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Traum und Sinnreise des Ignatius

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Ignatius von Manresa lebte ein Leben in Dunkelheit und Unwissenheit, doch als er in seinem vierzigsten Lebensjahre stand, erkrankte er schwer und lag viele Wochen zwischen Leben und Tod. So weit ging die Erkrankung, dass er für einige Stunden gar für tot angesehen worden ist. Schließlich überwand er seine Krankheit und kam wieder zu Kräften. Doch in ihm hatte sich ein Wandel vollzogen. Er fand keine Freude mehr, weder an seinen Kindern noch an seiner Frau oder an jedweder Tätigkeit. Nachdem er einige Jahre so zugebracht, beschloss er, seine Heimat zu verlassen, um in den Bergen sowohl Lebensfreude als auch sich selbst wiederzufinden. So verließ er seine Familie und lebte viele Jahre allein in den Bergen, sich von Beeren, Pilzen und Wildfleisch ernährend. An einem sonnigen Tage begab er sich mit einem schon seit vielen Monden seinen Geist quälen-den Zweifel auf die Erhöhung eines Berges und setzte sich in den Schatten seines ihm liebsten Baumes. Da kam in ihm plötzlich die Frage auf: „Gott? Was ist das?“ Und sein Gewissen antwortete ihm: „Das ist dein Schöpfer, der dich geschaffen hat.“ Da sprach sein Zweifel: „Wie könnte ich geschaffen sein? Wie sollte ich eines Schöpfers Werk sein, der ich doch unsterblich bin? Und ist nicht alles Leben ebenso wie ich unsterblich und eines Ursprungs?“ Und so verließ er den Baum und stieg erhobenen Herzens die Erhöhung des Berges hinab, den neugeborenen Gedanken tief in seinem Geiste tragend.

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Als Ignatius viele Jahre in den Bergen gelebt hatte, trug es sich zu, dass er eines Nachts keinen Schlaf finden konnte. Und nachdem er viele Stunden wach gelegen hatte, verließ er sein Schlaflager und begab sich in den Garten, den er zu seiner Freude angelegt hatte. Dort setzte er sich neben einen wohlriechenden Apfelbaum, lehnte sich mit seinem Rücken an seinen Stamm und betrachtete den Sternenhimmel. Sein Blick verlief sich in die Tiefe des Raumes und plötzlich überkam ihn der Schlaf. Tief in das Unbewusste fiel sein Geist und er betrat Wege, die er noch niemals gegangen war. Und als er erwachte, war ihm, als hätte er eine Reise vollendet, die ihm Ziel und Sinn seines Daseins offenbart. Ja, nicht nur allein das, sondern ebenso den Ursprung des Lebens und des Raumes. Sogleich ging er in seine Höhle, zündete eine Kerze an und schrieb, als flösse es ihm aus seinem Herzen und nicht aus seinem Kopfe:

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„Wenn der Mensch seinen Gedanken nachgeht, wenn er träumt, wenn er eine Melodie erfindet oder sich erinnert, dann schaut er in sich hinein und schöpft aus dem Unendlichen. Egal, wie oft er dies tut, er wird niemals sagen können: „Jetzt habe ich dort alles vorgefunden. Mehr gibt es nicht zu entdecken." Es wird dort immer etwas Neues zu entdecken geben, denn die Wege sind dort unendlich. Wenn jemand im Geiste sein ganzes Leben einen Weg ginge, so könnte er ihn dennoch nie beenden. In der physischen Welt enden alle Wege irgendwann einmal, in der geistigen niemals. Dies steht in einem sonderbaren Gegensatz zur Endlichkeit der physischen Welt und ließ daher verständlicherweise im Menschen den Verdacht aufkommen, dieser Geist könne auch nach dem Tode seines Körpers weiterhin bestehen. Zumal das Merkvermögen dieses Geistes so gewaltig ist, dass er in ihr die gesamte physische Welt, also das gesamte Universum, kopieren könnte und dennoch genügend Raum vorhanden wäre, um ein weiteres Universum in sich aufzunehmen; sein Denkvermögen so hoch entwickelt ist, dass er die komplexesten Strukturen entschlüsseln und begreifen kann und jedem Geschöpf auf dieser Erde weitaus überlegen ist; sein Schaffensvermögen so unerschöpflich ist, dass die von ihm hervorgebrachten Melodien, Gedankengebäude, Poesien, Einfälle, Erfindungen oder Träumereien niemals ein Ende finden werden. Angesichts dieser herausragenden Qualität des Geistes, die in der uns bekannten Welt nicht ihresgleichen hat, ist es nicht verwunderlich, dass der Mensch seinen wahren Ursprung außerhalb der Erde vermutete.

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Wenn der Mensch sich selbst verlässt und seine Sinne der physischen Welt zuwendet, wird er eines großen Kontrastes gewahr: des Kontrastes von toter gegenüber lebendiger Materie. Tote Materie kann sich aus sich heraus nicht bewegen, doch lebendige Materie hat in sich die Fähigkeit, sich zu bewegen oder gar zu verändern. Ein Baum wächst. Ein Tier läuft, schwimmt, kriecht oder fliegt. Das Gras sprießt aus dem Boden hervor und eine Blume blüht. Der Mensch sieht dieses Leben und eine Frage kommt in ihn auf: „Was ist Leben?" So schön auch die Formen des Lebens sind -ihm ist klar, dass er durch die alleinige Wahrnehmung der Lebensformen mit den Sinnen das Leben nicht begreifen wird, denn das Leben wirkt von innen heraus. Was immer Leben auch sein mag, es ist etwas, das von innen heraus Materie zur Entfaltung bringt. Es muss aber auch eine Art von Energie sein, denn es gibt keine Bewegung ohne Energie. Es scheint also eine Art von Energie zu sein, die im Raume befindlich zur Entfaltung gekommen ist und die weder extrahierbar noch messbar ist. Sie ist bestimmter Materie eingegeben und niemand vermag zu sagen, woher sie kommt und weshalb sie auf dieser Erde vorhanden ist.

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Bei der Betrachtung der Sinnenwelt und ihres ewigen Wandels entgeht dem Beobachter nicht, dass trotz dieser unaufhörlichen Veränderung diese an eine bestimmte Ordnung und Gesetze gebunden ist. So muss unweigerlich in ihm die Frage aufkommen: „Wer oder was hat die Materie im Raume den Naturgesetzen unterworfen?" d.h. „Wer oder was bindet die Materie an diese Gesetze, und wie kam es zu einer solchen Bindung?" Bei der Entstehung des Raumes müssen diese Naturgesetze bereits gewirkt haben, d.h. ihre Richtung und Ordnung muss der Materie bereits immanent gewesen sein, denn sie hat gewissermaßen Ewigkeitscharakter. Es ist völlig gleichgültig, ob Materie zerstört wird oder neu entsteht, sie ist dabei stets den Naturgesetzen unterworfen. Durch diese Gesetze beugt sich die Materie gewissermaßen einem Willen, der bereits vorhanden gewesen sein muss, bevor es überhaupt Materie gab. Diesen Willen schrieb man einem Gott oder Göttern zu. Doch welche Indizien gibt es für einen Gott oder für Götter? Habe ich jemals einen gesehen oder sprach ich jemals mit jemandem, der glaubhaft einen solchen sprach oder sah? Alles, was ich jemals über Gott oder Götter gehört oder gelesen habe, hat in mir den Verdacht hervorgerufen, dass sie vielmehr für etwas stehen, was man nicht anders zu bezeichnen wusste. Niemand und nichts konnte mich bisher davon überzeugen, dass jemals ein Gott mit verständlicher Stimme zu einem Menschen sprach und ihm seinen Willen mitteilte.

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Auf diesen drei Ebenen begegnet also der Mensch etwas Heiligem, wodurch in ihm drei elementare Fragen aufkommen:

1. Was ist Geist?

2. Was ist Leben?

3. Wer oder was hat den Raum mit seiner Ordnung geschaffen?

Diese drei Fragen möchte ich die Urfragen nennen, denn sie beschäftigen den Menschen, seitdem er auf der Erde wandelt. Eine Volksgemeinschaft, die auf diese Urfragen keine Antwort geben kann, hat keine Zukunft. Dies führen mir vor allem die Unzulänglichkeiten der materialistischen Gesellschaftsordnungen vor Augen. Wer immer eine Volksgemeinschaft mit Lebensdauer geschaffen hat, tat dies auf dem Fundament der Beantwortung dieser drei Fragen.

IGNATIUS VON MANRESA

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