Читать книгу Stürme der Prärie - Jutta Maschmeier - Страница 4

2. Kapitel

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„Spaß beiseite, David, was bitte schön soll ich auf einer Ranch?“, fragte Karen einige Momente später.

„Ich glaube nicht, dass ich als Cowboy tauge, und falls du mich für die Küche geplant hast, muss ich dich leider enttäuschen, Kochen ist auch nicht gerade meine Stärke.“

David zuckte mit den Schultern und lächelte sie an.

„Wir werden schon etwas für dich finden. Eigentlich wird immer irgendwo Hilfe gebraucht.“

„Mädchen für alles, also, na das kann ich prima“, antwortete Karen ironisch. „Was wird deine Familie sagen, wenn du einfach jemanden mitbringst?“

„Keine Sorge, die sind das gewohnt“, sagte David und gab Gas.

Karen blickte verwundert zu ihm hinüber, aber sie war zu müde, um sich weiter darüber Gedanken zu machen. Das monotone Geräusch des Motors und das leichte Schaukeln des Wagens machten sie schläfrig. Nach kurzer Zeit fielen ihr die Augen zu. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, doch ein heftiger Ruck ließ sie gegen die Scheibe prallen. David war auf eine andere Straße abgebogen, die nicht mehr gepflastert war. Auch die Landschaft hatte sich verändert. Es gab hier viel mehr Bäume und Sträucher, die einen schönen Kontrast zu den gewaltigen roten Felsen im Hintergrund bildeten. Ein Bach schlängelte sich durch das Tal und glitzerte in der Abendsonne. Karen beobachtete fasziniert das Farbenspiel, das der Sonnenuntergang hervorrief und die Landschaft in ein mystisches Licht tauchte.

„Es ist wunderschön“, flüsterte sie.

„Faszinierend, nicht wahr? Wir befinden uns bereits auf unserem Land, die Ranch liegt noch zwei Meilen entfernt“, sagte David und konzentrierte sich wieder auf die schlechte Straße.

Als sie sich schließlich der Ranch näherten, war es fast dunkel, doch das Licht reichte noch, um Karen erneut zum Staunen zu bringen. Das Gelände schien riesig, links und rechts lagen Weiden, auf denen abwechselnd Pferde und Rinder grasten. Nachdem sie an mehreren Stallungen vorbeigekommen waren, erreichten sie schließlich das Haupthaus. Karen erschien es riesengroß. Ihr gefiel sofort die hölzerne Terrasse, die sich über die gesamte Vorderfront des Hauses zog. Es sah genauso aus wie in den Westernfilmen, die sie gesehen hatte. Die Holzpfähle zum Anbinden der Pferde gab es auch. David hatte recht gehabt, hier war der Wilde Westen! David brachte den Wagen direkt vor der großen Eingangstür zum Stehen. Diese sprang sofort auf und drei Frauen, zwei ältere Damen und eine junge Frau, stürmten auf David zu. Sie umarmten ihn herzlich. Karen stand etwas abseits. So konnte sie sich die Frauen in Ruhe ansehen. Eine der älteren war sehr rundlich und trug eine Schürze, die andere war sehr schlank und hatte graues, kurz geschnittenes Haar. Die junge Frau, die gerade von David durch die Luft gewirbelt wurde, war auch sehr schlank. Sie hatte schwarzes Haar, das sie ebenfalls kurz trug. Karen fand, dass ihr das ausgesprochen gut stand. David kam nun mit zwei Frauen im Arm auf Karen zu und stellte sie vor.

„Mum, Inka, ich habe einen Gast mitgebracht. Das ist Karen, sie brauchte meine Hilfe und ihr wisst ja, dass ich einer schönen Frau in Not immer beistehe. Karen, das sind meine Schwester Inka und meine Mum.“

„Ich heiße Betty Milton Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

Mrs. Milton reichte Karen freundlich die Hand. Inka murmelte nur ein Hallo und reichte ihr kurz die Hand. Sie schien nicht so erfreut zu sein wie ihre Mutter.

„Ich hoffe, Sie entschuldigen diesen Überfall, aber ich war wirklich in einer misslichen Situation und ihr Sohn war so nett, mir seine Hilfe anzubieten“, erklärte Karen.

„Das müssen Sie mir alles beim Abendessen erzählen, jetzt kommt doch alle erst einmal herein“, bestimmte Betty und schob Karen in Richtung Haus.

David holte das Gepäck aus dem Auto und folgte ihnen.

„Das ist übrigens Martha, die gute Seele des Hauses“, stellte Betty ihr nun die rundliche Frau vor. „Wenn Sie irgendetwas benötigen, wenden Sie sich an sie.“

Auch Martha lächelte ihr freundlich zu. Als sie das Haus betraten, blieb Karen erstaunt stehen und schaute sich neugierig um. Die Eingangshalle war wirklich imponierend, an den Wänden war kein Putz, sondern nur der nackte Backstein. Der Raum war bis zum Dach offen. Der Boden war dunkel gefliest und mit bunten Teppichen ausgelegt. Eine große Holztreppe führte in die oberen Stockwerke. Karen folgte nun den anderen. Sie gelangte in einen großen Wohnraum, in dem ein riesiger Steinkamin sofort den Blick auf sich zog. Davor stand eine Sitzgruppe. Von der Decke hing ein altes Wagenrad als Kronleuchter. Doch die anderen waren weitergegangen. So gelangte Karen nun in die Küche. Auch die war sehr groß, in diesem Haus gab es wohl keine kleinen Räume. In der Ecke stand eine große Bank mit Tisch und Stühlen. Martha hantierte bereits an den Kochtöpfen. Inka stellte für jeden einen Teller auf den Tisch.

„Das Haus ist wirklich beeindruckend, Mrs. Milton“, versicherte Karen ihrer Gastgeberin.

„Sie meinen riesig und beängstigend, nicht wahr?“, lachte diese und rückte Karen einen Stuhl zurecht. „Setzen Sie sich, meine Liebe, und nennen Sie mich bitte Betty, o. k.?“

Mrs. Milton war Karen auf Anhieb sympathisch. So setzte sie sich neben sie und probierte den Eintopf, der ihr gereicht wurde. Jetzt merkte sie erst, was für einen Hunger sie hatte. Als der Teller geleert war, nahm sie dankbar noch einen Nachschlag an.

„Endlich mal ein Mädchen, das nicht auf seine Figur achtet und richtig isst“, stellte Betty amüsiert fest und Karen wurde rot. „David, nun erzähl uns, wo hast du diese entzückende junge Dame kennengelernt und warum musstest du ihr zur Hilfe eilen?“

„Wahrscheinlich hat sie ihren Absatz verloren“, bemerkte Inka ironisch und warf dabei einen abfälligen Blick auf Karens Designerkostüm.

„Inka, bitte!“ Betty richtete einen bösen Blick an ihre Tochter und wandte sich nun wieder an ihren Sohn. Auch David sah seine Schwester strafend an. Dann begann er, die Geschichte zu erzählen. Alle hörten aufmerksam zu. Als er geendet hatte, meinte Betty:

„Sie Arme, das muss ja schrecklich für Sie gewesen sein. Gut dass mein Sohn vorbeigekommen ist. Und was diesen Henry Kaschinski betrifft, den sollte man anzeigen. David, was meinst du? Kann man da nichts machen?“

„Nein, Mum, ich fürchte nicht, schließlich hat er Karen nicht angefasst, oder?“ David schaute fragend zu Karen hinüber, doch die schüttelte nur mit dem Kopf.

„Aber dieser Gast, der hat sie doch begrapscht, man sollte wirklich gegen solche Mistkerle etwas unternehmen“, meldete sich nun Inka zu Wort. Karen war überrascht, dass sie sich nun auf ihre Seite stellte. „David, wofür hast du so lange studiert, wenn du jetzt nichts unternehmen kannst?“

„Vielleicht ist er immer noch nicht fertig?“, hörte Karen hinter sich eine tiefe Stimme sagen. Es klang durchaus ernst gemeint. Trotzdem sprang David auf und begrüßte den Mann mit einer kurzen Umarmung. Auch Karen erhob sich, um ihm vorgestellt zu werden. Als sie sich umwandte, blieb ihr einen Moment die Luft weg. Vor ihr stand der wohl attraktivste Mann, der ihr je begegnet war! Sie musste hochschauen, weil er gut zwei Köpfe größer war als sie. Zwei dunkle Augen blickten nun abfällig auf sie hinunter. Karen war sich sicher, noch nie so dunkle Augen gesehen zu haben. Die Gesichtszüge waren sehr markant und die Haut von der Sonne gebräunt. Sein schwarzes Haar wellte sich leicht hinter den Ohren und schimmerte fast lila. Fasziniert starrte Karen diesen Mann an. Sie vergaß dabei beinahe, sich vorzustellen.

„Äh … Hallo … ich bin Karen“, stotterte sie, während sie ihm die Hand reichte.

„Karen? Und weiter?“, fragte die tiefe Stimme.

Oh Shit, sie hatte sich noch gar keinen Nachnamen überlegt.

„Cool, Karen Cool.“

Was für ein blöder Name! Aber das war es, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging.

„Das ist mein großer Bruder, Derek“, erklärte David nun.

Derek machte keine Anstalten, ihre Hand entgegenzunehmen. So ließ Karen sie sinken und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.

„Um auf deine Frage zurückzukommen, ich habe mein Studium erfolgreich beendet und beginne in den nächsten Tagen mein erstes Volontariat. Was sagst du nun?“, wandte sich David an seinen Bruder.

Der hob erstaunt eine Augenbraue und erwiderte zynisch:

„Tatsächlich? Heißt das etwa, dass du demnächst selbst Geld verdienst?“

„Oh ja, das heißt es. Keine Sorge, ich werde euch von nun an nicht mehr auf der Tasche liegen“, antwortete David gekränkt.

„Mit siebenundzwanzig wird das auch langsam Zeit, oder?“, war die bissige Antwort.

„Schluss jetzt!“, mischte sich nun Betty ein.

„Hört sofort auf, alle beide. Was soll denn unser Gast denken?“

Dereks Blick fiel nun auf Karen. Sie konnte deutlich in seinen Augen ablesen, was er von ihr hielt.

„Oh entschuldigen Sie vielmals, Mrs. ‚Cool‘, wenn ich geahnt hätte, dass Sie uns heute beehren, hätte ich mich natürlich zum Dinner umgezogen“, meinte er nun ironisch, während er dabei an seinen staubigen Jeans herunterblickte.

Karen merkte, wie die Wut langsam in ihr hochstieg. Was bildete sich dieser Cowboy eigentlich ein? Sie straffte ihre Schultern und versuchte, seinen Blick genauso böse zu erwidern.

„Mr. Milton, bitte machen Sie sich meinetwegen keine Umstände, wenn Sie sich zum Essen die Hände waschen, würde mir das schon völlig ausreichen. Außerdem habe ich nicht vor, ihre Gastfreundschaft lange in Anspruch zu nehmen, leider zwangen mich missliche Umstände dazu, die Hilfe Ihres Bruders anzunehmen. Ich bin nur mitgekommen, weil er mir einen Job in Aussicht gestellt hat.“

Derek schien zunächst erstaunt, doch dann blickte er eher amüsiert zu ihr herüber.

„Einen Job? Hier bei uns? An was hatten Sie denn gedacht, wenn ich fragen darf? Viehtreiber oder Stallbursche?“

Dabei wanderte sein Blick über ihre hochhackigen Schuhe hinauf zu ihrem Designerkostüm und blieb auf ihren langen lackierten Fingernägeln liegen. Karen hörte, wie Inka hinter ihr kicherte. Doch nun schaltete sich endlich David ein.

„Ich habe gedacht, wir können hier immer Hilfe gebrauchen und schließlich war Karen in Not, da konnte ich sie schlecht ihrem Schicksal überlassen.“

„Da hast du vollkommen recht, David“, mischte sich nun Betty ein.

„Ich bräuchte wirklich Hilfe im Büro. Kennen Sie sich mit Buchführung aus, Karen?“

Erleichtert schaute Karen zu Betty und nickte.

„Na also, da hätten wir doch schon die Lösung. Derek, du weißt ja, wie ungern ich den ganzen Schreibkram mache, und ich muss zugeben, dass einiges aufgearbeitet werden muss.“

Alle blickten nun gespannt auf Derek und warteten auf eine Antwort. Doch er ließ sich Zeit, taxierte Karen noch einmal eingehend, wobei sich eine tiefe Falte auf seiner Stirn abzeichnete.

„O. k.“, gab sich Derek geschlagen, „wenn ihr meint, mir soll es recht sein. Sie kann das Zimmer im Dachstuhl haben. Doch sobald die Buchhaltung wieder in Ordnung ist, verlässt sie uns wieder.“

Karen fand es unmöglich, dass er so über ihren Kopf hinweg über sie sprach.

„Keine Sorge, ich werde meine Arbeit gut machen und sobald sie erledigt ist, werde ich wieder verschwinden!“, rief sie ihm nach, als er nun die Küche wieder verließ.

„Bitte entschuldigen Sie die unwirsche Art meines Sohnes, er ist momentan etwas überarbeitet und Fremden gegenüber immer sehr misstrauisch, aber er meint es nicht so“, meinte nun Betty, nachdem die Tür hinter Derek ins Schloss gefallen war.

„Er meint es immer so, wie er es sagt. Das war einer der Gründe, warum ich dieser Ranch den Rücken gekehrt habe“, erklärte nun David.

„Ach, David, du übertreibst. Ich möchte auch nicht weiter darüber diskutieren. Kommen Sie, Karen, ich zeige Ihnen jetzt Ihr Zimmer.“

Betty erhob sich und Karen folgte ihr. Sie stiegen die breite Holztreppe bis unters Dach hinauf und gingen dann durch einen schmalen Flur, bis Betty vor einer der Türen stehen blieb. Das Zimmer war klein und sehr einfach eingerichtet, doch im Vergleich mit ihrem Zimmer in Sedona war es luxuriös, zumal ein kleines Badezimmer angrenzte. Nachdem Betty sie verlassen hatte, packte Karen ihre Sachen aus und duschte ausgiebig. Danach war sie so müde, dass sie am liebsten sofort ins Bett gegangen wäre, doch sie wollte sich noch etwas zu trinken aus der Küche holen. Also schlüpfte sie in ihren schicken Hausanzug und zog sich dicke Strümpfe über ihre Füße, da sie ihre Hausschuhe nicht eingepackt hatte. Man konnte schließlich auch nicht an alles denken. Karen hoffte, niemandem mehr zu begegnen. So schlich sie die Treppe hinunter. Obwohl es noch nicht sehr spät war, war es schon sehr still im Haus, auf dem Lande schien man früh schlafen zu gehen. Doch aus der Küche hörte sie Stimmen. Als sie näher kam, konnte sie Dereks und Bettys Stimme erkennen.

„Also wirklich, wie du dich unserem Gast gegenüber benommen hast, war wirklich unmöglich. Du kennst sie doch gar nicht. Vielleicht ist sie gar nicht so wie die anderen“, hörte sie Betty vorwurfsvoll sagen.

„Mum, warum sollte sie anders sein als all die anderen, die David bis jetzt hier angeschleppt hat?“, fragte Derek.

„Hast du ihre Hände gesehen? Die hat noch nie richtig gearbeitet, das kannst du mir glauben. Mag ja sein, dass David ihr aus der Klemme geholfen hat, aber vielleicht hat sie es darauf angelegt. Die ist auch nur auf einen kostenlosen Urlaub aus so wie die anderen auch. Du wirst sehen, ich habe recht.“

Karen traute ihren eigenen Ohren nicht. Was fiel diesem Fiesling ein, sie sofort zu verurteilen, nur weil sie schicke Kleidung trug und lange Fingernägel hatte? Kostenloser Urlaub, von wegen! Sie wollte wirklich einen Job und für ihren Lebensunterhalt arbeiten, warum glaubte ihr das nur keiner? Erst ihr Vater und jetzt dieser Derek. O. k., ich werde es euch schon zeigen!, dachte sie. Während sie überlegte, ob sie in die Küche gehen und diesem Derek die Meinung sagen sollte, öffnete sich plötzlich die Küchentür. Erschrocken wich sie zurück. Derek stand in voller Größe vor ihr. Er blickte sie einen kurzen Moment erstaunt an. Dann ging er ohne ein Wort an ihr vorbei und war im nächsten Augenblick verschwunden. Na toll, jetzt hatte sie sich aber wirklich super verteidigt. Ärgerlich über sich selbst ging sie in die Küche. Wir sind noch nicht fertig miteinander, Mr. Milton, noch lange nicht!

Als sie am nächsten Morgen erwachte, war ihre Wut immer noch nicht verraucht. Allerdings wieder mehr auf sich selbst, da sie verschlafen hatte. Die Uhr zeigte bereits zehn Uhr, morgen würde sie sich auf jeden Fall den Wecker stellen. So bestätigte sie nur den Eindruck, den sie anscheinend auf andere Menschen machte. Beim Ankleiden stieß Karen auf das nächste Problem. Sie hatte nichts anzuziehen, jedenfalls nicht für eine Ranch. Hochhackige Pumps und schicke Kostüme waren sicher nicht das richtige Outfit, doch eine Designerjeans hatte sie dabei. Die aufgenähten Strasssteine waren zwar sehr auffällig, doch das konnte sie jetzt nicht ändern. Jetzt noch eine schlichte weiße Bluse und die Turnschuhe, wieder mal war sie froh, die wenigstens eingepackt zu haben. Das lange kastanienbraune Haar steckte sie kurzerhand hoch, das Frisieren hätte zu lange gedauert. Nun noch ein wenig Make-up, fertig. Karen war mit ihrem Spiegelbild zufrieden und ging nun besser gelaunt die Treppe hinunter. Das Haus schien ausgestorben, nur in der Küche hörte sie Geräusche. Als sie diese betrat, fand sie nur Martha vor, die schon mit der Vorbereitung des Lunches beschäftigt war.

„Oh hallo, Miss Cool, haben Sie gut geschlafen? Setzen Sie sich doch. Ich bringe Ihnen Kaffee oder möchten Sie lieber Tee?“, begrüßte sie sie freundlich.

„Guten Morgen, Kaffee wäre toll. Danke. Ich habe, fürchte ich, etwas zu lange geschlafen“, antwortete Karen verlegen.

„Nach der ganzen Aufregung in den letzten Tagen ist das doch verständlich. Sie mussten sich etwas ausruhen. David ist mit seiner Mutter ausgeritten, aber wenn er wieder da ist, wird er Ihnen die Ranch zeigen. Möchten Sie Ihr Weißbrot getoastet?“

„Ja gerne, danke.“

Karen hatte schon wieder einen Bärenhunger und frühstückte ausgiebig. Martha leistete ihr Gesellschaft. Sie erzählte ihr, dass sie schon seit dreißig Jahren hier arbeitete. Sie stammte aus Sedona und war damals einem jungen Mann hierher gefolgt, der hier als Viehtreiber angefangen hatte. Sie hatten geheiratet und einen Sohn bekommen. Als ihr Mann eines Tages starb, waren sie trotzdem geblieben.

„Mein Sohn Bill ist heute Vorarbeiter, Sie werden ihn noch kennenlernen. Er ist mit Derek unterwegs zur östlichen Grenze, sie werden erst in drei Tagen wieder zurück sein.“

Karen empfand eine gewisse Erleichterung, dass Derek Milton ein paar Tage nicht da sein würde. Dann könnte sie sich in Ruhe auf den nächsten Angriff vorbereiten. Plötzlich sprang die Hintertür auf. Ein alter Mann schlurfte in die Küche. Er ging gebeugt und hatte seinen Hut tief im Gesicht, sodass Karen ihn zunächst gar nicht richtig sehen konnte.

„Ach, das ist Walt, der Koch vom ‚A-Haus‘. Walt, das ist Miss Cool, sie wird bei uns arbeiten“, rief Martha.

„Er ist ein wenig schwerhörig, Sie müssen laut sprechen“, fügte sie hinzu.

„Hallo Walt, ich heiße Karen, schön Sie kennenzulernen“, sagte Karen laut.

Der alte Mann hob langsam den Kopf, schob seinen Hut ein kleines Stück nach hinten und murmelte „Hallo“ und „Arbeiten?“. Dann öffnete er eine große Holzkiste, nahm einen Sack Kartoffeln heraus und schlurfte schon wieder zur Tür hinaus.

„Sehr gesprächig ist er nicht“, stellte Karen amüsiert fest.

„A-Haus, was ist das?“, wandte sie sich nun fragend an Martha.

„Das Haus für die Angestellten, es liegt gleich neben dem Haupthaus. Walt war auch mal Viehtreiber, aber seit seine Knochen nicht mehr mitspielen, kümmert er sich um das leibliche Wohl der Männer. Er begleitet immer noch jeden Viehtreck, allerdings mit dem Jeep. Obwohl manchmal kann man ihn nicht davon abhalten, in den Sattel zu steigen, ist halt sein Leben.“

„Wie viele Männer arbeiten denn hier?“, wollte Karen nun wissen.

„Zurzeit müssten es so dreißig sein, im Winter sind es dann nur noch halb so viele.“

Karen staunte, das hätte sie nicht gedacht. Nun war sie richtig neugierig darauf, sich alles anzusehen. Sie musste auch nicht mehr lange warten. Wenig später kamen David und Betty von ihrem Ausritt zurück. Sie betraten die Küche ebenfalls durch die Hintertür. Beide trugen Jeans und Cowboystiefel und waren staubbedeckt und verschwitzt. Betty wirkte überraschend jung in diesem Outfit, von Weitem hätte man sie für eine junge Frau halten können. Doch sie war völlig erledigt, setzte sich an den Küchentisch und legte ihre Beine auf den benachbarten Stuhl.

„Martha, diese jungen Leute bringen mich noch um. Warum müssen sie nur immer so schnell galoppieren?“, fragte sie nach Luft ringend.

David stand am Kühlschrank und schaute schmunzelnd zu seiner Mutter herüber.

„Du musst auch nicht immer versuchen, mitzuhalten, Mum. Du musst das Tempo deinem Alter entsprechend zügeln“, erklärte er nun.

„Nein, mein Sohn, da irrst du dich! DU musst dein Tempo MEINEM Alter entsprechend zügeln. So ist es richtig“, erwiderte sie lächelnd.

„O. k., wenn du meinst. Du kannst dich erst mal ausruhen, ich werde Karen jetzt die Ranch zeigen. Kommst du?“, fragte er nun Karen.

Sie verließen die Küche und befanden sich nun neben dem Hauptgebäude. Gegenüber war sofort das A-Haus. Es war von der gleichen Bauart, allerdings etwas kleiner. David zeigte ihr den Gemeinschaftsraum, die Küche, wo Walt eifrig arbeitete, und zuletzt die Schlafkammern im oberen Stockwerk. Es war zwar einfacher eingerichtet als das Haupthaus, aber nicht weniger gemütlich. David erklärte, dass es früher mal das Ranchhaus gewesen war, bevor sein Vater dann irgendwann das neue Haus gebaut hatte. Nun führte er sie um das Haupthaus herum, das U-förmig gebaut war und somit einen großen Innenhof hatte. Karen war ganz erstaunt, dass sich in diesem Innenhof ein wunderschöner Garten befand und sogar ein Swimmingpool.

„Das ist unser Wellnessbereich, meine Dame, falls Sie eine Massage benötigen, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an mich“, scherzte David.

„Wow! Das hätte ich hier überhaupt nicht erwartet. Ich dachte immer, das Landleben wäre eher spartanisch“, erwiderte Karen, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.

Sie schlenderten einmal um den Pool herum, an einladenden Liegestühlen vorbei und kamen zu einer steinernen Terrasse, von der aus man wieder in das Haus gelangen konnte. Karen war wirklich beeindruckt.

„Mein Vater hatte den Hang zum Luxus. Er war immer der Meinung, man sollte zeigen, was man hat, und ich finde, er hatte recht. Es ist ganz angenehm, nach einem langen Ritt in einen kühlen Pool zu springen, findet übrigens auch mein Bruder, der ansonsten nichts von diesem ‚Schnickschnack‘ hält“, erzählte David. „Um den Garten kümmert sich meine Mutter, das ist ihr Hobby.“

„Er ist wirklich wunderschön. Da steckt sicher viel Arbeit drin.“

Karen fand, dass dieser Garten zwar kleiner war als der ihres Vaters, aber genauso gepflegt und geschickt angelegt und der wurde von einem angestellten Gärtner instand gehalten. Sie hätte sich gerne noch länger umgesehen, doch David drängte jetzt, ihr die Ställe zu zeigen. Als sie den Garten nun auf der anderen Seite wieder verließen, kamen sie an einer Holztreppe vorbei, die zu einer kleineren Terrasse am Ende des Hauses führte.

„Und wo geht es da hin?“, fragte Karen neugierig.

„Das ist Dereks Reich. Er hat den Anbau vor ein paar Jahren gemacht, als er verlobt war. Er wollte wohl mit seiner Zukünftigen ungestört sein, aber aus der Hochzeit ist nichts geworden. Nun wohnt er allein dort. Komm, die Ställe sind gleich hier um die Ecke.“

Karen hätte gerne gefragt, warum aus der Heirat nichts geworden war, doch David war schon vorausgeeilt. So beeilte sie sich, dass sie hinterherkam. Der Pferdestall schien noch nicht sehr alt zu sein und nach den neusten Erkenntnissen eingerichtet. Da Karen selbst gerne ritt, hatte sie schon einige Ställe gesehen, doch das hier übertraf alles. Es gab automatische Wasserzuläufe und Futtertröge und der Boden war ordentlich gefegt. Außerdem schienen die Gänge kein Ende zu nehmen, dieser Stall war einfach riesig. Wenn David nicht dabei gewesen wäre, hätte sie sich sicher verlaufen.

„Mein Gott, das ist ja Wahnsinn! So einen Stall habe ich noch nie gesehen“, entfuhr es ihr. David nickte.

„Nicht wahr? Dereks ganzer Stolz! Er möchte irgendwann ganz auf Pferdezucht umstellen, doch da sich das noch nicht rentiert, fahren wir jetzt zweigleisig. Auf der einen Seite die Viehzucht und auf der anderen Seite die Pferdezucht. Komm, ich zeig dir was.“

David zog sie aufgeregt hinter den Stall, wo sich eine große Pferdekoppel befand. Dort tollten etwa zwanzig Pferde herum, Eines schöner als das andere.

„Du darfst nur nicht hinter den Zaun, das sind nämlich Wildpferde. Die sind unberechenbar“, erklärte er.

„Ich wusste gar nicht, dass es noch Wildpferde gibt“, erwiderte Karen erstaunt.

„Leider nicht mehr viele, man darf auch nur einen kleinen Teil einfangen. Wir reiten sie zu und verkaufen sie dann als Reitpferde oder nutzen sie selbst. Die, die wir nicht gebrauchen können, entlassen wir wieder in die Freiheit. Keine Angst, davon landet keines beim Metzger, dafür sorgt Derek schon. Er ist ein totaler Pferdenarr, das würde er niemals zulassen.“

Das wiederum macht ihn ein klein wenig sympathischer, dachte Karen.

David führte sie am Zaun entlang. Sie erreichten die nächste Koppel und die nächste und die nächste. Das schien hier kein Ende zu nehmen. Auf den Koppeln waren nicht nur Pferde, sondern auch Rinder. Einige wurden deshalb von der Herde getrennt, weil sie krank oder verletzt waren oder einfach nur zu wild, erklärte ihr David. So umkreisten sie einmal die ganze Ranch. Karen war sichtlich beeindruckt. Ab und zu begegneten sie Stallburschen oder Viehtreibern, sie alle begrüßten David herzlich, er schien sehr beliebt zu sein. Karen wurde meistens ignoriert oder bekam nur ein kurzes Nicken. Als sie zum Haus zurückkamen, war Karen froh, wieder in den schattigen Mauern zu sein. Die Mittagssonne brannte. Sie verstand jetzt, warum man lieber die kühleren Morgenstunden für anstrengende Arbeiten nutzte. In der Küche wurden sie bereits von Betty und Inka erwartet. Sie nahmen zusammen einen leichten Mittagssnack ein.

„Ich war heute Morgen drei Meilen nördlich vom Oak Creek bei den breiten Hügeln, du weißt schon, da laufen ein paar verirrte Rinder herum. Hilfst du mir später, sie einzufangen?“, fragte Inka ihren Bruder.

David nickte nur, denn er hatte gerade den Mund voll.

„Dann könnte ich vielleicht schon mal einen Blick auf die Buchhaltung werfen“, warf Karen ein. Betty und Inka schauten sich kurz erstaunt an.

„Ja, wollen Sie mir denn wirklich damit helfen?“, fragte Betty.

Nun schaute Karen erstaunt.

„Natürlich, deshalb bin ich doch hier. Ich brauche wirklich einen Job, wenn ich ehrlich sein soll, ich bin zurzeit etwas knapp bei Kasse“, gab sie offen zu.

„Na gut, ich mag Menschen, die ehrlich sind. Nach der Siesta zeige ich Ihnen alles“, sagte Betty.

Stürme der Prärie

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