stadt, und besichtigte die Vertheidigungslinie. Anfangs glaubte er, seine Befehle würden ohne Weiteres Unterwürfigkeit erzielen, da er aber die Hauptstadt Nene anhängen, und sich zur Wehre stellen sah, wurde er heftig erbittert. Zwar meinte er gleich, das Volk sei durch Verführungskünste geblendet worden, und zauderte deshalb, um nicht Blut von Darkulla durch Darkullaner zu vergießen, allein fest stand auch der Beschluß: wenn man nicht bald sich gäbe, die ausgesprochenen Schreckensdrohungen nach ihrem ganzen Umfange zu erfüllen.

Während er nun auf Aenderung des Sinnes hoffte, und die schwächste Stelle der Verschanzung ausgesucht ward, um sie, wenn es sein müsse, zu erstürmen, langte ein Knabe bei ihm an, der in der Nacht über den Wall gestiegen war, und den Graben durchschwommen hatte. Er brachte ein Palmblatt, auf welchem diese Worte standen:

Ruchlose Gaukelei hat das Volk der Stadt betrogen. Kein Zeichen vom Himmel war es, daß die Sultanin der Menge mit den Ohren der heiligen Eselin erschien, tempelräuberisch haben ihre Caffern das Thier verstümmelt, und frech hat Nene die Ohren entweiht. Daß nicht Tausend Donner den Frevel straften, ist des Himmels Langmuth, und seine Gnade gegen dich, o Tata, weil er dir die Rache übergiebt. Ich sterbe für meine Aussage, und bin nicht mehr, wenn der Bote deinem Lager naht.

Der Großpriester der heiligen Eselin.

Diesem im Tempel dienenden Knaben, der des Lesens unkundig war, hatte der Verräther das Blatt überliefert, ehe er zu Nene ging. Niemand, bei Strafe des Feuertodes, lautete seine Weisung, zeige das Blatt. Warte drei Tage auf mich, bin ich dann nicht wieder bei dir, so lebe ich nicht mehr, und die Esel des Paradieses wollen, daß du in Tatas Lager schleichest, ihm das Blatt in seine Hände zu liefern.

Der Knabe hatte am Altar schwören müssen. Allein nicht gleich war es ihm möglich geworden, das Gebot zu erfüllen. Zu genau wachten die Krieger auf dem Walle. So waren acht Tage vergangen, endlich aber doch die Aufsicht betrogen worden.

Tata schauderte, da ihm doch noch einige Landesvorurtheile anhingen, schäumte vor Wuth gegen die Sultanin, war aber bei dem allen auch froh, nun ein Mittel gefunden zu haben, wodurch die Feindin unfehlbar zu verderben sei.

Das Blatt wurde sogleich vervielfältigt, und rund um die Stadt durch angestellte Getreuen laut abgelesen. Die Darkullaner auf dem Walle vernahmen jedes Wort, Fanatismus, Jähzorn und Rachsucht loderten furchtbar in allen Busen auf.

Ein Strom von Empörern brauste in zügelloser Erbitterung auf den Pallast los. Schon sind sie an seiner Eisenpforte, wollen sie aufreissen, das Haupt, das Herz der Sultanin holen, um das beleidigte Göttliche zu sühnen – da trifft den vordersten Mann, der das Thor berührt hat, ein Schlag von unsichtbarer Hand, und diesen nämlichen Schlag fühlt die ganze gedrängt nachstürzende Menge. Alle Nerven wurden den Männern durch den entsetzlichen Schlag erschüttert. Kaum konnten sie über das Ereigniß nachsinnen, als die Sultanin auf dem Balkon erschien, und ausrief: Unverletzlich ist das Thor der Sultanin. Der Himmel beschützt sie, und wer das geringe Zeichen seines Unwillens noch nicht achtet, dem wird es sich wiederholen, bis er todt zu Boden stürzt, und die Seele der Verdammniß sendet. Fort auf den Wall, die Stadt zu vertheidigen!

Starr weilte die Menge. Niemand wagte sich mehr vorwärts, Niemand wagte auch den Befehl zu erfüllen. Plötzlich fühlte jeder einen neuen Schlag, viel stärker als der vorige. Alles stürzte zu Boden.

Erfüllt das Gebot, oder des Himmels neues Zeichen stürzt euch alle ins Grab.

Behend sprang hier Jeder auf, nach seinem Platze auf der Verschanzung zu eilen. Tata hatte doppelt sicher gehen wollen, und während der Zeit, wo der Wall von seinen Vertheidigern leer war, einen Sturm anbefohlen. An vielen Stellen hatte man den Graben bereits durchschwommen, und beträchtliche Haufen kletterten schon an dem Walle hinauf, doch nun stürzte die erschrockene, durch eine höhere Furcht, als die vor dem feindlichen Angriff, entflamme Menge hinzu, ein wüthend Gemetzel entstand, die Stürmer wurden in den Graben zurückgeworfen, und die Felsstücke, welche Alonzo an seinem Rande hinreihen ließ, auf sie niedergerollt, daß fast keiner zurück ins Lager kam.

Nach dem vorhin Angedeuteten begreift der Leser wohl, wie elektrische Vorrichtungen das hervorgebracht hatten, was Unkunde und Empfänglichkeit für Aberglauben, Wunder nennen mußten. Den ersten Schlag empfingen die Aufrührer durch das eiserne Thor selbst, den andern durch einen aus dem Keller emporgeleiteten Draht, womit Perotti einen in der Menge berührte.

Bald sahe Flore Abgesendete aus dem Volke, welche im Staube flehten, den tapferen Kampf gegen Tatas Sturm, der Unbesonnenheit des verführten Volkes, zur Entschuldigung gelten zu lassen. Sie verzieh auf die Bedingung künftiger Unerschütterlichkeit.

Sie zeigte sich oft den Kriegern, sorgte reichlich für sie, munterte durch Belohnungen auf und gewann sich die Herzen aufs Neue.

Dem Tata schickte sie eine Botschaft hinaus, welche ihm sagen sollte: Ihr sey es nicht zu verargen, wenn sie sich gegen Schande und schmachvollen Tod zur Wehr setzte. Er mögte abziehn, damit kein Blut mehr flösse, und Kuku melden, was er gesehn hätte. Wenn Kuku aber selbst käme, dann wolle sie unbewaffnet ihm entgegen gehn, sein Herz würde sie dann hören.

Tata ließ aber den Darkullaner, welcher die Botschaft brachte, sogleich aufknüpfen, und erfuhr sogar nicht, was die Sultanin ihm wollte. Zu ergrimmt war er ohnehin über den Verlust beim Sturm und sein Mißlingen, und willigte auch bei andern Versuchen in keine Unterhandlung. Dagegen ließ er immer wieder des Großpriesters Bericht ablesen, und immer wurde hinzugesetzt: Darkullaner, eine höllische Gaukelei betrog euch, laßt euch die heilige Eselin zeigen, und ihr werdet sehn, welche Missethat die Cafferin verübte.

Das verfehlte denn doch nicht allen Eindruck, nachdem der erste Schrecken über die Elektrizität gewichen war. Wo ist der Großpriester? diese Frage wurde öfters gehört, man wünschte allgemeine Gebete um Waffenglück, wo die heilige Eselin in Prozession umhergeführt, und in die Mitte gestellt wurde.

Es erschien dieserhalb eine Bittschrift bei der Sultanin. Sie erwiederte: Wie schon Tag und Nacht im Tempel gebetet würde, und deshalb auch kein Priester ihn verlassen dürfe, (sie waren aber in Gewahrsam, denn sie hatten nun doch den Zustand des Thieres gesehn, und konnten dem Volke schlimme Dinge ins Ohr sagen) da aber die öffentliche Andacht gewünscht werde, so könnte sie in einigen Tagen statt haben.

Bald darauf mußten die Herolde ankündigen: Die Hälfte der Bewaffneten sollte sich einfinden, die andere auf dem Walle bleiben. Flore hatte rund um den Eselstempel die nahen Gebäude wegreissen, und in der Entfernung von einigen hundert Schritten einen Verschlag anbringen lassen. Gegen Abend sammelte sich die Hälfte der Krieger, strömten alle Weiber und Kinder aus der Stadt zu. Ein langes stummes Gebet machte den Anfang der Feierlichkeit, dann trat Flore auf und hielt eine noch längere Rede, indem sie bald nach dieser, bald nach jener Seite der Schranken ging, überall ihre Worte zu wiederholen. Hauptsächlich trug sie vor: Darkullaner, die Würde der Religion Mahomeds hat eure Herzen gerührt, doch noch ruht des Propheten Zorn auf euch, da ihr das Joch alter Abgötterei noch nicht abzuwerfen vermögt. Zweierlei Andacht ist frevelhaft. Eine tadelt die Andere. Manche Noth, die seit kurzem dies reizende Land heimsuchte, mag eine Strafe der Untreue seyn, die immer einer Gottheit widerfahren muß. Weit entfernt sey es von mir, entscheiden zu wollen, welche die allein wahre ist, die ältere oder die neuere? Aber die Zeit ist gekommen, wo sich die allein wahre, durch ein Wunder der Allmacht offenbaren will. Das sagte mir ein heiliger Traum. Wohlan, so vereint denn eure Gebete brünstig mit dem meinigen. Wie eure Sultanin, sinkt aufs Knie, und fleht, daß dies Wunder heute vor euren staunenden Blicken erscheinen möge. Seht, hier steht der Tempel der heiligen Eselin! Aus seinem Fenster glänzt der Opferlampe Schein durch die Nacht. Dort auf der andern Seite prangt die Moschee, stattlich aufgeführt, durch die Gefühle der Gläubigen geweiht, um dort den Gottesdienst zu feiern, den des Propheten Coran auferlegt. Fleht, daß an den Tempeln noch in dieser Nacht kund werde, welcher von ihnen dem Himmel der gefälligste ist!

Alles warf sich nieder. Die feierliche Erwartung, der Fanatismus aufs höchste gespannt. Leises Beten der Einzelnen, halblautes Seufzen, aber in der Vielheit in der nächtlichen andächtigen Stille, schon ein wesentliches Geräusch. Einige Zeit vergeht, dumpfe Pause folgt der auf den Lippen und von den Busen hörbaren Inbrunst, dann tönt Florens Stimme wieder, und die andern fallen neuerdings ein. Dicke Nacht umgiebt die Knieenden und der Himmel ist umwölkt. Selbst die Opferflamme im Tempel glimmt düster.

Plötzlich wird ein dumpfer unterirdischer Donner vernommen, und die Erde, worauf die Andacht sich niederschmiegte, bebt. Dieser Donner löst sich in ein hohles Knarren, ein gellendes Krachen, zuletzt in einen orkanhaften Knall auf, bei dem alles aus Schrecken aufs Antlitz sinkt. Ein helles Umleuchten. Ueberraschung mahnt aber in demselben Momente, alle Blicke, sich wieder emporzurichten. Halbgeblendet, staunen, starren sie nach dem Götzentempel hin, der in Trümmern zerschellt in einer hohen Feuersäule in die Wolken steigt. Dampf, Rauch und dicker Staub verschlingen bald wieder die Blitzeshelle, die zerrissenen Mauern sinken aber brennend und rauchend auf den Boden zurück, Erde fällt weit umhergeschleudert auf die Beter nieder.

Mahomed ist Gottes Prophet! tönt nun eine Stimme aus der Höhe, nach der Moschee richten sich alle Augen. Sie ist von lauter feurigen Lichtern umgeben, kleine Flammen, Sternen gleich, steigen aus den Minarets empor, und oben zeichnet Feuerschrift mit großen Charakteren den Namen des arabischen Religionsstifters. Die Empfindungen der Menge ergeben sich von selbst.

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Zweiter Band

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