Читать книгу Ich bin Spartacus - Kai Brodersen - Страница 8
Sklaven als Landarbeiter, Hirten und Gladiatoren
ОглавлениеWer wäre so gleichgültig und so oberflächlich,
dass er nicht erfahren möchte,
wie und durch welche Verfassung beinahe
die ganze bewohnte Welt in nicht ganz 53 Jahren
unter die alleinige Herrschaft der Römer
gebracht worden ist?
POLYBIOS1
Vom Beginn des Krieges gegen Hannibal und Karthago bis zum Ende des Krieges gegen Perseus von Makedonien, von 221 bis 168 v. Chr., war es Rom gelungen, fast die ganze den Zeitgenossen bekannte Welt zu erobern. Noch im 2. Jahrhundert v. Chr. versucht der griechische Historiker Polybios von Megalopolis dies nicht nur mit dem straff organisierten und überaus schlagkräftigen Militär, sondern mit der besonderen Verfassung der Siegermacht zu erklären. Rom war eine res publica, eine Republik, als Mischverfassung geleitet von Senat und Volksversammlung (SPQR, Senatus Populusque Romanus) unter der Führung von zwei jährlich wechselnden Consuln und, diesen nachrangig, mehreren Praetoren – einem für die Stadt Rom (der sogenannte „Stadtpraetor“), einem für die Fremden und einem weiteren für die Provinzen. Ein sichtbares Zeichen der Macht von Consuln und Praetoren war, dass sie von „Lictoren“, einer Art Leibwache, begleitet wurden, die Beile und Rutenbündel als Machtsymbole trugen (diese fasces wurden im 20. Jahrhundert von den nach ihnen benannten „Faschisten“ als Symbol wieder aufgenommen); Consuln und Praetoren hatten in ihrem Aufgabenbereich auch das Kommando über das Heer inne. Roms Armeen waren und blieben siegreich: Mit erneuten militärischen Erfolgen und der Zerstörung von Karthago in Nordafrika und Korinth in Griechenland war Rom 146 v. Chr. vollends zur weltbeherrschenden Macht geworden, die über viele Jahrhunderte nicht mehr ernsthaft von äußeren Gegnern herausgefordert werden sollte.
Ein ehemaliger Sklave als Sklavenhändler
Aulos Kapreilios Timotheos, Freigelassener des Aulos, Sklavenhändler – so lautet die Inschrift2 auf diesem wohl um 100 n. Chr. zu datierenden Grabstein, den man im nordgriechischen Amphipolis gefunden hat. Im oberen Bildfeld ist der Sklavenhändler, wie auf Grabsteinen üblich, bei einer Totenmahl-Szene dargestellt, im mittleren sind Männer mit dem Transport von zwei großen Gefäßen sowie einer Amphore und einer Weinkanne befasst, im unteren sind neben zwei Frauen mit einem Kind acht am Hals aneinander gefesselte Männer dargestellt, die einer Person im Kapuzenmantel folgen. Der Sklavenhändler war selbst ein ehemaliger Sklave und belieferte wohl die Weinbauern bei Amphipolis mit Sklaven als Landarbeitern.
Die zahlreichen Eroberungen hatten nicht nur große Gebiete unter die Herrschaft der Römer gestellt, sondern auch immer neue Kriegsgefangene als Sklaven auf den Markt gebracht – aus Gallien und Germanien im Nordwesten der römischen Welt ebenso wie aus Thrakien, Kleinasien und Syrien in deren Osten. Zudem hatten Piraten – etwa in Kilikien an der Südküste Kleinasiens – und andere Menschenräuber Sklaven in den nicht von Rom kontrollierten Ländern jenseits des Reiches erbeutet und verkauft; schließlich wurden auch immer mehr Kinder von Sklaveneltern geboren und waren daher von Geburt an Unfreie.
Sklaven als Landarbeiter
Viele Sklaven lebten und arbeiteten in städtischen Haushalten; zu Aufständen von Sklaven gegen Rom kam es hingegen vor allem unter Unfreien, die als Landarbeiter, als Hirten – oder aber als Gladiatoren – eingesetzt waren. Die Eroberungen hatten der römischen Oberschicht nämlich großen Reichtum gebracht, den sie außer in Luxuswaren vor allem in Ländereien in Süditalien investierte: in Campanien, Apulien und Lucanien, in Bruttium (der heute sogenannten „Stiefelspitze“) und Sallentium (dem „Absatz“ Italiens). Bisher von freien Kleinbauern bewirtschaftete Äcker wurden zu einem großen Landgut zusammengefasst – fundus oder latifundium genannt; die Leitung eines solchen Landguts übertrug der jeweilige Gutsbesitzer als dominus (Herr) einem seiner Sklaven – servus (Diener) oder mancipium (Gefangener) genannt. Dieser vilicus (Gutsverwalter) beaufsichtigte von der villa (dem Gutshof) aus die familia der Sklaven auf dem Gut.
Der Begriff familia legt uns heute dabei ganz andere Assoziationen nahe als in der Antike: Die familia der Sklaven bestand aus Menschen, die oft als Kriegsgefangene oder Opfer von Menschenräubern aus ganz unterschiedlichen Weltgegenden stammten, sich kaum untereinander verständigen konnten und als Unfreie unter vielfach unmenschlichen Bedingungen Tag für Tag auf dem Gut schuften mussten, während sie nachts in einer verschleiernd als ergastulum („Arbeitshäuschen“) bezeichneten Sklavenkaserne unter Bewachung oder gar in Ketten gehalten wurden.
Für die neue Betriebsform des großen, von Sklaven bewirtschafteten Gutes entstand bald Fachliteratur, die uns erhalten ist und der wir Details über die Aufgaben des vilicus entnehmen können. Bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. etwa äußert sich Marcus Porcius Cato (zur Unterscheidung von seinem ebenfalls in der Politik aktiven gleichnamigen Urenkel auch „Cato der Ältere“ genannt) in seinem Werk Über die Landwirtschaft wie folgt: „Die Pflichten des vilicus sind folgende: Er halte auf gute Disziplin. Feiertage sollen eingehalten werden. Von Fremdem halte er seine Hand fern, auf das Seine achte er gewissenhaft. Über Streitigkeiten der familia soll er entscheiden; wenn jemand etwas begangen hat, ahnde er es nach der Schwere des Vergehens auf vernünftige Weise. Der familia soll es nicht schlecht gehen, sie soll nicht frieren, sie soll nicht hungern. Mit Arbeit beschäftige er sie gehörig; leichter wird er sie so von bösem Tun und fremdem Gut fernhalten. Wenn der vilicus nicht will, dass sie Unrecht tut, wird sie das auch nicht tun; wenn er es aber geduldet hat, soll sein dominus das nicht ungestraft lassen. Für Wohlverhalten zeige er sich dankbar, um anderen einen Anreiz zu geben, sich gut zu führen. Der vilicus sei kein Herumtreiber, sei stets nüchtern, gehe zum Essen nirgendwohin aus. Die familia halte er beschäftigt und überwache, ob geschieht, was sein dominus angeordnet hat. Er bilde sich nicht ein, mehr Verstand zu besitzen als sein dominus … Einen Eingeweidebeschauer, einen Vogelflugdeuter, einen Wahrsager oder einen Astrologen soll er nicht befragen … Als Erster stehe er vom Bett auf, als Letzter gehe er zu Bett. Vorher vergewissere er sich, dass die villa verriegelt ist, dass jeder an seinem Platz schläft und dass die Zugtiere Futter haben.“3
Süditalien und Sizilien mit den wichtigsten in diesem Buch genannten Regionen und Orten.
Dass der vilicus am besten aus dem Kreis der in der Landwirtschaft eingesetzten Sklaven stammen soll, legt im 1. Jahrhundert n. Chr. der römische Autor Lucius Iunius Moderatus Columella dar: „Die nächste Überlegung ist, welche servi man mit der Leitung dieser oder jener Arbeit betrauen und welche man für die einen, welche für die anderen Arbeiten bestimmen soll; ich warne vor allem davor, einen vilicus aus dem Kreise solcher servi einzusetzen, die sich mit ihrem Körper gefällig erwiesen haben, auch nicht einen von denen, die feinere Tätigkeiten, wie sie für die Stadt passen, ausgeübt haben. Fahrlässig und schläfrig ist diese Art von mancipia, gewöhnt an Nichtstun und Herumspazieren, an Zirkus und Theater, an Würfelspiel und Garküche und Bordelle; auf derlei Nichtsnutzigkeiten sinnen sie ständig. Wenn sie die auf den Acker mitbringen, so hat der dominus den Schaden, und zwar nicht so sehr an dem servus selbst wie an seinem gesamten Vermögen. Als vilicus ausgewählt werden muss also ein Sklave, der von Kind an durch Landarbeit abgehärtet und in der Praxis erprobt ist; ist ein solcher nicht vorhanden, so sollte man einen von denen dazu anstellen, die ein mühevolles Sklavenleben ausgehalten haben. Über die erste Jugend sollte er schon hinaus sein, aber noch nicht das Greisenalter erreicht haben; die Jugend würde nämlich beim Befehlen seine Autorität mindern, da Ältere ja einem zu jungen Menschen nur widerwillig gehorchen, ein Greis aber wäre der sehr anstrengenden Aufgabe kaum gewachsen. Der vilicus sei also mittleren Alters und gut bei Kräften, in der Landwirtschaft erfahren oder sonst, um desto schneller zuzulernen, besonders strebsam … Auch ein Analphabet kann seine Sache recht ordentlich machen, er muss nur ein sehr gutes Gedächtnis haben. Ein solcher vilicus, sagt (der Experte) Cornelius Celsus, bringt dem dominus öfter das bare Geld als das Abrechnungsbuch, weil er als Analphabet selbst die Rechnungen nicht zustande bringt, sich aber auch scheut, sie von einem anderen machen zu lassen, damit dieser keinen Einblick erhält.
Dem vilicus aber – mag er sein, wie er will – muss als Hausgenossin eine Frau zugewiesen werden, die ihn in Ordnung hält und in manchen Dingen ihn doch auch unterstützt … Opferschauer und Wahrsagerinnen, die beide durch sinnlosen Aberglauben Ungebildete zu Ausgaben und weiterhin zu Schändlichkeiten verführen, soll er nicht zulassen … Weitere Vorschriften sind allen Umsichtigen geläufig, dass sie die im ergastulum eingesperrten mancipia besichtigen, um festzustellen, ob sie sorgsam gefesselt sind; ob die Kerker selbst ausreichend verwahrt und gesichert sind und ob nicht der vilicus ohne Wissen des dominus einen Sklaven in Fesseln gelegt oder einen davon befreit hat.“4
Sklaven als Hirten
Während Sklaven als Landarbeiter unter strenger Aufsicht arbeiteten und manche über Nacht in einem ergastulum gefesselt eingesperrt wurden, damit sie nicht flüchteten, mussten sich die Sklaven freier bewegen können, die als Hirten eingesetzt waren. Im 1. Jahrhundert v. Chr. legt der römische Gelehrte Marcus Terentius Varro in seinem Werk Über die Landwirtschaft dar: „Für die größeren Herdentiere braucht man Hirten, die im Alter fortgeschritten sind, während für die kleineren auch Knaben ausreichen; in dem einen wie dem anderen Fall müssen aber die Hirten, die auf den Bergweiden tätig sind, kräftiger sein als die, die auf einem fundus (Landgut) täglich zur villa zurückkehren. So kann man denn auch auf den Bergweiden junge Männer sehen, die meistens Waffen tragen, während auf den Gütern nicht nur Knaben, sondern auch Mädchen das Vieh weiden lassen. Die es weiden lassen, soll man dazu anhalten, den ganzen Tag auf der Weide zu verbringen und die Herden gemeinsam weiden zu lassen, wie auch umgekehrt dazu, dass jeder bei seiner Herde übernachtet. Unterstehen sollen sie alle einem magister pecoris (Viehmeister), der älter und erfahrener als die anderen sein soll, da die Übrigen dem bereitwilliger gehorchen, der sie an Lebensjahren und Sachkenntnis übertrifft. Nur soweit freilich soll er sie an Lebensjahren übertreffen, dass es ihm nicht aus Altersgründen schwerer fällt, körperliche Anstrengungen auszuhalten. Weder Greise noch Knaben ertragen nämlich die beschwerlichen Bergweiden oder die steilen und rauen Berge leicht. Dies aber müssen Leute hinnehmen, die Herden begleiten, zumal, wenn es sich um Rinder- oder Ziegenherden handelt, denen daran liegt, Felsen und Wälder zum Weiden zu haben. Nach ihren Körpereigenschaften hat man die passenden Leute aus dem Blickwinkel zu wählen, dass sie stark und schnell, behänd und leichtfüßig sind, um nicht nur das Vieh begleiten, sondern es auch vor Raubtieren und Räubern schützen zu können; auch sollen sie Lasten auf Packtiere heben, aus einem Hinterhalt herauslaufen und den Wurfspieß schleudern können … Was die menschliche Fortpflanzung anbelangt, machen Hirten, die ständig auf dem Gut bleiben, keine Mühe, weil sie in der villa eine Mitsklavin haben und die Venus pastoralis (die Liebesgöttin der Hirten) nichts weiter als sie verlangt. Soweit sie aber in Gebirgslandschaften leben und in Waldgegenden ihre Herden weiden lassen und nicht in einer villa, sondern in Hütten vor plötzlichen Regenschauern Zuflucht suchen, betrachteten viele es als nützlich, ihnen Frauen beizugesellen, die den Herden folgen, den Hirten ihr Essen zubereiten und sie dazu bringen, bodenständiger zu sein. Doch sollen diese Frauen kräftig, nicht hässlich sein. In vielen Gegenden stehen sie den Männern bei der Arbeit in nichts nach …“5
Stark und doch schnell, behänd und leichtfüßig, mit ihrer Frau in den Weideregionen lebend und mit Waffen gegen Raubtiere und Räuber ausgerüstet – es ist wohl kein Wunder, dass die als Hirten eingesetzten Sklaven ein Ende ihrer Unfreiheit nicht nur herbeisehnten, sondern – anders als die in den ergastula in Ketten gehaltenen Sklaven – am ehesten auch umsetzen konnten!
Sklaven als Gladiatoren
Süditalien ist nicht nur die antike Region, in der Sklaven erstmals in großem Stil als Landarbeiter und Hirten eingesetzt wurden, sondern auch die, in der früh Gladiatoren bezeugt sind. Der Begriff gladiator bezieht sich auf den gladius (das Kurzschwert), mit dem diese Männer bei den Schaukämpfen, bei denen es um Leben und Tod ging, ausgerüstet waren.
Gladiatoren auf einer Wandkritzelei in Pompeii
Zwischen Zuschauern (links) und Musikern (rechts) ist der Zweikampf der Gladiatoren Hilarus und Creunus dargestellt. Die Inschriftentexte6 besagen:
„Hilarus, Gladiator aus dem ludus des Nero, 14 Kämpfe, 12 Siegeskränze. Sieger.“
„Creunus, 7 Kämpfe, 5 Siegeskränze, (nach dem Kampf) zurückgeschickt.“
„Gladiatorendarbietung (munus) in Nola über 4 Tage von Marcus Cominius Heres.“
Für ihre Auftritte ausgebildet wurden die Sklaven in ludus („Spiel“) genannten Gladiatorenschulen, in denen sie auch kaserniert waren. Wie die als Hirten eingesetzten Sklaven verfügten auch die Gladiatoren über Waffen und verstanden sich auf deren Einsatz. Es überrascht deshalb nicht, dass Gladiatoren durchweg als gefährlich galten, gerade in Krisenjahren. Als etwa im Jahr 63 v. Chr. die römische res publica sich von der Verschwörung des Lucius Sergius Catilina bedroht sah, wurden verfügt, dass „die Gladiatoren-familiae nach Capua und in die anderen Landstädte verteilt“ würden,7 um Zusammenrottungen zu verhindern. Nach dem Ende dieser Krise kehrten die Gladiatoren in ihre ludi zurück; als ein ludus-Besitzer in Capua erscheint dann Gaius Iulius Caesar. Als dieser 49 v. Chr. den Rubicon überschritten und mit dem Marsch auf Rom den blutigen Bürgerkrieg eröffnet hatte, überlegten Caesars Gegner angesichts des Mangels an einsatzfähigen Soldaten, Caesars Gladiatoren, die „angeblich gerade dabei waren, einen Ausbruch zu unternehmen“,8 auf ihre Seite zu bringen und gegen Caesar einzusetzen.9 Fünf Jahre später wurde Caesar an den Iden des März, am 15. März 44 v. Chr., ermordet – und auch die Verschwörer gegen Caesar hatten bewaffnete Gladiatoren-Sklaven als schlagkräftige Unterstützung eingeplant.10
Wenn es also gelang, bewaffnete Gladiatoren außerhalb der Schaukämpfe, für die sie ausgebildet wurden, für eigene Zwecke einzusetzen, verfügte man über eine schlagkräftige Truppe; glückte den Gladiatoren hingegen ein Ausbruch aus dem ludus, drohte der res publica Gefahr. Dass man sich dabei an den Spartacus-Aufstand erinnert gefühlt haben wird, kann man einer Nachricht bei dem römischen Historiker Publius Cornelius Tacitus über einen Aufstand in Praeneste (Palestrina) im Jahr 61 n. Chr. entnehmen: „Damals versuchten die Gladiatoren in der Stadt Praeneste einen Ausbruch, wurden aber von der Truppe, die als Wache dort lag, gebändigt, während das Volk in Gerüchten bereits von Spartacus und den schlimmen Ereignissen der alten Zeit sprach.“11