Читать книгу Das Geheimnis des Prinzen - Junia Swan - Страница 8
Оглавление2. Kapitel
Ihr Vater war äußerst verwundert, vom Prinzen um ein Gespräch gebeten zu werden. Allerdings hatte er seine Tochter mit dem Mann tanzen sehen und er war nicht dumm, seine Schlüsse daraus zu ziehen. Er zitierte Isabel zu sich, die jedoch darauf bestand zu schweigen und ihn drängte, den Prinzen zu empfangen. Deswegen saß er wenige Tage später einem Mann gegenüber, den er aus tiefstem Herzen verabscheute und den er niemals freiwillig in seinem Haus empfangen hätte. Als der Prinz sein Anliegen vorbrachte, fühlte der Earl, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog, es brannte geradezu in seiner Brust. Durch seine vorangegangenen Gedankenspiele war er in gewisser Weise vorgewarnt und diese hatten ihm möglicherweise das Leben gerettet. Innerlich bebend ließ er nach seiner Tochter schicken, die schüchtern das Arbeitszimmer betrat. Bei ihrem Eintreten erhob sich der Prinz und sie knickste, während er sich über ihre Hand beugte. Fragend, als wäre er unsicher, ob sie ihre Meinung geändert hatte, sah er sie an. Sie wagte ein beruhigendes Lächeln und drehte sich zu ihrem Vater.
„Vater, Ihr habt mich rufen lassen?“
„Setze dich“, sagte er unwirsch und sie sank auf einen Stuhl. „Ich nehme an, es ist dir bekannt, weshalb Prinz Hendrick um dieses Treffen bat.“
„Ja.“ Sie nickte. „Ich habe ihm meine Einwilligung diesbezüglich gegeben.“ Sie beugte sich etwas vor, um den Earl eindringlich zu betrachten. „Es ist mein Wunsch, Prinz Hendrick zu ehelichen und ich bitte um Eure Erlaubnis!“
Betroffen und beinahe außer sich vor Verzweiflung ließ sich ihr Vater auf den Stuhl zurücksinken.
„Aber Kind“, entgegnete er flehentlich, „du weißt nicht, was du tust! Prinz Hendrick, verzeiht meine Worte, doch ich muss sie gegenüber meiner Tochter ansprechen! Wenn du diesen Mann heiratest, stellst du dich an den Rand der Gesellschaft.“
Gleichgültig zuckte Isabel mit den Achseln. „Vater, die Gesellschaft interessiert mich nicht. Mir ist egal, was die Leute sprechen. Ich denke, der Prinz und ich passen gut zusammen. Wir fanden so manche Gemeinsamkeit.“
Nun warf sie einen schnellen Blick in Hendricks Richtung. Überrascht hatte dieser eine Augenbraue gelüpft, seine Haltung ein wenig an Spannung verloren. Als er sah, dass sie sich ihm zuwandte, lächelte er ihr aufmunternd zu.
„Ich sehe schon“, stöhnte der Earl hinter seinem Schreibtisch und fuhr sich mit einer Hand über die Augen, „Worte können hier nichts mehr ausrichten. Deine Mutter wird ...“
Er brach ab, als ihm bewusst wurde, wie unhöflich seine Einwände waren.
„Mylord, ich verspreche, Eure Tochter zu ehren. Ihr wird es an nichts fehlen.“
Der Earl wedelte verneinend mit einer Hand, unfähig auszusprechen, was ihm durch den Kopf ging.
„Isabel, bist du dir sicher?“
„Ja, Vater. Ich denke, ein jeder von uns wird seinen Nutzen aus dieser Verbindung ziehen können.“
„Euer Gnaden?“ Auffordernd sah der Earl seinen Gast an, dieser richtete sich sofort gerade auf und räusperte sich.
„Natürlich. Ich verzichte auf eine Mitgift. Im Gegenzug werde ich Lady Isabel ein kleines Gut an der englischen Küste schenken. Es soll ihr allein gehören und als Absicherung dienen.“
Überrascht blickten ihn nun Vater und Tochter an.
„Das kann unmöglich ...“, murmelte der Earl.
„Ich kenne meinen Ruf“, erwiderte der Prinz ungerührt. „Lady Isabel hilft mir. Dank ihr, Eure Zustimmung vorausgesetzt, werde ich mein Erbe nicht an meinen jüngeren Bruder verlieren, der mich über alle Maßen hasst. Ich bin Eurer Familie zu Dank verpflichtet, solltet Ihr meiner Bitte stattgeben.“
Isabel konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden. Sie nahm seine beeindruckende Erscheinung in sich auf, ließ ihre Augen über seine maskulinen Gesichtszüge gleiten. Alles nur Fassade, dachte sie in diesem Moment, nicht eine Sekunde hat er mir einen Blick auf sein wahres Wesen gestattet. Für ihn war dieses Arrangement ein Geschäft. Seine Möglichkeit, seine Stellung zu wahren, sein Erbe zu erhalten. Sie war nur Mittel zum Zweck. Unbehagen stieg in ihr auf und sie bereute für eine Sekunde, sich darauf eingelassen zu haben.
„Gut, wenn es in deinem Sinne ist, Isabel, werde ich den Antrag annehmen.“
Sie wandte ihr Antlitz in Richtung ihres Vaters, dann nickte sie.
„Ja, Vater. Ich möchte Prinz Hendrick heiraten.“
Der Earl nickte und deutete auf die Tür.
„Du kannst gehen. Der Prinz und ich werden die Einzelheiten besprechen, die Verträge aufsetzen und den Hochzeitstermin festlegen.“
Isabel knickste vor Hendrick und verließ den Raum. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, legte sie ihre Hände auf ihr wild pochendes Herz. Nun stand es also fest, sie würde Prinz Hendrick heiraten. Einen Mann, der vermutlich niemals an ihrer Person Interesse haben würde.
Wie es sich für einen vorbildlichen Verlobten gehörte, besuchte der Prinz sie mehrmals die Woche, meistens für eine knappe Stunde. Er schickte ihr Geschenke und Blumen. Den Aufschrei der Gesellschaft, den die Nachricht ihrer Verlobung auslöste, ignorierte er mit stoischer Miene. Auch die kalten Blicke seines Vaters, der sich innerlich schon darauf vorbereitet hatte, das Herzogtum an seinen mittleren Sohn zu überschreiben, versuchte er nicht an sich heranzulassen.
Isabel vermied Empfänge tunlichst, vor den mitleidigen und gehässigen Blicken floh sie aufs Land.
Als sie zwei Monate später vor der Kirche darauf wartete, von ihrem Vater ins Innere geführt zu werden, meinte sie, den Prinzen nicht besser zu kennen als an jenem Tag ihrer ersten Begegnung. Das Spiel der Orgel setzte ein und sie ging am Arm des Earls den Mittelgang entlang bis hin zum Altar, vor dem der Prinz sie bereits erwartete. Er lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte diese Geste ein wenig eingeschüchtert von der eleganten Uniform, die er trug. Wenn sie nicht wüsste, wessen er sich schuldig gemacht hatte, hätte sie gemeint, den bestaussehendsten Mann ganz Englands vor sich zu haben. Selbst der Thronfolger würde neben ihm verblassen. Sein dunkelbraunes Haar war akkurat geschnitten und sorgfältig gekämmt. Das Grünblau seiner Augen wurde durch die Farben der Uniform verstärkt und diese verliehen ihnen ein Leben, das sie bis dahin in ihnen noch nicht entdeckt hatte. Er reichte ihr die Hand und sie ergriff diese und ließ sich von ihm die wenigen Schritte vor den Pfarrer führen.
„Ihr seid eine Augenweide“, flüsterte er ihr zu und Isabel war dankbar für dieses Kompliment, egal, ob er es ernst meinte oder nicht.
Bei keiner anderen Gelegenheit hatte er sich zu ihrem Aussehen geäußert. Ehrlicherweise hatte sich Isabel manchmal gefragt, ob er sie jemals als Frau wahrgenommen hatte. Konnte ein Mann mit seiner Veranlagung überhaupt die Schönheit einer Frau erkennen? War sie überhaupt schön zu nennen? In ihre Gedanken versunken, verging die Trauung wie im Nu, dank des Prinzen umsichtiger Führung verpasste sie keine der Stellen, zu denen sie etwas sagen musste. Ohne Panne war sie ihm eine knappe Stunde später bereits angetraut und als Mann und Frau (bis dass der Tod euch scheidet) strebten sie dem Kirchenausgang entgegen. Nervös umklammerte sie seinen Unterarm fester, doch er reagierte nicht darauf. Erst als sie vor der Kirche hielten, um die Glückwünsche entgegenzunehmen, legte er beruhigend eine Hand über die ihre.
„Wir haben es bald geschafft“, raunte er ihr zu. „Nur mehr das Essen und den Tanz müssen wir überstehen, dann können wir uns zurückziehen.“
Isabel nickte und wandte sich den ersten Gratulanten zu. An das gezwungene Lächeln, mit dem sie seit ihrer Verlobung mit Prinz Hendrick bedacht wurde, hatte sich Isabel schon fast gewöhnt. Doch es war schwer, sich den Kummer über die Reaktionen ihrer Familien nicht anmerken zu lassen. Ihre Mutter sprach nur das Nötigste mit ihr, der Vater war distanziert. Dem Duke konnte sie an dem Zucken seines Mundes anmerken, dass er diese Verbindung nicht guthieß und ihre künftige Schwiegermutter blickte ohnehin durch sie hindurch und war schweigsam, wie man es von ihr gewohnt war. Ihr Schwager Leonard sah sie von oben herab mit einem spöttischen Lächeln an, das seine Augen jedoch nicht erreichte. Einzig Daniel lächelte, als würde er sich über die Vermählung freuen.
Während der Fahrt in dem Automobil war sie seit jenem Tag in der Galerie das erste Mal mit ihm allein. Er saß mit Abstand neben ihr und blickte zum Fenster hinaus. Sein Schweigen war bedrückend und Isabel ballte ihre Hände zur Fäusten. Würde er niemals mit ihr sprechen, wenn es sich vermeiden ließ?
„Ich hoffe, du nimmst dir ihr Verhalten nicht allzu sehr zu Herzen“, sagte er plötzlich in die Stille hinein und die junge Braut zuckte zusammen.
„Nein“, erwiderte sie leise, „ich habe mich mittlerweile beinahe daran gewöhnt.“
„Ich bedaure es sehr, dich in diese Sache mit hineingezogen zu haben.“
„Bevor Ihr es getan habt, habt Ihr mich danach gefragt. Ich habe mich also hineinziehen lassen. Macht Euch keine Gedanken.“
Er warf ihr einen überraschten Seitenblick zu.
„Trotzdem. Ich ahne, dass junge Frauen von etwas anderem träumen, als es Euch nun widerfährt.“
„Wie gesagt, es widerfährt mir nicht. Ich habe mich dafür entschieden.“
Er hob eine Hand, als wollte er sie damit berühren, ließ diese jedoch wieder fallen und wandte sich ab. Isabels Herz zog sich zusammen.
„Wollt Ihr mir davon erzählen, was damals passiert ist?“, fragte sie plötzlich.
Überrascht fuhr er zu ihr herum. Dann lachte er bitter auf.
„Sicher nicht“, erwiderte er. „Fragt niemals wieder danach!“
„Aber Ihr seid mein Ehemann, es darf keine Geheimnisse mehr zwischen uns ...“
„Ich sagte, dass Ihr niemals mehr auf diese Sache zu sprechen kommen sollt! In keiner Stelle unseres Vertrages wurde vereinbart, dass wir keine Geheimnisse voreinander haben dürfen. Ich habe meine und Ihr habt Eure, wenn es denn in Eurem Fall welche gibt. Damit wäre in diesem Zusammenhang alles gesagt.“
Ihre Augen verengten sich, als sie ihn musterte.
„Heißt das, Ihr habt auch aktuelle Geheimnisse vor mir? Nicht nur lange zurückliegende?“
„Oh“, entgegnete er ein wenig arrogant, „ich habe sie nicht mit Datum versehen.“
Isabel blinzelte ob seines Spottes und wandte sich von ihm ab. Jede Freude daran, mit ihm zu sprechen, war ihr vergangen. Zeugte dieses Gespräch von ihrer Zukunft? Würde alles, was sie mit dem Prinzen besprechen würde, auf diese Art verlaufen? Innerlich schauderte sie. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Während der Feier verhielt er sich überaus korrekt ihr gegenüber, äußerst zuvorkommend und höflich, doch die fehlende Zuneigung in seinen Handlungen empfand sie schmerzhaft. Aber nicht nur das: Die Hochzeitsgäste taten ihr Bestes, um sie ihre Ablehnung spüren zu lassen.
Eine ihrer Cousinen trat zu Isabel, als sie allein etwas abseitsstand und musterte sie mit herausforderndem Blick.
„Nicht um viel Geld hätte ich Prinz Hendrick geheiratet!“
Sie sagte es nicht sonderlich leise und Isabel konnte an den Reaktionen der Umstehenden erkennen, dass man diese beleidigenden Worte vernommen hatte. Würdevoll straffte sie die Schultern und hob das Kinn.
„Dann haben wir etwas gemeinsam: Ich nämlich auch nicht!“
Damit drehte sie sich um, wollte diesen Ort verlassen, doch prallte sie gegen eine breite Brust, die ihr bereits vertraut war. Zögernd hob sie den Kopf zu ihrem Mann. Nichts an seiner Miene verriet, ob er den Wortwechsel verfolgt hatte. Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln, das seine Augen jedoch nicht erreichte und bat sie um den nächsten Tanz. Dann führte er sie auf die Tanzfläche und hob ihr Kinn, blickte ihr intensiv in die Augen, nur um sich im nächsten Moment abzuwenden und sie in eine Drehung zu führen. Woher sollte sie auch wissen, dass er von ihrer Aussage perplex war, denn sie war fast so etwas wie eine Verteidigung seiner Person gewesen. Seit jenem Tag, als das mit Ron passiert war, hatte niemand mehr für ihn Partei ergriffen.
Seine Steifheit wie auch die Spannung, welche in der Luft lag, strengten Isabel zunehmend an und sie war froh, als er vorschlug sich zurückzuziehen. Nebeneinander stiegen sie die breite Treppe in den ersten Stock hinauf. Der Prinz berührte sie nicht, im Gegenteil, er ging in der oberen Etage einige Schritte vor ihr, um ihr den Weg zu zeigen. Nichts an seiner Haltung ließ erahnen, was in bewegte. Endlich hielt er vor einer Tür an und öffnete sie.
„Das sind unsere Gemächer für diese Nacht. Morgen reisen wir auf mein Landgut ab.“
Hinter ihr trat er ein und schloss die Tür.
„Euer Schlafgemach“, erklärte er und deutete dann auf eine angrenzende Tür: „Meine Räumlichkeiten.“
Isabel sah sich um. Obwohl sie von zu Hause Reichtum gewohnt war, stellte die Einrichtung dieses Zimmers alles bisher Gesehene in den Schatten. In jedem erlesenen Wandbehang konnte man die hohe Stellung des Hauses St. Ives ausmachen. Prinz Hendrick deutete auf eine Sitzgruppe und Isabel setzte sich folgsam.
„Was wollt Ihr nun machen?“, fragte er schließlich. Er lehnte sich neben einem Fenster an die Wand, die Arme vor der Brust gekreuzt. „Sticken?“
Isabel fühlte sich in seiner Gegenwart zunehmend beklommen.
„Nein, danke.“
„Stricken?“
„Nein, auch nicht stricken.“
Unruhig fuhr sie mit der Fingerspitze über den feinen Stoff des Sofas.
„Darf ich Euch etwas zu trinken anbieten?“
Er stieß sich ab, schlenderte zu einer Anrichte und schenkte eine hellbraun schimmernde Flüssigkeit in ein Glas.
„Gerne. Was trinkt Ihr da?“
„Whiskey. Habt Ihr schon einmal davon probiert?“
„Nein.“
Mit Schwung goss er einen großzügigen Schluck in ein zweites Glas und reichte es ihr.
„Es ist das richtige Getränk für einen Abend wie diesen“, meinte er und beobachtete sie dabei, wie sie daran schnupperte. Unsicher blickte sie ihn an.
„Na los!“, forderte er sie auf und nahm selbst einen langen Schluck.
Ihren Mut zusammennehmend tat sie es ihm gleich und kippte die Flüssigkeit in ihren Mund. Sie schluckte und begann zu husten.
„Bäh!“, rief sie angeekelt aus. „Schmeckt das widerlich!“
„Bäh?“, wiederholte er und seine Mundwinkel zuckten amüsiert. „Das ist wohl kaum die richtige Reaktion. Dies ist kein Ausruf einer Kennerin!“
„Das ist mir herzlich egal!“, keuchte sie und stellte das Glas auf den Tisch, während sie hoffte, dass das Brennen in ihrer Kehle bald nachließ. Sie hustete würgend, eine Hand an ihren Hals gelegt. „Wie könnt Ihr so etwas nur zu Euch nehmen?“
Er ließ sich mit seinem Glas in der Hand ihr gegenüber auf einen Armsessel nieder.
„Soll ich Euch einen Tee bringen lassen?“
„Nein, vielen Dank. Ehrlich gesagt würde ich gerne ...“
„Ja?“
Isabel errötete und blickte auf den Boden vor sich.
„Wollen wir es nicht hinter uns bringen?“, stieß sie schließlich hektisch hervor und wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.
„Jetzt schon?“, entfuhr es ihm überrascht. „So schnell?“
Verlegen nestelte sie an einer Borte ihres Kleides.
„Es bringt gar nichts, wenn wir es aufschieben“, meinte sie schlicht.
„Trotzdem.“ Mit einem Zug trank er das restliche Glas leer und stellte es auf den Tisch. „Wir haben die ganze Nacht Zeit.“
Isabel biss sich auf die Unterlippe.
„Ich bin sehr nervös“, gestand sie und sprang auf, als könnte sie nichts mehr auf dem Sitz halten. Seine Augen ruhten auf ihr, während sie auf und ab schritt.
„Könnten wir es nicht schnell hinter uns bringen und danach vielleicht noch etwas Karten spielen oder tun, was Spaß macht?“
Nun öffnete er überrumpelt den Mund, nur um ihn wieder zu schließen. Dann schluckte er.
„Es tut mir leid, ich habe keine Karten eingesteckt. Ich hätte nicht gedacht, dass Euch heute der Sinn danach stehen würde.“
„Oh“, murmelte sie enttäuscht und hielt in ihrer Wanderung inne. „Aber irgendetwas muss es doch geben, worauf wir uns freuen können! Irgendeine Belohnung!“
Um ihr sein Unbehagen nicht zu zeigen, erhob er sich und trat ans Fenster.
„Ich könnte Pralinen bestellen. Man sagt, diese würden in Frauen Glücksgefühle auslösen.“
„Ehrlich?“
Der Prinz nickte.
„Gut, dann bitte ich Euch, Pralinen zu ordern. Und nicht zu wenige!“
Augenblicklich zog der Prinz am Glockenstrang und nur kurze Zeit später öffnete sich die Tür und ein Diener trat ein. Bald darauf war er schon wieder verschwunden, um den Wunsch seines Herren zu erfüllen.
„Was muss ich tun?“, fragte sie plötzlich in die darauffolgende Stille hinein.
„Wie meinen?“ Ratlos sah er sie an. Eine ihrer dunklen Locken hatte sich aus der Frisur gelöst und hing bis zum Ansatz ihrer Brüste hinab.
„Was kann ich tun, um Euch die Sache zu erleichtern?“
Fassungslos musterte er sie. „Das fragt Ihr mich?“
Verwirrt zuckte sie mit den Schultern. „Nun ja, ich dachte, da Ihr sonst ja … ich meine, ich … möchte Euch helfen. Immerhin müsst Ihr gewisse Voraussetzungen erfüllen, damit wir ...“
„Ihr wisst aber genau Bescheid!“, stellte er zu ihrer Überraschung amüsiert fest.
„Meine Mutter hat mich ein wenig aufgeklärt“, gestand Isabel und sah an ihm vorbei. „Sie meinte, es wäre Euch unmöglich ...“
Schnell hob der Prinz einen Arm. „Ich bitte Euch, erspart mir den traurigen Rest! Aber Eure Rücksichtnahme ist überaus freundlich und reizend. Ihr könntet mir tatsächlich einen Gefallen tun. Würdet Ihr dieses Kleid gegen ein Nachthemd tauschen?“
Errötend nickte sie. „Natürlich, wenn es hilft.“
In dem Moment klopfte es und der Diener brachte die Pralinen, welche er vorsichtig auf den Tisch stellte. Als er gegangen war, merkte der Prinz an: „Unsere Belohnung. Welch überaus vorausschauende Idee!“
Aus seinem Lächeln wurde sie nicht schlau.
„Kommt zu mir“, forderte er sie auf und streckte ihr einen Arm entgegen. „Ich helfe Euch mit dem Kleid.“
Folgsam trat sie auf ihn zu und als sie ihm den Rücken zuwandte, hielt sie die Luft an. Die Berührung seiner Hände auf ihrer nackten Haut, während er die Schnürung öffnete, erschreckte sie. Niemand, außer ihrer Zofe, war ihr in den letzten Jahren so nahegekommen. Seine Fingerspitze folgte einer Linie und sie wusste augenblicklich, was er entdeckt hatte. Doch er sagte dazu nichts, fragte nicht, sondern trat zurück. Sie hielt das Kleid vor ihrer Brust zusammen.
„Danke!“ Ihre Stimme hatte an Sicherheit verloren. Er wandte sich schnell ab.
„Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen. In ungefähr fünfzehn Minuten komme ich zu Euch.“
„In Ordnung.“
„Ich warne Euch, Prinzessin“, hörte sie ihn noch sagen und meinte einen erheiterten Unterton in seinen Worten mitschwingen zu hören, „lasst noch ein paar Pralinen für nachher übrig!“
So schnell sie konnte, schlüpfte sie in das Nachthemd, welches ihre Mutter eigens für diesen Abend hatte anfertigen lassen. Wie Isabel nun feststellte, war es fast durchsichtig. Unbehaglich verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und wanderte angespannt auf und ab. Irgendwann schaltete sie die Nachttischlampe ein und das restliche Licht aus. Das war schon besser, meinte sie und fuhr herum, als sich die Tür öffnete und der Prinz eintrat. Er hatte sich nicht entkleidet, nur die Uniformjacke abgelegt. Sein Blick streifte ihre Gestalt für einige Augenblicke, dann wandte er den Kopf wieder ab. Sie musste ihm wirklich zuwider sein.
„Soll ich mich hinlegen?“, fragte sie schüchtern.
„Nein, warte noch einen Moment. Komm näher zu mir!“
Zögernd trat sie auf ihn zu. Nun kehrte seine Aufmerksamkeit zu ihr zurück. Diesmal betrachtete er sie eingehender.
„Ich muss mir deine Größe ungefähr einprägen. Es wird schwierig genug, dich in der Dunkelheit zu finden.“
Isabel errötete und senkte den Kopf.
„Gut. Ich denke, das dürfte reichen.“
Wieder wandte er sich ab und entfernte sich von ihr, dabei fiel sein Blick auf die Pralinen.
„Sie sind noch alle da“, stellte er fest und Isabel nickte.
„Ich habe keinen Hunger.“
Als wäre ihre Antwort überaus geistreich, nickte er sinnend und fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar, während er das Konfekt betrachtete. Er machte sie noch nervöser, als sie es bereits war.
„Gut, du kannst dich hinlegen“, sagte er und sie eilte zum Bett, setzte sich darauf, doch sie brachte es nicht über sich, sich zurückzulehnen.
„Soll ich das Licht löschen?“
„Bitte.“
Sie streckte die Hand aus und knipste die Lampe aus. Im nächsten Moment war es stockdunkel. Angespannt lauschte sie in die Stille. Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah.
„Euer Gnaden, seid Ihr noch hier?“, wollte sie nach einer Weile vollkommener Regungslosigkeit wissen.
„Ja.“
Endlich setzte er sich in Bewegung, sie konnte es an seinen Schritten hören. Plötzlich polterte es. Es folgten ein Aufprall und ein unterdrückter Fluch. Schnell tastete sie in der Dunkelheit nach der Lampe und knipste sie erneut an. Der Prinz lag auf dem Boden, irgendwie schien er sich in ihrem Brautkleid verfangen zu haben, gegen das er nun ankämpfte. Isabel konnte sich nicht helfen, doch sie musste bei diesem Anblick herzhaft lachen.
„Mylord!“, kicherte sie. „Ihr hättet doch einfach sagen können, dass Ihr mein Brautkleid anprobieren wollt!“
Kurz hielt er in seinem Kampf inne und seine Augen richteten sich auf sie. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie Hass darin aufflackern sehen. Augenblicklich verstummte ihr Lachen und sie hob eine Hand zu ihrem Herzen. Prinz Hendrick hatte sich bereits wieder abgewandt und aufgerichtet. Mit einer ruhigen Bewegung stellte er den Stuhl, der ebenfalls umgefallen war, auf und legte das Kleid über die Lehne, dann drehte er sich zu ihr um. Jeglicher Ausdruck war aus seinem Gesicht gewischt. Ohne sie anzusehen, ging er zu ihr und setzte sich auf die Bettkante. Ihr Herz pochte schmerzhaft gegen ihre Rippen. Doch der Bräutigam schien es nicht zu bemerken, er starrte vor sich auf den Boden.
„Euer Gnaden, können wir es endlich hinter uns bringen?“
Er bückte sich und öffnete seine Schuhe, dann schlüpfte er aus ihnen heraus. Mit einer Hand nestelte er an seiner Hose herum, alles, ohne sie anzusehen.
„Leg dich zurück!“
Zitternd ließ sie sich zurückfallen, doch ihre Augen ruhten weiter flehentlich auf ihm. Als würde sie ihn um etwas Zärtlichkeit bitten.
„Du musst deine Beine … auseinandernehmen.“
Hilflos sah sie ihn an und da sie nicht reagierte, legte er sich auf sie und drängte ihre Beine mit seinen Knien auseinander. Isabel schnappte nach Luft.
„Ich bin dir zu schwer“, stellte er fest und verlagerte sein Gewicht auf seine Unterarme, die er neben ihrem Körper abgelegt hatte. Isabel krallte ihre Hände in das Laken und biss die Zähne aufeinander. Da rollte er sich wieder von ihr und griff nach einer ihrer Hände. Sanft nahm er sie zwischen die seinen, hielt sie schützend wie einen verletzten Vogel.
„Du musst dich entspannen“, forderte er und sie atmete zitternd aus.
Durch die Wärme seiner Berührung lockerten sich ihre Muskeln und sie öffnete die Fäuste.
„So ist es besser“, lobte er. „Sollen wir es noch einmal probieren?“
Sie nickte und er legte sich wieder auf sie.
„Schließe deine Augen“, bat er und sie gehorchte.
Nun nahm er sich das erste Mal Zeit und musterte ihre Züge in Ruhe. Sie war vollkommen verspannt, stellte er fest und er hielt still, damit sie sich an seine Nähe gewöhnen konnte. Als ihr Atem ruhiger wurde, schob er ihr Nachthemd höher und zog seine Hose nach unten. Dann begab er sich in Position. Als sie seine Haut an ihrer spürte, erstarrte sie und Tränen brannten in ihren Augen. Wie hatte sie nur annehmen können, dass sie einen Menschen so nahe an sich heranlassen konnte, ohne dabei etwas zu empfinden? Er war ihr vollkommen fremd, sie wusste nicht, was er dachte, was er von ihr hielt. Alles, was er mit ihr besprach, war unpersönlich und verriet nichts über ihn. Plötzlich spürte sie seine Hände, die ihr Gesicht umschlossen und Daumen, die die Tränen von ihren Wangen strichen. Gleichzeitig erhöhte sich der Druck, nur um in der nächsten Sekunde wieder von ihr genommen zu werden.
„So geht das nicht“, murmelte er und löste sich ein weiteres Mal von ihr.
Entsetzt riss sie die Augen auf und stützte sich auf die Ellbogen.
„Es ist also wahr, Ihr könnt nicht ...“
Abwehrend hob er eine Hand.
„Du kannst nicht. Du bist nicht bereit für mich!“
Empört blinzelt sie.
„Ich bin bereit! Ich habe alles getan, damit Ihr ...“
Sanft legte er einen Finger an ihre Lippen.
„Dein Körper ist nicht bereit.“
Verzweifelt schluchzte sie auf.
„Dann macht ihn doch endlich bereit! Das ist alles schlimmer als Folter! Können wir es bitte endlich … tun?“
Der Prinz seufzte, hob eine Hand und drückte sie zurück in die Kissen.
„Also gut. Es tut mir leid, doch ich denke, du wirst meine Berührung ertragen müssen.“
„Mylord, könntet Ihr bitte aufhören zu reden? Tut einfach alles, was nötig ist, damit wir es endlich hinter uns bringen können!“
Mit einer Hand strich er über ihren Oberschenkel.
„Ich glaube, in Wahrheit kannst du es kaum noch erwarten, dich auf die Pralinen zu stürzen, habe ich recht?“
Da löste sich ein Lächeln von ihren Lippen und ihre Augen tauchten in seine ein.
„Allein die Vorstellung daran lässt mich durchhalten“, gestand sie.
„Gleich“, murmelte er, „gleich bekommst du deine Pralinen.“
Seine Finger glitten höher.
„Und das ist wirklich nötig?“, fragte sie beklommen und er nickte.
„Ja, leider.“
Sie spannte sich erschrocken an, als er sein Ziel erreichte.
„Das geht nun aber wirklich zu weit!“, empörte sie sich.
„Schließe die Augen und entspanne dich! Lass dich treiben! Höre auf deinen Körper!“
Bei seiner nächsten Berührung wimmerte sie leise, als ein Prickeln ihren Leib erschauern ließ. Seine Hände waren sanft und zärtlich, tastend erforschten sie ihren geheimsten Ort. Plötzlich lag er wieder auf ihr.
„Jetzt“, flüsterte er an ihrem Ohr, ihre Wangen berührten einander, „haben wir es gleich geschafft.“
Dann bewegte er sich langsam und sie meinte, ein glühendes Schwert würde ihr Fleisch teilen. Um einen Schrei zu unterdrücken, biss sie die Zähne zusammen. Als würde er ihren Schmerz spüren, hielt er inne, wartete, bis sie sich wieder etwas entspannte. Sie war überrascht, wie rücksichtsvoll und einfühlsam er war. Nach einer Weile begann er mit langsamem Rhythmus jenen uralten Reigen und Isabel umklammerte seine Schultern. Doch er fing ihre Arme ein und hielt sie mit einer Hand oberhalb ihres Kopfes fest, bis sich die Spannung entlud und er sich neben sie rollte. Vorsichtig zog er ihr Nachthemd wieder bis zu ihren Knien hinunter, drehte sich von ihr fort und schloss seine Hose. Dann setzte er sich auf und glitt aus dem Bett. Regungslos lag sie noch immer so, wie er sie verlassen hatte, meinte, seine Wärme auf sich zu spüren. Als sie die Augen öffnete, kehrte er gerade mit dem Teller Pralinen zu ihr zurück. Er stellte es auf ihr Nachtkästchen.
„Deine Belohnung“, sagte er ernst und sah auf sie hinunter.
Sie konnte den Blick, mit dem er sie betrachtete, nicht deuten und Röte stieg in ihre Wangen. Seine Musterung währte nur wenige Sekunden. Im nächsten Moment wandte er ihr bereits wieder den Rücken zu, auf dem Weg in seine Räumlichkeiten.
„Gute Nacht“, wünschte er und zog die Tür hinter sich zu.
Irgendetwas in ihr zuckte verletzt zusammen, doch ihr Verstand schimpfte sie einen Narren. Was hatte sie erwartet? Dass ihr der Prinz seine Liebe gestehen, dass er sich gar ändern würde? Mit bebenden Fingern griff sie nach einer Praline und steckte sie in den Mund. Hm, die war wirklich delikat, schmolz auf ihrer Zunge! Und was verbarg sich da, eingehüllt in cremigem Nougatmantel? Eine knackige Haselnuss. Mmmmh.