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So fing alles an

„Lebenskünstler" - was genau ist das eigentlich, ein „Lebenskünstler"? Also ich würde es versuchen, so zu beschreiben:

Ein Lebenskünstler ist eine Person, die genauer gesagt die Gabe besitzt, ohne großen Aufwand stets das meiste rauszuholen und auf die die Dinge im Leben mit Selbstverständlichkeit zufliegen, wie zum Beispiel Frauen oder auch Geld. Ein Lebenskünstler gerät nie in Schwierigkeiten, denn durch seine für andere unerträgliche Leichtigkeit des Seins schwebt er immerfort über allen Dingen hinweg.

Deshalb möchte doch letztendlich jeder eigentlich irgendwie ein Lebenskünstler sein. Oder?

Wie bereits gesagt ist es eine Gabe, vergleichbar mit einer tollen Gesangsstimme (jeder kann zwar singen, aber es gibt hierbei oft sehr große Unterschiede) und man kann diesen „Zustand” leider auch nicht erlernen.

Schon in unserer Abi-Schülerzeitung hatte anno dazumal einer meiner ehemaligen Mitschüler aus der Redaktion mein Foto, auf dem wir alle (nach heutigem Standard) schrecklich aussahen (ich hatte halblange Haare und sah aus wie Prinz Eisenherz) mit der Bezeichnung „Lebenskünstler“ vermerkt, wohlweislich in der Annahme, meinen weiteren Lebensweg vorhersagen zu können. Bis heute ist unklar, wer von den Jungs in so jungen Jahren, wir waren damals neunzehn, dermaßen viel Weitblick besessen hatte (Mann, ist das alles lange her, über ein Vierteljahrhundert).

Jetzt werden wir einmal konkret und dazu nehmen wir das Beispiel Brasilien. Ebenda lebte ich einige Zeit, für viele Brasilianerinnen wahrscheinlich zu kurz oder doch zu lang (ich weiß es nicht), nach der Beendigung meines Abiturs, das ich im Übrigen ebenfalls ohne großen Energieaufwand bestand. Und wie Sie bereits lesen konnten, war nach meiner Anwesenheit dort nichts mehr gleich, oder anders ausgedrückt, nichts mehr im Gleichgewicht.

Genauso wie das Abitur hätte ich später übrigens sicherlich auch mein angefangenes Germanistikstudium an der Universität von Sevilla mit Mühelosigkeit beendet, wenn die Zeit dazu da gewesen wäre.

Bei allen Examen der ersten beiden Jahre in dem alten beeindruckenden Tabakfabrikgebäude (Schauplatz der Oper „Carmen” des Genies Bizets) gab ich mir wirklich sehr viel Mühe, das können Sie mir ruhig glauben. Aber es kam schlussendlich irgendwie alles ganz anders.

Nun erst einmal kurz zurück nach Brasilien, denn verständlicherweise liegt mir mehr daran, davon zu berichten, wie ich zum Makler geworden bin.

Also - ich gab dort Deutschunterricht in einer Sprachschule in Salvador da Bahia, in der ich mich einfach als Don Fischer präsentiert hatte, ohne jegliches Studium oder Ausbildung in dieser Richtung. So viel zum Thema „Lebenskünstler"!

Mit der bezaubernden Englischlehrerin (eine Exotin mit zimtfarbener Haut) hatte ich eine Liaison. Die Schulsekretärin (nicht ganz so schlank wie die Englischlehrerin, aber dennoch sehr begehrenswert) versuchte mich ständig zum Abendessen einzuladen - bei sich zu Hause, völlig privat. Und die Inhaberin der Schule, eine vierzigjährige, höchst attraktive Mutter von drei Kindern und mit Ehemann, besaß mehrmals die Absicht, mich in ihrem Auto zu verführen. Eine ihrer Töchter war sogar in meinem Alter, bei der ich heute sicherlich nicht „Nein” gesagt hätte - ich meine bei ihrer Mutter, das versteht sich ja wohl von selbst oder doch bei beiden?

Damals war mir diese Situation, um ehrlich zu sein, ein wenig unangenehm, da ich auch mit ihrem Mann und den Kindern eine Freundschaft pflegte. Ich war ja schließlich erst neunzehn - ein Spätzünder sozusagen. Heute gehe ich sicherlich an viele Dinge, um nicht zu erwähnen an alle, ganz anders ran!

Nachdem sie rausbekam, dass ihre Sekretärin ein Auge auf mich geworfen hatte, wollte sie diese sofort entlassen. Von meiner Liebschaft mit der Englischlehrerin wusste sie glücklicherweise nichts, sonst wäre die Arme mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls im hohen Bogen von der Schule geflogen.

Ich beschwichtigte die Chefin in ihrer Absicht und beschloss nach all dem Chaos vor, das ich indirekt provoziert hatte (ich dachte, ich krieg hier ‘nen Vogel und mein „PapaKai” - ich habe ihn bereits vorgestellt - käme im Sturzflug in meine Richtung herabgeschossen), mich anderen Dingen als meinem Liebesleben zu widmen und verließ dieses beeindruckende, wunderbare Land.

Auf jeden Fall war die unfreiwillige Ernennung meiner Person zum Hauptdarsteller einer lateinamerikanischen Seifenoper eine besonders hilfreiche Lebenserfahrung für mich und hatte mich damals in der Tat sehr geprägt.

Ich ging nach Spanien, um meine eigentliche „Berufung”, die des Maklers (von der ich bis dato nicht den leisesten Schimmer hatte, sie überhaupt zu besitzen), zu entdecken und ihr nachzugehen.

Wie kommt man (nach alledem) nun eigentlich dazu, Makler zu werden?

Diese Frage lässt sich sehr schnell beantworten: Wie die Jungfrau zum Kind !

1995 hatte ich mir zunächst einen kleinen Bus zugelegt und organisierte als Kleinunternehmer Tagesausflüge und Flughafentransfers für Touristen in Andalusien in dem beschaulichen Küstenort Conil de la Frontera, direkt an der Costa de la Luz gelegen. Allen gefiel mein Service, nur nicht den Taxifahrern des Dorfes, die immer auf Fahrgäste wartend unweit der Plaza España standen und mich mit voll besetztem Bus an ihnen vorbeidüsen sahen.

Zweimal bekam ich alle vier Reifen zerstochen, ein drittes Mal erschienen fünfzig wütende „Taxistas" am Flughafen von Jerez de la Frontera und wollten meinen Bus in Flammen aufgehen lassen. Ich dachte, ich krieg hier schon wieder ‘nen Vogel, „PapaKai" (nun weiß wirklich jeder, denke ich, wen und was ich damit meine).

Da das Verhältnis eins zu fünfzig (genauer gesagt waren wir in diesem Moment zu zweit, aber dazu später) nicht proportional zueinander stand, zog ich es vor, Intelligenz vor unangebrachtem Heldentum siegen zu lassen.

Mir war klar, dass ich nicht im Krieg hier weiterleben wollte. Ich besann mich auf meine Fähigkeiten, verkaufte das Gefährt (allerdings nicht an die Taxifahrer) und bewarb mich bei einem deutschen Reiseveranstalter für eine Stelle im kombinierten Innen - und Außendienst. Ein Traumjob soszusagen, für den richtigen Mann zur richtigen Zeit!

Kurz darauf sah ich mindestens fünf dieser „Taxistas" ebenfalls mit einem funkelnagelneuen Minibus Fahrgäste durch den Ort kutschieren. So schlecht fanden sie meine Idee also doch nicht. Wichtig für sie war wahrscheinlich nur, wer ihn fährt. Für mich war die Sache auf jeden Fall abgehakt, freute mich allerdings sehr, ihnen innovative Anstöße gegeben zu haben.

Dann stand auf einmal eines Tages ein Ehepaar, beide etwa Mitte vierzig, aus Nordrhein-Westfalen bei uns im Büro und fragte mich nach Häusern zum Kauf. Sie waren tatsächlich das allererste Mal in ihrem Leben für fünf Tage in Andalusien. Die Familie betrieb einen Garten - und Landschaftsbau und hatte dadurch in den Wintermonaten viel Freiraum, um der Kälte in Deutschland zu entfliehen und diese Jahreszeit in wärmeren Gefilden zu verbringen.

Bis zu diesem Zeitpunkt boten wir nur die Vermietung von Ferienhäusern an, deshalb war ich bei dieser Frage eigentlich recht überrascht. Immobilienbüros gab es in dem Zwanzigtausend-Seelen-Ort noch nicht.

Einige Tage zuvor teilte mir eine ältere Dame aus Berlin mit, dass sie gerne ihr Stadthaus verkaufen wolle und ob wir ihr dabei nicht behilflich sein könnten. Kurz entschlossen rief ich die Dame an und vereinbarte meinen ersten Besichtigungstermin. Ich war sehr gespannt - und um ehrlich zu sein, auch ein bisschen nervös.

Wir gingen von unten nach oben und wieder von oben nach unten durch das gesamte Haus und das Ehepaar stellte mir einige wichtige Fragen. Als guter Verkäufer, zu dem ich in diesem Moment auf unverhoffte Weise und wie durch ein Wunder geworden war, weiß man, dass man keine dieser Fragen unbeantwortet lassen darf, das sagte mir mein Bauchgefühl!

Ich muss gestehen, dass ich mich im Vorfeld auf diesen Termin sehr gerne etwas vorbereitet und mir sicherlich zumindest eine Folge dieser Makler-TV-Serien angeschaut hätte, jedoch existierten sie noch nicht. Und so musste ich improvisieren und auftretende Zweifel ohne fremde Hilfe aus der Welt schaffen. Irgendwie gelang es mir wohl sehr überzeugend, alle Fragen konsequent zu beantworteten, sogar die, deren Antwort ich nicht kannte. Ich war von mir persönlich selbst verblüfft. Schlummerte wirklich so viel Potenzial in mir, von dessen Existenz ich keine Ahnung hatte?

In weniger als einer Stunde war alles geklärt und beide entschieden sich das Haus zu kaufen. Ich war begeistert und sagte zu mir:

»Na, das war ja jetzt einfach, ein Kinderspiel, das mache ich ab sofort immer!«

Zügig wurde der Notartermin vereinbart, die glücklichen Kunden waren stolze Besitzer eines kleinen typischen Stadthauses (mit Blumen geschmücktem Innenhof) in Andalusien, binnen weniger Wochen.

Und so begann meine Karriere als „Immobilienmakler“. Das mit dem „einfach“ sollte sich allerdings im Laufe der Jahre und mit stetig wachsender Nutzung des Internets noch ändern.

Ich glaub, ich krieg nen Vogel

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