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WENN KINDER FERNSEHEN
ОглавлениеAuf dem Pausenhof der Grundschule schwatzten wir Schüler eher über Serien, die eigentlich für Erwachsene gemacht waren: DAKTARI, BONANZA und RAUMSCHIFF ENTERPRISE. Nachmittags, auf den Wiesen zwischen den Wohnhäusern unserer Siedlung, spielten die Nachbarskinder und wir die Abenteuer der Serienfiguren nach: Wir fantasierten uns in die afrikanische Wildnis, in staubige Westernstädte oder ins Weltall, weit weg von Schule und Alltag.
Im Gegensatz dazu weckten die Abenteuer des Spatzen keine Sehnsucht – eher die Überlegung, ob man eines Tages lieber Briefzusteller, Meteorologe oder Kameramann werden wollte.
Der Spatz machte mit seiner näselnden Stimme zu allem Bemerkungen, passende und unpassende, sprach aus, was er dachte, war oft ironisch.
In allen Fernsehserien hatten die Hauptfiguren so unverkennbare Stimmen, dass man wusste, wer sprach – auch wenn man die Figur nur hörte und nicht sah. Das lag einerseits an deren Sprechweise – wie bei Mister Spock, dem ersten Offizier im RAUMSCHIFF ENTERPRISE, in dessen Sätzen sich immer eine Art Skepsis andeutete – oder es lag am Klang, wie bei dem weißhaarigen Rancher Ben Cartwright, dessen rauchiger Bass tönte wie ein grob gezahntes Sägeblatt, das einen großen hohlen Holzschrank zersägt.
Die Stimmen der Kommentatoren von Nachrichtenfilmen oder Magazinbeiträgen sprachen wie gedruckt und so gleichgültig, als wären sie unbeteiligt an dem Film, den die Zuschauer sahen.
Als ich in der vierten Klasse war, tauchten im Programm die SACH- UND LACHGESCHICHTEN FÜR FERNSEHANFÄNGER auf. Diese Sachgeschichten zeigten zum Beispiel, wie ein Löffel hergestellt wurde. Ganz trocken, Arbeitsschritt für Arbeitsschritt. Ohne Kommentar. Nur Filmaufnahmen und ein paar Töne Musik. Diese kurzen Filme waren, als stünden sie mit dem Rücken zum übrigen Programm. In diesen Sachgeschichten gab es keine Handpuppen oder Marionetten. Diese Filme stießen einen mit der Nase auf die nächste Umgebung: auf Brötchen, Löffel, Schuhe …
Sie stellten Dinge in den Mittelpunkt. Wenn man Menschen sah, dann hatten sie mit der Herstellung oder Nutzung dieser Dinge zu tun.
Später gab es Filme, in denen eine helle und klare männliche Stimme Gegenstände benannte, die im Bild zu sehen waren. Nur Stichworte und Begriffe, höchstens einzelne Sätze. Wie Bildunterschriften in der Zeitung.
Manche Filme zeigten, wie Kinder sich im Straßenverkehr verhalten sollen. Nur am Ende sagte der Sprecher etwas:
«Kinder sitzen im Auto hinten. Dann werden sie nämlich beim Bremsen von der Sitzlehne aufgefangen.»
Anschnallgurte im Auto waren damals noch nicht üblich.