Читать книгу Das Geheimnis des Prinzen - Junia Swan - Страница 9

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3. Kapitel

Isabels Zofe weckte sie am nächsten Morgen und die junge Frau gähnte und streckte sich schläfrig. Nach dem Genuss einer großen Anzahl der Pralinen war sie zufrieden eingeschlummert und hatte tief und fest geschlafen. Nun seufzte sie frustriert, da der Zeitpunkt näher rückte, sich unten in der Halle den Übernachtungsgästen zu präsentieren.

„Ist der Prinz schon wach?“, wollte sie wissen und schlug die Decke zurück.

Dabei fiel ihr Blick auf die kleinen Blutflecken auf dem Laken. Sie errötete und zog die Decke schnell wieder darüber.

„Schon seit Stunden, Mylady. Er ist bereits am frühen Morgen ausgeritten und hat längst in seinem Zimmer gefrühstückt, noch bevor die letzten Gäste schlafen gegangen sind.“

„Oh.“ Überrascht ging Isabel in das angrenzende Badezimmer, um sich ihrer Morgentoilette zu widmen.

Als sie eine halbe Stunde später angekleidet war, stand sie unschlüssig in der Mitte des Raumes. Was sollte sie tun? Allein wollte sie unter keinen Umständen nach unten gehen. Deswegen trat sie zur Verbindungstür und klopfte an.

„Kommt rein!“

Seine Stimme drang gedämpft zu ihr hindurch und sie öffnete die Tür. Sein rechter Knöchel lag auf seinem linken Knie während er ihr, im Armsessel lässig zurückgelehnt, entgegenblickte. Noch niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie einen Mann auf diese Weise sitzen sehen, trotzdem versuchte sie, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen.

„Nun, da seid Ihr ja. Habt Ihr gut geschlafen?“

Sie wich seinem Blick aus und eine leichte Röte überzog ihre Wangen.

„Ja“, murmelte sie, „wie mir scheint, sind Pralinen ein gutes Schlafmittel.“

Darauf erwiderte er nichts, runzelte stattdessen die Stirn.

„Habt Ihr bereits gefrühstückt?“

„Nein. Ich wollte nicht allein hinuntergehen.“

„Das kann ich verstehen. Ich lasse Euch ein Frühstück heraufbringen.“

„Das wäre sehr nett.“

„Danach werden wir uns auf den Weg machen.“

Sie nickte und atmete erleichtert aus. Der Prinz erhob sich, zog an einem Klingelzug und bat kurze Zeit später, das Frühstück für die Prinzessin in ihren Räumen zu servieren.

„Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?“, fragte er dann abwartend.

Ihr schien, als würde er ihrer Anwesenheit entkommen wollen. Isabel schluckte.

„Nein. Danke“, murmelte sie und kehrte in ihr Zimmer zurück.

Es war ein wolkenverhangener Tag, Nebelschlieren wanden sich über die Felder und Dunst beschlug die Fenster. Der Prinz las Zeitung, während Isabel aus dem Fenster starrte. Ihre Einsamkeit konnte nicht perfekter sein, es gab keine Menschenseele weit und breit, die mit ihr in Verbindung trat. Sie wünschte, sie hätte das Buch, welches sie in den Tagen vor der Hochzeit zu lesen begonnen hatte, mit sich genommen und nicht in ihrem Zimmer zu Hause zurückgelassen. Deswegen ließ sie ihre Gedanken schweifen, lehnte die Stirn gegen das Fenster und beobachtete ihren Atem, der die Scheiben mit jedem neuen Luftentweichen trübte. Irgendwann begann sie, auf das Glas zu hauchen und mit einem Finger Bilder zu malen. Als sich der Prinz räusperte, wandte sie den Kopf in seine Richtung und bemerkte, dass er sie irritiert musterte.

„Darf ich Euch darauf hinweisen, dass Ihr nicht mehr zwölf Jahre alt seid?“

Isabel ließ die Hand sinken und lehnte sich in ihren Sitz zurück.

„Ihr habt die Scheiben verschmiert – ich kann es nicht glauben!“

Er blicke sie derart entgeistert an, dass ihr schlechtes Gewissen enorm anwuchs.

„Es tut mir leid, Euer Gnaden. Ich habe nicht nachgedacht. Mir ist schrecklich langweilig. Vielleicht wollt Ihr mit mir über ein Thema diskutieren?“

„Über ein Thema? Welches würdet Ihr vorschlagen?“

Isabel zuckte mit den Achseln.

„Wir könnten über Euch sprechen. Vielleicht wollt Ihr mir etwas über Euch erzählen?“

Seine Miene verfinsterte sich.

„Wir haben vertraglich festgelegt, dass wir eine Ehe ohne emotionale Bindung führen werden. Darf ich Euch freundlich daran erinnern? Je weniger Ihr über mich und ich über Euch weiß, desto besser. Wir sollten einander fremd bleiben.“

Wieder krampfte sich etwas in Isabel zusammen.

„Weshalb?“

„Nun, viele Gründe sprechen dafür. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Euch den offensichtlichsten in Erinnerung rufen muss, liebste Ehefrau. Vor Euch sitzt der Mann, welcher im ganzen Land wie kein anderer geächtet wird. Eure Seele würde Schaden nehmen, je mehr Ihr mit meiner Verdorbenheit in Berührung kämt. Deswegen wäre es das Beste, Ihr würdet mich meiden, so wie alle anderen es tun.“

„Außer am Abend, wenn Ihr in mein Bett steigt?“

„Wie Ihr wisst, versuche ich alles, damit ich Euch auch dabei nicht allzu viel störe.“

Nun lachte sie bitter auf.

„Oh ja, Euer Gnaden, das ist Euch wirklich gelungen! Meintet Ihr den Augenblick, als Ihr Euch auf dem Boden mit meinem Kleid gebalgt habt?“

Die Ironie, die in ihren Worten troff, überraschte sie. Niemals zuvor hatte sie mit jemandem in dieser Weise gesprochen. Sie meinte, ein Zusammenzucken seinerseits zu bemerken. Fast körperlich konnte sie spüren, wie er sich in sich zurückzog. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich aus. Isabel bemerkte, dass er mit den Fingern einer Hand mit seiner Manschette spielte.

„Es tut mir leid, Mylord“, gab sie schließlich nach und drehte sich zu ihm.

„Ich frage mich, was genau“, erwiderte er, ohne sie weiter zu beachten. Sein Profil hob sich dunkel von dem hellen Hintergrund der Landschaft ab. „Ihr habt in allem recht. Ich bin wahrlich ein Tollpatsch.“

„Das wollte ich damit unter keinen Umständen ausdrücken.“

„Dann schlage ich vor, dass Ihr in Zukunft nachdenkt, bevor Ihr etwas sagt.“

Seine Kritik traf sie schwer und sie schnappte nach Luft. Schon zweimal innerhalb von zehn Minuten hatte sie ihm missfallen.

„Warum habt Ihr dann mich erwählt, Eure Frau zu werden, da ich so gar nicht Euren Vorstellungen entspreche?“

„Keine Frau tut das! Abgesehen davon habe ich Euch dies bereits dargelegt. Ihr liebt die Einsiedelei genauso wie ich es tue und Euer Wunsch nach Unvergänglichkeit gab mir die seltene Chance, Euch von einer Verbindung mit mir zu überzeugen.“

„Ach ja, stimmt. Ich vergaß, welch überzeugende Gründe Euch zu einer Ehe mit mir bewogen haben. Keine andere Frau hätte Euren Antrag angenommen. Ihr habt wohl lange nach der Dümmsten unter ihnen suchen müssen, doch ich gratuliere Euch, Ihr habt sie gefunden!“

Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen, als er sich ihr nun zuwandte.

„Das wollte ich damit nicht sagen.“

„Vielleicht. Aber es stimmt. Englands einfältigstes weibliche Wesen hat Euch geheiratet! Soll ich Euch nun mein Beileid aussprechen?“

„Isabel“, murmelte er abwehrend und legte eine Hand auf ihren Oberschenkel, welche sie jedoch vehement abschüttelte.

„Lasst mich nur in Frieden, Euer Gnaden, oder wollt Ihr vertragsbrüchig werden?“

Prinz Hendrick mahlte mit dem Kiefer und lehnte den Kopf zurück.

Am Abend erreichten sie den Landsitz Old Owl Wood, auf dem Isabel wohl nun große Teile ihres restlichen Lebens verbringen würde. Licht drang aus den Fenstern und erhellte die unmittelbare Umgebung. Soweit Isabel erkennen konnte, war es ein riesiges Anwesen in vollkommener Abgeschiedenheit. Ihr Herz schnürte sich zusammen, als ihr bewusst wurde, dass die nächste Ortschaft mindestens eine Stunde entfernt lag. Jene Abgeschiedenheit, welche ihr vertraut war, hatte sich auf eine Distanz zum nächsten Nachbarn von ungefähr zehn Minuten Fußweg beschränkt. Dies hier war etwas ganz anderes. Ein Butler öffnete ihnen die Tür und Prinz Hendrick stellte ihm und dem versammelten Personal seine Frau vor, dann griff er nach ihrem Arm und führte sie in den ersten Stock hinauf, direkt in ihre Gemächer.

„Die Haushälterin soll Euch den Rest zeigen, wenn Ihr Euch frisch gemacht habt. Mich müsst Ihr für das Abendessen entschuldigen.“

Entsetzt blickte sie ihren Mann an, dessen Gesicht wie aus Stein gemeißelt wirkte.

„Euer Gnaden, ich bitte Euch ...“

Während er sich abwandte, hob er die Hand und sie verstummte.

„Ich werde später zu Euch kommen. Wartet jedoch nicht auf mich. Ich weiß nicht, wann ich zurück sein werde.“

„Ihr verlasst das Gut?“

„Es hat Euch nicht zu kümmern.“

„Mylord ...“

Ohne sie noch einmal anzusehen, verließ er den Raum. Sekundenlang stand Isabel den Tränen nahe still. Doch dann drückte sie den Rücken durch und sah sich um. Ihre persönlichen Sachen waren bereits geliefert und ausgepackt worden. Es gab in dieser Fremde also durchaus Dinge, die ihr vertraut waren. Abwartend setzte sie sich auf einen Stuhl. Sicherlich würde die Zofe bald kommen, um ihr aus der Reisekleidung zu helfen. Danach sollte man ihr das Haus zeigen.

Ihr Zimmer lag in vollkommener Stille, als er den Raum betrat. Alles, was er hören konnte, waren ihre leisen Atemzüge, die sich mit seinen angespannten vermischten. Sein Hemd klebte nass auf seinem Rücken, doch er ignorierte es. Er würde es nicht ablegen, nicht einmal in der Dunkelheit, nicht hier bei ihr. Leise trat er zum Bett und beugte sich zu seiner Frau. Mit einer Hand stupste er ihren Oberarm an. Sie brummte im Schlaf und bewegte sich etwas. Nun, er hatte ihr doch versprochen, dass sie ihn so wenig wie möglich bemerken sollte, deswegen öffnete er seine Hose und zog die Decke von ihrem Körper. Das einzige Licht, das die Umgebung ein wenig erhellte, war der Mond. Er tauchte allerdings mehr in Schatten, als er erleuchtete. Zumindest Isabels matt schimmernden Umrisse konnte der Prinz ausmachen. Sie schauderte ein wenig in der plötzlichen Kälte. Vorsichtig legte er sich auf sie und sie riss erschrocken die Augen auf. Als sie ihn erkannte, entspannte sie sich etwas.

„Ihr seid zurück?“ Sie strich mit den Händen über seine Schulterblätter. „Mylord, Ihr seid vollkommen durchnässt!“

Ohne ein Wort fing er ihre Hände ein und hielt sie an den Gelenken über ihrem Kopf fest.

„Sei leise“, befahl er. „Wir werden nicht reden, sondern die Übung pflichtschuldig und schnell absolvieren.“

Resigniert öffnete sie ihm die Beine und er legte sich zurecht. Reglos wartete er ein paar Minuten, bis er sicher war, dass ihn ihr Körper nicht mehr abweisen würde.

Als der Akt vollzogen war, stieg er sofort aus dem Bett und verließ den Raum. Sie hörte, wie er den Schlüssel der Verbindungstür zu seinen Gemächern im Schloss drehte. Nun hatte er sie auch noch räumlich ausgeschlossen. Ein paar Mal atmete sie tief durch, dann wischte sie die Tränen von den Wangen. Sie würde nicht darüber nachdenken – wegen ihm wollte sie nicht weinen. Es war alles vertraglich abgesprochen gewesen und sie hatte genau gewusst, worauf sie sich einlassen würde. Zumindest hatte sie gedacht, sie wüsste es. Nun erschien es ihr, als hätte sie sich schrecklich getäuscht.

Im ersten Licht des neuen Tages hatten ihre Hände eine merkwürdige Farbe angenommen. Als sie diese unter den Wasserhahn hielt, wirkte es, als würde Rost von ihren Handflächen gespült, bevor sie wieder in ihrer gewohnten Hautfarbe schimmerten. Irritiert starrte Isabel auf ihre Hände. Was konnte das gewesen sein? Welchen Gegenstand hatte sie nur angegriffen, der auf sie abgefärbt hatte? Ratlos zuckte sie die Schultern. Vielleicht hatte ein rostiger Schlüssel seine Spuren hinterlassen?

Wenige Stunden später wurde Isabel ein Gast gemeldet. Überrascht eilte sie zu dem Salon, in dem er sie erwartete. Sie kannte den Mann nicht, der sich bei ihrem Eintreten erhob.

„Euer Gnaden“, sagte er mit italienischem Akzent und beugte sich über ihre Hand, „Prinz Hendrick hat mich beauftragt, Euch zu portraitieren.“

Überrascht legte Isabel eine Hand über ihr Herz.

„Sie sind Luca Romano?“

„Ja, Prinzessin.“

„Oh, welch überwältigende Ehre, Sie kennenzulernen!“

Isabel war außer sich vor Freude, doch sie erinnerte sich an ihre Rolle und bot dem Mann einen Platz und Tee an. Während sie über ihre Vorstellungen bezüglich des Bildes sprachen, legte sich ihre Nervosität ein wenig. Danach holte er einen Zeichenblock und Bleistifte und begann, sie zu skizzieren. Sie saß bewegungslos und beobachtete ihn andächtig bei der Arbeit. Irgendwann bat er sie, im Zimmer auf und ab zu gehen, sich zu drehen, ihn über die Schulter hinweg anzusehen.

„Ich muss Euch aus jedem Blickwinkel studieren“, erklärte er und ließ dabei seinen Stift über das Papier sausen.

Als sie für den Tag fertig waren, bemerkte sie, wie anstrengend es war, Modell zu sitzen. Gerade wollte sie ihm ihre Erkenntnis mitteilen, als der Prinz den Raum betrat.

„Maestro, Sie sind eingetroffen!“

„Euer Gnaden, Ihr wisst, dass ich komme, wenn Ihr ruft!“

Der Maler verbeugte sich ehrerbietig vor seinem Auftraggeber.

„Hat meine Haushälterin Ihnen bereits Ihr Zimmer gezeigt?“

„Bisher noch nicht. Prinzessin Isabel ist mir bis jetzt Modell gesessen, deswegen hatten wir für derlei Nebensächlichkeiten keine Zeit.“

Der Prinz lächelte.

„Darf ich einen Blick darauf werfen?“

Isabel saß verlegen auf einem Stuhl, während ihr Mann die Skizzen studierte. Sie meinte, dass er die Zeichnungen genauer betrachtete, als er es bei ihr jemals getan hatte. Niemals hatte er sie so intensiv angesehen wie nun Romanos Studien.

„Überaus gelungen“, meinte er anerkennend und gab dem Künstler den Block zurück.

Als Romano seine Arbeit entgegennahm, berührten seine Hände die des Prinzen. Plötzlich lag eine merkwürdige Spannung in der Luft und Isabel ließ ihren Blick zwischen den beiden Männern hin- und herwandern. Sofort wich der Prinz einen Schritt zurück und drehte sich in ihre Richtung. Er beugte sich zu ihr, hob mit einem Finger ihr Kinn empor und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Überrascht hielt sie still und ließ ihn gewähren. Ihr Puls beschleunigte sich.

„Bitte verzeih, dass ich mich als erstes deinen Abbildern zuwandte. Selbstverständlich sollte meine Aufmerksamkeit vorrangig dir gehören.“

„Ihr habt mich ja nun dafür entschädigt“, murmelte sie verlegen und war einerseits erleichtert als auch ein wenig betrübt, dass er sie wieder freigab. Obwohl sein Blick auf ihr ruhte, war es ihr unmöglich zu erahnen, was er gerade dachte. Isabel erhob sich. Es fühlte sich so an, als wollten die beiden Herren unter sich sein.

„Ich werde mich für das Abendessen umkleiden und bitte darum, mich zu entschuldigen.“

„Natürlich!“

Der Prinz sah ihr nach, als sie den Raum verließ. Als die Tür hinter ihr zugefallen war, drehte er sich zu Romano um, seine Augen blitzten zornig.

„Wage es nie wieder, Luca!“

„Es war keine Absicht, Mylord, Ihr müsst mir glauben!“

Mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte er sein Gegenüber drohend.

„Sie ist meine Frau. Ich möchte nicht, dass sie jemals ...“

Er brach ab, wandte sich um und schritt auf das Fenster zu. Seine Gedanken rasten.

„Ich verlange, dass du das Bild zerstörst“, stieß er unvermittelt aus.

„Welches Bild, Euer Gnaden?“

„Du weißt genau, welches ich meine“, brauste der Prinz auf und fuhr herum. „Verbrenne es, zerschneide es, egal! Ich möchte, dass es nicht länger existiert!“

„Das kann ich nicht.“

Romano senkte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Trotzdem konnte Hendrick die Unbeugsamkeit des Malers allein an der Haltung seines Nackens erkennen.

„Dann bringe es zu mir! Ich werde es vernichten!“

„Niemals! Es ist das wichtigste Bild, das ich in meinem Leben gemalt habe!“

„Verdammt Luca, du hast die königliche Familie auf Leinwand gebannt! Was redest du nur für einen Unsinn!“

Romano sah auf und dem Prinzen direkt in die Augen.

„Es ist für mich persönlich das bedeutsamste Werk meines Schaffens. Ihr wisst weshalb, Mylord. Es gehört mir und Ihr könnt es mir nicht nehmen.“

Mit einer Geschwindigkeit, die Romano dem Prinzen nicht zugetraut hätte, war dieser zu ihm geschossen und packte ihn am Kragen.

„Du wirst es mir aushändigen, verdammt!“

„Niemals! Nur über meine Leiche!“

„Ich verlange ...“

„Ich werde es Eurer Frau zeigen, wenn Ihr mich zwingt, es Euch zu übergeben.“

Als hätte er sich verbrannt, zuckte der Prinz zurück und stieß den Künstler gleichzeitig von sich.

„Das wirst du nicht wagen!“

Herausfordernd zuckte Romano mit den Achseln.

„Niemals hätte ich dir gestatten dürfen, es zu malen“, presste der Prinz hervor.

„Es ist nun aber gemalt und es gehört mir. Wenn Ihr mich dazu zwingen wollt, es Euch auszuhändigen, werde ich es Eurer Frau zeigen. Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, wie sie darauf reagieren würde! Also, vergesst, dass es das Gemälde gibt. Bei mir ist es sicher. Ich habe Euch versprochen, es niemandem zu zeigen und ich halte meine Versprechen.“

Kurz schloss Prinz Hendrick die Augen, fuhr sich mit einer Hand erschöpft über die Stirn.

„Mit Verlaub, Mylord, Ihr blutet ein wenig, da, auf dem rechten Schulterblatt.“

Prinz Hendrick drehte den Kopf und entdeckte, dass der andere Mann recht hatte.

„Verdammt“, schimpfte er und wandte sich der Tür zu, „ich verfluche den Tag, an dem du ...“

Mehr sagte er nicht, sondern stürmte aus dem Salon.

Isabel klopfte an die Verbindungstür und hoffte, dass der Prinz in seinem Zimmer war, doch kein Laut drang zu ihr durch. Gerade, als sie sich abwenden wollte, hörte sie seine Schritte.

„Mylord, bitte, lasst mich herein!“

„Was wollt Ihr von mir?“

„Mit Euch sprechen!“

„Wir haben einander nichts zu sagen.“

Isabel atmete entmutigt aus.

„Ich wollte mich bei Euch bedanken.“

„Wofür?“

„Muss ich das wirklich durch die Tür sagen?“

Sie hörte ihn seufzen, dann näherte er sich ihr und schloss auf. Im nächsten Moment standen sie einander gegenüber. Schüchtern lächelte sie ihn an.

„Dafür, dass Ihr Euer Versprechen so schnell eingelöst habt!“

„Wir haben eine Abmachung, die ich eingehalten habe. Dafür müsst Ihr Euch nicht bedanken.“

„Trotzdem! Ich danke Euch! Signor Romano ist ein außergewöhnlicher Maler!“

„Ich weiß.“

„Wo sind die Gemälde, die er von Euch angefertigt hat?“

„Auf die unterschiedlichen Güter verteilt. Ist das hier eine Gerichtsverhandlung?“

Plötzlich lächelte sie.

„Weshalb seid Ihr nur immer so streng?“

Finster starrte er sie an.

„Wie sonst soll man dieses Leben bewältigen?“, stellte er eine Gegenfrage.

„Mit Lachen natürlich!“

„Ach, deswegen lacht Ihr so häufig! Ich habe mich schon gewundert. Ihr seid tatsächlich die heiterste Person in meinem Bekanntenkreis.“

Der bissige Sarkasmus seiner Worte ließ sie zusammenzucken und als hätte diese Spitze nicht gereicht, presste er noch einen Finger in ihre Wunde.

„Es interessiert mich zwar keinen Deut, doch ich frage mich, was Euch wohl zugestoßen ist. Weshalb zieht Ihr die Einsamkeit auf Old Owl Wood einer Ballsaison vor?“

Erbleichend wich sie einen Schritt zurück, doch er folgte ihr. Drohend ragte er vor ihr auf, einen erbarmungslosen Ausdruck im Gesicht.

„Ich werde es Euch nicht sagen“, erklärte sie mit ruhiger Stimme. „Nicht, wenn es Euch nicht interessiert.“

Schnell griff sie nach der Türklinke und machte die Tür vor seiner Nase zu.

„Sperrt sie nur ruhig wieder ab, Mylord!“, rief sie ihm noch zu, dann wirbelte sie herum und ließ sich auf ihr Bett fallen.

Sie verbot es sich zu weinen. Stattdessen griff sie nach dem Teller Pralinen, das auf ihrem Nachtkästchen stand.

„Wie oft haben Sie meinen Mann bereits porträtiert?“, wollte Isabel beim Abendessen wissen und lächelte Romano auffordernd an.

„Unzählige Male!“

Bildete sie es sich nur ein, oder erstarrte der Prinz unmerklich? Isabel verengte nachdenklich die Augen.

„Welches dieser Gemälde empfindet Ihr selbst als das beste?“

Unwillkürlich flog Romanos Blick zu dem Prinzen, dessen Augen unübersehbar drohend funkelten.

„Es handelt sich um eine Ganzkörperstudie“, erwiderte Romano und Isabel bemerkte, wie sich die Finger ihres Mannes um den Griff des Messers verkrampften.

„Das klingt interessant! Kann ich sie auch einmal sehen?“

„Das obliegt nicht meiner Entscheidung. Fragt Euren Mann, er weiß, wo sie hängt.“

„Hendrick?“, fragte sie und sah ihn neugierig an. „Zeigt Ihr es mir? Wo befindet sich das Gemälde?“

„Mir persönlich gefällt es nicht sonderlich“, erwiderte der Prinz und sie konnte Wut in seiner Stimme schwingen hören. Weshalb nur? „Abgesehen davon liegt es irgendwo auf einem Dachboden und ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, auf welchem.“

„Darf ich danach suchen?“

Prinz Hendrick zuckte mit den Achseln, während seine Augen Romano aufzuspießen schienen. Ein leichtes Lächeln kräuselte des Künstlers Mund, bevor er ihn mit einer Serviette abtupfte.

„Es muss überaus befriedigend sein, mit dem eigenen Talent solch ausdrucksstarke Bilder zu erschaffen“, seufzte Isabel. „Gibt es irgendetwas auf dieser Welt, was schöner ist?“

Wieder schweifte Romanos Blick in Richtung des Prinzen ab. Dieser konzentrierte sich augenscheinlich aber mittlerweile auf sein Essen.

„Nun, Ihr seid mit Prinz Hendrick verheiratet. Sagt Ihr es mir!“

Angesichts dieser kühnen Rede lief Isabel rot an, während ihr Gemahl den Bissen, den er sich gerade in den Mund stecken wollte, sinken ließ.

„Verzeihung?“, fragte er peinlich berührt.

Romano lachte auf.

„Ich bin überrascht, Euer Gnaden, dass Eure Braut … nein, ich bin nicht überrascht. Euer Leumund erklärt natürlich alles.“ Er drehte sich zu Isabel. „Bitte verzeiht. Natürlich könnt Ihr nicht wissen, dass es auf dieser Welt durchaus schönere Dinge gibt, als Bilder zu malen. Wie zum Beispiel in der Betrachtung der Vorlage meiner Kunst, also der Natur, zu versinken. Ich muss Euch gestehen, dass es manchmal überaus quälend ist, die schönsten Menschen der Welt auf Leinwand zu bannen, sie genau zu studieren, jeden Schwung, jedes Muttermal, jede Eigenart bis ins kleinste Detail zu betrachten, um dann sein Herz an diese Winzigkeiten zu verlieren und zu wissen, niemals erhört zu werden.“

„Oh“, murmelte Isabel mitfühlend. „Das klingt tatsächlich schrecklich! Ist es Ihnen schon des Öfteren geschehen?“

„Ja, doch bei einer Person war es besonders schlimm. Ich werde diese niemals vergessen können.“

Als sich Prinz Hendrick mit einem Ruck erhob, kippte sein Stuhl nach hinten zurück und landete mit einem lauten Krachen auf dem Boden. Isabel zuckte erschrocken zusammen und sah fragend zu ihrem Mann auf.

„Ich hebe hiermit die Tafel auf“, erklärte er.

„Aber ich bin doch noch gar nicht ...“

„Ihr kommt mit mir, Prinzessin!“

„Mylord! Das ist schrecklich unhöflich!“

„Unser Gast wird damit zurechtkommen!“

„Er hat die königliche Familie ...“

Der Prinz ging ungeduldig um den Tisch herum und griff nach ihrem Oberarm. Schnell hatte er sie in die Höhe gezogen.

„Bitte entschuldigen Sie“, rief sie in die Richtung Romanos, während ihr Mann sie aus dem Raum zerrte.

„Seht Ihr nun, was Ihr angerichtet habt?“, fragte der Prinz erzürnt.

„Ich? Aber was habe ich denn ...“

„Ihr redet zu viel!“

„Ich habe doch nur höflich Konversation betrieben!“

Mittlerweile hatten sie die Treppe erreicht und er lockerte den Griff ein wenig. Trotzdem hielt er nicht an.

„Abgesehen davon erscheint Euch nichts auf der Welt wichtiger zu sein, als von diesem Filou gemalt zu werden!“

Entrüstet versuchte sie, sich ihm zu entwinden. „Wie könnt Ihr ihn nur einen Filou nennen? Das ist doch wirklich unerhört!“

„Ihr verteidigt ihn, als würde er Euch etwas bedeuten.“

Wütend stieß er die Tür zu ihrem Zimmer auf und schob sie in Richtung Bett, während er die Tür mit dem Fuß zustieß.

„Immerhin ist er einer der bedeutendsten Maler unserer Zeit!“

„Meine Liebe, Ihr könnt mir eines glauben: Wäret Ihr nicht so versessen darauf gewesen, von ihm auf Leinwand gebannt zu werden, hätte er niemals wieder mein Haus betreten. Der Mann ist ein Lügner. Niemals dürft Ihr auch nur ein Wort von dem glauben, was er sagt!“

Tränen traten in ihre Augen, während sie verzweifelt versuchte, seine Worte zu verstehen.

„Warum nur? Ich dachte, er wäre Euer Freund!“

Bei ihrem letzten Wort fuhr er zusammen, als hätte sie ihm einen Schlag verpasst.

„Mein Freund! Isabel, ich warne Euch, solche Worte jemals auszusprechen!“

„Euer Gnaden, ich wollte wirklich nicht ...“

Er schoss auf sie zu, packte sie und bohrte seine Augen in die ihren.

„Ich habe keine Freunde! Könnt Ihr Euch das bitte merken? Kein Mensch ist mein Freund! Niemals mehr will ich Euch so eine infame Lüge aussprechen hören!“

Verwirrt versuchte sie zu erfassen, was er ihr mitteilen wollte. Sie blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen.

„Keinen Freund?“, wiederholte sie mitfühlend. „Mylord, ich dachte, Ihr ...“

„Verdammt, Isabel, kannst du es denn nicht verstehen?“, schrie er außer sich vor Zorn und sie stand wie betäubt vor ihm.

„Nein, ich kann es nicht. Warum ...“

Er gab sie frei und wandte sich ab.

„Isabel, bitte, sei einfach still! Halte deinen kleinen, dummen Mund und schweige! Ich bin mir noch nicht sicher, ob du erschreckend naiv oder schauerlich einfältig bist. Doch bis ich das herausgefunden habe, bitte ich dich zu schweigen.“

Seine Worte trafen sie schwer und sie ballte die Hände zu Fäusten.

„Wer hat Euch das Recht gegeben, so mit mir zu sprechen“, flüsterte sie mit brechender Stimme.

„Ihr selbst wart es, nicht wahr?“

Der Blick, mit dem er sie musterte, war eiskalt und sie erzitterte. Nun konnte sie die Tränen nicht mehr halten und sie drehte sich hastig von ihm fort, während sie eine Hand vor ihre Augen hob.

„Weshalb weint Ihr?“, fragte er, wieder ruhiger.

„Ich weine nicht“, stritt sie seinen Verdacht ab.

„Haltet Ihr mich für so dumm? Ich kann es mit meinen eigenen Augen sehen!“

Verzweifelt versuchte sie, sich unter Kontrolle zu bringen.

„Ich weine, weil Ihr mir wehgetan habt!“

„Wie soll das möglich sein? Ich habe Euch nicht berührt!“

„Wer da unbedarft ist“, fauchte sie und schüttelte ärgerlich den Kopf.

„Ich fordere eine Erklärung. Auf der Stelle!“

Zornig drehte sie sich zu ihm.

„Ich will aber nichts erklären! Gar nichts! Wenn mir nach weinen zumute ist, darf ich weinen so viel und ausgiebig ich will und es hat Euch nicht zu interessieren. Wir haben vertraglich festgelegt, dass ...“

„Schon gut. Es interessiert mich ohnehin nicht.“

Er wandte sich zur Verbindungstür.

„Ich werde noch einen Schlummertrunk nehmen und Euch danach in Eurem Bett aufsuchen.“

„Oh, wie wunderbar! Welch großartige Aussichten! Was Romano wohl mit seiner Aussage gemeint hat?“

Sie wusste, es war unklug, ihn zu reizen, doch sie konnte einfach nicht aufhören zu sticheln. Eine Spitze musste ihn getroffen haben, denn er richtete sich kerzengerade auf. Allerdings drehte er sich nicht zu ihr um.

„Er meinte sicherlich den Akt zwischen Männern.“

„Wie bitte?“ Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.

Sein Lachen war hart, während er die Tür öffnete.

„Ja, Ihr habt richtig verstanden. Wie der wohl aussieht, könnt Ihr Euch in Eurer Phantasie zusammenreimen. Viel Spaß!“

Mit seinen abstoßenden Worten hatte er ein Gedankenkarussel in ihrem Kopf in Gang gesetzt. Je mehr sie darüber nachdachte, auf welche Art sich wohl zwei Männer berühren würden, desto übler wurde ihr. Es war wider die Natur, geradezu eklig! Unzweifelhaft hatte ihr Mann bereits … Sie schluckte angewidert. Nein, das konnte nicht sein, das wäre wirklich zu viel des Guten! Aber, wenn er Männer liebte, dann … Nein! Er durfte sie nicht mehr berühren! Was, wenn er mit seinen Händen bereits einen oder mehrere andere Männer gestreichelt hatte? Was, wenn er … Plötzlich fühlte sie sich schmutzig. Mit der Sünde, die er auf sich geladen hatte, beschmutzte er auch sie, eine Unschuldige! Oh, hätte sie sich doch niemals auf diese Ehe eingelassen! Hätte sie doch nur …

„Wie ich sehe, hast du dich keinen Zentimeter bewegt. Haben dich meine Worte erschüttert, oder die unweigerlich darauffolgenden Gedankenbilder?“

Der Prinz stand direkt hinter ihr und sie zuckte beim Klang seiner Stimme erschrocken zusammen. Sie musste wirklich wie weggetreten gewesen sein, da sie ihn nicht zurückkehren gehört hatte. Erschüttert hob sie ihm ihr Antlitz entgegen.

„Wie viele Männer habt Ihr schon ...“, sie brach ab, konnte nicht weitersprechen.

Seine Augen ruhten auf ihr, irgendetwas schimmerte darin, was sie nicht entschlüsseln konnte.

„Viele. Ich habe nicht mitgezählt.“

Sie schluchzte auf und als sie sich von ihm abwandte und auf das Bett warf, sich zusammenrollte und leise weinte, bekam er Mitleid mit ihr.

„Pst, Isabel, nicht weinen! Das war nicht ernst gemeint. Ich wollte dich nur … ach, was weiß ich. Keinen. Ich habe noch nie ...“

Er setzte sich an den Bettrand und strich mit einer Hand vorsichtig über ihren Kopf. „Hast du mich gehört? Ich habe gesagt ...“

Schniefend drehte sie ihr Haupt in seine Richtung und studierte ängstlich seine Züge.

„Ist das wahr?“

„Ja. Ich habe nur einmal in meinem Leben einen Mann geliebt. Aber ich habe niemals ...“

„Wie ist es, einen Mann zu lieben?“, fragte sie leise, woraufhin er wehmütig lächelte.

„Wie ist es, eine Schwester zu lieben. Weißt du es?“, antwortete er mit einer Gegenfrage.

„Ihr habt ihn wie einen Bruder geliebt?“

Der Prinz nickte, sein Blick glitt davon, schweifte ab in weite Ferne. In eine Vergangenheit, die nur er kannte.

„Aber wieso ...“

Er schluckte hart und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie.

„Genug der Fragen“, erklärte er, „schreiten wir zur Tat!“

Im nächsten Augenblick schaltete er das Licht aus.

Das Geheimnis des Prinzen

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