Читать книгу Wrong turn - Juryk Barelhaven - Страница 6
3. Kapitel
ОглавлениеDer Dauerlauf über die Dächer mit einem bewusstlosen Brown war eine nervenaufreibende, sehr schweißtreibende Angelegenheit. Wieder und wieder liefen die beiden über rutschige Pfannen, sich vorsehend, dass sie nicht das Gleichgewicht verloren und aufpassend, dass sie nicht entdeckt wurden. Endlich entdeckten sie eine Leiter, an der sie umständlich hangelnd den Bewusstlosen runterließen, als wäre er das Wichtigste in ihrem Leben. Mehr ums andere Mal musste Max mit dem zusätzlichen Gewicht auf seinen Schultern verschnaufen und fluchte leise vor sich hin.
Irrsinn.
Kompletter Blödsinn.
Immer wieder tauchten sie in den Schatten ab, um von vorbeieilenden Gruppen nicht entdeckt zu werden. Dabei nutzte Max sein implantiertes Headset und wurde vom eifrigen Assistenten durch die engen Häuserschluchten geleitet. Nach mehreren Stunden kam sich Max wie die berühmte Spielfigur PacMan vor, wie sie durch ein Labyrinth bloß nicht den Geistern begegnen durfte. Zum Glück hatte Hansens Schießwut einen Dämpfer bekommen. Jetzt verhielt er sich still und nachdenklich, wofür Max im Stillen Gott dankte.
Ausgehungert, frierend und völlig am Ende fanden sie in einer aufgegebenen Werkstatt eine Unterkunft. Zum ersten Mal lächelte Fortuna ihnen zu: ein heruntergekommener Streifenwagen parkte unter einer Folie. Nach mehreren Aussetzern sprang der Motor an.
Der Streifenwagen raste mit abgeschalteten Scheinwerfern über ein verlassenes Stück des mondbeschienen Highways, ein Geisterauto in einer Welt, die für die Verfluchten und Sterbenden gedacht war.
Luft wirbelte durch das eingeschlagene Fenster, während Max am unterbrochenen Mittelstreifen entlangschoss.
„Kannst du überhaupt etwas sehen?“
Max würdigte Hansen keine Antwort. Trotz der schmerzenden Gelenke und seinem Verlangen nach Nahrung brodelte ein Quell nie gekannter Zorn in ihm, den er erstmal verdauen musste. Sonst würde es heute noch mindestens einen Toten mehr geben. Er musste dem Vorstand von SpaceTec berichten, und wenn es ihm seinen Job kostete… dann sollte es so sein. Irgendwie würde Max schon zurechtkommen.
Und er dachte an Roxanne.
Warum diese Besessenheit?
Max kam zu dem Schluss, dass er schon viel zu lange einsam gewesen worden war. Seine Mutter hatte sich nie viel Zeit für ihn genommen. Es hatte viele Probleme gegeben. Die Militärakademie hatte ihn dem nötigen Abstand von seinem schwierigen Elternhaus gebracht, aber im Gegenzug mit harter Arbeit belohnt, die keine Zeit für Beziehungen ließ. So kletterte Max Snow die Karriereleiter hoch, trank Bier mit Freunden oder ging in die Stadien, um seinem Hobby Fußball zu frönen – doch außer gelegentlichen, viel zu unbedeutenden Kuschelsex hatte es nie gefunkt. Nie funken können, denn Max sehnte sich nach einer speziellen Art von Frau. Ihm wurde rot bei dem Gedanken, als er selbst Seelenstriptease betrieb und wusste, dass er -jetzt oder nie -ehrlich sein musste. Oder er würde falsche Entscheidungen treffen. Mutterkomplex?
Gott, werde ich jetzt verrückt, dachte er mit Schaudern und wollte alles am liebsten verdrängen.
„Wo fahren wir hin?“
Max drückte den Lenker so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Schließlich gab er nach: „Wir werden eine unserer Gulfire treffen. Wir sind jetzt außerhalb der Revier, auf einer der Highways. Dann fliegen wir nach Hause.“
„Und dann?“
„Dann dusche ich, esse ein Steak mit Fritten und schlafe vor dem Fernseher ein.“
„Und dann?“
„Wenn ich dann noch Kraft habe, komme ich in ihre Zelle und drücke Ihnen ein Kissen aufs Gesicht.“
„Können Sie mal ernst bleiben?“
Scharf trat Max auf die Bremse, dass Hansens Kopf nach vorne schlug. Noch bevor er protestieren konnte, hatte Max seine Waffe schon gezogen und hielt sie ihm schmerzhaft gegen den Schädel.
Eine Zeitlang passiert nichts.
Das Spannen des Hahns durchbrach wie ein Final Countdown die Stille.
„Niemand würde mich verdächtigen“, murmelte Max gepresst. „ Du krankes Schwein hast heute getötet, als wäre das alles ein verdammtes Spiel.“ Max hatte nun einen Grund, finster dreinzuschauen. „Du hast mich jetzt so weit, Spiro Hansen. Ich habe heute keine einzige Kugel abgefeuert, wusstest du das? Weil das nicht unser Stil ist. Typen wie du machen mich krank!“ Er spuckte angeekelt aus. „Los, Tür auf!“
Hansens Gesicht wurde aschfahl. „Wollen Sie mich...?“
Etwas anderes übernahm jetzt von Max Besitz – und er ließ es zu. „Raus.“
„Aber-“
„Raus!“ Langsam ließ er sich Hansens Waffe geben und folgte ihm langsam.
Sie gingen ein Stück tiefer in die Wüste. Max wusste aus Berichten, dass hier seltene und äußerst tödliche Skorpionarten prächtig gediehen. Es war ihm nur gerade völlig egal.
Dass musste jetzt sein.
Breitbeinig stellte er sich vor ihm hin und zielte auf die Schienbeine. „Na los“, sagte er gedehnt und erinnerte sich an einen alten Ganovenfilm, in der gedungene Schurken einen Verräter auf die gleiche Weise entledigten. Denn das war Hansen. Eine Ratte.
„Sie können mich nicht hierlassen“, ereiferte sich Hansen und starrte nach oben zu den Sternen. „Die können mich sehen, richtig? Sie sollen mich sehen. HIER! HELFT MIR!“
Dabei schrie und winkte er wie verrückt.
Stille. Nur der nachtschwarze Himmel.
Und die Wüste.
„Müssen wohl gerade alle Kaffeepause machen“, entgegnete Max gedehnt und spuckte wieder aus.
„Das dürf-“
„Jetzt will ich dir mal etwas sagen, mein Freund: Die Gefangenen kommen mit einem Raumschiff hierher und werden über den ganzen Planeten verteilt. In einem Knast gibt es Regeln, feste Mahlzeiten und Strukturen. Das alles bietet Oasis nicht. Und das wissen sie. Es sind Menschen wie du ich. Naja, mehr wie ich“, setzte er hinzu und fing sich einen bitterbösen Blick von Hansen ein. „Sie müssen akzeptieren, dass sie nie wieder nach Hause kommen und sie müssen für sich selbst sorgen. Es ist ein hartes und raues Klima hier und die Netten und wirklich Guten werden gefressen. Keine Sekunde lang würde ich meinem schlimmsten Feind diese Hölle wünschen. Begreifen Sie bitte eines, Hansen“, er holte tief Luft und brüllte drauflos: „Diese Menschen werden nie wieder ihre Heimat sehen. Sie werden nie wieder die Spaghetti ihrer Mama kosten und nie wieder ein Kino oder ein Museum von innen sehen. Begreifst du den Ernst der Lage, du kranker Wichser!?“ Max wartete keine Antwort ab und fuhr fort: „Du hast bestimmt nicht das Recht, wie ein selbstgerechter Henker über Leben und Tod zu entscheiden. Diese Menschen sind am Ende und seit zwanzig Jahren schaue ich zu ihnen herunter und wünsche mir, ich könnte helfen. Auch wir bei SpaceTec sind nicht aus Stein – im Gegenteil: würde nur einer von uns abfällige Bemerkungen machen, fliegt er raus.“ Er atmete erschöpft aus. „So, und jetzt mach doch was du willst.“ Er winkte müde ab und ließ die Waffe sinken.
Plötzlich sprang der Motor an und für eine Millisekunde starrten beide entsetzt zum Streifenwagen, bis Michel Brown die passende Schaltung fand und Vollgas gab. Röhrend und knarrend beschleunigte der Wagen in der Dunkelheit und Sekunden später war von ihm nichts zu sehen.
Verdattert starrten beide dem Nichts entgegen, das den Wagen verschluckt hatte.
Michel Brown hatte sich soeben empfohlen.
Max blickte zur Stelle und versuchte zu verstehen, was jetzt einfach passieren musste: sie würden nicht rechtzeitig zur Gulfire kommen, was zweierlei zu Folge hatte. Erstens würde die Automatisierung dafür sorgen, dass das Raumschiff wieder verschwand. Zweitens würden sie festsitzen.
„Was machen wir denn jetzt?“ fragte Hansen panisch.
Leise stöhnend wandte sich Max ab und drückte an sein Ohr. Schnell stellte er den Kontakt zu Smith her. „Smith?“
„Curley, Sir. Smith musste sich mal hinlegen.“
Er kannte natürlich Curley. Ein ebenso tüchtige Frau aber sehr bestrebt ganz nach oben zu kommen. Curley war ein wandelndes Vorschriftenverzeichnung – was nicht passte, durfte nicht passieren. Das könnte ein Problem werden. Smith hingegen war einer der Kollegen, der sich liebend gerne an die Haken seines Vorgesetzten hängte und viel flexibler war. Aber auch ein überstrapazierter Verstand wie der von Max Snow verstand, dass selbst ein Preston Smith Schlaf brauchte. „Curley, sehen Sie meine Position?“
„Ja, Sir.“
„Uns wurde der Wagen gestohlen. Schicken Sie ein Team, um mich abzuSnown.“ Innerlich zählte er von zehn an rückwärts. Wartete. Als er bei zwei angekommen war, war die Botschaft natürlich: „Nein, Sir, das ist ganz schlecht.“
„Weil die Vorschriften besagen, dass…“
„…, dass nach mehrmaligen Gebrauch der Gulfire intensive Wartungsarbeiten vorgeschrieben sind.“
Max nickte. Er kannte das Regelwerk auswendig. Er begann in einem Singsang zu proklamieren: „Und die intensiven Wartungsarbeiten…“
„…könnten bis zu zehn Stunden dauern. Ja, Sir. Da können wir nichts machen.“ Er holte tief Luft. Blieb nur noch das Team, das mit einem Shuttle unterwegs war. Ein Shuttleflug sollte doch drin sein. Schließlich saß er auf Oasis fest und nicht in Wisconsin an einer Bushaltestelle. „Und das Shuttle? Schicken Sie ein Team runter. Kümmern Sie sich bitte darum, Curley. Ich hatte eine anstrengenden Tag.“
Wieder zählte er von zehn an rückwärts. Und wieder antwortete Curley: „Nein, Sir, das ist ganz schlecht.“
Schrecklich, wie berechenbar manche Dinge waren. Das nahm einen den ganzen Reiz am Leben.
Er atmete laut ein. „Lassen Sie mich raten: auch eine intensive Wartungsarbeit.“
Curley klang, als würde sie gleich weinen. „Ja, Sir. Tut mir leid.“
Fick dich doch! Du mit deiner geheuchelten Anteilnahme, du blöde Kuh! Ich werde hier entweder gefressen, getötet oder vergewaltigt. Alles auf einmal oder schön in umgekehrter Reihenfolge! Ich bin dein Chef! Wenn ich zuhause bin, lasse ich dich alle Büroklammern zählen und archivieren!
Er schluckte trocken und besann sich eines Besseren. „Das ist nicht Ihre schuld, Curley. Machen Sie Feierabend. Ich halte schon durch.“
Sie schnäuzte sich in ein Taschentuch. „Da wäre noch etwas, Sir.“
„Reden Sie schon, Mann!“ sagte er flapsig. Er spürte, wie sich ein Magengeschwür bildete. Der Krampf war noch auszuhalten- geradeso.
„Nein, Sir, die Firmenleitung hat sich gemeldet. Schon viermal in den letzten zwei Stunden. Sie wollen Sie morgen unbedingt sprechen.“
Natürlich, dachte Max böse. Mein Vorgesetzter hat gespürt, dass die Welt sich über mich erleichtert und will auch dabei sein und sein Häufchen setzen. Besten Dank, Gott! Gibt es dich überhaupt?
Max war Profi, aber nicht so. Langsam kämpften Panik und Frustration über die Kontrolle über sein Nervensystem und beide wurden Erste. „Morgen passt mir gut. Ich denke, so gegen zehn Uhr bin ich tot. Legen Sie den Termin auf elf. Danke und Gute Nacht.“
Er legte auf und starrte an sich herunter.
Und das Beste?
Es begann zu regnen…
Ein sanfter Herbstregen setzte ein, und zwar einer, der das tiefe Bestreben besaß lange und andauernd zu sein und sich vorher an einer kalten Wetterfront gekuschelt hatte. Aber das war noch nicht alles. Ein irres Grinsen zeichnete sich auf Maxs Gesicht gefährlich ab und auch hier zählte er innerlich von zehn runter und zeigte mit seinem Arm Richtung Hansen.
„Was machen wir denn jetzt?“ fragte Hansen panisch.
Danke, Universum. Auf dich ist Verlass.
Und das Universum antwortete auf seine Art.
Nach einer halben Stunde waren sie völlig durchnässt und froren bitterlich.
Zehn Stunden. In zehn Stunden würden Snow und Hansen eine geeignete Stelle für die Gulfire finden, die, wenn sie dort ankamen, leer und dunkel auf sie warten würde. Das war nicht das Problem; das Problem waren die zehn Stunden.
Zum einen: irgendwo dort draußen organisierte eine ziemlich gefährliche Frau die wohl größte Menschenjagd, die Oasis je gesehen hatte. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass Snow, ganz gleich, wer er war, irgendetwas mit ihrem Laboranten vorhatte. Browns Kenntnisse garantierten ihnen einen ausgezeichneten Drogenhandel und seine bloße Abwesenheit würde alles kompliziert machen – versteht sich. Ebenso war zu erwarten, dass die Gang einfach erwartete, dass man hart mit den beiden Entführern umging. Was würden sie also vermutlich tun? Jeden Stein im Umkreis von mehreren Meilen umdrehen und erst dann die Suche zu beenden, wenn Brown lebend und Snow und Hansen aufs Schärfste bestraft worden waren. Was wäre das Vernünftigste? Jetzt, wo Brown entkommen war, würde er wahrscheinlich zurückfahren und seiner Gang mitteilen, wo er Snow und Hansen zuletzt gesehen hatte. War es klug einfach zu flüchten? Wäre es nicht besser sich ein tiefes, tiefes Loch zu suchen und darauf zu hoffen, dass die Menschenjäger sie vor Ablauf der zehn Stunden nicht finden würden? Oder sich nach den Sternen zu orientieren und zu laufen, bis die Füße Blasen warfen…
Zum zweiten: SpaceTec würde die lange Abwesenheit ihres Sicherheitschefs bemerken, und falls Snow die ganze Geschichte wie durch ein Wunder überleben würde, wartete gewiss ein ernstes Gespräch mit der Leitung auf ihn, wo er sich lange und ausführlich rechtfertigen müsste, warum er einen nicht registrierten Killer wie Hansen auf eine kleine „Spritztour“ auf einen Gefängnisplaneten genommen hatte. Die „Ausfälle“, die Hansen zu verantworten hatte, waren in keinster Weise zu rechtfertigen. Diesmal würde es nicht bei einer einfachen mündlichen Abmahnung bleiben, auch wenn Snow diesen Punkt ganz nach hinten schob. Viel mehr Sorgen machte ihm der Planet…
Zum dritten: irgendwo dort draußen existierten mutierte Wüstenhunde, stark radioaktive Sandflöhe, giftige Echsen und seltene Naturphänomene, die jeden unachtsamen Spaziergänger krank oder schlimmstenfalls töten konnte.
Warum habe ich nicht als Erstes dem Vorstand von Waldmanns Forderungen erzählt? Dann wäre ich nicht in dieser schrecklichen Situation!
Im Nachhinein betrachtet war es die logische Wahl, doch Max ahnte, warum er sich dabei lieber auf sein Glück verlassen hatte.
Max hielt mitten im Gehen inne und betrachtete die Straße vor sich mit gerunzelter Stirn. Nach einer Weile sah Hansen ihn verwundert an und sagte: „Was ist?“
Snow nickte in Richtung Horizont. „Ich wollte Derrick helfen, weil ich mich schuldig fühlte. Darum habe ich mich darauf eingelassen. Ich wollte etwas wieder gutmachen.“
„Das müssen Sie erklären.“
„Ich war nicht für ihn da, als es passierte.“
„Verstehe.“ Hansen machte ein Gesicht, als hätte er noch nie so etwas Dämliches gehört. „Was hätten Sie schon tun können? Man kann kein Kind immerzu beschützen.“
„Wenigstens ein Anruf. Oder ein Besuch. Tröstende Worte.“
„Sie hätten alles stehen und liegengelassen und wären durch das All gereist, um ihrem Freund beizustehen? Möchte ich bezweifeln.“
„Warum? Was hätten Sie getan?“
„Ich hätte angerufen und gefragt, ob er etwas braucht. So macht man das doch. Und wenn man zufällig in der Nähe ist, dann kommt man zu Besuch.“
„Das… hätte ich auch machen können. Aber“, Max holte tief Luft und stöhnte laut auf. „das war mir alles zu anstrengend. Vor drei Jahren war ich zu dem Zeitpunkt sogar noch auf der Erde…“
„Dann sind Sie ein mieser Freund.“
„Ich bin nicht stolz darauf“, stimmte Snow ihm zu. „Ich hätte da sein sollen. Nun, das ist der Grund, warum ich ohne ein Team allein mit Ihnen losgezogen bin.“ Er hustete kurz und lehnte sich zurück, um im Gehen die Sterne zu bewundern. „Nun, das spielt jetzt alles keine große Rolle mehr. Wir haben weniger als zehn Stunden Zeit, bis man uns abholt. Die Einzelheiten können wir jetzt gleich, beim Gehen, besprechen. Für den Fall, dass wir auf Gefahren stoßen.“
„Gut, machen wir.“
„Wir müssen uns nur noch heute vorsehen“, sagte Snow, „und dann haben wir es hinter uns.“
Mit einem überraschten Lachen sagte Hansen: „Stimmt! Nur noch heute. Die Sache ist beinahe gelaufen. Kriege ich meine Waffe wieder?“
„Wie? Na gut“, murmelte Snow und reichte sie ihm. „Für einen Tag waren das genug Dummheiten. Ab jetzt gelten folgende Regeln: wir flüchten Richtung Nordnordwesten und bleiben von der Straße fern.“
„Nichts dagegen.“
„Erstens sollten Sie sich von der Fantasie verabschieden, dass Sie es allein mit ihnen aufnehmen können. Sie kennen sich nicht aus, sie sind kein Verbrecher und Sie kennen nicht das Land. Ob Sie bloß die Straßenseite wechseln oder einfach in eine Richtung laufen: sobald Sie sich irgendwohin bewegen, wissen die, wo Sie sind. Sie können nicht verschwinden, weil Sie die Regeln nicht kennen. Anstatt die Typen zu sein, die schießend ihre letzten Kugeln verballern und dann von dem Rest gejagt und gefoltert werden, wollen wir die Typen sein, die nicht den Kampf suchen, und bewegen uns dort, wo die anderen nicht sind. So müssen Sie es machen. Wir sind wie zwei Schatten, die von diesem Planeten verschwinden, während die anderen nach Ablauf der Frist noch nach uns suchen. Während wir beide also bei SpaceTec uns eine warme Dusche gönnen, durchsuchen die anderen noch jede Hütte.“
„Das ist…“ Hansen schüttelte den Kopf und machte mit einer Hand unbestimmte Gebärden, als wollte er einem Menschen, der noch nie einen Elefanten gesehen hatte, einen beschreiben. „Also schön. Wir machen es auf Ihre Art, Snow, aber wenn man auf mich schießt, ballere ich zurück. Ich verstecke mich nicht wie eine Ratte in einem Gully.“
„Sie wollen drei Dinge“, sagte Snow. „Oder jedenfalls habe ich den Eindruck, dass Sie Ihre vierzehn Millionen wollen, dann noch ein bisschen die Sau rauslassen und möglichst ohne Einschusslöcher wieder nach Hause kommen.“
„Tja“, sagte Hansen, und nun schien er etwas verlegen, etwas unbeholfen. „Ich nehme an, dass ich diesen Brown nicht mehr erwischen werde.“
„Das, und die Tatsache, dass Sie kein Actionheld aus dem Fernsehen sind. Das sind keine unbeholfenen Straßengangster, Hansen, das sind richtig harte Killer, die nichts mehr zu verlieren haben. Es gibt zu viel, was Sie nicht wissen, zu viele Fehler, die Sie machen können. Sie können hierbei draufgehen, und Sie können mit mir verschwinden. Wenn wir es klug anstellen, sind sie in zehn Stunden wieder auf sicherem Terrain und kontaktieren Waldmann. Sagen Sie ihm, dass sie versagt haben und dass er sich jemand anderen suchen soll. Dann werden Sie wieder zur Erde fliegen und sich einen Drink in irgendeiner Bar gönnen und die ganze Sache vergessen. Wollen Sie jetzt den Drink in einer Bar oder den äußerst schmerzhaften Tod?“
Hansen schwieg lange. Snow ging weiter voran und wartete auf eine Reaktion. Sie liefen über eine asphaltierte Straße, die durch eine hügelige Landschaft führte, die so dunkel und unbewohnt schien wie damals, als der Planet noch weitgehend unbewohnt gewesen war.
Schließlich seufzte Hansen tief und sagte: „Ich glaube, ich wähle den Drink.“
„Das glaube ich auch.“
„Es ist, als würde man auf die Jagd gehen. Das Wichtigste dabei ist die Geduld. Wenn man Geduld hat, kriegt man, was man will.“
„Stimmt.“ Snow nickte ihm aufmunternd zu, froh darüber, dass er den sicheren Weg wählte. „Wir haben zwei Gefahrenquellen, nämlich die wilden Tiere und die Menschenjäger. Eigentlich sind es drei, denn die Zeit arbeitet gegen uns. Wir müssen die Zeit durchhalten, und wir müssen mit unseren Kräften aushalten.“
„Was haben wir noch zu essen?“
Snow langte zu seiner Umhängetasche und verteilte die Müsliriegel und zwei Wasserflaschen gerecht. „Trinken Sie nicht alles auf einmal aus…“
„Ich bin kein Idiot.“
„Michel Brown ist mit unserem Auto fort – wenn er zügig die gleiche Strecke zurückgefahren ist, hat er ungefähr jetzt die erste Patrouille erreicht und ihnen mitgeteilt, wo wir sind. Im besten Fall hat er sich verfahren, aber davon würde ich nicht ausgehen.“
„Klingt logisch.“
„Die Banden haben Handys und wissen spätestens jetzt, wo wir sind. Mit ihnen allen können wir es nicht aufnehmen, also schlage ich vor, dass wir uns in die Büsche schlagen und zu Fuß durch das Dickicht versuchen weiterzukommen.“
„Haben die Bluthunde?“
„Ich glaube nicht. Aber Fährtenleser“, antwortete Snow ehrlich. „Was immer die vorhaben – die machen es erst, wenn sie wissen, wo wir sind.“
„Gehen wir also vom Schlimmsten aus.“
„So ist es. Ach, und noch etwas, Hansen.“
„Was denn?“
„Wenn wir das überleben wollen, müssen wir zusammenarbeiten.“ Unvermittelt bog Max ab, hüpfte über einen Graben und nahm die Route durch hüfthohes Gras auf einen kleinen Wald zuhaltend. Ohne Widerspruch folgte Hansen ihm und nach wenigen Minuten waren sie von der Straße aus nicht mehr zu sehen.
Die Vorhut stob durch die kleine Gasse, in wilden Schlangenlinien auf ihren Crossmaschinen. Das tiefe Dröhnen der aufgemotzten Maschinen, das Prasseln von Sand und Steinen unter breiten Rädern war eine Zumutung für jeden, der sich in Reichweite der stillgelegte Fabrik befand doch den Fahrern war dieses Imponiergehabe wichtiger als die eigene Gesundheit. Auf jeder freien Fläche des Fabrikgeländes hockten Männer und Frauen, die Visiere der Motorradhelme geschlossen, darauf die Fratzen von Monstern gesprayt. Je mehr Farben, desto höher der Rang. Vierzehn Motive. Also vierzehn Banden.
Roxanne Culdoras – Brucha, La Muerte- trat mit ihrem Gefolge auf den Platz. Am Tag wirkte das Lagoony alt und zerfallen, keine fröhliche Musik und keine ausgelassene Stimmung waren zu vernehmen. Lässige Jeans und eine einfache Lederjacke tragend schnappte sich die Queen von PureSky ein Mikrofon und sprach langsam und deutlich: „Wir suchen zwei Männer, die unseren Laboranten entführt haben. Ihr sucht sie, ihr findet sie und den Laboranten will ich lebendig. Er heißt Brown. Krümmt ihm ein Haar, und ihr bekommt es mit mir zu tun. Wenn ihr sie findet, will ich einen Beweis. Sonst noch Fragen?“ Roxanne nickte einem Mann zu, der sich eilte Steckbriefe der beiden Frevler zu verteilen, reichte das Mikro weiter und wandte sich mit gelangweilter Miene ab, als hätte sie gerade den Wetterbericht im Schulfunk vorgelesen.
„Wie kommst du dazu, erst deinen Besitz zu verlieren und dann uns zu sagen, was wir zu tun haben?“
Roxanne blieb stehen, wandte sich langsam um und hob die Augenbrauen fragend.
„Du hast schon verstanden, Süße.“
Die Gestalt mit dem buntesten Helm nahm ihn ab und warf ihn zu einer Sklavin, die mit ihren abgemagerten Armen Schwierigkeiten hatte ihn zu fangen. Neben dem ausgedörrten Mädchen wirkte die grobe Breitschultrige wie eine feste Dominanz. Sie riss dem Vasallen ein Steckbrief aus der Hand, sah es skeptisch an und thronte auf ihrem Pick-up wie eine Königin. Die Boss stand da mit ihren zwei Metern und ihrem zusammengestückelten Pelzmantel und warf ihren keltischen Seitenscheitel lässig zur Seite, während Roxanne keinen einzigen Muskel zuckte und ausdruckslos wartete, dass die Frau zu ihr herübergeschlendert kam. „Ich sagte, du lässt dich bestehlen und glaubst, du könntest über uns bestimmen?“ Die Sprecherin wies ein kantiges, von Narben durchgezogenes Gesicht auf und trug eine Peitsche lässig über die Schulter.
Scheinbar gelangweilt wanderte Roxannes Blick von ihren Schuhen bis zu ihren Haaren und stemmte langsam die Hände in die Hüften. „Tja, das kann ich“, sagte sie ohne eine Spur von Angst und hielt dem fiebrigen Blick stand.
Beide taxierten einander.
„Tja. Wird Zeit, dass dir jemand mal zeigt, wie das geht, Süße“, sagte die Hünin und spuckte aus. „Ich und meine Jungs denken, dass du nicht das Zeug hast. Das wir einfach deinen Laden übernehmen. Und wenn wir diesen Brown finden, behalten wir ihn. Problem damit?“
Zustimmendes Raunen hinter ihr.
Ein Muskel zuckte in Roxannes Gesicht.
„Aber auch ich kann großzügig sein. Habe heute Morgen beim Schiffen gerochen, dass ich auf jemanden Besonderen treffen würde“, sagte die Bikerin. „Wenn du brav bist, darfst du meine Schuhe putzen…“ Sie grinste schmierig und hob die Hand, um ihr übers Gesicht zu fahren…
Eine Kugel fliegt mit fast vierfacher Schallgeschwindigkeit und ein guter Schütze trifft auf ein unbewegliches Ziel genau die Mitte. Der Zufall wollte es, dass Roxannes Schütze auf dem Dach in dem Moment genau ihre Hand traf: das Ergebnis war spektakulär und ließ alle aufseufzen.
Noch während der Schuss verhallte, langte Roxanne mit einem Messer zu und hörte erst auf, als die Bikerfrau sich nicht mehr rührte. Mit unbewegter Miene stand sie aufrecht da und starrte zu dem Rest. „Ich bin ganz und gar gewöhnlich“, raunte sie leise und wischte sich übers Gesicht. „Hat hier sonst noch jemand ein ziemlich blöde Idee?“
Als die Letzten losgefahren waren, trat Tec zu ihr. „Sie werden immer aufmüpfiger. Wir sollten ein Zeichen setzen.“ Tec war Roxannes Rechte Hand, ein ehemaliger Schmuggler von der Erde, der stets darauf achtete, mit ihr behutsam und respektvoll umzugehen. In seinen Augen war die Queen ein besonderer Mensch, sogar er begriff das, und er hatte wenig Ahnung von Menschen sondern war ein Mann der Logistik, der lieber analytisch mit Inventuren umzugehen verstand. Sie wusste so genau, was sie wollte und welcher Weg sie dorthin bringen würde, es war bewundernswert. Ohne ihre PureSky wäre sie keine Queen, aber ohne ihre Queen wären die PureSky nichts.
„Ich dachte, das hätte ich gerade.“
„Wenn sie sich zusammentun…“, fragte Tec mit gesenkten Blick. Er sah seiner Queen nicht gerne in die Augen, sie hatte so eine Art eindringlich zu starren.
Nicht alle Verurteilten auf Oasis waren „kleine Fische“, die wegen Autodiebstahl oder Steuerbetrug auf der Erde geschnappt und weit draußen ins All geschickt wurden. Einige wenige liebten ungezügelte Geilheit, sadistische Neigungen, die Sehnsucht nach Raub und Mord oder waren einfach nur fehlgeleitet in ihrer übersteigerten Form der Kinderliebe. Einige verstanden sich als Geschäftsleute, andere reklamierten ihr legitimes Recht, pervers zu sein. Erst vor Gericht bemühten sie sich darum, selbst als Opfer anerkannt zu werden, die Heilung und Verständnis bedurften. Kaum waren sie auf dem Gefängnisplaneten, kehrten sie allzu gerne auf den Spielplatz ihrer verklebten Fantasie zurück und schufen sich ihre eigenen kleinen Reiche. Wer geschickt war, konnte hier sein Paradies finden. Doch was selbst SpaceTec nicht wusste: der Grund, warum nicht alles von den Stärksten rücksichtslos geraubt wurde und alles ins Chaos abdriftete, war simpel und für jemanden wie Roxanne schon lange klar geworden. „Nein, du verstehst nicht. Alle Gangs sind Autosuffs, sie versorgen sich selbst. Wenn sie Mumm hätten, würden sie sich einfach nehmen, was sie bräuchten“, erklärte Roxanne geduldig. „Sie kommen zu uns und handeln, weil sie uns brauchen. Weil wir ihnen gesteckt haben, dass wir Handel mit anderen Gangs haben und wir uns gegenseitig helfen.“
„Stimmt das denn?“
„Nein, aber kann man nie wissen, was?“
„Du meinst, sie gehen eher davon aus, dass ihre Feinde zu uns gehören und wollen stattdessen auch ein Teil vom großen Ganzen sein? Um bloß nicht einen Nachteil zu haben?“
„Eine kleine Gang ist schnell ausradiert. Aber bei zwanzig kleinen Gangs sieht die Sache schon anders aus. Sie haben mehr davon, uns zu dulden und mit uns zu handeln.“ Roxanne lächelte bei dem Gedanken, dass diese Gangs vereint eine regelrechte Armee darstellten und es selbst nicht mal wussten oder ahnten. „Alle Menschen sehnen sich nach Ordnung, nach Hierarchie.“
„Und einer Königin? Fehlt da nicht noch eine Krone?“
„Man ist erst eine Königin, wenn die Herrschaft legitimiert ist. Und ich habe keine Lust Babyköpfe zu küssen und in einem stinkenden Pelzmantel stundenlang auf einem Thron zu sitzen.“ Sie schaute zur Leiche zurück und zog eine Miene, als müsste sie angestrengt nachdenken. „Doch du könntest Recht haben. Das war schon der Zweite in diesem Monat, der mich herausforderte. Wir setzen alle Partys aus, bis die beiden Idioten gefasst wurden! Was wollen die denn jetzt?“ fragte Roxanne und starrte zur Autobahnauffahrt in der Ferne, wo sich etwas anbahnte.
Tec drehte sich um und holte sein Fernglas hervor.
Er erkannte eine Front aus etwa zwei Dutzend schweren Jeeps, die eine Menge Staub aufwirbelten, während sie sich der Fabrik näherten. Das Symbol des schwarzen Pike-Ass, was auch sonst. BlackOrder. Tec erkannte auch eine Reihe aus Motorrädern, auf denen paarweise BlackOrder-Soldaten saßen, die weit abgeschlagen den Jeeps folgten und sich in großer Entfernung positionierten. Tec zweifelte nicht daran, dass sich auch einige Scharfschützen gerade bereithielten.
BlackOrder.
Schon immer gab es Verbrecherorganisationen, die von ihren Mitgliedern unbedingte Treue und ein Höchstmaß an kriminelle Energie erwarteten, doch bei dem Gründer von BlackOrder galten Mordlust und Zerstörungswut als Tugenden. Der Mann namens King Mike war der Waffenmeister von Oasis, der ungekrönte König des Dunklen Landes und der Kanzler der Verstoßenen. Aus den Resten der „BlackSkins“, der „Dragonheads“ und den „47.Swam“ formte King Mike ein Verbrechen an der Gesellschaft. Nur die härtesten und gefährlichsten Männer und Frauen – mitleidlos und aggressiv – durften nur für einen Zweck existieren: das Reich auszuweiten und die Macht des Anführers zu nähren. Freie Gesellschaften wurden ausgemacht, überfallen und ihre schwächsten Mitglieder gefangengenommen oder getötet. Diejenigen, die in den Zellen unter dem Hauptquartier in Dunkelheit ausharren mussten, dienten BlackOrder auf mancherlei Arten: Sklaverei, Prostitution oder als Fleischlieferant. Und sie waren weit im Westen zuhause – was also taten sie hier?
„Sie sehen aus, als kämen sie, um eins aufs Maul zu kriegen“, seufzte Roxanne. „Das sollte nicht sein, Tec. Wir haben keinen Krieg. Das geht so nicht.“
„Was, wenn King Mike von unserem Missgeschick gehört hat und uns seine Hilfe anbietet?“ Er spürte, dass sie ihn anstarrte und schüttelte schnell den Kopf.
„King Mike ist ein Arsch. Kümmere dich darum, Tec. Mach das Empfangskomitee und sag allen, dass sie ihre Waffen bereithalten sollen. Ich will diese Typen nicht auf meinem Land haben.“
Wenige Minuten später stand Tec, umgeben von einigen Trupps zu Fuß, auf Bikes und auf Jeeps – also knapp fünfzig Mann – vor den heranrollenden Wagen. Keinesfalls zu früh. Mit einem Ruck kam der zentrale Wagen, der den anderen ein wenig vorausfuhr, zwischen dem Steppengewächs zum Stehen. Die Türen platzten auf und spuckten einen Trupp Soldaten aus. Natürlich verurteilte Verbrecher, aber wer sich bei der BlackOrder einreihen wollte, musste sich dem Drill und den Regeln beugen, die jeder Kadettenschule zur Ehre gereicht hätte. BlackOrder-Soldaten trugen die Haare kurz, bewegten sich wie erfahrene Feldkämpfer und salutierten in ihrem Einheitslook (schwarze Stiefel, weite Hosen und kurze Hemden) wie ein Bataillon aus GreenBerets.
Und dann kam er.
Gehüllt in schwarzes Leder und einer Strumpfmaske aus schwarzem Samt stolzierte King Mike wie ein General; eher wie ein Schurke aus Star Wars und maß aus tiefen schwarzwirkenden Augen Tec an. Er hatte eine herablassende Art an sich, die schon fast an Gefühlskälte heranreichte. Er war groß, hager und hatte stechende olivgrüne Augen, die alles durchscheinen konnten. Seine Nase war im Laufe der letzten Monate mehrfach gebrochen worden und wirkte wie ein Fehlgriff der Natur. Seine Strumpfmaske nahm er nur selten ab.
„Ihr müsst King Mike sein“, begrüßte Tec den Mann vor sich und deutete eine Verbeugung an. Äußerlich ruhig zitterte er innerlich vor Ärger, aber auch vor Angst. Wozu gab es Regeln für so etwas? Ob aufgeschrieben oder nicht war nebensächlich – jede Person auf Oasis sollte wissen, wie das hier zu laufen hatte, wie ein Deal zu laufen hatte, den man mit Queen Roxanne traf, verdammt! Und die letzte Regel lautete: BlackOrder bleibt im Westen – PureSky bleibt im Osten! Wenn ihr etwas wollt, dann schickt einen Boten. Punkt.
Tec wusste genau, was Roxanne von ihm erwartete. Seine Queen wusste, wann man Stärke und Überlegenheit zeigen musste. Nämlich immer.
Er bemühte sich ruhig zu sprechen. „Was ist Euer Begehr?“
King Mike war kein muskulöser Mann, eher schmächtig als athletisch, aber seine kühlen Augen strahlten eine Kälte aus, die jedem Eisbrecher schockiert hätte. Doch auch seine Augen erzählten eine Geschichte: sie kommunizierten ähnlich wie ein Habicht, der aufmerksam nach Beute Ausschau hielt. Die Art, wie er sich umsah, verriet, dass er zu aufrecht, zu kontrolliert vorging, um sich nur über Menschenleben sich den Kopf zu zerbrechen. Unter seinem Blick fühlte sich Tec wie unter Röntgenstrahlen durchdrungen. Jeder Makel, mit dem man bis zu diesem Moment gut hatte leben können, würde aufgebläht und ins Unerträgliche potenziert werden. Dieser Mann war ein Killer.
Tec sah sich im Scheinwerferlicht eines sehr mächtigen, kaltherzigen Mannes, dem man allerhand nachsagte. Und gerade im Moment wägte der Waffenmeister von Oasis Tecs Nutzen für sich ab.
„Ich löse euer Problem und dafür will ich den Fluss und das Sägewerk, dazu noch den Wald“, knurrte er, mehr zu sich selbst, aber es kam grollend und knackend unter seiner Maske wie das Murmeln eines schlafenden Riesen.
Tec starrte ihn verständnislos an, und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Da fiel ihm die Bewaffnung der Leute auf: geölte und sicherlich einwandfreie Maschinenpistolen saßen locker in den Holstern. Gute Werkzeuge, gut erhalten. Natürlich hatten die PureSkys auch Waffen: Speere, Messer, Gewehre und das eine oder andere Maschinengewehr. PureSky hatten vielleicht doppelt so viele Mitglieder, aber durchweg männlich aussehende BlackOrder-Soldaten waren zum Kampf gedrillt und würden auf Befehl ohne zu Fragen losstürmen. Tec würfelte in Gedanken seine Chancen aus, lebend bei einer Konfrontation aus der Sache herauszukommen und fand das Ergebnis niederschmetternd.
Zeit, das hier zu beenden. „Ich werde der Queen Euer Angebot überbringen.“
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sich King Mike um und schlurfte langsam wieder zurück. Erst auf einen Wink bewegte sich der ganze Trupp und sofort waren alle in Aufbruchstimmung. Es dauerte keine zwei Minuten und BlackOrder war wieder verschwunden.
Dann senkte sich Grabesstille über die von den Rädern zerfurchten Ebene. Eine große Staubwolke im Westen zeugte von ihrer Anwesenheit.
PureSky brauchten einen Moment, um sich zu fangen, um zu begreifen, dass sie Zeuge eines Vorboten waren – den Vorboten eines drohenden Krieges. Manche von ihnen sahen ungläubig an sich herab, als konnten sie nicht fassen, dass sie gerade noch so mit dem Leben davongekommen waren.
Tec wandte sich um, als er schnelle Schritte vernahm und kurz vor ihm tauchte auch schon das strenge Gesicht seiner Queen auf. „Sie sind bloß zu zweit mit einer Geisel im Gepäck. Wie schwer kann das schon sein?“ In diesem Satz steckten viele Infos, die Tec genau verstand. Er verstand sogar sehr gut.
BlackOrder durfte sie nicht finden. Auf keinen Fall.