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Der verlorene Brief

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Ein Brief wurde auf die Reise geschickt, schön verpackt in einem fein duftenden Kuvert. Die erste Station seiner Reise war ein Briefkasten. Von da an verzögerte sich die Weiterreise, denn der Briefverkehr stand still. Die Briefträger streikten. Deswegen musste er einige Zeit in dem dunklen und feuchten Kasten zubringen. Aufgrund dieser klimatischen Unwegsamkeiten löste sich jeden Tag die Gummierung des Kuverts ein bisschen mehr bis sie gar nicht mehr klebte. Daraufhin trennten sich Brief und Kuvert einvernehmlich.

Als der Streik nach Tagen endlich beendet war, hatte es der zuständige Briefträger sehr eilig, die gesammelte Post aus dem Kasten zu holen und somit mangelte es ihm an gebührender Aufmerksamkeit für die ihm anvertrauten Sendungen. Jedenfalls landete nur das Kuvert in seiner Tasche, der Brief aber fiel auf den Boden, was dem Briefträger aber nicht auffiel. Es dauerte nicht lange und eine Brieftaube kam vorbeigeflogen. „Oh, der ist für mich“, dachte sie, als sie den Brief sah. Sie klemmte ihn sich in den Schnabel und flatterte mit ihm davon.

Zu Hause angekommen, ging sie schnurstracks zu ihrer Freundin, der Lachtaube. Die konnte nicht mehr aufhören zu lachen, als sie den Brief las. „Welch ein schmalziges Zeug diese Frau Basilikum aus dem Nachbargarten schreibt!“ Von dem Gelächter angelockt ging es bei ihnen bald zu wie in einem Taubenschlag. Es kamen noch die Haustaube, die Ringeltaube und die Turteltaube. Alle fanden den Brief zum Totlachen, nur der Turteltaube blieb das Lachen im Halse stecken, denn sie war die Romantikerin unter den Tauben. Und dieser Brief war eindeutig ein romantisches Schriftstück. Offensichtlich schrieb die feine Frau Basilikum an einen Herrn Borretsch, wie sehr sie ihn verehre und gerne näher bei ihm wäre. Sie sei ganz verschossen in seine himmelblauen Augen.

Alle Tauben bis auf die Turteltaube zerrten und pickten mit ihren spitzen Schnäbeln an dem Brief, bis nur noch klitzekleine Schnipsel übrig waren und im Wind auf und davon flatterten. So war er auf immer und ewig verloren. Und so kam es auch, dass der Herr Borretsch und die feine Frau Basilikum sich nie näher kamen. Herr Borretsch blieb bei den Gurken und Frau Basilikum bei den Tomaten.

Frau Meiers merkwürdige Märchen für Erwachsene

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