Читать книгу Das Geheimnis des Prinzen - Junia Swan - Страница 6
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Prolog
Das Ticken der Uhr teilte die Stille mit ihrem Stakkato, einer Gewehrsalve gleich, in gleichmäßige Einheiten. Sie standen einander gegenüber, ihre Brustkörbe hoben und senkten sich in schneller Folge, so als hätten sie gerade einen anstrengenden Lauf hinter sich.
„Bitte, lass es mich versuchen!“
Ronald trat einen Schritt auf seinen Freund Rick zu.
„Ich weiß nicht. Ich denke nicht, dass wir es tun sollten.“
„Ein Mal, bitte. Ein einziges Mal, ich muss es einfach wissen!“
Rick schüttelte unentschlossen den Kopf.
„Wenn es jemand sieht?“
„Alle schlafen. Kein Mensch ist mehr unterwegs. Du musst keine Sorge haben, dass uns jemand entdeckt. Es wird unser Geheimnis sein.“
„Aber es ist falsch“, insistierte Rick und trat einen Schritt zurück.
Da packte Ronald seinen besten Freund am Oberarm und zerrte ihn zu sich heran. Mit der anderen Hand griff er nach dessen Kopf, zog Ricks Gesicht näher und presste seine Lippen auf den Mund des anderen. Es waren nur Sekunden, während denen sich ihre Münder berührten, denn im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen und die jungen Männer fuhren auseinander.
„Ich habe doch gewusst, dass es sich lohnt, vor eurer Tür auf der Lauer zu liegen!“, stieß Ken hervor und blickte seine Mitschüler geringschätzig an. „Ihr seid widerwärtig!“
Ronald verlor alle Farbe und Rick wich vor ihm zurück, bis er die Wand in seinem Rücken fühlte.
„Es ist überhaupt nichts geschehen“, versuchte Ronald zu erklären. „Es hat nichts zu bedeuten, ziehe keine voreiligen Schlüsse!“
Hinter Ken traten noch zwei weitere Burschen in den Raum und blickten die beiden Freunde angewidert an.
„Nichts soll das gewesen sein?“, höhnte einer von ihnen. „Ein Mann küsst einen anderen. Das ist eine Todsünde! Es ist wider die Natur! Ihr werdet von der Schule fliegen!“
„Nicht, wenn ihr uns nicht verratet!“
In Ronalds Blick trat ein Ausdruck nackter Pein. Rick schloss die Augen und schluckte schwer. Ach, hätte er doch nicht zugestimmt! Hätte er Ron nur klar und deutlich erklärt, was er von seiner dummen Idee hielt! Jetzt war es zu spät! Sie beide würden von der Gesellschaft gemieden werden und Schlimmeres. Gänsehaut ließ Rick unwillkürlich schaudern.
Schwere Schritte näherten sich über den Flur des Eliteinternats und die nun einkehrende Ruhe ließ Unheil erahnen. Ronald wandte sich zu Rick und blickte ihm entschuldigend in die Augen, doch dieser schüttelte nur den Kopf und drehte sich von ihm fort. Wenn er daran dachte, welche Konsequenzen dieser lächerliche Versuch eines Kusses haben würde, wurde ihm bereits übel.
Es dauerte nicht lange und der Direktor stand mitten im Zimmer und lauschte den Ausführungen der jungen Ankläger. Sein Gesicht verdüsterte sich sekündlich, schließlich lief es vor Wut rot an. Als er sich zu den beiden Schuldigen drehte, wussten diese, dass es keine Möglichkeit geben würde, den Skandal abzuwenden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihre Eltern informiert wären und sie ihre Väter zur Rede stellen, während die Mütter vor Enttäuschung schluchzen würden. In diesem Moment hasste Rick seinen besten Freund aus Kindheitstagen. So sehr, dass er vor ihm ausspuckte, als Ron als erster an ihm vorbei aus dem Zimmer geführt wurde. Bis zu der Stunde, in der ihre Väter sie abholen würden, wurden sie in den Kerker gesperrt, jeder in eine eigene Zelle. Während Ronald ihm durch die verschlossenen Türen beteuerte, dass es ihm leidtäte, schwieg Rick beharrlich. Er wollte mit Ron niemals mehr ein Wort wechseln.